Inhalt
Einleitung
AHNEN
URLEICA
LEICA
I
Compur-
LEICA
LEICA II
Standard-
LEICA
LEICA
III,
IIIa IIIb,
IIIc,
IIId etc.
LEICA
IIIf
LEICA IIIg
LEICA M2
LEICA
M3
LEICA M1
LEICA
M4
LEICA
M5
LEICA
M6
LEICA
M7
Ausklang
1931
mit
der LEICA
fotogra-
fieren
Bedienung
einer Schraub-
LEICA
Kauf
einer
gebrauch-
ten LEICA?
Literatur
Hochmut vor dem Fall |
Hochmut vor dem Fall
Viele
Ursachen, sagt man, gibt es für den Niedergang der deutschen
Kameraindustrie nach dem 2. Weltkrieg. Wer will, kann sich aussuchen:
- Freigabe deutscher
Patente durch die Alliierten,
- Demontage deutscher
Kamerafabriken durch die Sowjets und deren Neuaufbau in der damaligen
UdSSR,
- schamloser Nachbau
deutscher Kameras durch die Japaner ab den 30er-Jahren,
- mangelnde Weitsicht,
- fehlendes
Verständnis der Kundenwünsche,
- unterlassene
Umstellung auf sinnvolle Serienproduktion infolge Kapitalmangel,
- Schicksal.
Diese
Liste ließe sich noch beträchtlich verlängern. Je nach Firma treffen
einige oder mehrere Faktoren zu. In anderen Fällen fehlte einfach die
Zielstrebigkeit und Weitsicht zur Durchsetzung einer an sich
überzeugenden Idee: da produziert die Fa. Steinheil in München in den
50er-Jahren eine herausragende Kamera in kleiner Serie, die Casca - und
lässt es nach ca. 2000 Kameras bleiben, weil die Firma Leitz mit einer
Patentverletzungsklage droht (Schlitzverschluss angeblich kopiert).
Manchmal produziert eine Firma, die im Fotobereich hauptsächlich
Elektronenblitzgeräte erzeugt, plötzlich eine Spiegelreflexkamera -
und erleidet Schiffbruch: Metz mit der Mecaflex. Was haben sich die
Leute damals eigentlich gedacht, wenn sie neue Produkte mit viel Aufwand
auf den Markt brachten?
Seltsam
auch, dass ein ganzer Industriezweig eingeht, obgleich bloß drei
deutsche Kameras in nennenswertem Ausmaß von den Japanern kopiert
wurden: die Rolleiflex, die Schraubleicas, vor allem die Leica III und -
praktisch ausschließlich von Nikon, aber auch das lediglich in Teilbereichen - die Contax.
Wer
heute Bücher und Zeitschriften aus der Zeit ab 1950 liest, findet noch
eine weitere Ursache: Hochmut, simpel Hochmut. Dafür einige Beispiele:
Der Mist aus Japan
Da
schreibt das Photo-Magazin 1953, seit etwa zwei Jahren werde vor allem
in den USA über neue, ganz vorzügliche Objektive aus Japan ein
ziemlicher Wirbel gemacht. Ja, man scheue nicht vor der Bezeichnung „Wunderlinsen"
zurück. Vor einiger Zeit habe die Firma Voigtländer nun die neuen
japanischen Objektive getestet. Nun wird wortwörtlich ein Bericht in
der „Voigtländer Post", der Werkszeitung von Voigtländer,
zitiert:
„Wir
haben die japanischen Objektive unseren Herren Dr. Tronnier und Eggert
anvertraut, die sie genau kontrolliert und geprüft haben. .... Hier das
Ergebnis der strengen und fachgerechten Prüfung:
Das
Nikkor hat nicht die angegebene Lichtstärke 1:1,4, sondern nur 1:1,5.
