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Band XXVIII (2007) Spalten in Vorbereitung Autor: Reinhart Kögerler

EDER, Gernot, * 9.5. 1929 in Wien, † 9.11. 2000 in Wien, Naturwissenschaftler (Kernphysiker) und Laientheologe. - Gernot Eder wurde am 9.5. 1929 in Wien als fünftes von sieben Kindern einer Lehrerfamilie geboren. Nach der Schulzeit, die er 1947 mit der Reifeprüfung am Bundesgymnasium Wien 19 abschloß, begann er das Studium der Physik, der Mathematik und der Philosophie an der Universität Wien. Er erwarb dabei sowohl die Berechtigung zum Lehramt (für Mathematik und Physik) an Höheren Schulen als auch das Doktorat (Dr. phil.) im Fach Theoretische Physik. Während der Studienzeit engagierte sich Eder intensiv in der Katholischen Hochschulgemeinde am Hochschulort Wien. Er übernahm insbesondere zahlreiche Funktionen in der Katholischen Hochschuljugend, die den aktiven Kern der Hochschulgemeinde bildete. Hervorzuheben ist seine Beteiligung an einer Arbeitsgruppe zu Themen im Schnittfeld von Theologie und Naturwissenschaften. Dieses geistige Umfeld, vor allem aber der Kontakt zum Hochschulseelsorger Msgr. Karl Strobl und zum damaligen Domprediger und Künstlerseelsorger Msgr. Otto Mauer, prägten ganz entscheidend sein Denken und seine Einstellung zur Religion. Während der Studienzeit absolvierte er auch einen - damals neu eingerichteten - zweijährigen Theologischen Kurs für Laien, in dem er Basiswissen in Theologie erwerben konnte. Nach Abschluß des Studiums ermöglichte ihm ein kirchliches Stipendium, noch für zwei Jahre am Institut für theoretische Physik der Universität Wien Forschung (insbesondere auf dem Gebiet der Quantenfeldtheorie) zu betreiben. Dann begannen die wissenschaftlichen Wanderjahre: Ein Besuch bei W. Heisenberg in Göttingen führte zu einer zweijährigen Anstellung (finanziert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft) am Max-Planck-Institut für Physik in Göttingen (1953-55). Daran schloß sich ein Aufenthalt als Stipendiat bei der im Aufbau befindlichen Theorie-Gruppe des CERN, welche zu dieser Zeit am Niels-Bohr-Institut in Kopenhagen beheimatet war (1955-56). In diesen Jahren gewann Eder Kontakt zu vielen Pionieren der Quantenmechanik und der daraus hervorgehenden Kern- und Teilchenphysik (N. Bohr, W. Heisenberg, A. Bohr, G. Källen, H. Lehmann, C.F. v. Weizsäcker u.a.). Im Herbst 1956 kehrte er als Universitätsassistent an das Institut für Theoretische Physik der Universität Wien zurück, wo er sich - angeregt durch die Experimente von P. Weinzierl zu Gamma-Übergängen von schweren Kernen - ganz der theoretischen Kernphysik zuwandte. In diese Zeit fällt die Erlangung der venia legendi für das Fach Theoretische Kernphysik (1957) und die Zuerkennung des Ludwig-Boltzmann-Preises der Österreichisch Physikalischen Gesellschaft. 1961 verehelichte er sich mit Charlotte Boeckl, einer Tochter des Malers Herbert Boeckl. Aus dieser Ehe sind drei Töchter hervorgegangen. Den ersten Ruf auf einen Lehrstuhl erhielt Eder 1963 als ordentlicher Professor für Theoretische Physik an die Universität Giessen. In Giessen entstanden die ersten drei seiner bekannten Lehrbücher (Kernkräfte; Elektrodynamik; Quantenmechanik). Er hielt in dieser Zeit seine Verbindung zu Wien aufrecht (1968 verbrachte er ein Sabbatical als Honorarprofessor an der Universität Wien) und wurde dann 1971 als ordentlicher Professor für Kernphysik an die Technische Universität Wien berufen; mit dieser Berufung verbunden war die Bestellung als Vorstand des Atominstitutes der österreichischen Universitäten. Beide Funktionen behielt er bis zu seiner Emeritierung (1997) inne. Die Zeit als Professor in Wien war geprägt von großer wissenschaftlicher und schriftstellerischer Fruchtbarkeit, wobei sich das wissenschaftliche Interesse keineswegs auf kernphysikalische Themen