Johannes Rivius
aus Attendorn (1500 – 1553)
Pädagoge und Schulbuchautor im Zeitalter der Reformation
von Werner F. Cordes
Als man im Jahre 1975 anlässlich eines Jubiläums1 einen Namen für das
altehrwürdige Attendorner Gymnasium suchte, fiel die Wahl auf den am Beginn der
Neuzeit in der kurkölnischen Stadt geborenen Johannes Rivius. Er hat – auch nach
einer glänzenden Karriere in Sachsen und als berühmt gewordener Autor - immer
seine Herkunft betont und nennt sich auf den Titelblättern seiner Bücher stets
Johannes Rivius Atthendoriensis.
Titelblatt einer Erstausgabe von 1548
Seine erste, grundlegende Bildung scheint der Spross einer angesehenen Familie
bereits in seiner Vaterstadt erhalten zu haben. Attendorn gilt als einer der
Orte in Westfalen, an denen schon früh ein Gymnasium bestand. Die auf älteren
Vorlagen basierende „Münstersche Chronic“2 des C. Güding, welche mit
dem Jahre 1777 endet, führt über das Schulwesen in Westfalen am Beginn der
Neuzeit aus: „1498. Kahmen die Schulen in Münster in großem Flor. Der Domherr
von Langen hat selbe besonders gut im Stande gebracht, worin sie sich auch bis
zu den Zeiten der Wiedertäufer erhalten. Von diesen Schulen aus, gehen wie aus
einem Seminario die Wissenschaften durch den Peter Nehm nach Dortmund, durch
Joseph Horlen nach Herford, durch Ludolf Hering nach Hamm, durch Alexander von
Meppen nach Osnabrück, durch Ludolf nach Soest, durch Hermann (richtig: Tilmann)
Müller nach Attendorn.“3
Titelblatt einer Erstausgabe von 1549
Ähnlich äußert sich Johann Diedrich von Steinen in seiner „Historie der
Herzogthümer Engern und Westphalen“.4 Er gibt im zweiten Buch eine
„Kurze Beschreibung der Städte“ und berichte unter anderem über Attendorn: „Es
gereichet sonst dieser Stadt zu einer besondern Ehre, daß der weltbekannte
Johannes Rivius, welcher 1553 den 1. Januarius in Meissen gestorben, im Jahre
1500 den 1. August hieselbst geboren worden.“5
Von der Attendorner Schule des Tilmann Mülle(r), welche vor allem eine
gründliche Kenntnis des Lateinischen vermittelt haben dürfte, führte ihn sein
Bildungsgang an die Universität Köln, wo er nach Abschluss seines Studiums als „magister
artium“ an der Lateinschule des Mariengradenstifts bis 1523 als Lehrer tätig
war.6
Seine Forschungen zu klassischen Schriftstellern machten es erforderlich, dass
er Reisen bis in das Oberrheingebiet unternahm, um mittelalterliche
Handschriften in Klosterbibliotheken einzusehen.
Als Mittelpunkt wissenschaftlicher Forschung war die Stadt Leipzig mit ihren
zahlreichen Gelehrten für Rivius von besonderer Anziehungskraft. Dort wurde ihm
1524 eine Stellung am Stadtgymnasium in Zwickau vermittelt. Weitere Stationen
seiner Tätigkeit in Sachsen waren die Städte Annaberg (ab 1531), Marienberg (ab
1535), Schneeberg (1536/37) und endlich die Residenzstadt Freiberg, wohin er
durch den Herzog Heinrich berufen wurde. Der katholische Bischof Johannes von
Meißen erteilte 1539 Rivius als inzwischen anerkanntem Schulfachmann den
Auftrag, eine Schulreform für das Bistum vorzubereiten.
Über eine Zwischentätigkeit als Studienbegleiter eines Prinzen und Berater des
Herzogs Moritz erreichte der aus Attendorn stammende Gelehrte 1544 mit seiner
Ernennung zum Inspekteur der neu gegründeten „Fürstenschulen“ in Meißen,
Merseburg und Pforta den Höhepunkt seiner Laufbahn.
Außer als Lehrer und Schulreformer ist Johannes Rivius bis heute vor allem durch
die Veröffentlichung zahlreicher Schriften bekannt geworden. Darunter sind in
erster Linie solche mit pädagogischem Hintergrund zu nennen bis hin zu
regelrechten Schulbüchern, ferner Traktate und Streitschriften, in denen er sich
als gemäßigter Anhänger der Reformation zu erkennen gibt.
Seine Beziehung zum inneren Kreis der Reformatoren wird deutlich in einer aus
dem Lateinischen übersetzten Abhandlung mit dem Titel: „Daß Gott einem jeglichen
Menschen / einen eigen und besondern Engel / dadurch er ihn beschütze / gegeben
habe“, die 1538 bei Georg Rhau in Wittenberg erschien. Rhau, der 1519
Thomaskantor in Leipzig geworden war, wo er im selben Jahr anläßlich der
Disputation Luthers mit Eck eine eigene zwölfstimmig Messe aufführte, wurde 1525
Nachfolger des Verlegers Johannes Rhau-Grunenberg und druckte 1529 Luthers
großen Katechismus und 1531 die „Augsburger Konfession“.