Es ist eine Nachahmung der älteren Sonnare 1,5 der Entwicklungsstufe
von 1936, bei welcher die seit dieser Zeit an den Sonnaren angebrachten
Verbesserungen nicht enthalten sind. Die Farbkorrektur des Nikkor ist
durchaus ungenügend. Das Auflösungsvermögen des Objektivs ist in der
Mitte gut, fällt nach dem Rand stark ab, so daß in keiner Richtung
eine ausgesprochene Schärfe vorliegt. Die Kontrastleistung des
Objektivs ist sehr gering. Die Leistungen dieses Objektivs nach
Auflösungsvermögen, Tonreichtum und Farbkorrektion sind in keiner
Weise ausreichend, um es als einen modernen Hochleistungs-Anastigmaten
zu kennzeichnen. Mechanische Leistung durchweg gut, Fassung
diamantgedreht.
Beim
Serenar 1,9 stimmte die Lichtstärke des Objektivs, welches nur eine
geringfügig abgewandelte Nachahmung des Summitars 1:2 der Firma Leitz
ist. Die Bildmitte ist jedoch schlechter als beim Summitar, die
Farbkorrektion entspricht im wesentlichen dem Vorbild. Die gesamte
Bildleistung des Summitars jedoch ist von der japanischen Nachahmung in
keiner Weise erreicht worden, so daß das „Serenar" ebenfalls
nicht zu den modernen lichtstarkcn Hochleistungsobjektiven gerechnet
werden kann. Schließlich ergab die Prüfung noch, daß die mechanische
Ausführung des japanischen Objektivs weitgehende Übereinstimmung mit
seinem Vorbild zeigt, ohne dessen Exaktheit in vollem Umfang zu
erreichen."
Und so
geht es weiter. Denn unübertrefflich ist die Qualität der eigenen
Produkte, man muß es nur den Käufern regelmäßig einhämmern.
Vielleicht glauben sie´s!
Tja,
wie das Leben so spielt. 1953 war Voigtländer eine große und
angesehene Firma. Aber seltsam, die geradezu unübertrefflichen
Objektive von Voigtländer werden schon lange nicht mehr erzeugt, die
ganze Firma und vor und nach ihr praktisch die ganze deutsche
Kameraindustrie ist eingegangen und durchgesetzt hat sich der Mist aus
Japan, bei dem nicht einmal die Objektivdaten stimmen ...... Haben Sie
gemerkt, dass Sie eigentlich mit Mist fotografieren? Nein?
Statt
sich zufrieden zurückzulehnen, wäre es vielleicht für die Leute in
den damaligen
Chefetagen ganz nützlich
gewesen , die Entwicklung in Japan aufmerksam
mitzuverfolgen und vor allem entsprechend zu reagieren.
Wie sich die
Meinungen ändern
„Vor
rund 30 Jahren galt ein Photoobjektiv der Lichtstärke 1:3,5 als
lichtstark, selbst unter Leuten vom Bau. Es soll damals gar nicht so
einfach gewesen sein, noch lichtstärkere Objektive nicht nur zu
errechnen, sondern ihre Herstellung auch durchzusetzen, weil auch
versierte Fachleute noch „größere" Objektive als 3,5 für
überflüssig hielten. Nun, schon wenige Jahre später, 1932, stellte
das Sonnar 1,5/5 cm einen neuen Rekord auf. Objektive noch größerer
Öffnung wurden zwar von der deutschen Industrie schon in den
40er-Jahren gefertigt, z. B. R-Sonnare und R-Biotare mit
Öffnungsverhältnissen bis zu 1: 0,85, doch dienten sie nicht
allgemeinen fotografischen Zwecken, sondern für Spezialaufgaben:
Röntgen-Schirmbildaufnahmen. Dies ist selbstverständlich bei ihrer
Korrektur berücksichtigt; diese Spezialobjektive lassen sich in der
allgemeinen Photopraxis nicht ohne weiteres verwenden.
So
ist es sachlich nicht richtig, wenn jüngst westdeutsche Zeitungen von
einem neuen japanischen Photoobjektiv 1:1,1 als dem „lichtstärksten
der Welt" berichteten. Es hieß da, die japanische Firma Teikoku
Optical Co. habe die Serienfabrikation zweier Objektivtypen der „bisher
unerreichten Lichtstärke 1:1,1" aufgenommen. Die
Typenbezeichnungen sind Zuno bzw. Zunow, auf deutsch „Hirn".