beschränkte, sondern auch Fragen der Gravitationstheorie/Astrophysik sowie der Geophysik einschloß. Immer mehr wandte er sich auch philosophischen und theologischen Themen zu, wobei ihm vor allem die Betrachtung solcher Probleme aus der spezifischen Sicht des Naturwissenschaftlers ein Anliegen war. Daneben engagierte er sich in diesen Wiener Jahren auch stark für religiöse und kirchliche Belange, wobei er in ständigem Kontakt mit Karl Strobl und Otto Mauer stand. Er war von 1973-75 Vorsitzender des Katholischen Akademikerverbandes der Erzdiözese Wien, von 1980-1983 Präsident des gesamtösterreichischen Katholischen Akademikerverbandes und 1983-1990 Mitglied des Präsidiums des KAVÖ. Er wirkte auch in anderen Gremien der Katholischen Aktion Österreichs mit. Als auf Initiative des damaligen Akademikerseelsorgers Prälat Dr. Karl Strobl von Kardinal Dr. Franz König der Otto Mauer Fonds gegründet wurde, dessen Aufgabe es war, einerseits jährlich den großen Otto-Mauer-Preis für darstellende Kunst zu vergeben und andererseits Projekte im Umkreis von Wissenschaft, Kunst und Religion zu finanzieren, wurde Gernot Eder zum stellvertretenden Vorsitzenden (1981-84) und (nach Strobls Tod) zum Vorsitzenden bestellt. Diese Funktion behielt er von 1984-1998 inne. Besonders intensiv engagierte sich Eder in den Gesprächen des Forum St. Stephan; zu zahlreichen Symposien dieses Vereins lieferte er substantielle Redebeiträge. In den Jahren nach seiner Emeritierung (1997) verdichtete sich das theologische Interesse, wobei er schließlich in einem "Theologischen Testament", das er noch zwei Wochen vor seinem Tod - schon schwer vom Krebs beeinträchtigt - diktierte, Kernelemente seiner theologischen Überzeugungen zusammenzufassen suchte. - Obwohl Gernot Eder durch sein ständiges Insistieren auf Sachverstand und Rationalität bei der Behandlung von wissenschaftlichen und auch politischen Fragen und seinen großen Wissenschaftsoptimismus sich nicht nur Freunde geschaffen hat, fanden seine Leistungen schließlich doch breite Anerkennung, die sich in zahlreichen Ehrungen und Auszeichnungen widerspiegeln (1973 korrespondierendes und 1994 wirkliches Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften; 1974 Kardinal Innitzer-Würdigungspreis für Naturwissenschaften; 1983 Großes Silbernes Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich, 1995 Ehrenmedaille in Gold der Bundeshauptstadt Wien). - Gernot Eder gehörte zu den wenigen Naturwissenschaftlern, die konsequent ihre Wissenschaft zur Theologie in Verbindung setzen. Dabei waren sein theologisches Denken und sein Kirchenbild stark vom 2. Vatikanischen Konzil geprägt. Er bemühte sich insbesondere darum, neue Antworten auf alte theologische Fragen zu finden, indem er zentrale philosophische und theologische Begriffe (Natur, Substanz, Seele, Resonanz, ...) im Licht moderner naturwissenschaftlicher Erkenntnisse neu interpretierte. Dabei war es ihm aber immer wichtig, den biblischen Bezug nicht aus den Augen zu verlieren. Eder war ein streitbarer Mensch, streng dem rationalen Denken verpflichtet und allen geistigen Moden abhold - und immer skeptisch gegenüber (insbesondere kirchlichen) Autoritäten. - Durch sein waches Interesse an beiden Themenfeldern, den Naturwissenschaften und der Religion, und seine ständige Diskussionsbereitschaft hat Gernot Eder nicht wenig dazu beigetragen, daß im österreichischen Katholizismus die Verbindung dieser Bereiche enger geblieben ist als anderswo in Europa. Allerdings haben seine Denkansätze zu theologischen Problemen und seine pointierte Ausdrucksweise nicht selten auch Gegnerschaft, insbesondere im Kreis von konservativen Fachtheologen, hervorgerufen. Viele Wissenschaftler und Studenten verdanken ihm Impulse, selbst über theologische Fragen nachzudenken und ihren Glauben auf hohem Niveau zu reflektieren.

