Die romantische Ironie 

als Übergangsform von Hegel zu Nietzsche

 

 von Marc Rölli
 

 
  


 

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(c) Sic et Non - Forum for Philosophy and Culture (2000) - http://www.cogito.de/sicetnon/artikel/historie/ironie.htm

"Was man gewöhnlich Vernunft nennt, ist nur eine Gattung derselben; nämlich die dünne und wäßrige. Es gibt auch eine dicke feurige Vernunft, welche den Witz eigentlich zum Witz macht, und dem gediegenen Stil das Elastische gibt und das Elektrische." (1)

I. Zu Hegels Kritik der Romantik

Hegel stellt die Romantik, gemeint ist hier vor allem das frühromantische Treiben in Jena (1795-1800), unter Ironieverdacht. Im Zentrum seiner scharfen Kritik steht Friedrich Schlegel, Oberpriester des Athenäums und Erfinder der romantischen Ironie. (Ä1, 93, 95) Hegel richtet seinen Haß unverhüllt auf seinen kritischen Gegner, dem er die bösartige Mißachtung der Vernunft vorwirft. (2) Schlegel ist der eigentliche Feind, denn die ironische Haltung charakterisiert nach Hegel eine ausgebildete Form moderner Subjektivität, die radikal alle maßgeblichen Werte verwirft, die Entzweiung mit sich selbst rückhaltlos vorantreibt, ohne sich am Leitfaden der Idee an der Versöhnung zu orientieren. Die Ironie figuriert demnach als depravierte Zeitgestalt der Existenz, die sich nihilistisch in der Welt einrichtet und sich an Wesen und Würde des Menschen vergreift. (3) Im engeren Sinn bezeichnet das Konzept der Ironie die theoretische Grundlage einer Ästhetik, die sich nach Hegel in der Kunstform des subjektiven Humors praktisch realisiert: eine Behauptung, die noch genauer expliziert wird.

Nach Hegels Diktum entwickelt Friedrich Schlegel die romantische Ironie im Ausgang von Fichtes Wissenschaftslehre (1794), indem er dessen Kategorien in der Kunst zur Anwendung bringt. (4) (Ä1,93) Doch das Denken Fichtes besitzt nicht nur einen, sondern zwei Ausgänge. Schlegel "entreißt sich" der Philosophie Fichtes, während Schelling auf dem Weg zum objektiven Idealismus sie "überschreitet". (Ä1, 93) Es ist klar, daß die Entscheidung Schlegels - beispielsweise seine Ablehnung des Systemgedankens - für Hegel eine Abirrung darstellt, die eine letzte Zuspitzung der Selbstentfremdung des Geistes bedeutet. Die Ironie verabsolutiert die abstrakte Subjektivität, die Fichte als unhintergehbaren Grundsatz aller wissenschaftlichen Theorie aufgestellt hat. Die im Subjekt angelegte Negativität wird nun als ironische Genialität des empirischen Ich aufgefaßt, das sich nicht objektiv zu entäußern vermag. Hegel bespricht diese Zusammenhänge ziemlich gedrängt im Schlußabsatz der "historischen Deduktion des wahren Begriffs der Kunst" seiner Berliner Ästhetikvorlesungen. (Ä1, 93-99) Der Ichbegriff Fichtes bildet demzufoge die Folie, auf der sich die Ironie abhebt. Dieses formelle Ich zeichnet sich dadurch aus, daß es jeden beliebigen Inhalt nur als gesetzten hat, der also in ihm negiert ist.

"Dadurch ist alles Anundfürsichseiende nur ein Schein, nicht seiner selbst wegen und durch sich selbst wahrhaft und wirklich, sondern ein bloßes Scheinen durch das Ich, in dessen Gewalt und Willkür es zu freiem Schalten bleibt." (Ä1, 94)

Das ironische Ich kann sich nur realisieren, wenn es als tätiges Individuum gefaßt wird, das sich vornimmt, ästhetisch zu existieren. Zur Selbstdarstellung bedient es sich eigenwillig geistiger Gehalte, ohne sich in ihnen zu manifestieren: es setzt sich Masken auf, die sein innerstes Wesen verstellen. So wird der wahrhafte Ernst ironisch verspielt, indem die wesentlichen Bedeutungen zum nichtigen Schein depotenziert sind, hinter dem die setzende und auflösende Subjektivität undarstellbar durchschimmert. Die Ironie ist unfähig, über die Reflexion zu wahrhaft objektiver Substantialität vorzudringen. (5) In Abwandlung einer Bemerkung Hegels zum Gewissen läßt sich vielmehr sagen, daß sie nur sich selbst vergöttert, weil sie in ihrem Tun fein spöttisch alles destruiert, nur nicht sich selbst. (6) (PhdG, 481)

Die romantisch-ironische Existenz zieht sich jenseits ihrer Äußerung zurück, die also unverbindlich ist, nichtiger Schein, hinter dem sie ihr verletzbares Gemüt versteckt. (7) So erhält sie sich schwebend zwischen den Gegensätzen, über die sie nicht hinauskommt: befangen in der endlosen Reflexion des Verstandes, der sich negativ auf sich bezieht, aber in der festen Entgegensetzung von Ich und Nicht-Ich, der eine nunmehr ungreifbare Idee unterliegt. (8) Die Existenz, die unter dem paradoxen Gesetz der Ironie steht, ist etwas und ist es nicht: sie findet Dasein nur im Schein, der nichtig bestimmt auf die ironische Reflexion bezogen ist. Wie Hegel nicht müde wird zu betonen, entleert sich die abstrakte Ichheit von aller Substanz und beharrt eitel und unversöhnt auf seiner unmittelbaren Selbstgewißheit. Denn aller Inhalt erweist sich ironisch verstellt als nichtiger Schein, über den sich das introvertierte Selbst erhaben und überlegen glaubt. (9) (PhdG 389-390) Die ironische Meisterschaft über jeden Inhalt verkehrt sich aber in die romantische Verzweiflung, bloß Schein in und außer sich vorzufinden. (10) Der Glaube an die nur innerliche Tiefe entreißt die Ironikerin aus den substantiellen Verhältnissen, in denen allein die Erfüllung der wahren Bedürfnisse möglich ist. Der Rückzug aus den konventionellen Zwängen in das urtümliche Land des Herzens findet nicht die Wärme geistiger Beglückung, sondern die Kälte der eigenen Entsagung. Die schöne Seele, die sich in sich zusammenzieht, um sich authentische Gefühlsregungen abzulauschen, empfindet zwar das Elend ihrer Einsamkeit, doch fehlt ihr die Kraft, sich aus der innerlichen Konzentration zu befreien und sich objektiv auszubreiten. (11)

 

"Als Mittel für dieses Hinaussetzen bleibt dann auch nichts übrig als die Zurückgezogenheit in die innere Welt der Gefühle, aus welcher das Individuum nicht heraustritt und nun in dieser Unwirklichkeit sich für das Hochwissende hält, das nur sehnsüchtig in den Himmel blickt und deshalb alles Erdenwesen glaubt geringschätzen zu dürfen. Das echte Ideal aber bleibt nicht beim Unbestimmten und bloß Innerlichen stehen... (12) (Ä1, 318)

 

In der intensiven Kontraktion des ironischen Charakters verschärft sich die subjektivistische Tendenz der romantischen Kunstentwicklung. Bereits an bestimmten dramatischen Figuren Shakespeares diagnostiziert Hegel ein unausgebildetes, verschlossenes Gemüt, das sich ganz von einem besonderen Pathos abhängig macht. (Ä2, 205-208) So ist es nicht nur schicksalshaft unglücklichen Umständen, sondern auch passiv den sich verselbständigenden psychischen Momenten ausgeliefert, die einen gefestigten Charakter nicht umwerfen können. (13) Die Ausbildung der "formellen Selbständigkeit individueller Besonderheit", wie das dritte Kapitel der "romantischen Kunstform" überschrieben ist, kulminiert im subjektiven Humor. Die in die humoristischen Gefilde zurückgezogene Subjektivität schwebt in der Gefahr, substantiellen Halt zu verlieren. Der in sich zusammengedrängte Charakter wird entsprechend von einem ungesunden Pathos beherrscht, das in der

"neueste[n] Poesie zu einer unendlichen Phantasterei und Lügenhaftigkeit hinaufgeschraubt [wird], welche durch ihre Bizarrerie Effekt machen soll, doch in keiner gesunden Brust widerhallt, da in solchen Raffinements der Reflexion über dasjenige, was das Wahre im Menschen sei, jeder echte Gehalt verflüchtigt ist." (Ä1, 303)

