Illegitimer Sohn des neustrischen Hausmeiers Grimoald
II. aus dem Hause der ARNULFINGER
Lexikon des Mittelalters: Band VIII Spalte 688
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Theudoald, fränkischer Hausmeier
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† nach 715
Nach der Ermordung des Hausmeiers Grimoald (April 714) berief sein schon todkranker Vater Pippin der Mittlere unter dem Einfluß seiner Gattin Plektrud dessen unehelichen Sohn Theudoald zum Nachfolger. Nach Pippins Tod (16. Dezember 714) besiegten neustrische Empörer die Austrasier in blutiger Schlacht bei Compiegne (26. September 715); anstelle des geflohenen Theudoald erhoben sie einen der Ihren, Raganfrid, zum neuen Hausmeier. Ob Theudoald nach den Metzer Annalen „wenig später sein unschuldiges Leben beendete“ (so die bisherige Forschung) oder 723 noch lebte (Zeugenunterschrift) und gar mit dem ‚Thedald‘ der Lorscher Annalen († 741: MGH SS I, 24) identisch ist (Collins), muß offenbleiben.
Quellen:
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Cont. Fredeg. 6-8 - Lib. Hist. Fr. 49-51 (MGH SRM II)
- Ann. Mett. Priores (MGH SRG 10)
Literatur:
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R. Schieffer, Die Karolinger, 1992,32-38
Karlmann setzte Grifo in Chevremont gefangen und wies Swanahild ins Kloster Chelles ein. Während er so im Kernraum der karolingischen Macht die angestrebte Ordnung wiederherstellte und vielleicht in diesem Operationsrahmen Theodoald, den einst von Pippin dem Mittleren als Nachfolger berufenen Hausmeier, als lästigen Mitbewerber beseitigte [179 Annales Petaviani ad a. 741, MGH SS 1, Seite 11 und Annales Alamannici ad a. 741, hg. von Lendi (wie Anm. 15), Seite 150: ..et Theod(o)aldus interfectus est. Dazu Collins, Deception (wie Anm. 121), Seite 230-235. Oder sollte Theodoald gar der von Bonifatius 741/42 einmal erwähnte avunculus ducis Francorum gewesen sein? Dann freilich wäre er gegen den Willen des Hausmeiers getötet worden; vgl. MGH Ep. sel. 1, Seite 180-186 Nr 50.], zog sein Bruder Pippin mit seinem Onkel Childebrand ins nördliche Burgund, wohl um einer etwaigen Installation Grifos und seiner Partei zuvorzukommen.
Schieffer Rudolf: Seite 33,36
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"Die Karolinger"
Um die Konkurrenz der Halbbrüder abzuwehren, griff
man auch jetzt nicht auf die Söhne Drogos
zurück, sondern faßte den raschen Entschluß, Grimoalds
Sohn
Theudoald zum neuen Hausmeier zu
machen, der in einem Teil der Quellen, jedoch wohl in polemischer Absicht,
als minderjährig bezeichnet wird und jedenfalls den Makel hatte, seinerseits
nicht ehelichen Ursprungs zu sein.
Tatsächlich lagen um die Jahreswende
714/15 die Machtmittel und die politische Initiative zunächst bei
Plektrud.
Sie ließ den Stiefsohn Karl
in Gewahrsam nehmen und leitetete unter Berufung auf Pippins letzten
Willen eine Herrschaftsordnung in die Wege, nach der ihr Enkel Theudoald
als
Hausmeier König
Dagoberts
III. vorwiegend in Neustrien
und sein Vetter Arnulf,
einer der Söhne Drogos, mit dem Titel
eines dux in Austrasien fungieren
sollten, ihr selbst aber von Köln aus, wo sie sich niederließ,
die höchste Autorität verblieb. Die alten Gräben zwischen
West und Ost wurden wieder aufgerissen, und schon binnen Jahresfrist kam
es am 26.9.715 bei Compiegne zu einem blutigen Zusammenstoß, bei
dem Theudoald den kürzeren zog und die Nesutrier erstmals seit
Tertry (687) die Oberhand in der Francia gewannen. Sie bemächtigten
sich des Königs Dagobert
und brachten ihn dazu, einen der Ihren, den nördlich von Paris begüterten
Raganfrid, zum Hausmeier zu machen an Stelle des geflohenen Theudoald,
der bald nach seiner Niederlage umgekommen zu sein scheint.
Dahn Felix: Seite 513,518
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"Die Franken"
Nach der Ermordung Grimoalds
hatten Pippin und
Plektrud keinen Sohn mehr: nur von Aphaid
den etwa 23-jährigen Karl;
Grimoald hatte von einer
Buhle einen etwa 6-jährigen [3 Theudoald
ist nach den
Gesta Francorum geboren im Todesjahr Drogos, also 708 auch
Fredegar cont. nennt ihn c. 14: "infantulus". Bonell Seite 140 schätzt
ihn ohne Grund auf 25 Jahre - so alt ungefähr war vielmehr
Karl.
Sie "Söhne - in der Mehrzahl - Grimoalds" in der Urkunde vom
21. März 714 sind wohl Theudoald und - noch zu erwartende eheliche
von der Friesenfürstin.] Knaben
Theudoald hinterlassen. Es
wurde nun von verderblicher Wirkung, daß der sterbende Greis dieses
Kind unter Mundschaft Plektrudens zum Major domus bestellte.
