Offener Brief an unsere Bundeskanzlerin Frau Dr. Merkel

Verlängert bis Ende April!

Der Brief

An:
Bundeskanzleramt
Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel
Willy-Brandt-Str. 1
10557 Berlin

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin Dr. Merkel,

Wir haben schwerste Bedenken gegen unseren Innenminister Dr. Schäuble und sehen in ihm eine deutliche Gefahr für unsere Demokratie und unsere Verfassung.

Die Bundesrepublik Deutschland ist vor allem durch die individuelle Freiheit wirtschaftlich wie auch sozial soweit gekommen, wie sie heute dasteht.
Wirtschaftliche und individuelle Freiheiten sind neben der unabhängigen Justiz die Grundpfeiler unseres Systems.

Es galt auch immer, unser Bundesverfassungsgericht als Hüterin der Verfassung zu akzeptieren. Die Entscheidungen des BVerfG zur Meinungsfreiheit, zur Unverletzlichkeit der Wohnung und zum Schutz des Kernbereichs privater Lebensführung vor dem Staat galten immer als Grundlage jeglicher politischer Entscheidung.

Dieses System möchte Herr Schäuble in unseren Augen zerstören. Er möchte ein anderes System, welches wir nicht gutheissen können.

Die Ausweitung der Überwachung auf immer mehr private Lebensbereiche, die "Online-Durchsuchungen" und die letzten Bemerkungen zum Verfassungsgericht haben mich sehr erzürnt, da ich unser System als eines der Besten der Welt erachte.

Wir erwarten von unserem Innenminister, dass er unsere Privatsphäre und die Freiheit des Einzelnen schützt und nicht, dass er es aushöhlt. Auch wir sehen die Gefahr von Terrorismus, nur sind wir nicht bereit, unsere Grundrechte für ein subjektives Sicherheitsgefühl aufzugeben, welches weder klar definierbar noch beweisbar ist.

Herr Schäuble benutzt jedoch Kampfbegriffe wie "Terrorismus" und "Kinderpornographie" um unser Land in der Richtung zu verändern, dass die individuelle Freiheit (auch vor dem Staat) immer mehr eingeschränkt wird.

Wozu "Online-Durchsuchungen" auf privaten Computern bei denen auch Tagebücher, persönliche Aufzeichnungen, Steuererklärungen vorhanden sind? Herr Schäuble meinte dazu:

"Ich kenne und respektiere die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Schutz der Privatsphäre. Aber wir müssen auch sehen, dass dieser Schutz in der Alltagswirklichkeit praktikabel bleibt. Verbrecher und Terroristen sind klug genug, so etwas auszunutzen. Die tarnen ihre Informationen dann zum Beispiel als Tagebucheintrag. So leicht dürfen wir es denen nicht machen."

Dies wäre ein Freibrief für die Totalüberwachung, denn nach dieser Ansicht gäbe es keinerlei Kernbereich privater Lebensführung mehr: Die Argumentation, dass Verbrecher so klug seien, um dies ausnutzen führt schnurstracks dazu, dass man jeden Winkel des Lebens ausleuchten können muss.
"Ich kenne und respektiere die Rechtssprechung des BVerfG [...]. ABER..." - das heisst - machen wir uns nichts vor - dass er dem Verfassungsgericht die Kompetenz, darüber zu entscheiden, abspricht. Auch das ist ein Novum in unserer Politik, welches wir mit Sorge sehen.

Leider hat Herr Schäuble in letzter Zeit immer wieder viele Ideen aufgegriffen obwohl er weiss, dass das BVerfG derartige Vorhaben sofort als gesetzes- und verfassungswidrig beurteilen muss. Sei es der Einsatz der Bundeswehr im Innern, sei es die Vorratsdatenspeicherung oder die erneuten Rasterfahndungsideen - ganz zu schweigen von seiner Idee, den "Quasi-Verteidigungsfall" auszurufen, um ein Flugzeug abschießen zu können.

Um Schaden für unser Land abzuwehren legen wir Ihnen nahe, unseren Innenminister entweder zur Räson zu rufen oder ihn durch einen Menschen zu ersetzen, der die Sicherheit in unserem Lande durch Maßnahmen sicherstellen kann, die unserem Verfassungswesen entsprechen.

Die Gründungsväter unserer Republik haben sich viele Gedanken über unsere Staatsform gemacht: wir dürfen nicht aufgrund vermeintlich schneller Lösungen unsere Verfassung durch zahlreiche Einzelmaßnahmen zu einer anderen Verfassung mit anderen Werten machen. Dies führte in letzter Konsequenz auch zu einer anderen Republik - weniger Individualrechte, weniger Rechtssicherheit und größere Mißbrauchsgefahr inklusive.

Ein Ruck muss durch Deutschland gehen, Signale gesetzt werden. Das geht nicht durch rückwärts gewandte Aktionen, welche immer mehr junge Menschen zum Auswandern veranlassen. Hier muss auch Mut gezeigt werden: für Freiheit und Demokratie!
Der Weg von Herrn Schäuble ist ein Irrweg!

Pascal Gienger, 12.02.2007