Die
Enterbten des Liebesglücks
Max Spohr (1850-1905), Pionier schwuler Literatur
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Ausstellungsorganisation:
forum homosexualität und geschichte münchen e.v.
mit Unterstützung des Kulturreferats der Landeshauptstadt München
Anfang April 2001 wurde erstmalig der "Max-Spohr-Management-Preis" verliehen. Mit diesem Preis sollen Unternehmer ausgezeichnet werden, die die Vielfalt gesellschaftlichen Lebens schätzen und fördern, die Integration von Minderheiten begrüßen und Schwule und Lesben explizit in Mitarbeiterprogramme einbeziehen. Träger der Auszeichnung im Jahr 2001 war die Firma Ford AG, Köln.
Unsere Ausstellung erinnert an Max Spohr. Er trug als Verleger und Privatperson am Beginn der sich konstituierenden Schwulenbewegung vor 100 Jahren mit seinen Publikationen wesentlich zur Emanzipation von Homosexualität bei.
Der Verleger Max Spohr
- Pionier schwuler Literatur
Die Ausstellung
möchte den Verleger und sein Werk bekannt machen. Sie führt zurück
zu den Anfängen der Schwulenbewegung. Schwule Literatur war zwar auch vorher
dem Bildungsbürgertum in Grenzen bekannt und verfügbar; am Ende des
19. Jahrhundert nahm die Anzahl der Veröffentlichungen über Homosexualität
aber stark zu. Max Spohr blieb über viele Jahre jedoch der einzige Verleger,
der diesen Bereich in seinem Verlag systematisch pflegte. Der Verlag, 1881 in
Leipzig, damals Mittelpunkt der deutschen Buchwelt, gegründet, verlegte
ab 1893 homosexuelle Emanzipationsliteratur. Zu seinen ersten Publikationen
gehörten Der Urning vor Gericht und Die Enterbten des Liebesglücks.
Magnus Hirschfeld wurde dadurch auf den Verlag aufmerksam und fragte nach mehreren
Absagen anderer Verleger dort nach. 1896 erschien dann bei Spohr Hirschfelds
erste - pseudonym publizierte - Schrift Sappho und Sokrates. Daraus erwuchs
eine intensive Zusammenarbeit, viele Bücher über Homosexualität
folgten.
Insgesamt mehr als 120 Publikationen zum Thema Homosexualität wurden in
den folgenden Jahren vertrieben, das ab 1897 erscheinende Jahrbuch für
sexuelle Zwischenstufen unter besonderer Berücksichtigung der Homosexualität
und die Separatdrucke daraus nicht mitgerechnet. Die Themen reichen von freier
Liebe über den § 175 bis zur Verurteilung von Oscar Wilde. Auch lesbische
Liebe wurde immer wieder zum Thema gemacht.
Unter den belletristischen Texten, die aufgrund der geltenden Zensurgesetze
eher Restriktionen zum Opfer fielen als wissenschaftliche Werke, finden sich
mehrere authentisch anmutende Romane über individuelle urnische Lebensschicksale.
Während andere Verlage das Thema Homosexualität nur andeuteten, waren
seine Bücher häufig recht direkt. Wo in anderen Verlagen vieles pseudonym
erschien, anderes im Eigenverlag publiziert werden musste, stand Spohr als Verleger
stets hinter seinen Autoren und Autorinnen und deren Büchern.
Sein Engagement blieb für Max Spohr nicht ohne Folgen. Hier war es vor
allem der § 184 RStGB, der sich den Emanzipationsbemühungen des Verlages
hinderlich in den Weg stellte. Dieser Paragraf verbot die Verbreitung unzüchtiger
Schriften, aufgrund dieses Paragrafen wurde Spohr mehrmals denunziert, angeklagt
und verurteilt. Zu den von der Polizei verfolgten Schriften gehörte z.B.
die Enterbten des Liebesglücks von Otto de Joux.
Neben seiner verlegerischen Tätigkeit würdigt die Ausstellung auch
das sonstige Engagement von Max Spohr: Zusammen mit Magnus Hirschfeld, Eduard
Oberg und Franz Joseph von Bülow gründete er 1897 das Wissenschaftlich-Humanitäre
Komitee, die international erste homosexuelle Emanzipations-Organisation. Spohr
beriet Hirschfeld bei der Abfassung der Petition zur Streichung des § 175
und leitete das Leipziger Subkomitee des WHK.
Am 15. November 1905 starb Max Spohr an den Folgen von Krebs.
Sowohl Magnus Hirschfeld als auch dessen Gegenspieler Adolf Brand widmeten ihm
lange lobende Nachrufe.
Nach seinem Tod führte zuerst sein Bruder Ferdinand und anschließend
dessen Sohn das Unternehmen weiter, bis 1942 die Verlagstätigkeit endgültig
eingestellt wurde. Damit ging ein Stück schwule Literaturgeschichte zu
Ende, das in unserer Ausstellung ausführlich dokumentiert wird.
Sie zeigt auf Tafeln und in Vitrinen Bilder, Akten und Bücher; die Biographie
von Max Spohr und die Arbeit seines Verlages werden präsentiert. Aber auch
die Zeitumstände werden berücksichtigt: Die Anfänge der Schwulenbewegung,
die ersten Organisationen von Homosexuellen werden einbezogen, der Umgang mit
Homosexualität in der Öffentlichkeit werden ebenfalls vorgeführt,
und zwar am Beispiel von Rezensionen der Bücher aus dem Spohr-Verlag und
durch die beiden zeitgenössischen Homosexuellen-Skandale, die Krupp- und
die Eulenburg-Affäre.
Die Ausstellung wurde vom Centrum Schwule Geschichte Köln zusammen mit
der Magnus Hirschfeld Gesellschaft Berlin entwickelt. Sie war bereits in Berlin
(7. April - 4. Juni 2001), Köln und Leipzig (1. - 12. Oktober 2001) zu
sehen.
Der "Völklinger
Kreis" und der Max-Spohr-Management-Preis
Der "Völklinger
Kreis" ist ein Zusammenschluss von schwulen Selbstständigen, Freiberuflern
und Führungskräften aus den Bereichen Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur
und Öffentlicher Dienst. Der "Völklinger Kreis" engagiert
sich auf sozialem, wirtschaftlichen und politischen Gebiet, denn Gleichbehandlung
und Gleichstellung von Schwulen - wie auch mancher anderer Minderheit in unserer
Gesellschaft sind noch nicht erreicht.
Mit dem Max-Spohr-Preis möchte der Völklinger Kreis für mehr Toleranz werben - allen Minderheiten gegenüber. Zum einen soll das ausgezeichnete Unternehmen darin bestärkt werden, den eingeschlagenen Weg in Richtung Diversity weiter zu gehen. Zum anderen soll der Preis andere Unternehmen ermuntern, sich in ihren Grundsätzen Diskriminierungen jeder Art zu verbieten und die Vielfalt ihrer Mitarbeiter positiv zu nutzen.
Gleichzeitig möchte der Völklinger Kreis die Öffentlichkeit darauf aufmerksam machen, dass es noch immer viele Firmen gibt, in denen Mitarbeiter diskriminiert werden - sei es wegen ihrer Hautfarbe, Religion, körperlicher Grundverfassung oder sexueller Identität.