Werke: Wissenschaftliche Arbeiten: Zahlreiche (71) wissenschaftliche Artikel in Zeitschriften; - Bücher: Kernkräfte, Einführung in die theoretische Kernphysik, 1965; Elektrodynamik, 1967; Quantenmechanik, 1980; Atomphysik, 1989; Kernmaterie, Grundlagen und Probleme der Kernphysik, 1995; Ist Physik universal? (Hrsg. Stepan S. Moskaliuk), Vol. 3 der Reihe "Classics of World Science", 2000.

Buchbeiträge: Auswahl aus den Schriften und Einleitung zu: Louis de Broglie: Licht und Materie, 1958; Artikel über Quantentheorie, Relativitätstheorie und Statistische Physik, in: Das Fischer-Lexikon Bd. 19, 1968; Elementarteilchen und Fundamentalteilchen, 1990; Naturwissenschaftliche Aspekte der Schöpfungsidee, 1991. Weitere (insbesondere philosophische und theologische) Schriften: Beiträge in Zeitschriften: Ohne moderne Physik?, Wort und Wahrheit 8/11, 1953, 835-845; Was ist Materie?, Wort und Wahrheit 8/1, 1953, 11-19; Die Invarianten der Materie, Wort und Wahrheit 9/9, 1954, 673-678; Endlichkeit und Unendlichkeit, Wort und Wahrheit 10/3, 1955, 177-182; Kausalitet og substans i lyset af den moderne fysik, Catholica 13/2, 1956, 67-76; Horizonte der Physik, Wort und Wahrheit 12/10, 1957, 761-773; Sinn und Tragweite der Kernphysik, Wissenschaft und Weltbild 10, 1957, 123-126; Enquête: Der Laie und die Heiligung der Welt, Wort und Wahrheit 13, 1958, 17-19; Der gespiegelte Kosmos, Wort und Wahrheit 14/6, 1959, 411-417; Gibt es Bausteine der Materie? Wort und Wahrheit 15/8, 1960, 524-534; Enquête: Liturgiereform und Zukunft der Kirche, Wort und Wahrheit 20/11, 1965, 671; Substanzen im Universum, Wort und Wahrheit 21/1, 1966, 45-51; Transsubstantiation, Wort und Wahrheit 24/3, 1969, 224-235; Enquête: Der Zustand der römisch-katholischen Kirche, Wort und Wahrheit 27/2, 1972, 125-126; Stellung von Atom- und Kernphysik in den Naturwissenschaften, Wissenschaft und Weltbild 28/4, 1975, 271-277; Eschatologie und Gegenwart aus naturwissenschaftlicher Sicht, Bibel und Liturgie 48/4, 1975, 223-232; Ethos, Natur und Gesetz, Bibel und Liturgie 50/4, 1977, 235-241; Ist der Mensch zum Glück veranlagt?, Bibel und Liturgie 53/4, 1980, 190-197; Der Mensch, ein rasender Affe?, morgen 40, 1985, 87-90; Methoden und Denkformen in der Naturwissenschaft, Christlich pädagogische Blätter 98/1, 1985, 44-50; Religionspädagogische Aspekte heutiger Denkformen, Christlich pädagogische Blätter 98/1, 1985, 51-58; Thesen zur Diskussion Naturwissenschaft - Theologie. Am Beispiel des Schöpfungsbegriffs, Diakonia 17/4, 1986, 246-250; Zehn Thesen zur Familie, actio catholica 38/1, 1994, 1-3; Gefährdung des Rechtsstaates Österreich durch politischen Eingriff in das Selbstverständnis und in der Praxis der Wissenschaft, Geschichte und Gegenwart 15/3, 1996, 155-168; Hans Thirring - der Chef, Geschichte und Gegenwart 17/1, 1998, 48-52; Naturwissenschaft und Theologie, Wie geht es weiter?, actio catholica 43/2, 1999, 21-31. - Bücher: Benimm dich, lieber Christ, 1955; Quanten, Moleküle, Leben, 1963; Heißes Eisen - kalter Brei, 1995. - Buchbeiträge: Anfang und Ende der Welt in der Sicht der heutigen Physik, in: Weltgespräch, 1. Folge, Nr. 3, 1967, 9-18; Physikalische Naturgesetze, Zufall und Freiheit, in: Gesetzmäßigkeit und Zufall in der Natur, hrsg. v. F. Henrich, 1968, 14-31; Gott als Ordnungsprinzip, in: Gibt es Gott?, hrsg. v. J. Rosenthal, 1982, 25-28; Siebzehn Aphorismen, in: Der Mensch, woher? wohin?, hrsg. v. J. Rosenthal, 1982, 42-46; Gibt es ein Danach?, in: Sterben, Tod und Auferstehung, hrsg. v. P. Hünermann, 1984, 11-27; Einsicht als Resonanzphänomen, in: Grammatik des Glaubens, hrsg. v. H. Bogensberger u. R. Kögerler, 1985, 25-39; Was kann ewig leben?, in: Kardinal König, hrsg. v. A. Fenzl, 1985, 182-187; Die Dimension des Naturbegriffs, in: Der umstrittene Naturbegriff, hrsg. v. F. Böckle, 1987, 13-30; Hoffnung zwischen Manichäismus und Deismus, in: Glaube Wissen Zukunft, hrsg. v. A. Kolb, 1987, 147-162; Wissenschaft als Herausforderung, in: Evolution, hrsg. v. P.C. Aichelburg u. R. Kögerler, 1987, 113-122; Wie ein Physiker über Gott denken kann, in: Versuch, über Gott zu reden, hrsg. v. H. Bogensberger u. W. Zauner, 1987, 9-33; Naturwissenschaftliche Aspekte der Schöpfungsidee, in: Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde, hrsg. v. P. Gordan, 1991, 61-81; Revitalisierung biblischer Problemfelder, in: Erkenntniswege in der Theologie, hrsg. v. H. Bogensberger u.a., 1998, 77-88; Evolution des Kosmos, in: Der Kosmos als Schöpfung, hrsg. v. J. Dorschner, 1998, 42-74.

Reinhart Kögerler

Letzte Änderung: 26.09.2006