So drängen sich verschrobene Eigenheiten in den Vordergrund, die Hegel zeilenweise Jean Paul vorhält. (Ä2, 230-231) Der zerrissene Charakter verliert sich haltungslos in der ironischen Sublimation des wahrhaften Gehalts. (14) In einem weiteren Schritt maßregelt Hegel den "abscheulichen Humor" und die "fratzenhafte Ironie" E.T.A. Hoffmanns, der Zeugnis ablegt von der unkontrollierten Macht des Unbewußten, die das krankhaft ergriffene Gemüt beherrscht. (15) (Ä1, 289)

Der subjektive Humor ist zwar eine legitime Spätform romantischer Kunst, aber die charakterlose Ironisierung aller wirklich ideellen Anliegen ist, wie Hegel bemerkt, nicht nur aus moralischen Gründen zu verurteilen, sondern ebenso in der Ästhetik. "Wird nun aber die Ironie zum Grundton der Darstellung genommen, so ist dadurch das Allerunkünstlerischste für das wahre Prinzip des Kunstwerks genommen." (Ä1, 98) Das aktuelle romantische Strategem basiert auf der "Darstellung des Göttlichen als des Ironischen", in deren Realisierung sich der Untergang des subjektiven Humors als legitime Kunstform vollzieht. (Ä1, 97) Wenn Hegel in der Ästhetik von Ironie spricht, meint er stets die von Schlegel entwickelte, die ihre "keckste und blühendste Periode [in der] Lucinde, Athenäum..." erreicht hat. (BS, 215) Dennoch sind auch die modernen Auswüchse des Humors auf den Substanzverlust zurückzuführen, der in der Lehre von der Ironie die theoretische Rechtfertigung erhält. Es liegt in der konsequenten Entfaltung des Kunstgeistes, die in ihm angelegten Gegensätze vollständig hervorzutreiben. In der Ironie wird das negative Prinzip einseitig verabsolutiert, was im Humor die Entleerung des Charakters von aller wahrhaften Objektivität bedeutet. (16)

"Deshalb bedarf die Darstellung dieses negativen Prozesses noch eines anderen Momentes, das über dies Quälen des Leibes und der Seele herausragt und sich gegen die affirmative Versöhnung hinwendet. Dies ist die Versöhnung des Geistes in sich, die als Zweck und Resultat der durchduldeten Greuel gewonnen wird." (Ä2, 162)

Stur und dogmatisch wiederholt Hegel die Regeln der Kunst, daß sich der schöne Schein der Idee über alle unmäßige Entzweiung zu legen habe, nur die Fassung nicht verlorengehen dürfe, alles auf die gediegene Ausführung eines substantiellen Pathos ankomme usf. (17) Die Ironie, die sich in unverschämter Weise diesen Regeln verweigert, spürt Hegel aber nicht nur im Humor Jean Pauls oder Hoffmanns auf, vielmehr scheint die gesamte romantisch-moderne Literatur von Tieck bis Kleist dem Verdikt über die Ironie zu verfallen. (18)

Die romantische Ironie hypostasiert die reine Negativität - Vernichtung aller Bestimmtheit - zum Absoluten. (Ä1, 98, 211) In dieser einseitigen Fassung begreift Hegel die absolute Negativität in einfacher Identität mit sich als schlechten ironischen Grundsatz aller Kunsttätigkeit (Ä1, 99): jeder Inhalt soll in seiner Selbstzerstörung dargestellt werden, der ironische Schein die Begriffe umlagern und auf das verborgene "Tiefste und Vortrefflichste [hindeuten], das sich nur eben seiner Tiefe wegen nicht aussprechen lasse." (19) (Ä1, 382) Die Ironie sprengt somit den rechtmäßigen Rahmen der Komik, weil sie sich nicht bescheidet, nur das Bewußtsein nichtiger Interessen bloßzustellen, sondern Gott (bzw. das Substantielle) in seiner "ontotheologischen" Verfassung selber antastet. (20) (Ä1, 97) Hegel unterstellt zweifelsfrei, daß die unendliche Negativität der Reflexion in der christlichen Ära das Recht verloren hat, sich gegen die in der Offenbarung vermittelten sittlichen Wahrheiten zu behaupten. Die zweideutige Ironie, die hinter dem Schein die Wahrheit verbirgt, die alles Reale und Faßbare subvertiert, verschließt sich dem eigentlichen Wesen der Kunst, wenn schon nicht die Idee darzustellen, so doch wenigstens in ihr den Mittelpunkt aller Bemühungen wissen zu lassen. Der ironische Schein verdunkelt die Selbstmanifestation des Geistes - die allen kritischen Vorbehalt in seiner Nichtigkeit durchleuchten würde - in der Spekulation auf ein Unergründliches, das nach den Regeln der Dialektik Hegels nicht wahrhaft spekulativ sein kann.

"In diesen unbekannten Gewalten soll eine unentzifferbare Wahrheit des Schauerlichen liegen, das sich nicht greifen und fassen lasse. Aus dem Bereiche der Kunst aber sind die dunklen Mächte gerade zu verbannen, denn in ihr ist nichts dunkel, sondern alles klar und durchsichtig, und mit jenen Übersichtigkeiten ist nichts als der Krankheit des Geistes das Wort geredet und die Poesie in das Nebulose, Eitle und Leere hinübergespielt..." (Ä1, 314-315)

Die logische Figur der Ironie wird von Hegel so konstruiert, daß sich das innere Wesen auf ein äußeres Sein bezieht, das zum nichtigen Schein depotenziert wird. Die Negativität der Ironie bedeutet die endlose Bewegung der Reflexion, absoluter Schein, die sich als Prinzip einer "allseitigen Vernichtungskunst" betätigt. (Ä1, 211) Diese abstrakte Auffassung des Absoluten spiegelt sich in der Ambiguität der Ironie: das Wesen verbirgt sich nur innerlich hinter nur äußerlichem Schein. Der Punkt ihrer logischen Relation bleibt unbedacht und unausgelegt. Das Wesen, das in unaussprechlicher Transzendenz vorgestellt wird, verhindert seine objektive Darstellung: nur im Schein gewinnt es Dasein als abwesender Grund des Seins. Es entsteht der "willkürliche Mystizismus", der mit geheimnisvoller Gebärde auf das Verborgene deutet, die Ahnung über das Wissen erhebt und effektvoll an beliebigen Inhalten den nichtigen Schein demonstriert. (BS, 218) Die entfesselte Negativität, die alle Substanz von sich abschüttelt, um der unauffindbaren unendlichen Idee zu entsprechen, gebiert die nihilistische Scheinwelt des endlichen Erkennens. So besteigt der Betrüger den Thron, genius malignus, der seine ironische Genialität festlich zu feiern versteht.

Die "ironische" List des Weltgeistes bedient sich aber zuletzt noch der romantischen Ironie. Diese List Hegels arbeitet die tiefste Tiefe des Gegensatzes heraus und vollstreckt die Selbstauflösung der romantischen Kunstform, bzw. die in ihrem Begriff eingeschriebene Entzweiung des Inneren und Äußeren. (21) So wird die Kunst darauf geführt, die absolute Einsicht außerhalb ihres eigenen Gebiets zu wissen und - ausgestattet mit dem Reichtum des Charakters - die Versöhnung künstlerisch in alle Räume des menschlichen Daseins zu tragen. Der objektive Humor ist die Kunstform, die aus der Aufhebung der Ironie hervorgeht. (22) Die echte Originalität hat sich von aller subjektiven Willkür befreit. (23)

Hegels Zeichnung des romantischen Teufelskreises beliefert in wesentlichen Punkten das Klischee. Erstens besteht die Irrationalität der romantischen Einstellung darin, ein Wesen zu postulieren, das sich der begrifflichen Darstellung entzieht. Das romantische Subjekt entleert sich von den rationalen Gehalten und krümmt sich in sich zusammen. So entsteht das Bewußtsein der inneren Leere, die Verzweiflung und Sehnsucht nach dem Reich der Erlösung. In der Sehnsucht nach unverfälschter Unmittelbarkeit sind zweitens die katholischen restaurativen Tendenzen lebendig. (24) Also fehlt der schmachtenden Seele die Kraft, sich objektiv und produktiv zu entäußern, in der Welt ihre Interessen zu realisieren. Darin begründet sich drittens ihre Krankhaftigkeit. Das erkrankte Gemüt reagiert "übersichtig" und überreizt auf die "Empfindungen der eigenen Brust". Es entidentifiziert sich von sich, bis es sich selbst fremd gegenüberzustehen scheint. Die verselbständigten psychischen Momente dringen zwanghaft, magisch, dämonisch, phantastisch, gespenstisch etc. "von außen" auf es ein: dieser "irrationale" Zustand potenziert sich korrelativ zum Verschwinden der Realität.

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II. Die romantische Ironie als objektiver Humor?

