Servicezeit: Familie - 5. April 2006: Die geplante Auflösung der Grundschulbezirke
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Umstritten: Die geplante Auflösung der Grundschulbezirke

Von Jerry Sommer

Mehr Deutschkenntnisse, bessere Integration: Es gibt kaum einen Politiker, der diese Forderungen mit Blick auf Kinder von Zuwanderern zurzeit nicht erhebt. Aber: Im letzte Woche vorgelegten Entwurf der Landesregierung für ein neues Schulgesetz sind Regelungen enthalten, die eine Integration von deutschen und Kindern mit einem Migrationshintergrund noch schwieriger machen werden. Denn: Die Landesregierung will die Schuleingangsbezirke für die Grundschulen auflösen. Das heißt: Die Eltern können wählen, auf welche Grundschule sie ihr Kind schicken wollen. Bisher wurde das Kind je nach Wohnort einer bestimmten Schule zugeteilt.

Kinder verschiedener Nationalitäten auf dem Pausenhof; Rechte WDR (TV-Bild)Peter Jakobi ist seit 19 Jahren Leiter der Grundschule „Am Köhnen“ in Düsseldorf-Hassels. 80 Prozent seiner Schülerinnen und Schüler haben Eltern, die zugewandert sind. Das Kollegium und er bemühen sich so gut sie können, sprachliche Defizite bei ihren Schützlingen auszugleichen. Doch durch die geplante Auflösung der Schulbezirke für Grundschulen befürchtet Jakobi negative Folgen gerade für Migrantenkinder. Denn vor allem deutsche Kinder, aber auch Migrantenkinder aus bildungsnahen Familien würden seiner Schule den Rücken kehren. Die Folge: „Schwächere Schüler brauchen starke Schüler, die die schwächeren Schüler weiterbringen. Wenn wir dann nur noch mit schwächeren Schülern zu tun hätten, hätte das natürlich erhebliche Auswirkungen auf das Weiterkommen und Lernen der Kinder“.

Auch die Elternvertreter sprechen sich gegen die geplante Auflösung der Grundschulbezirke aus. Zum Beispiel Zoricca Marinkovic, Serbin mit deutschem Pass und Elternsprecherin der Klasse 3 a: „Ich denke, dass die Regelung diese Schule besonders treffen würde, weil hier sehr viele Ausländer sind. Dadurch würden sich die deutschen Kinder zum nächsten Schuljahr einfach hier nicht mehr anmelden. Natürlich ist das schlecht für unsere Kinder, die hier sind, weil die dann nur unter sich bleiben – ohne Kontakt zu deutschen Kindern.“ Sie ist mit der Schule sehr zufrieden, ihr Sohn kommt gut mit, ihre Tochter war ebenfalls auf der Schule und besucht inzwischen erfolgreich die siebte Klasse eines Gymnasiums.

Auch der Städtetag Nordrhein-Westfalen hat das Land aufgefordert, seine Pläne zur Abschaffung der Schulbezirke zu korrigieren. Im Städtetag stimmten zahlreiche von der CDU geführte Städte dieser Aufforderung zu. Der Geschäftsführer des NRW-Städtetages Dr. Stephan Articus hierzu: „Das Land darf die Abschaffung der Schulbezirke nicht einseitig vorgeben. Die Städte sollten im Rahmen ihrer Selbstverwaltung entscheiden können, ob Schulbezirke oder Schuleinzugsbereiche gebildet werden sollen und wie sie zugeschnitten werden. Nur so können wohnungsnahe Schulangebote erhalten und die Gefahr vermieden werden, dass sich Kinder aus sozial schwierigem Milieu oder mit Migrationshintergrund an bestimmten Schulen konzentrieren.“

Kritik äußerten auch die politische Opposition im Landtag, die Gewerkschaften, Lehrerverbände und einige Elternvertretungen. Die Auflösung der Schulbezirke würde es für Städte und Gemeinden erschweren, eine korrekte Schulplanung zu betreiben. Sie würde Eltern, die es sich leisten könnten, zum „Schultourismus“ animieren und eine wohnortnahe Integration der Schülerinnen und Schüler behindern, so die Kritik.

Negative Folgen könnte die freie Schulwahl auch für Schulen in wohlhabenderen Wohnvierteln haben. Zum Beispiel in der Grundschule „Südallee“ im Düsseldorfer Stadtteil Benrath. Dort sind gegenwärtig nur 20 Prozent der Kinder aus Zuwandererfamilien. Doch auch hier lehnt der Schulleiter Richard Schmitz die geplante neue Regelung ab: „Ich vermute, dass ein größerer Zulauf geschehen wird, weil wir relativ gut aufgestellt sind. Ich sehe aber auch negative Aspekte. Wir haben eine Bandbreite von 18 bis 30 Kindern und bei einer freien Schulwahl muss ich ja sehen, das die Klassen eventuell auch bis 30 aufgefüllt werden.“

Peter Jakobi umringt von Grundschülern und -schülerinnen; Rechte WDR (TV-Bild) Statt einer Auflösung der Schulbezirke fordert Schulleiter Jakobi von der Schule „Am Köhnen“ im sozialen Brennpunkt Hassels ganz andere Maßnahmen:

  • Die Ganztagsschule müsste in solchen Schulen für alle Kinder verpflichtend werden; sie dürfte auch nicht wie bisher etwas kosten, weil vielen Eltern das Geld dafür nicht zur Verfügung steht.
  • Damit einhergehend müsste das Lehrpersonal aufgestockt werden, um Lerndefizite bei den Schülern am Nachmittag aufarbeiten zu können.
  • Ausdehnung der Grundschulzeit auf mindestens sechs Jahre, um mehr Zeit zu haben, sprachliche Mängel mancher Schüler auszugleichen.

Die Landesregierung will den Gesetzentwurf noch vor der Sommerpause verabschieden. Peter Jakobi hofft, dass die Auflösung der Schulbezirke doch noch aus dem Schulgesetzentwurf gestrichen wird.


Links:

WDR Schulgesetz auf dem Prüfstand – NRW-Schulministerin Sommer stellte Regierungsentwurf vor

(wdr.de vom 29. März 2006)


WDR Freie Grundschulwahl in der Kritik

(wdr.de vom 11. Januar 2006)


WDR Brennpunkt Schule

(wdr.de-Dossier mit Beiträgen rund um die Themen Bildungspolitik und Schule)


WWW www.vbe-nrw.de

(Verband Bildung und Erziehung (VBE), Landesverband NRW)


WWW www.gew-nrw.de

(Bildungsgewerkschaft NRW)


WWW www.bildungsportal.nrw.de

(aktuelle Informationen zum Themenkreis „Bildung“, zur Verfügung gestellt vom Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen)



Dieser Text gibt den Inhalt des Beitrags der Servicezeit: Familie vom 5. April 2006 wieder. Eventuelle spätere Veränderungen des Sachverhaltes sind nicht berücksichtigt.

– Alle Angaben ohne Gewähr –

 

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