Errechnet wurden beide Objektive in elfjähriger Arbeit (laut
NACHRICHTEN FÜR AUSSENHANDEL, Köln) von Sakuta Suzuki und Nichisaburo
Hamano. Ersterer ist der Leiter des Unternehmens. Die Produktion des
einen Objektivs (für Schmalfilm) sei angelaufen, heißt es weiter,
die Herstellung des 5-cm-Objektivs für Kleinkameras soll demnächst im
Umfang von 500 Exemplaren pro Monat aufgenommen werden.
Eine andere Frage ist, ob höhere Lichtstärke als 1:1,5
bei unseren heute üblichen Aufnahmeformaten — vom oben genannten
Spezialzweck abgesehen — wegen der minimalen Schärfentiefe überhaupt
praktischen Sinn hat, von „ökonomischen" Gesichtspunkten ganz
abgesehen..." – Zitat aus Photo-Magazin, Juli 1953.
Im Übrigen: Auch Leitz beteiligte sich während des 2.
Weltkriegs mit einem entsprechenden Objektiv, aber nicht bloß für
Röntgenaufnahmen, sondern für die Nutzung durch wem anderen.
Wahr
ist, dass das Zunow nicht das einzige derartige Objektiv geblieben ist,
das die japanische Kameraindustrie ab den 50er-Jahren auf den Markt
brachte. Jeder Objektivproduzent wollte mithalten. Einen schönen
Überblick über diese Objektive gibt Stephen Gandy auf seiner überaus
interessanten
Site.
Die
deutschen Produzenten blieben abseits. Kommentare wie der oben
wiedergegebene finden sich häufig. Das änderte sich allerdings sehr
schnell, als Leitz ein eigenes Objektiv vergleichbarer Lichtstärke auf
den Markt brachte, das Noctilux 1 : 1,2/50mm mit asphärischen Linsen
und danach das einfacher aufgebaute Noctilux 1/50 mm, beide für die
Leica M.
Erst
die Leica mit dem Noctilux 1: 1,0 und einem höchstempfindlichen Film
mache den Fotografen unabhängig und vor allem auch gesellschaftsfähig
(Blitzen ist zwar nur selten verboten, aber oft eine nicht zu
rechtfertigende Belästigung). Die Voraussetzungen für die Fotografie
bei verfügbarem Licht hätten sich erheblich verbessert. Da sei zuerst
das Noctilux 1 :1,0/50 mm zu nennen, das schon bei voller Öffnung sehr
brillante, scharfe und reflexarme Bilder liefert. 27
DIN-Schwarzweißfilme überraschen durch hervorragende Eigenschaften.
Das
Leitz Noctilux 1: 1,0/50 mm sei z. Z. das lichtstärkste Fotoobjektiv
(vom o. g. Objektiv 1: 0,95 trennt es ein enormer Leistungsunterschied
und 1/6 Blendenstufe in der Größtöffnung, falls diese überhaupt voll
und ganz auf dem Film ankam). Neue optische Gläser sowie moderne
Rechen- und Fertigungsmethoden machten es möglich, auf die in mancher
Hinsicht problematischen asphärischen Linsenflächen zu verzichten und
gleichzeitig gegenüber dem seit 1966 lieferbar gewesenen Noctilux 1: 1,2/50 mm
die Bildleistung und Lichtstärke zu steigern. Das ab 1976 erhältliche
Noctilux 1:1,0/50 mm sei, unter anderem durch den Wegfall der Asphären,
ein echtes Universalobjektiv geworden. Es leiste, entsprechend
abgeblendet, das gleiche wie ein Summicron 1: 2/50 mm. Und das
Gewichtsargument zähle ebenfalls nicht: Die Leica M 4-2 (für die es
neuerdings sogar einen Winder gebe) mit dem Noctilux 1: 1,0/50 mm wiege
nicht mehr als irgendeine Kleinbild-Spiegelreflexkamera mit einem
Objektiv 1: 1,4 oder 1: 2.