 

Otto Pöggeler bemerkt zurecht, daß Hegels Kritik der romantischen Ironie zugleich "blind und sehend" ist. (25) Die logische Ableitung der ironischen Denkfigur aus dem Ichbegriff Fichtes verhindert von vornherein die genauere Betrachtung der ästhetischen Fragmente Friedrich Schlegels. (26) Hegels grundlegende These zur Ironie besagt, daß in ihr alles Anundfürsichseiende von der abstrakten Subjektivität abhängig gemacht wird, das heißt nur als Gesetztsein oder "bloßes Scheinen durch das Ich" besteht. (Ä1, 94) Damit ist aber die objektive Reflexionsform der Ironie mißverstanden, wie sie erstmals wieder Walter Benjamin am Material herausgearbeitet hat, ohne freilich die Hegelsche Deutung einer ausdrücklichen Kritik zu unterziehen. (27) Das ist seither umfassend nachgeholt worden. (28) Wie Karl-Heinz Bohrer schreibt, gibt es "seit Oskar Walzels Kritik an Hegels Polemik [1938; Vf.] [...] über Hegels Verkennung [der frühromantischen Ästhetik; Vf.] als solche keinen Meinungsunterschied." (29) Diese Verkennung betrifft wesentlich das Prinzip der Ironie: im Einklang mit dem Grundtenor der philosophischen Forschung läßt sich sagen, daß nicht die leere Subjektivität verantwortlich ist für den schwebenden Progreß der ironischen Reflexion, vielmehr die Idee - etwa der Kunst - die Reflexion anleitet, sich über alle vorläufigen Resultate - etwa der Kunstkritik - destruktiv hinwegzusetzen. Benjamin sagt es sehr deutlich:

"Die formale Ironie [...] kann nicht [...] als Index einer subjektiven Schrankenlosigkeit verstanden, sondern muß als objektives Moment im Werke selbst gewürdigt werden. Sie stellt den paradoxen Versuch dar, am Gebilde noch durch Abbruch zu bauen: im Werke selbst seine Beziehung auf die Idee zu demonstrieren." (30)

Die systematisch unabschließbare Differenz von Idee und Realität eröffnet den Spielraum der Ironie, die das Endliche mit dem Schein des Unendlichen romantisiert (31), indem sie sich prophetisch an der Versöhnung orientiert, also mit dem ahnungsvollen Blick fürs Ganze den Mangel der Gegenwart diagnostiziert. Ein Athenäum-Fragment Friedrich Schlegels lautet:

"Der revolutionäre Wunsch, das Reich Gottes zu realisieren, ist der elastische Punkt der progressiven Bildung [...]. Was in gar keiner Beziehung aufs Reich Gottes steht, ist in ihr nur Nebensache." (32)

Die unendliche Reflexion der Ironie bewegt sich scheinend zwischen den Gegensätzen (Idee - Realität) und verschiebt fortgesetzt ihre Grenzen im Rhythmus enthusiastischer Selbstschöpfung und skeptischer Selbstvernichtung. (33) Angesichts der sich stets erneuernden Diskrepanz zwischen Bedingtem und Unbedingtem entfalten sich die negativen Kräfte, die die Bewegung der Reflexion beständig vorantreiben. (34) Die Ironie ist das Reflexionsmedium eines Philosophierens, das sich aus den erkenntniskritischen Vorgaben des Kantischen Denkens befreit hat, aber keineswegs die begriffliche Erfassung des Absoluten für möglich hält. (35) Die besten philosophischen Brocken sind "echappées de vue ins Unendliche." (36)

Das skizzierte Modell der wechselbestimmten Reflexion (Affirmation - Negation) stellt erneut die Frage nach dem Verhältnis des frühromantischen Ironiekonzepts zu Fichtes Wissenschaftslehre. Es kann kein Zweifel darüber bestehen, daß insbesondere Fr. Schlegel und Novalis von der neuen Reflexionsmethode Fichtes inspiriert wurden. (37) "Schlegel erkannte in dieser philosophischen Reflexion, bei der sich der Geist während seiner Tätigkeit selbst beobachtet, das Wesen der poetischen Schöpfung." (38) Novalis schwärmte für Fichtes Entdeckung "einer ganz neuen Art zu denken", die "der Anfang einer wahren Selbstdurchdringung des Geistes [ist], die nie endigt." (39) Dennoch wird von beiden eine artistische Umbildung der Philosophie Fichtes verlangt. Der wahre Geist des "Fichtisierens" wird nämlich verstellt, wenn ein absolutes Prinzip die wissenschaftliche Begründung aller Erkenntnis suggeriert. (40) Das Wahnbild vollendeten Selbstdenkens entspringt der systematischen Intention Fichtes, die sich logisch einschließt bei fehlendem Sinn für das ästhetische Potential. Fichtes konstruktive Einsicht der notwendigen Internalisierung der erkenntnistheoretischen Grenze endlichen Erkennens in die Binnenstruktur des absoluten Ich, das seiner Selbstbegrenzung fundamental unterliegt, schießt über das Ziel hinaus. Die Romantiker applaudieren, wenn Fichte in Jena über die absolute Spontaneität des Subjekts doziert, aber der Saal leert sich (einzelne Buhrufe), wenn anschließend ihre wissenschaftliche Grundlegungsfunktion besprochen wird. Die alternierende Bewegung der unendlichen Reflexion, haltlos aus sich heraus in die Welt zu treten und daraufhin kritisch zu sich zurückzukehren, wird nach der Überzeugung Schlegels etc. nicht von der selbstgewissen absoluten Thesis des Ich getragen und verläuft ohne jede prinzipielle Absicherung. Der Ausfall der primordialen Selbstsetzung des absoluten Ich korrumpiert aber nach Fichte, so ist jedenfalls anzunehmen, die Legitimität der Bestimmtheit philosophischer Urteile überhaupt. So ist die Differenz, wie Rüdiger Bubner feststellt, beträchtlich: die Dialektik der Ironie

"...operiert im Gegensatz zur konstruktiven Philosophie [gemeint ist die Wissenschaftslehre Fichtes; Vf.] mit einer Totalitätsperspektive, die nicht am Anfang, sondern am Ende steht. Die Prozesse der Differenzierung bilden keine sukzessiven Einschränkungen eines vorgegebenen Ganzen, sondern progressive Entgrenzungen in Richtung auf ein zu gewinnendes Ganzes." (41)

Die Ironie gestaltet die Reflexionsmethode Fichtes maieutisch um, und so ist vor allem keine metaphysische Objektivität nach dem Vorbild der Dialektik Hegels angestrebt. (42)

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III. Die romantische Ironie als Übergangsform in die ästhetische Moderne

 

Hegels Fehldeutung der ironischen Reflexivität, wie sie sich in den frühromantischen Textstücken darstellt, ist aber in der Sache begründet. (43) Denn in der Frühromantik macht sich ein neues ästhetisches Paradigma geltend, das dem klassizistischen Programm Hegels zutiefst opponiert. Hegel betreibt seine Kritik wohl in solcher Härte, weil er in der Gestalt der romantischen Ironie das erste Heraufdämmern eines gefährlichen Nihilismus zu bemerken glaubt, das auf entsprechend radikale Weise bekämpft werden soll. (44) Dazu Karl-Heinz Bohrer:

"Schlegels Satz, die Sokratische Ironie enthalte und errege >ein Gefühl von dem unauflöslichen Widerstreit des Unbedingten und Bedingten<, in dem Schlegel also die Sokratische Denkform unmittelbar anschließt an seine eigene ästhetische Theorie, die Philosophie sozusagen der Ästhetik unterwirft, mußte Hegel als letzte Steigerung der Subjektivität, als Sakrileg am Objektiven, erscheinen." (45)

Die ästhetische Erneuerung der sokratischen Ironie vergreift sich nach Hegel an den heiligen Wahrheiten des Christentums, weil sie den Geist verleugnet, der sich im absoluten Denken mit sich selbst versöhnt. Die kritische Kunst Schlegels begeistert sich für das Ursprüngliche, die Reflexion taucht ins Zwielicht, wird "dick und feurig" im ästhetischen Schein, der das reine Licht der unendlichen Idee auffängt, das den begrifflichen Fangnetzen entwischt. Die romantisch abgehobene Idee verfügt den Schein der endlichen Welt (46), ohne eine tiefere Begründung vorzubereiten: der ästhetische Schein soll Unendliches bedeuten. Hegel hält massiv goldenen Geist "in Händen", die Romantik sieht es hier und da aufblitzen, ihr Blick schweift in die Ferne.