Der ansehnliche Attendorner Bestand an theologischen Werken des Johannes Rivius
wurde in diesem Jahr bereichert durch einen Sammelband mit Erstausgaben, den Dr.
Gerhard Stamm, Abiturient des Gymnasiums von 1954 und ehemaliger Leiter der
Handschriftenabteilung an der Landesbibliothek Karlsruhe, seiner Vaterstadt als
Geschenk überließ. (Siehe Abb.!)
Der Hauptbau des
Rivius-Gymnasiums nach der Restaurierung im Jahre 2004
Foto: Friedhelm Ackermann
Bekannt wurde Rivius vor allem durch seine Schulbücher zur „Grammatik“,
„Dialektik“ und „Rhetorik“. Diese drei Fächer („Trivium“ – „trivial“) bildeten
das Grundgerüst des Lernens an den frühen Gymnasien und sollten zur Beherrschung
der lateinischer Sprache als Voraussetzung für das Studium der „höheren“
Disziplinen „Arithmetik“, „Geometrie“, „Musik“ und „Astronomie“ („Quadrivium“)
führen. Die genannten Lehrbücher wurden so bekannt, daß man sie nach ihrem Autor
auch als den „Trivius“ bezeichnete.
Ein Lübecker Nachdruck der „Grammatik“, in dem der Drucker und Verleger Johann
Ballhorn im Jahre 1571 eigenmächtige Ergänzungen vornahm, bereicherte die
deutsche Sprache um den Begriff der „Verballhornung“.
Als Schulbücher waren auch die Sallust-Ausgaben von Rivius weit verbreitet.
Schon die Verlagsorte Basel, Leipzig, Lyon, Köln und Wittenberg weisen auf die
Bedeutung des großen Pädagogen im 16. Jahrhundert hin .
Nicht zutreffend ist die immer wieder zu lesende Zuschreibung einer
Vitruv-Ausgabe („Zehn Bücher über Architektur“) an Rivius.7 Es
handelt sich dabei um eine Verwechslung mit Walther Hermann Ryff, der seinen
Nachnamen ebenfalls als „Rivius“ latinisiert hatte.8
Johannes Rivius hatte viele Schüler, die selbst bedeutende Gelehrte und Autoren
wurden. Einer von diesen, Georg Fabricius, der Verfasser einer Chronik der Stadt
Meißen, errichtete seinem Lehrer nach dessen plötzlichem Tode ein Grabdenkmal an
der Kapelle des heiligen Wolfgang.9
Die lateinische Inschrift des Monuments übernahm Fabricius auch in die Chronik.10
Sie lautet übersetzt: „Jesus Christus geweiht. Für Johannes Rivius, einen
überaus redlichen Menschen und hoch angesehenen Lehrer der Philosophie, der sich
hervorragende Verdienste erwarb um das jetzige und um das künftige Geschlecht
und ausgezeichnet wurde von den Fürsten und verehrt von den Gebildeten, der
zusammen mit seiner Gattin Anna und seinem Sohne Paul an der Pest gestorben ist
und unter dieser Erde begraben liegt, setzte Fabricius aus Chemnitz diesen Stein
in Erinnerung an seinen unvergleichlichen Lehrer. - Er starb am l. Januar 1553.
– Der Herr ist allzeit Helfer in der Not.“11
Anmerkungen
1 100 Jahre Städtisches Gymnasium (1875 - 1975).
2 C. Güding, Münstersche Chronic aus den Schriften des Art:
Generalen von Corfey.
3 Güding (wie Anm. 2), S. 151.
4 Johann Diedrich von Steinen, Westphälische Geschichte, Lemgo, 1755
- 60.
5 von Steinen (wie Anm. 4), Das XXX. Stück, Historie der Herzogthümer
Engern und Westphalen, S. 1106.
6 Zur Biographie vgl. Bruno Hesse und Peter Nake, Johannes
Rivius von Attendorn, in: Rivius-Gymnasium der Stadt Attendorn 1875 - 1975,
Attendorn 1975, S. 29 -.42, hier S. 31f.
7 So zuletzt in: Attendorn gestern und heute, Mitteilungsblatt des
Vereins f. Orts- und Heimatkunde, Attendorn 2000, Nr.r:24, S. 9.
8 Curt Fensterbusch (Hrsg.), Vitruv - Zehn Bücher über Architektur,
Darmstadt 1964, S. 14.
9 Georgii Fabricii Chemnicensis, Rerum Misnicarum Libri VII., Leipzig
1569, S. 207.
10 Fabricius (wie Anm. 9).
11 Für die Übersetzung danke ich Bruno Hesse in Attendorn.
Und diese Web Links bietet das Online-Lexikon "Wikipedia" unter
http://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Rivius