Gedenktage

Schäßburg / Siebenbürgen 18.2.1855

Marie Stritt

(* 18. Februar 1855 in Schäßburg in der Region Siebenbürgen, Rumänien, Δ 16. September 1928 in Dresden) Marie Stritt, geborene Bacon, zählt zu den bekanntesten und wichtigsten Persönlichkeiten der historischen Frauenbewegung. In einflussreichen Positionen tätig, prägte sie die Entwicklung des Bundes Deutscher Frauenvereine im deutschen Kaiserreich maßgeblich mit.
Marie Stritts Vita ist durch vielfach ungewöhnliche, eigenwillige Wege gekennzeichnet. Im wohlhabenden bildungsbürgerlichen Milieu der siebenbürgischen Kleinstadt Schäßburg aufgewachsen, erhielt sie eine für Mädchen in dieser Zeit überdurchschnittlich gründliche schulische Ausbildung. Anschließend besuchte sie - für eine junge bürgerliche Frau ebenfalls keine alltägliche Berufswahl - die Wiener Schauspielschule. Allerdings arbeitete sie nur kurze Zeit in ihrem Beruf. Während ihres ersten Engagements am Großherzoglichen Hoftheater in Karlsruhe lernte sie ihren späteren Mann, den Opernsänger Albert Stritt kennen. Nach der Geburt ihrer beiden gemeinsamen Kinder führte Stritt zunächst in erster Linie das Leben einer Ehefrau und Mutter. Im Jahr 1890 kam das Paar nach Dresden.

Kontakt zur Frauenbewegung fand Marie Stritt durch ihre Mutter. Diese nahm sie 1890 zur Feier des 25jährigen Bestehens des Allgemeinen deutschen Frauenvereines nach Leipzig mit und stellte sie dort den führenden Vertreterinnen der Frauenbewegung vor.

In der Folge widmete sich Marie Stritt dem Aufbau lokaler Frauenorganisationen in Dresden. 1894 gründete sie den ersten Rechtsschutzverein für Frauen in Dresden. Seit 1896 war Marie Stritt Mitglied im geschäftsführenden Vorstand des Bundes deutscher Frauenvereine und maßgeblich beteiligt an der Mobilisierung des "Frauenlandsturms" gegen den Entwurf des Bürgerlichen Gesetzbuches. Drei Jahre später wurde sie zur ersten Vorsitzenden des Bundes gewählt. Gleichzeitig übernahm sie die Herausgabe des Bundesorgans Centralblatt/Die Frauenfrage und konnte auf dieser Grundlage den Kurs des BDF ein gutes Jahrzehnt lang maßgeblich mitprägen. 1910 wurde sie auf Betreiben einer konservativen Mehrheit abgelöst. Den Grund bildete das Engagement vom Marie Stritt im 1905 von Helene Stöcker gegründeten Bund für Mutterschutz, der sich nicht nur für ledige Mütter einsetzte, sondern eine umfassende Sexualreform und das Recht auf Abtreibung forderte. Diese Positionen waren in der bürgerlichen Frauenbewegung nicht mehrheitsfähig.

Im politischen Wirken von Marie Stritt liefen unterschiedliche Traditionslinien der organisierten bürgerlichen Frauenbewegung zusammen. Stritt stand sowohl dem kleinen Kreis kompromissloser Stimmrechtsaktivistinnen und Sexualreformerinnen nahe, der damals wie heute häufig als 'radikal' bezeichnet wird. Beeinflusst war sie aber auch von der als 'gemäßigt' etikettierten Majorität im BDF. Sie lehnte das Denken in vereinfachenden, polarisierenden Kategorien ab und bemühte sich vor allem in ihrer Funktion als Vorsitzende des BDF von 1899 bis 1910 um Vermittlung zwischen den konkurrierenden Frauenkreisen. Zu einer Zeit, in der sich die Frauenvereinsbewegung immer stärker ausdifferenzierte und politisierte, agierte Stritt an der Schnittstelle der verschiedenen treibenden Kräfte. 1911 übernahm sie den Vorsitz des Deutschen Verbandes für Frauenstimmrecht, seit 1913 arbeitete sie im Vorstand seines internationalen Dachverbandes, des Weltbundes für Frauenstimmrecht. Als das Frauenstimmrecht in Deutschland mit der Novemberrevolution 1918 Realität wurde, hatte Stritt die Blütezeit ihres politischen Schaffens allerdings bereits überschritten. Ihre Kandidatur für die DDP bei den Wahlen zur Nationalversammlung 1919 blieb erfolglos. Als Parteipolitikerin konnte sie nur drei Jahre lang, von 1919 bis 1922, als Dresdner Stadträtin agieren. Im Jahr 1920 war sie Delegierte der Reichsregierung auf dem Internationalen Kongress in Genf, 1919 Mitglied des erweiterten Bundesvorstandes des Bundes Deutscher Frauenvereine, 1925 Vorsitzende des Stadtbundes Dresdner Frauenvereine.

1921 stellte sie schließlich auch die Herausgabe der Frauenfrage ein. Ihre letzten Lebensjahre verbrachte Stritt zurückgezogen vom politischen Leben. Sie starb am 16. September 1928 an einem Herzschlag. Marie Stritt war Monistin, entsprechend wählte sie die Feuerbestattung, ihre Urne wurde in ihrem Geburtsort beigesetzt.