Hegels nicht vordergründiges Mißverständnis der Ironie Schlegels wehrt sich gegen die Morgenröte einer gottlosen Welt. Die Verurteilung der "diabolischen Frechheit" der Ironie klassifiziert ihre künstlerischen Produkte als letzte Abart des subjektiven Humors. (BS, 234) Aber es hilft nichts. Die Entdeckung ihrer objektiven Reflexionsform erlaubt es nun, die zerfetzten Romane Jean Pauls und anderer der - wenngleich zu modifizierenden - Kunstform des objektiven Humors zuzuordnen. Die "Poesie der Poesie" entspricht der von Hegel selbst analysierten Bildungssituation, wenn sie die Reflexion des Dichters auf seine Darstellungsmittel wie auf sich selbst einfordert. (47) Sie behauptet zweitens den Künstler als "tabula rasa", der mit keinem Kunstinhalt und keiner Gestaltungsform mehr unmittelbar identisch ist, sich also zunehmendem Traditionsverlust ausgesetzt sieht. (48) Drittens realisiert das Fragment bzw. die ironische Erschütterung fester Formen die Forderung nach Partialität. Nur widersetzt sich die romantische Ironie dem Utopieverzicht, der in Hegels Ästhetik eine zentrale Rolle spielt. (49) - Die Korrektur von Hegels Bewertung ironischer Kunstbegriffe zielt aber nicht auf die Eintragung bestimmter Kunstphänomene in ein antiquiertes System. Es geht darum, Hegels Kunstform des objektiven Humors einen Scheinbegriff anzuschließen, der eine ästhetische Selbstreflexion der Philosophie verlangt, und sich von innen dem Systemzwang widersetzt: so wird die romantische Ironie als Übergangsform vom Idealismus zur Moderne denkbar.

Die ironische Reflexion schwebt zwischen der Welt und dem Ich und leistet partiale Synthesen.

"Damit fällt ein Licht auf die Dialektik der Reflexion. Als Selbstbezogenheit ist sie Ausdruck der Isolation des Subjekts und scheint diese festzuhalten. Indem aber das Subjekt sich gegenständlich wird, gewinnt es Distanz zu sich selbst, schaut sich und der Welt zu und hebt in dieser Synopsis die Spaltung, welche die Reflexion hervorrief, wieder auf. Freilich ist die Welt in dieser Synthese nur noch als Schein da, und die innere Spaltung, die das Sich-zum-Objekt-Werden bedeutet, kann nur in einer zweiten Reflexion aufgehoben werden." (50)

Diese Passage von Peter Szondi bringt einen Begriff des Scheins ins Spiel, der mehr bedeutet als ein nihilistisches Residuum der eschatologisch-utopischen Perspektive Schlegels. (51) Das Subjekt, das sich im Medium der Reflexion auf sich bezieht, bezieht sich auf die Weltinhalte, denen somit ein objektiver Scheincharakter zuwächst. Demgemäß kann gerade die romantische Poesie nach Schlegels Auffassung "gleich dem Epos ein Spiegel der ganzen umgebenden Welt, ein Bild des Zeitalters werden." (52) Dieses Bild wird zwar vielfach gebrochen sein, denn der Spiegel zersplitterte (53), aber die Erfahrungsgehalte der Reflexion gehören der Welt und ihren Gegenständen zu. Der ästhetische Schein befreit sich aus der idealistischen Umklammerung seiner vermeintlichen Logik: das Absolute, das zwischen textuellen oder perzeptiven Bruchstücken blinzelt, ist nicht ultimativ in haltbaren logischen Behältern zu konservieren. Ganz anders Hegel. Das klassische Ideal bringt zwar das Wesen restlos aus seinem Inneren in die äußere Erscheinungsform, das heißt aber gleichzeitig auch, daß sein geistiges Potential noch wesentlich unausgebildet ist. Das schöne Verhältnis des Inneren und Äußeren besitzt einen blinden Fleck: den Punkt ihrer nur unmittelbaren Beziehung. Die substantielle Auslegung dieses Punktes vergeistigt die sinnlichen Momente des realen Scheins. Die über das Ideal ausgesprochene Vergangenheitsthese besagt, daß das Absolute nur angemessen erscheint, wenn es sich selbst manifestiert, das heißt in der Offenbarung einen Seinsmodus gewinnt, der der ästhetischen Anschauung so überlegen ist, daß die Religion in der Wahrheitsvermittlung die Kunst ablöst. Der Formunterschied der Kunst allein gewährt ihr solange keine Autonomie, wie sich dieselben Gegenstände der Kunst im Bereich der Logik absolut begreifen lassen. An dieser Stelle wirft sich die Frage auf, wie der Übergang des realen Scheins in einer höhere Form zu bewerten ist. Diese für die Ästhetik strategisch entscheidende Frage wird sich nur dann schlüssig beantworten lassen, wenn die negationstheoretischen Voraussetzungen der Hegelschen Logik geprüft sind. Das läßt sich in dem hier vorgegebenen Rahmen nicht durchführen. Vorläufig mag es aber hinreichen, den Scheincharakter des Wesens nochmals hervorzuheben. Die negationstheoretische Verpflichtung der Scheintheorie unterwirft die Ästhetik der Logik: nur der Geist ist wirklich. Unter der Prämisse der menschlichen Endlichkeit bedeutet die Transparenz der Substanz ein logisches Phantasma: nicht der göttliche Geist ist bei sich, sondern ein Mensch bei anderen Menschen etc. Wenn aber die Beziehung auf äußerliche Unmittelbarkeit festzuhalten ist, dann bleibt das Wesen in der Struktur der unendlichen Verkehrung und Verdopplung selber Schein: zweideutig und zwielichtig. Hegel spricht nicht zufällig von der Idee der Kunst. Die Idee der Kunst steht aber auf dem logischen Niveau des Wesens. Die Rede von der Idee ist nur dann zu rechtfertigen, wenn der Fortgang in die subjektive Logik bis zur absoluten Idee gelingt, von wo aus die wissenschaftliche Erinnerung an das Wesen möglich ist, die seine Stellung als Vorläufer der Idee erkennt. So lassen sich die substantiellen geistigen Gehalte dem Wesen der Kunst verschreiben. Aber das Wesen, das nicht in der vorbereitenden Funktion des Begriffs aufgeht, bleibt in der Sphäre des realen Scheins. Der ästhetische Schein verbirgt ambig nur sich selbst: scheinende Unmittelbarkeit, die nicht länger mit der wesentlichen - aus Gründen idealistischer Konnotationen - zusammenfällt.

Am Begriff der Erscheinung wird aber auch deutlich, daß Wesen nur ist, wenn es erscheint: die zweiseitige Kritik an Hinterweltlern und Vordergründlern motiviert sich von hier aus. Wenn Hegel zum Beispiel gegen die zeitgenössischen Romantiker einwendet, daß sich diese auf eine Idee kaprizieren, die sich ästhetisch nur andeuten lasse, so findet er beim späten Nietzsche volle Zustimmung. Der romantische Künstler, so Hegel, ergreift

"seinen Gegenstand mit tiefer Innerlichkeit des Gemüts [...]. Dies Innere aber bleibt so sehr verschlossen und konzentriert, daß es sich nicht zur bewußten Klarheit hervorringen und zur wahren Entfaltung kommen kann. Die Beredsamkeit des Pathos beschränkt sich darauf, sich durch äußerliche Erscheinungen, an welche es anklingt, ahnungsreich anzudeuten, ohne die Kraft und Bildung zu haben, die volle Natur des Inhalts explizieren zu können." (Ä1, 374)

Diese Kritik läßt sich mit Recht auf die frühromantische utopische Idee anwenden, "denn das Höchste und Vortrefflichste ist nicht etwa das Unaussprechbare, so daß der Dichter in sich noch von größerer Tiefe wäre, als das Werk dartut, sondern seine Werke sind das Beste des Künstlers und das Wahre; was er ist, das ist er, was er aber nur im Innern bleibt, das ist er nicht." (54) (Ä1, 375-376) Es kennzeichnet sowohl die symbolische, als auch die christlich-romantische Kunstform, daß die angemessene Darstellung der Idee verfehlt werden muß

"indem die Kunst hier selbst noch nicht zu der Bildung gekommen ist, ihren Gehalt in offener Durchsichtigkeit zutage zu bringen, und sich damit begnügen muß, denselben durch Äußerlichkeiten für die Ahnung des Gemüts erratbar zu machen." (Ä1, 374)