So hieß
es dann, nachdem Leitz auf der Photokina 1966 das Noctilux 1,2/50
mm vorgestellt hatte und nach einigen Jahren anstatt des sündteuren
Objektivs mit asphärischen Linsenflächen eine viel größere, dafür
weniger verlustreich herstellbare neue Auflage mit den Daten 1/50 mm lieferbar war. Wie sich doch die Meinungen
ändern!.
Noch
heute ist das Noctilux das einzige Objektiv für Sucherkameras mit den optischen Daten 1/50
mm (für die EOS-AF SLRs von Canon gibt es ein EF 50 mm 1/1.0 L USM, von
Nikon nur ein AF-Nikkor 1,2/50 mm). Das Noctilux ist auch heute
noch lieferbar. Und keiner redet mehr von der
mangelnden Tauglichkeit von Blende 0,85, 1,1, 1,2 oder eben 1 für bildmäßige Aufnahmen; das war nur
solange ein Thema, solange kein deutscher Fabrikant ein gleichartiges
Produkt vorweisen konnten.
Seit seiner Einführung ist das Noctilux
nicht wesentlich verbessert worden und damit auf dem Entwicklungsstand 1976. Ein
überzeugter Verteidiger der Qualität von Leica-Objektiven, Erwin Puts,
nennt seine Abbildungsleistung bei größter Öffnung „impressionistisch".
Also, eine schlimmstenfalls impressionistische Abbildungsleistung hatten
die Japaner, wie gesagt, schon 15 Jahre früher erreicht. Und was den im
Artikel extra hervorgehobenen Winder betrifft, zur Nikon SP gab es schon 1959 einen
echten Motor und jetzt sage keiner, die LEICA M 4 sei ja erst seit 1964
angeboten worden – die LEICA M 3 aber schon seit 1954, müsste ich
dann entgegenhalten
Auf ewig
unübertrefflich
„Es ist nicht
möglich, der deutschen Photoindustrie den Rang abzulaufen. Deutsche
Kameras werden auf allen Märkten der Welt immer in vorderster Reihe
stehen. Und auch die deutschen Elektronenblitzgeräte, in deren
Entwicklung viel geleistet wurde, führen überall dort, wo es sich
Menschen leisten können, die Schönheit und das pulsierende Leben
dieser Erde auf Film und Platte zu bannen", konnte noch 1957
ein führender Manager einer führenden deutschen Elektronikfirma
unwidersprochen von sich geben, als er ein wenig erschöpft von einem
38-Tage-Weltflug zurückkehrte.
Aber
es kommt noch besser:
„Japan
wird nach der Theorie der Handvoll Reis bald nicht mehr das billige
Geschäft machen können. Das Dumping, auch auf dem Photosektor, wird
also vermutlich in absehbarer Zeit aufhören, weil der japanische
Arbeiter nach westlichem Standard leben will", war seine
Ansicht über die sich anbahnende Entwicklung.
Selten wird einem mit so
wenigen Worten vorgeführt, dass Hochmut vor dem Fall kommt.
Selbst auf ihrem speziellen Geschäftsgebiet
führt heute die Firma, deren
Manager solch überzeugende Weitsicht bewiesen hat, nur mehr ein
Nischendasein. Die geschmähten Japaner haben auf diesem Gebiet
durch spezielle elektronische Schaltungen die deutsche Konkurrenz auf
dem Massenmarkt wirksam ausgeschaltet.
Solche
Beispiele könnte man bei Lust und Laune hundertfach aufzählen. Lassen
wir es sein. Es ist nicht lustig, mitzuerleben, wie ein ganzer
Industriezweig Hals über Kopf in eine Sackgasse rennt. Man soll über
die damals Verantwortlichen nicht Häme ausschütten, man soll aber aus
ihren Fehlern lernen; vor allem soll man sich niemals aus Hochmut auf
den eigenen Lorbeeren ausruhen und sagen: es ist genug.
Es ist
niemals genug.
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