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5.6 Praxis geschlechterdifferenzierter Arbeitsteilung

Die alltägliche Vereinbarung von Familie und Beruf ist von kulturell verankerten Männlichkeits- und Weiblichkeitsbildern geprägt, von Kosten-Nutzen-Kalkülen der Eltern selbst gesteuert und in eine mehr oder weniger reflektierte alltägliche Praxis geschlechtsspezifischer Arbeitsteilung eingebunden. Die habitualisierten Praxen der Geschlechter bieten ungleiche Gelegenheiten zu persönlicher und beruflicher Entwicklung, zu Kommunikation und Fürsorge, zu Bildung und zu Weiterbildung.

Rollenzuweisungen verpflichten die Geschlechter in ungleichem Maß zu bezahlter und unbezahlter Arbeit. Im männlichen Ernährermodell waren die Aufgaben klar verteilt. Mit dessen Modernisierung ist eine Doppelorientierung von Frauen auf Familie und Beruf verbunden. Immer mehr Frauen leisten die Verschränkung zweier Lebensbereiche, die sich im Alltag nicht ohne weiteres vereinbaren lassen. Unter Gleichstellungsgesichtspunkten ist zu fragen, was Männer zur Bewältigung von Familienaufgaben beitragen, wenn immer mehr Frauen auch dann erwerbstätig bleiben, wenn Kinder im Haushalt leben. Die Gleichstellungsfrage kann sich einmal auf den Zeitwohlstand bzw. die Zeitnot der Geschlechter beziehen, d.h. auf die Frage, wer über mehr Freizeit verfügt. Gleichstellungsrelevant ist aber auch die Frage, wem wie viel Zeit für bezahlte Arbeit zur Verfügung steht. Auch wenn letztlich nicht gesichert ist, dass das selbstverdiente Geld stets mehr biografische Selbststeuerung, Konsumautonomie und Handlungsspielräume schafft als die Versorgung durch Angehörige oder die Abhängigkeit von staatlichen Leistungen, soll hier doch der Frage nachgegangen werden, wie viel Zeit Frauen und Männern für bezahlte und für unbezahlte Arbeit haben.

Ein Vergleich der Befunde aus den Zeitbudgeterhebungen, die vom Statistischen Bundesamt in den Jahren 1991/92 und 2001/02 durchgeführt wurden, zeigt, dass sich in dieser Hinsicht eine gewisse Angleichung der Lebenssituation von Frauen und Männern vollzogen hat. Männer beteiligen sich heute im Durchschnitt zwar nicht wesentlich stärker an unbezahlter Arbeit[141] als Anfang der 90er-Jahre, Frauen haben aber im besagten Zeitraum ihren Zeitaufwand für unbezahlte Arbeit um knapp 10 Prozent reduziert (Statistisches Bundesamt 2003n: 14 f.). Gleichzeitig nahm der Zeitaufwand für Erwerbsarbeit bei Männern im erwerbsfähigen Alter stärker ab als bei Frauen (Gille/Marbach 2004). Frauen leisten noch immer mehr unbezahlte Arbeit als Männer und Männer leisten mehr bezahlte Arbeit. Während Frauen im Westen 2001/02 gut 1,6-mal so viel Zeit mit unbezahlter Arbeit wie Männer verbringen, liegt das Verhältnis in den ostdeutschen Ländern bei 1 zu 1,4 (Statistisches Bundesamt 2003n: 14). Die ungleiche Beteiligung von Frauen und Männern an unbezahlter und bezahlter Arbeit ist in anderen europäischen Staaten in ähnlicher Größenordnung zu beobachten (Statistisches Bundesamt 2003n: 7).

Abbildung Anhang A. 5.03 gibt einen differenzierten Einblick in die Haushalts- und Familienarbeit von Mädchen bzw. Frauen und von Jungen bzw. Männern. Sie zeigt, dass schon Mädchen und Jungen unter 18 Jahren ungleich an Hausarbeit beteiligt sind. Ferner zeigt sie, dass die Haushalts- und Familienaktivitäten nach dem 25. Lebensjahr deutlich zunehmen. In dieser Phase verlassen mehr und mehr junge Erwachsene das Elternhaus, bilden häufig Paarhaushalte und gründen evtl. eine Familie. Die junge Generation muss zunehmend selbst für Haushalt und evtl. auch Kinderbetreuung sorgen. Dabei ist der Zuwachs an Haushaltsaktivitäten bei den Frauen deutlich ausgeprägter als bei den Männern (Anhang Abbildung A 5.3). Zwischen dem 25. und dem 65. Lebensjahr ist die Zubereitung von Mahlzeiten, das Instandhalten von Haus und Wohnung und die Kinderbetreuung ganz überwiegend "Frauensache". Für Gartenarbeit und Einkäufe wenden Männer in diesem Alter mehr Zeit als Frauen auf. Die Wäschepflege ist eine absolute Frauendomäne (Abbildung A. 5.03).

Für die Chancen von Frauen, sich am Erwerbsleben zu beteiligen, ist besonders von Bedeutung, ob sie in einer Phase, in der betreuungsbedürftige Kinder mit im Haushalt leben, Haus- und Familienarbeit mit einem Partner teilen können. Deshalb lohnt sich ein Blick auf die Zeitverwendung von Frauen und Männer unter 60 Jahren in Paarhaushalten mit betreuungsbedürftigen Kindern.

In dieser Haushaltskonstellation hat, dies zeigen die Zeitbudgetdaten von 1991 und 2001, der Anteil der Haushalte, in denen beide Partner erwerbstätig sind, in West- zu- und in Ostdeutschland abgenommen (Gille/Marbach 2004: 90). Schon hierin ist für die westdeutschen Länder eine Entwicklung hin zu mehr Parität zu sehen, während die Zahlen in den ostdeutschen Ländern die Probleme auf dem Arbeitsmarkt widerspiegeln.

Für die Vereinbarkeitsproblematik ist nun von besonderem Interesse, wie sich Eltern, die beide berufstätig sind, die Haus- und Familienarbeit aufteilen. Erwartungsgemäß fällt für die Frauen und Männer in Paarhaushalten mit Kindern mehr unbezahlte Arbeit an als in Paarhaushalten ohne Kinder, fast neuneinhalb Stunden täglich in den Haushalten mit Kindern und ungefähr sieben Stunden in den Haushalten ohne Kinder (Tabelle 5.4).[142] Vergleicht man den Umfang unbezahlter Arbeit von berufstätigen Müttern und Vätern mit dem Umfang unbezahlter Arbeit von kinderlosen berufstätigen Paaren, dann stellt man fest, dass nicht nur erwerbstätige Mütter deutlich mehr unbezahlte Arbeit leisten als erwerbstätige Frauen ohne Kinder, sondern, dass auch die Väter mehr unbezahlte Arbeit als die kinderlosen Männer leisten (Tabelle 5.4).




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