Zweifellos operiert die Beurteilung Hegels von einer Grundlage aus, die mit dem Denken Nietzsches unvereinbar ist. Hinter dem schönen Schein des Ideals oder dem geistigen Schein der absoluten Idee lauert der dionysische Wille, aus dessen "Substanz" alle künstlerischen und begrifflichen Gestaltungen hervorgegangen sind. "Der schaffende Leib schuf sich den Geist als eine Hand seines Willens." (ZA, 40) Dieser fundamentalen Differenz ungeachtet, weist Nietzsches Haltung zur Romantik bisweilen eine erstaunliche Affinität mit der Hegels auf. (55) Auch Nietzsche polemisiert ungehalten, zuletzt und vor allem gegen "jene berühmtesten und ausdrücklichsten Romantiker" Wagner und Schopenhauer. (FrW, 620) Nietzsches genereller Vorbehalt gegen den romantischen Habitus betreffen aber nicht Fr. Schlegel und die Ironie, über die er sich in der Hauptsache ausschweigt. Es ist hier nicht der Ort, diesem Schweigen nachzugehen, aber Nietzsche hat sich an die unendliche Reflexion der Ironie angelehnt, die sich ungesichert zwischen den Widersprüchen bewegt. Diese Anlehnung vollzieht sich nicht ohne beträchtliche Modifikationen, deren wichtigste darin besteht, die unerreichbare Idee, an der sich die romantische Kritik ausrichtet, als Schein zu entlarven. (56) Wenn sich Nietzsche in späteren Jahren mit dem Phänomen der Ironie beschäftigt, bedient er sich "des klassischen Terminus der dissimulatio [...], den er mit "Maske" übersetzte." (57) Die Maske ist ein wichtiger Nachfolgebegriff des apollinischen Scheins (58) und deutet auf jene berühmte "Oberflächlichkeit aus Tiefe". (59) Die Hintergründe des menschlichen Willens verzweigen sich, wenn nach ihrer Wahrheit geforscht wird. Die artistische Kunst des Lebens kann sich entfalten, wenn die moralische Verblendung überwunden ist, das heißt die Idee scheinloser Wahrheit als Produkt von Selbsterhaltungs- und Machtgewinnungsstrategien durchschaut ist. Die Maske verbirgt nicht ironisch die wahre sittliche Natur des Menschen oder ein unverstelltes inneres Sichwissen, eine sich selbst durchsichtige Absicht, sondern unzählige weitere Gesichter. Nietzsche radikalisiert also das Prinzip der Ironie: der romantische Betrug besteht in der Verführung zu einem tieferen Sinn, der sich in der Kunst zwar nicht direkt darstellen, aber im Genius evozieren lasse. Die Romantiker bewerten die Welt am Maßstab einer vorgestellten Wahrheit, deren fiktionaler Charakter eben nicht gebührend in Rechnung gestellt wird.

">Ist es wahr, dass der liebe Gott überall zugegen ist?< fragte ein kleines Mädchen seine Mutter: >aber ich finde das unanständig< - ein Wink für Philosophen! Man sollte die Scham besser in Ehren halten, mit der sich die Natur hinter Räthsel und bunte Ungewissheiten versteckt hat. Vielleicht ist die Wahrheit ein Weib, das Gründe hat, ihre Gründe nicht sehn zu lassen? (FrW, 352)

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LITERATUR

Abkürzungen:

Ä1/2/3 Hegel: Vorlesungen über die Ästhetik Bd. 1/2/3. Werke 13-15. Frankfurt

BS Hegel: Berliner Schriften. Werke 11. Frankfurt

Enz Hegel: Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften (1830); hg. v.

Nicolin/Pöggeler. Hamburg

PhdG Hegel: Phänomenologie des Geistes. Werke 3. Frankfurt

Rph Hegel: Grundlinien der Philosophie des Rechts. Werke 7. Frankfurt

FrW Nietzsche: Die fröhliche Wissenschaft. KSA 3

JGB Nietzsche: Jenseits von Gut und Böse. KSA 5

ZA Nietzsche: Also sprach Zarathustra. KSA 4

 

Sonstige Literatur:

(Das Erscheinungsjahr der verwendeten Ausgabe ist nur dann angegeben, wenn es nicht mit der hinter dem Namen des Autors in Klammern gesetzten Jahreszahl übereinstimmt, welche das Datum der ersten Publikation bezeichnet.)

Allemann, Beda (1956): Ironie und Dichtung. Pfullingen

Angehrn, Emil (1989): Kunst und Schein, in: Hegel-Studien Bd.24 p.125-157. Bonn

Behler, Ernst (1963): Friedrich Schlegel und Hegel, in: Hegel-Studien Bd.2 p.203-250. Bonn

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(1) Fr.Schlegel 1797 p.159 (§104) (zurück)

(2) "Da Hegel in der Schlegelschen Ironie die höchste Steigerung zur Subjektivität sieht und [...] das schnöde Hinwegsetzen über alles, was den Menschen wesentlich und ernstlich interessiert, so darf man mit Recht sagen, daß Hegel in der Phänomenologie des Geistes [...] vor allem den Schlegel der Lucindenzeit vor Augen hat, wenn er die Gestalt des Bösen zeichnet, die nicht nur alles Handeln aus der eigenen Subjektivität rechtfertigt, sondern sich auch als das Böse bekennt und ausspricht: >Ich bin’s<." (Pöggeler 1956 p.193-194) Die Denunziation ist allerdings wechselseitig. Fr. Schlegel bezeichnet Hegels "Verneinungssystem" als "Satanismus" etc. Wo zwei sich streiten, freut sich der dritte: "Schlegel predigt gegen Hegel,/ für den Teufel schieb er Kegel./ Hegel spottet über Schlegel/ sagt, er schwatzt’ ohn’ alle Regel." (A.W.Schlegel: cf. Pöggeler 1956 p.192-193) (zurück)

(3) "Von Fichte ist eigentlich nicht zu sagen, daß er im Praktischen die Willkür des Subjekts zum Prinzip gemacht habe, aber späterhin ist im Sinne der besonderen Ichheit von Friedrich v. Schlegel dieses Besondere selbst in betreff des Guten und Schönen als Gott aufgestellt worden, so daß das objektiv Gute nur ein Gebilde meiner Überzeugung sei, nur durch mich einen Halt bekommt und daß ich es als Herr und Meister hervortreten und verschwinden lassen kann. Indem ich mich zu etwas Objektiven verhalte, ist es zugleich für mich untergegangen, und so schwebe ich über einem ungeheuren Raume, Gestalten hervorrufend und zerstörend. Dieser höchste Standpunkt der Subjektivität kann nur in einer Zeit hoher Bildung entstehen, wo der Ernst des Glaubens zugrunde gegangen ist und nur noch in der Eitelkeit aller Dinge sein Wesen hat." (Rph,285-286 (§140)) (zurück)

(4) Cf. R.Haym, der in seinem Buch über die "Romantische Schule" diese Überzeugung Hegels nachspricht. (Cf. R.Haym 1870 p.260) (zurück)

(5) Hegel stand bei seinen Urteilen über die Ironie die fassungs- und haltlose Reflexion vor Augen, wie sie Fr.Schlegel besonders drastisch in der Lucinde vorführte. - "Sein Geist strebte nicht die Zügel der Selbstherrschaft festzuhalten, sondern warf sie freiwillig weg, um sich mit Lust und mit Übermut in dies Chaos von innerem Leben zu stürzen." (Fr.Schlegel 1799 p.48) (zurück)

(6) "Und nun erfaßt sich diese Virtuosität eines ironisch-künstlerischen Lebens als eine göttliche Genialität, für welche alles und jedes nur ein wesenloses Geschöpf ist, an das der freie Schöpfer, der von allem sich los und ledig weiß, sich nicht bindet, indem er dasselbe vernichten wie schaffen kann." (Ä1,95) (zurück)

(7) "Als Künstler aber, diesem Prinzip gemäß, lebe ich, wenn all mein Handeln und Äußern überhaupt, insoweit es irgendeinen Inhalt betrifft, nur ein Schein für mich bleibt und eine Gestalt annimmt, die ganz in meiner Macht steht." (Ä1,94) (zurück)

(8) Wie Pöggeler schreibt, sieht Hegel "in Fichtes Denken jene romantische Sehnsucht vorgebildet, die einem endlosen unversöhnten Fortschreiten verfällt, weil sie ihre Endlichkeit nicht in die Substanz aufhebt." (Pöggeler 1956 p.59) - Zur endlosen Reflexion heißt es in der Lucinde: "Das Denken hat die Eigenheit, daß es nächst sich selbst am liebsten über das denkt, worüber es ohne Ende denken kann. Darum ist das Leben des gebildeten und sinnigen Menschen ein stetes Bilden und Sinnen über das schöne Rätsel seiner Bestimmung. Er bestimmt sie immer neu, denn eben das ist seine ganze Bestimmung, bestimmt zu werden und zu bestimmen. Nur in seinem Suchen selbst findet der Geist des Menschen das Geheimnis welches er sucht." (Fr.Schlegel 1799 p.96) (zurück)

(9) "Die nächste Form dieser Negativität der Ironie ist nun einerseits die Eitelkeit alles Sachlichen, Sittlichen und in sich Gehaltvollen, die Nichtigkeit alles Objektiven und an und für sich Geltenden. Bleibt das Ich auf diesem Standpunkte stehen, so erscheint ihm alles als nichtig und eitel, die eigene Subjektivität ausgenommen, die dadurch hohl und leer und die selber eitle wird." (Ä1,96) (zurück)