Jetzt wurde zum Major domus bestellt
- ein Kind, noch um die Hälfte als der knabenhafte König; für
beide sollte herrschen - ein Weib! - Rechtszwang hierfür bestand durchaus
nicht: nach fränkischen Recht entschied sogar bei den Königen
nur die Abstammung vom königlichen Vater: bei den Majores domus konnte
um so weniger anderes gelten. Aber auch nach dem Rechte ging Karl vor;
er war um einen Grad näher verwandt und er war der Sohn eines Eheweibes,
war auch dieses Ehe kanonisch sehr bedenklich: Theudoald war um
einen Grad ferner und der Sohn einer Buhle. Diesem Theudoald hätten
aber, von Karl abgesehen, rechtlich und tatsächlich auch die
Söhne Drogos vorgehen müssen.
Auf Befehl Pippins - er
starb am 16. Dezember 714 - erhoben die Franken Theudoald, den etwa
sechsjährigen Sohn Grimoalds von einer Konkubine, im
Hof des Königs zu der Ehrenstellung seines Vaters. "Plektrud
regierte alles mit kluger Leitung mit ihren Enkeln und dem König."
Jetzt erhoben sich sofort die Neustrier
gegen den austrasischen Knaben und dessen Großmutter: sie riefen
einen der Ihrigen Ragin oder Raganfrid zum neustrischen
Major domus aus: es kam im Gotischen Walde (südöstlich
von Compiegne) zu einem blutigen Zusammenstoß. Die Örtlichkeit
zeigt, daß die Anhänger der Regentin den empörten Neustriern
in der Richtung auf Paris entgegengerückt waren. Und lehrreich ist
die Bezeichnung auf beiden Seiten: die Neustrier werden (nach einem schon
früher begegnenden Sprachgebrauch) "Franci" genannt - eben die späteren
"Franzosen" - auf Seite Theudoalds
stehen die "leudes Pippini
et Grimoaldi", das heißt die austrasischen jenen beiden
besonders ergebenen Scharen. Die Anhänger
Theudoalds
wurden
unter erheblichem Blutvergießen geschlagen; der Knabe selbst, den
sie ins Feld mitgenommen, kaum durch die Flucht gerettet [1 Die
Annal. Mett. zu 714 lassen Theudoald bald nach der Niederlage gestorben
sein; es ist aber doch wohl der Thiedold, Neffe Karls,
(oder des vorhergehenden Zeugen Adalhard?) der am 1. Janaur 722 noch am
Hofe
Karls zu Heristall urkundet, Pertz A. Nr. 11, ja vielleicht
auch, obwohl minder wahrscheinlich, der 741 ermordete Theodald
der Annal. Lauresh. Petav. Guelferb. (Mosellani: Theodolot). Hahn, Jahrb.
Seite 19. Im Jahre 715 erteilt er noch als Major domus König
Dagobert
den Rat St. Mandrille (unter Abt Benignus)
den vierten Teil des Waldes von Arlaun zu schenken. Gesta abb. Font. c.
6 1 c. p. 278)] . Der Bürgerkrieg wurde aufs heftigste fortgesetzt.
Literatur:
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Bauer Dieter R./Histand Rudolf/Kasten Brigitte/Lorenz
Sönke: Mönchtum - Kirche - Herrschaft 750-1000 Jan Thorbecke
Verlag Sigmaringen 1998 Seite 19 - Dahn Felix: Die Franken. Emil
Vollmer Verlag 1899 Seite 513,518 - Dahn Felix: Die Völkerwanderung.
Germanisch-Romanische Frühgeschichte Europas. Verlag Hans Kaiser Klagenfurt
1977, Seite 462,464,465 - Ennen, Edith: Frauen im Mittelalter. Verlag
C.H. Beck München 1994, Seite 56 - Ewig Eugen: Die Merowinger
und das Frankenreich. W. Kohlhammer GmbH Stuttgart Berlin Köln 1988,
Seite 201 - Hartmann Martina: Aufbruch ins Mittelalter. Die Zeit
der Merowinger. Primus Verlag 2003 Seite 84 - Hlawitschka Eduard:
Lotharingien und das Reich an der Schwelle der deutschen Geschichte. Anton
Hiersemann Stuttgart 1968, Seite 17 - Offergeld
Thilo: Reges pueri. Das Königtum Minderjähriger im frühen
Mittelalter. Hahnsche Buchhandlung Hannover 2001 Seite 301-303,307
- Riche Pierre: Die Karolinger. Eine Familie formt Europa. Deutscher
Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München 1991, Seite 51 - Schieffer
Rudolf: Die Karolinger. W. Kohlhammer GmbH Stuttgart Berlin Köln 1992,
Seite 33,36,38 - Schneider Reinhard: Königswahl und Königserhebung
im Frühmittelalter. Anton Hiersemann Stuttgart 1972, Seite 215 - Schwennicke
Detlev: Europäische Stammtafeln Neue Folge Band I. 1, Vittorio Klostermann
GmbH Frankfurt am Main 1998 Tafel 3 - Werner Matthias: Adelsfamilien
im Umkreis der frühen Karolinger. Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen
1982, Seite 265, 278 - Wies Ernst W.: Karl der Große. Kaiser
und Heiliger. Bechtle Verlag Esslingen 1986, Seite 30 -