(10) "Dadurch kommt dann das Unglück und der Widerspruch hervor, daß das Subjekt einerseits wohl in die Wahrheit hinein will und nach Objektivität Verlangen trägt, aber sich andererseits dieser Einsamkeit nicht zu entschlagen, dieser unbefriedigten abstrakten Innigkeit nicht zu entwinden vermag und nun von der Sehnsüchtigkeit befallen wird, die wir ebenfalls aus der Fichteschen Philosophie haben hervorgehen sehen." (Ä1,96) (zurück)

(11) Die Sehnsucht nach Wirklichkeit entspringt dem Bewußtsein der eigenen Unversöhntheit, doch der schönen Seele gelingt es nicht, sich zu erlösen, sofern sie "sich zum wirklichen Handeln und Produzieren nicht herablassen will, weil sie sich durch die Berührung mit der Endlichkeit zu verunreinigen fürchtet, obschon sie ebensosehr das Gefühl des Mangels dieser Abstraktion in sich hat." (Ä1,211) Jacobis "Woldemar" liefert die Vorlage für Hegels Deutung der "schönen Seele"; die verklärte Gestalt des Novalis - der tragische Liebestod etc. - vollendet Hegels Bild von der "Schwindsucht des Geistes". (cf. Ä1,211; Ä1,313-314; PhdG,483-484; PhdG,491) (zurück)

(12) Darauf antwortet Fr.Schlegel: "Es war ihm, als wolle er eine Welt umarmen und könne nichts greifen. Und so verwilderte er denn immer mehr und mehr aus unbefriedigter Sehnsucht, ward sinnlich aus Verzweiflung am Geistigen, beging unkluge Handlungen aus Trotz gegen das Schicksal und war wirklich mit einer Art von Treuherzigkeit unsittlich. Er sah wohl den Abgrund vor sich, aber er hielt es nicht der Mühe wert, seinen Lauf zu mäßigen. Er wollte lieber gleich einem wilden Jäger den jähen Abhang rasch und mutig durchs Leben hinunterstürmen, als sich mit Vorsicht langsam quälen." (Fr.Schlegel 1799 p.47) (zurück)

(13) "Solch ein tiefes, stilles Gemüt nun aber, das die Energie des Geistes wie den Funken im Kiesel verschlossen hält, sich nicht ausgestaltet, sein Dasein und seine Reflexion über dasselbe nicht ausbildet, hat sich denn auch nicht durch diese Bildung befreit. Es bleibt dem grausamen Widerspruch ausgesetzt, wenn der Mißton des Unglücks in sein Leben hereinklingt, keine Geschicklichkeit, keine Brücke zu haben, sein Herz und die Wirklichkeit zu vermitteln und ebenso die äußeren Verhältnisse von sich abzuwehren, gehalten dagegen zu sein und an sich zu halten." (Ä2,207) (zurück)

(14) "Besonders bei Jean Paul tötet eine Metapher, ein Witz, ein Spaß, ein Vergleich den anderen, man sieht nichts werden, alles nur verpuffen." (Ä2,230) Hinzukommt, daß der Humor Jean Pauls abgeschmackt und nicht wirklich originell ist, "ohne Kern und Halt eines von wahrhafter Objektivität erfüllten Gemütes..." (Ä2,231) cf. Ä1,382; Ä2,209 (zurück)

(15) In dieser Art ist der "Mangel an innerer substantieller Gediegenheit des Charakters auch dahin ausgebildet, daß jene sonderbaren höheren Herrlichkeiten des Gemüts auf eine verkehrte Weise sind hypostasiert und als selbständige Mächte aufgefaßt worden. Hierher gehört das Magische, Magnetische, Dämonische, die vornehme Gespenstigkeit des Hellsehens, die Krankheit des Schlafwanderns usf. Das lebendig seinsollende Individuum wird in Rücksicht auf diese dunklen Mächte in Verhältnis zu etwas gesetzt, das einerseits in ihm selber, andererseits seinem Innern ein fremdartiges Jenseits ist, von welchem es bestimmt und regiert wird." (Ä1,314) Hegel richtet seine Kritik in diesem Zusammenhang auch gegen Kleist. (cf. Ä1,315; Ä2,201-202) (zurück)

(16) Die Negativität der Ironie besteht in der Form der "Nichtigkeit alles Objektiven und an und für sich Geltenden." (Ä1,96; cf. BS,233) Die Haupttätigkeit des subjektiven Humors "besteht [...] darin, alles, was sich objektiv machen und eine feste Gestalt der Wirklichkeit gewinnen will oder in der Außenwelt zu haben scheint, durch die Macht subjektiver Einfälle, Gedankenblitze, frappanter Auffassungsweisen in sich zerfallen zu lassen und aufzulösen." (Ä2,229; cf. Ä2,222) Hegel behandelt Ironie und (schlechten) Humor auch manchmal nebeneinander, im Umkreis einer bestimmten ästhetischen Thematik. (cf. Ä1,381-383; Ä1,314-315; Ä1,288-289; BS,213-214) (zurück)

(17) cf. Ä1,211; Ä1,316; Ä1,375; Ä1,383. Diese Belegstellen sind so ausgewählt, daß jeweils Hegels Forderung wahrer Begeisterung eine kritische Passage über Novalis, Ironie, formelle Subjektivität, indifferentes unaussprechliches Wesen, Schiefheit des Charakters etc. vorhergeht. (zurück)

(18) Aus der Kritik der Ironie entnimmt Hegel die Kriterien - leere Innerlichkeit, Charakterschwäche, hybride Willkür etc. -, die auf die Kunstprodukte moderner Autoren angewendet werden. (cf. Ä1,312-315; Ä1,288-289; BS,218) (zurück)

(19) "Das Ironische aber als die geniale Individualität liegt in dem Sichvernichten des Herrlichen, Großen, Vortrefflichen, und so werden auch die objektiven Kunstgestalten nur das Prinzip der absoluten Subjektivität darzustellen haben, indem sie, was dem Menschen Wert und Würde hat, als Nichtiges in seinem Sichvernichten zeigen." (Ä1,97) (zurück)

(20) Immer wieder stellt Hegel die "unkünstlerische Haltlosigkeit" der Ironie heraus, die sich in der abstrakten Erkenntnis des Absoluten verfängt und im Gegensatz zur Komik nicht im Dienst der Wahrheit steht, wenn sie die bestehende Sittlichkeit angreift. Die sokratische Ironie oder die Ironie der griechischen Komödie (cf. PhdG,541-542) bringen rechtmäßig die negative Kraft der Subjektivität in der Auflösung des Nichtigen zur Anwendung. In der christlichen Kunst verliert demnach die Komik ihre wesentliche Bedeutung, weil von nun an die absolute Versöhnung vorausgesetzt ist. Die romantische Ironie, die auf ihre formelle Freiheit fixiert auch substantielle Inhalte für ihre Selbstdarstellung mißbraucht, wendet sich also unrechtmäßig gegen die religiöse Wahrheit... - ("In der Phänomenologie und in der Jenaer Zeit überhaupt spricht Hegel noch von der Ironie der griechischen Komödie oder vom Ironisieren der Götterwelt, später gebraucht Hegel das Wort Ironie allein für die romantische Ironie." (Pöggeler 1956 p.81)) cf. ibd. p.80-86 (zurück)

(21) "Die Ironie hat die negative Kraft der Subjektivität zu ihrem Grund. Indem die Ironie diese Kraft zeigt, bringt sie den Geist zur Selbsterkenntnis. So hat Hegel in der Phänomenologie der Gestalt des Bösen, der sich in sich festsetzenden Subjektivität eine bedeutende Stelle gegeben: über die von Fichte repräsentierte Gestalt des Gewissens hinaus schien diese Gestalt notwendig, damit der Geist sich in seiner letzten Tiefe erfaßte und sich aus seiner größten Entzweiung versöhnte." (Pöggeler 1956 p.78) cf. ibd. p.114; p.225-226. In der Enzyklopädie behandelt Hegel die Ironie u.a. im Übergang von der geoffenbarten Religion in die Philosophie. (cf. Enz,450 (§571)) (zurück)

(22) cf. Pöggeler 1956 p.91 (zurück)

(23) "Das wahrhafte Kunstwerk muß von dieser schiefen Originalität [der Schlegelschen Poesie der Poesie; Vf.] befreit werden, denn es erweist seine echte Originalität nur dadurch, daß es als die eine eigene Schöpfung eines Geistes erscheint, der nichts von außen her aufliest und zusammenflickt, sondern das Ganze im strengen Zusammenhange aus einem Guß, in einem Tone sich durch sich selber produzieren läßt, wie die Sache sich in sich selbst zusammengeeint hat." (Ä1,383) cf. Ä1,381-383. Ganz analog konstruiert Hegel die Unterscheidung zwischen wahrer und schlechter Begeisterung: der Künstler sollte sich nicht in seiner subjektiven Besonderheit "aufspreizen", er sollte sich "in den Stoff versenken, so daß er als Subjekt nur gleichsam die Form ist für das Formieren des Inhaltes, der ihn ergriffen hat." (Ä1,373) (zurück)

(24) "Der arme Fr. Schlegel, in den Schmerzen unserer Zeit sah er nicht die Schmerzen der Wiedergeburt, sondern die Agonie des Sterbens, und aus Todesangst flüchtete er sich in die zitternden Ruinen der katholischen Kirche." (Heine 1835 p.62) cf. ibd. p.33; p.71 (zurück)

(25) cf. Pöggeler 1956 p.226 (zurück)

(26) "Es zeigt sich [...] sogleich, inwiefern Hegel die Schlegelsche Ironie nicht in ihrer aphoristischen oder essayistischen Darstellungsform aufsucht, sondern sie aus dem Fichteschen Ich-Begriff logisch deduziert. Damit ist aber von Anfang an sichergestellt, daß die Objektivität des Kunstwerks, die Benjamin an Schlegels Ironie-Interesse aufgezeigt hat, völlig hinter dem Vorwurf des individualistischen Subjektivismus zurücktritt." (Bohrer 1989 p.143-144) (zurück)

(27) Bohrer formuliert diesen Sachverhalt deutlich: "Wenn die Schlegelsche Ironie etwas vernichtet, dann nicht mittels der Subjektivität des Ich, wie Hegel unterstellt, sondern mittels der Beziehung auf die [...] Objektivität des zu Ende gedachten Werks." (Bohrer 1989 p.149) Und um beispielshaft aus Benjamins Dissertation zu zitieren: "Es ist also bei dieser Art der Ironie, welche aus der Beziehung auf das Unbedingte entspringt, nicht die Rede von Subjektivismus und Spiel, sondern von der Angleichung des begrenzten Werkes an das Absolute, von seiner völligen Objektivierung um den Preis seines Untergangs. Diese Form der Ironie stammt aus dem Geiste der Kunst, nicht aus dem Willen des Künstlers." (Benjamin 1920 p.85) (zurück)

(28) cf. O.Walzel 1938; B.Allemann 1956; I.Strohschneider-Kohrs 1960; E.Behler 1963; B.Lypp 1972 (zurück)

(29) Bohrer 1989 p.146. Pöggeler zitiert einen besonders prägnanten Ausspruch Walzels: "Ein ganz Großer, Hegel, sagt aus blindem Haß Falsches über F. Schlegels romantische Ironie." (Pöggeler 1956 p.224) (zurück)

(30) Benjamin 1920 p.87 - "Die Ironisierung der Darstellungsform ist gleichsam der Sturm, der den Vorhang vor der transzendentalen Ordnung der Kunst aufhebt und diese und in ihr das unmittelbare Bestehen des Werkes als eines Mysteriums enthüllt." (ibd. p.86) (zurück)

(31) cf. Benjamin 1920 p.67-68 (zu Novalis); p.97 (zu Fr. Schlegel) (zurück)

(32) Fr.Schlegel 1798 p.201 (§222) (zurück)

(33) cf. Fr.Schlegel 1797 p.149 (§28); p.151 (§37); Fr.Schlegel 1798 p.172 (§51) (zurück)

(34) "So entstand gegen Ende des 18.Jahrhunderts in dieser Schule erstmals das, was Walter Benjamin als >unendliche Reflexion< bezeichnet hat - eine Reflexion, bei der das Denken im Selbstbewußtsein unaufhaltsam über sich selbst reflektiert und in der Unendlichkeit seiner Potenzreihen zu immer höherer Selbsterfassung zu gelangen strebt. Die in dieser Reflexion erfahrenen Gegensätze und Widersprüche sollten nicht in einer Synthese aufgehoben werden, sondern den Stachel für die Bewegung des Geistes bilden, der sich in einem >Schweben< zwischen den Antinomien entfaltet und reicher wird. In der kunstvollen Darstellung seiner selbst sollte dies grenzenlose Denken Einheit und Zusammenhang finden - in einer Darstellung freilich, die nicht in einem Wurf gelingt, sondern notwendigerweise fragmentarisch ansetzt und in immer größeren Kreisen über sich hinauswächst. Dies war es, was Schlegel und Novalis unter >Fichtisieren< verstanden..." (Behler 1978 p.82) (zurück)

(35) cf. Bubner 1987 p.86-87; p.93 (zurück)

(36) Fr. Schlegel 1798 p.200 (§220) (zurück)

(37) "Der Fichtesche Idealismus hatte mit seinem Postulat radikalen Selbstdenkens eine lebhaft begrüßte Veränderung der Schulform der Philosophie herbeigeführt. Wenn wir in der Theorie alles der absolut spontanen Aktivität des Ich verdanken, so ist das Philosophieren nicht länger an die Beschränkungen gebunden, die da sind und bislang beachtet wurden. In Schlegels Augen war nun die Tür aufgestoßen, den Geist zu unendlichen Tätigkeiten [...] herauszufordern." (Bubner 1987 p.86) (zurück)

(38) Behler 1975 p.21 (zurück)

(39) Novalis (zitiert nach Behler 1975 p.22) (zurück)

(40) "Das produktive, frei erfindende Ich [des Ironikers; Vf.] setzt eine Wirklichkeit und nimmt sie zugleich zurück, ohne sich dabei auf ein Primärprinzip stützen zu können, das der Garant aller Wirklichkeit und Bestreitung von Wirklichkeit in eins wäre und das daher beide Tätigkeiten in den rein quantitativen Zusammenhang einer wechselseitigen Teilbarkeit versetzte." (Bubner 1987 p.92) (zurück)

(41) Bubner 1987 p.93. "Fichtes Wissenschaftslehre beginnt mit einem absoluten Prinzip, das der Ironiker für notwendig noch ausstehend hält." (ibd. p.92) Schlegel bemerkt in einem der wichtigsten Athenäum-Fragmente: "Die romantische Dichtart ist noch im Werden; ja das ist ihr eigentliches Wesen, daß sie ewig nur werden, nie vollendet sein kann. Sie kann durch keine Theorie erschöpft werden, und nur eine divinatorische Kritik dürfte es wagen, ihr Ideal charakterisieren zu wollen" (Fr. Schlegel 1798 p.183 (§116)) - denn einer solchen fiele die Geschichte als solche zu. (zurück)

(42) Bubner ist bestrebt, Schlegels Ironie vom Fichteschen Subjektivismus scharf abzuheben: "Ich glaube nicht, daß man, wie weithin üblich, einfach sagen kann, Schlegel habe Fichtes Ich auf ästhetische Phänomene angewendet." (Bubner 1987 p.88-89) In der Durchführung seiner Argumentation wird dann aber vergessen, daß Hegels Kritik an Schlegel eine Seite hat, die durchaus in der Sache begründet ist. Schließlich kündigt sich in der romantischen Ironie eine Ästhetik an, die den begriffslogischen Rahmen der Metaphysik sprengt. Von daher bleibt unverständlich, warum Bubner eine intime Verwandtschaft der "Dialektik der Ironie" mit Hegels spekulativer Methode konstatiert. (cf. Bubner 1987 p.94-95) (zurück)

(43) "Hegels Mißverständnis der Schlegelschen Ironie [...] entstammt der fundamentalen Differenz zweier in diesem Zeitalter sich schneidender Diskurse: Hegels Inhalts-Ästhetik kann Kunst und Literatur [...] nicht anders als Exekution von vorgegebenen Ideen verstehen, während Schlegels Entdeckung des ästhetischen Modus des künstlerischen Konstrukts ein ganz neues Referenzverhältnis von Bezeichnen und Bezeichnetem ausfindig machte." (Bohrer 1989 p.154) cf. ibd. p.150 (zurück)

(44) Die romantische Ironie ist als "vollendeter Ästhetizismus [...] vollendeter Subjektivismus und verkörpert darin das, was in späterer Begrifflichkeit Nihilismus heißt." (Angehrn 1989 p.127-128) "Hegels Haß gegen Schlegel war nicht nur blind, sondern auch sehend, sehend gerade dadurch, daß Hegel sich nicht philologisch auf einige Äußerungen Schlegels bezog, sondern dessen Geistesart im Ganzen zu charakterisieren suchte. Die Züge, die er kritisch an Schlegel hervorhob, hat er dann [...] zu einer Gestalt des Zeitgeistes überhaupt vertieft." (Pöggeler 1956 p.226) Pöggeler ist der Ansicht, daß Hegels logische Analyse der Ironie gerade darin hellsichtig ist, rundheraus das aktuelle Problem der abstrakten Subjektivität zu präsentieren. "So ist die Hegelsche Kritik auf ihren Kern zu reduzieren, der in den Äußerungen über die Problematik der Subjektivität liegt. Für den, der diesen Kern übersieht, wird die Kritik Hegels zu einem bloßen Zerrbild." (ibd. p.226-227) Vielleicht hat Pöggeler den jungen Kierkegaard vor Augen, der sich bekanntlich auf Hegels romantikkritische Überlegungen stützt, um zeitkritisch und ohne widerlegende Absicht das moderne ästhetische Bewußtsein unter die Lupe zu nehmen (cf. Kierkegaard 1841), wenn er affirmativ zur Diagnose der Frühromantik anführt: "Hegel erkennt den subjektivistischen Ästhetizismus, der [...] das bindungslose Genießen des sich selbst immer freihaltenden Subjekts zu seinem Maßstab macht, als eine Willkür, die zur Hohlheit führt." (Pöggeler 1956 p.72) Es bleibt einzuwenden, daß Pöggeler nicht erkennt, daß es die Kritik am leeren Subjektivismus der romantischen Ironie ist, die verfehlt ist. So stimmt es auch nicht, wenn er am Ende seiner Arbeit feststellt: "Grundsätzlich aber vermag die Romantik in Hegels Kritik ihre wahre Tiefe zu zeigen." (ibd. p.356) (zurück)

(45) Bohrer 1989 p.152 (zurück)

(46) "Lucinde hatte einen entschiednen Hang zum Romantischen [...]. Auch sie war von denen, die nicht in der gemeinen Welt leben, sondern in einer eignen selbstgedachten und selbstgebildeten. Nur was sie von Herzen liebte und ehrte, war in der Tat wirklich für sie, alles andre nichts; und sie wußte was Wert hat. Auch sie hatte mit kühner Entschlossenheit alle Rücksichten und alle Bande zerrissen und lebte völlig frei und unabhängig." (Fr.Schlegel 1799 p.70-71) (zurück)

(47) "Schlegel fordert eine Dichtung, die mit dem Objekt auch sich selber mitdichtet, die auch sich selbst zum Gegenstand hat und in dieser inneren Spaltung in Subjekt und Objekt sich potenziert, Poesie der Poesie wird." (Szondi 1954 p.149) cf. Fr.Schlegel 1798 p.182-183 (§116); p.204 (§238) (zurück)

(48) "Ein recht freier Mensch müßte sich selbst nach Belieben philosophisch oder philologisch, kritisch oder poetisch, historisch oder rhetorisch, antik oder modern stimmen können, ganz willkürlich, wie man ein Instrument stimmt, zu jeder Zeit, und in jedem Grade." (Fr.Schlegel 1797 p.154 (§55)) (zurück)

(49) Zu diesen vier "Aktualitätselementen" der freien Kunstform in Hegels Ästhetik: cf. Henrich 1964 p.13-15 (zurück)

(50) Szondi 1954 p.150 (zurück)

(51) Szondi sieht nur die nihilistische Konsequenz einer unendlichen Reflexion, die alles in bloßen Schein verwandelt, was sie berührt. Es ist sicherlich von Gewicht, wenn Szondi erklärt: "Indem die Ironie das Negative festhält, wird sie, obwohl als dessen Überwindung gedacht, selber zur Negativität. Sie duldet Vollendung nur in Vergangenheit und Zukunft, alles, was ihr aus ihrer Gegenwart begegnet, wird mit dem Maßstab der Unendlichkeit gemessen und so zerstört. [...] Daß er [der Ironiker; Vf.] durch diese Annahme den Weg der Vollendung sich selber verbaut, daß sie sich immer wieder ihrerseits als untragbar erweist und schließlich ins Leere führt, bildet seine Tragik." (Szondi 1954 p.156) Dennoch eröffnet sich in der Frühromantik der Ausblick auf einen Begriff des ästhetischen Scheins, der mehr ist, als der Schein dessen, was sich in Begriffen verpacken läßt. Nach Szondi bedeutet bereits die unhaltbar sich potenzierende Reflexion, die sich im Element des Scheins aufhält, eine vermeidbare Entleerung der Realität. (cf. ibd. p.150) Dagegen läßt sich mit Fr.Schlegel sagen: "Auch der Geist kann, wie das Tier, nur in einer aus reiner Lebensluft und Azote gemischten Atmosphäre atmen. Dies nicht ertragen und begreifen zu können, ist das Wesen der Torheit; es schlechthin nicht zu wollen, der Anfang der Narrheit." (Fr.Schlegel 1797 p.158 (§92)) Hier zeigt sich Fr.Schlegel als Vorbote Nietzsches; auch Heidegger und Adorno besitzen einen Begriff des ästhetischen Scheins, der untergründig mit frühromantischen Ideen kommuniziert. (zurück)

(52) Fr.Schlegel 1798 p.182 (§116) (zurück)

(53) cf. ibd. p.182-183 (§116) (zurück)

(54) Einer der Sprüche Hegels aus der Jenenser Zeit, die von Hoffmeister zusammengestellt wurden, lautet in lakonischer Kürze: "Was eine tiefe Bedeutung hat, taugt eben darum nichts." (zit. aus: Hoffmeister 1936 p.356) (zurück)

(55) Allerdings befähigt Nietzsche gerade die physiologisch-psychologische Grundlage seiner Ästhetik zu einer interessanten Deutung der Phänomene des Schrecklichen, Bösen, Phantastischen, Magischen, Wahnsinnigen etc. (cf. W.Lange 1989 p.22-28), denen Hegel dogmatisch die philosophische Würde abspricht. In der Ästhetik heißt es: "Der Teufel für sich ist deshalb eine schlechte, ästhetisch unbrauchbare Figur; denn er ist nichts als die Lüge in sich selbst und deshalb eine höchst prosaische Person." (Ä1,288) (zurück)

(56) An diesem Punkt muß auch die Differenz zwischen Fragment und Aphorismus angesetzt werden: das Fragment weist an seiner Bruchstelle auf ein Ganzes hinaus, der Aphorismus dagegen realisiert die Poetik des Perspektivismus. Manche mögen sagen, daß das Fragment eine moderne, der Aphorismus aber eine postmoderne Kunstform ist... (zurück)

(57) Behler 1975 p.5 - Behler macht dort darauf aufmerksam, daß Cicero den griechischen Begriff "eironia" ins lateinische "dissimulatio" (Verstellung) übersetzte. - cf. ibd. p.17; Behler 1978 p.84 (zurück)

(58) "Nietzsche [hat] am Begriff des >Scheins< festgehalten, indem er ihn in den Begriff der >Maske< überführte, der seit der Tragödienschrift bereit lag. [...] Die Metapher der >Maske< [...] wird zum ironischen Substitut des pathetischen >Scheins<." (Bohrer 1981 p.135-136) - Nietzsche schreibt in Jenseits von Gut und Böse: "[Der] Geist geniesst [...] seine Masken-Vielfältigkeit und Verschlagenheit, er geniesst auch das Gefühl seiner Sicherheit darin, - gerade durch seine Proteuskünste ist er ja am besten vertheidigt und versteckt! - Diesem Willen zum Schein, zur Vereinfachung, zur Maske, zum Mantel, kurz zur Oberfläche - denn jede Oberfläche ist ein Mantel - wirkt jener sublime Hang der Erkennenden entgegen, der die Dinge tief, vielfach, gründlich nimmt und nehmen will: als eine Art Grausamkeit des intellektuellen Gewissens und Geschmacks, welche jeder tapfere Denker bei sich anerkennen wird..." (JGB,168 (§230)) (zurück)

(59) ">Ist es wahr, dass der liebe Gott überall zugegen ist?< fragte ein kleines Mädchen seine Mutter: >aber ich finde das unanständig< - ein Wink für Philosophen! Man sollte die Scham besser in Ehren halten, mit der sich die Natur hinter Räthsel und bunte Ungewissheiten versteckt hat. Vielleicht ist die Wahrheit ein Weib, das Gründe hat, ihre Gründe nicht sehn zu lassen? Vielleicht ist ihr Name, griechisch zu reden, Baubo?... Oh diese Griechen! Sie verstanden sich darauf, zu leben: dazu thut Noth, tapfer bei der Oberfläche, der Falte, der Haut stehen zu bleiben, den Schein anzubeten, an Formen, an Töne, an Worte, an den ganzen Olymp des Scheins zu glauben! Diese Griechen waren oberflächlich - aus Tiefe! Und kommen wir nicht eben darauf zurück, wir Wagehalse des Geistes [...]? Sind wir nicht eben darin - Griechen? [...] Eben darum - Künstler?" (FrW,352) (zurück)