Einziger Sohn des Königs
Johann II. von Kastilien aus seiner 1. Ehe mit der
Maria von Aragon, Tochter von König
Ferdinand I.
Lexikon des Mittelalters: Band IV Spalte 2058
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Heinrich IV., König von Kastilien
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* 1425, + 11. Dezember 1474
Vallodolid Madrid
Sohn Johanns II. und seiner Cousine Maria von Aragon
Der als schwächlich und launenhaft geschilderte König
(G. Maranon „eunuchenhafte Verdrießlichkeit“) stand stark unter dem
Einfluß Juan Pachecos, den er zum 1. Marques von Villena erhob. Bereits
als Erbprinz schaltete sich Heinrich
in den Kampf des Adels gegen Alvaro de Luna ein, dem er die verspätete
Herausgabe des von Heinrich IV. als
Erbe beanspruchten Fürstentums Asturien anlastete. Vermählt mit
seiner Cousine Blanca von Navarra,
löste Heinrich IV. der Impotente 1453
diese kinderlos gebliebene Ehe und heiratete Johanna
von Portugal, um so ein Bündnis mit dem Nachbarland zu
begründen. Nachdem Johanna eine
Tochter, die Infantin Johanna 'la Beltraneja',
geboren hatte, unterzeichnete ein Teil des Adels (darunter auch Pacheco)
eine geheime Vereinbarung, in der die legitime Abkunft der Infantin in
Zweifel gezogen wurde.
Wahrer Grund für die Gegnerschaft des Adels war,
daß Heinrich IV. nach dem Tode
des Vaters (1454) die Politik Alvaros de Luna fortzusetzen versuchte:
Bündnis mit Portugal,
Erneuerung des Freundschaftsverhältnisses zu Frankreich,
Krieg gegen Granada,
Unterstützung der navarresischen Aufständischen
gegen den König von Aragon.
Heinrich IV. der Impotente
scheiterte jedoch mit seiner wenig zielstrebig verfolgten Politik, beugte
sich dem Adel und schloß einen Vertrag, in dem er sich mit geringfügigen
Kompensationen begnügte. Er bezahlte sein Versagen mit Verlust des
Ansehens (Treffen von Bidasoa, 1463). Von nun an galt seine Bestreben wohl
vorwiegend der Rettung des Erbes für seine umstrittene Tochter Johanna.
Dieses Ziel suchte er durch schwankende Bündnisse mit Mitgliedern
der Familie MENDOZA (Kardinal Pedro Gonzalez und dessen Schwager Beltran
de la Cueva) und den Plan einer Eheschließung
Johannas mit seinem Stiefbruder Alfons
zu erereichen. Heinrichs disparate
Polituik führte dazu, daß die Adelsliga, der sich auch der König
von Aragon anschloß, ihm sehr weitgehende Beschränkungen seiner
Herrschaftsgewalt abverlangte (1464 Cabezon-Cigales, Manifest von Medina).
Als der König sich weigerte, setzten ihn die Adligen in einer possenhaften
Zeremonie ab (sogenannte 'farsa de Avila', 5. Juni 1465) und riefen seinen
Stiefbruder als Alfons XII. zum König
aus.
Es folgte ein Bürgerkrieg, in dem keine der Parteien
den Sieg zu erringen vermochte. Während erneuter Verhandlungen um
das Heiratsprojekt zwischen Alfons
und Johanna verstarb der Prätendent
plötzlich (1468). Die Adligen wollten nun dessen Schwester Isabella
als Königin proklamieren, doch diese forderte, unter Berufung auf
Johannas
Illegitimität, anstatt der Krone die Anerkennung ihrer Erbansprüche.
Heinrich
IV., der sich hierzu schließlich bereitfand (Toros de
Guisando, 1468), arbeitete unter dem Einfluß Pachecos einen Plan
aus, der - durch eine doppelte Heiratsverbindung mit Portugal - seiner
Tochter Johanna wenigstens einen Teil
des Erbes sichern sollte. Doch Isabella
setzte ihren Willen durch, heiratete den Erb-Prinzen von Aragon, Ferdinand,
und zog damit alle Befürworter einer Stärkung der Königsgewalt
(darunter vor allem Alvaro und die MENDOZA) auf ihre Seite. Heinrich
IV. der Impotente, der in
der Folgezeit nur mehr wenig Anhang fand, versöhnte sich später
mit Isabella, so daß der Eindruck
entstehen konnte, sie sei mit seiner Zustimmung auf dem Thron nachgefolgt.
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Heinrich IV. der Impotente
war rothaarig, hatte zu lange Gliedmaßen, wodurch er linkisch wirkte,
war impotent und verweiblicht, eventuell homosexuell. Er war unentschlossen,
energielos und versuchte immer mit seinen Gegnern zu verhandeln und Kompromisse
zu erzielen. Er war ein äußerst schwacher und ausschweifender
Fürst und seine Regierungszeit eine Zeit totaler Anarchie. Er liebte
Spaziergänge und die Jagd. Eine 1460 schlecht durchgeführte Währungsunion
hatte eine Krise zur Folge, die der aufsässige Adel für seine
Zwecke nutzte. Trotzdem nahm er die Reconquista wieder auf und eroberte
Gibraltar. Heinrich versuchte seine
Tochter Johanna "La Beltranaja" als
Erbin durchzusetzen und der unzufriedene Adel erhob seinen Halbbruder Alfons
1465 als Gegenkönig. Nach mehrjährigem Bürgerkrieg und dem
Tod des Prätendenten zwang der Adel im Vertrag von Toro (5.9.1468)
den König, seine Ehe mit Johanna von Portugal
für
ungültig zu erklären, da kein päpstlicher Dispens vorlag,
und seine ungeliebte Schwester Isabella
als
Erbin anzuerkennen.
15.9.1440
1. oo Blanka von Aragon, Tochter des Königs
Johann II.
- 1453 1420- 1464
Cousine
Die Ehe wurde nie vollzogen.
21.5.1455
2. oo Johanna von Portugal, Tochter des Prinzen
Eduard
3.1439-13.6.1475
Cousine
Sie lebte recht
freizügig und hatte mindestens zwei uneheliche Kinder.
Kinder:
2. Ehe
Johanna 'La Beltraneja'
28.2.1462- 1530
Literatur:
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Ferdinandy Michael de: Philipp II. Bechtermünz
Verlag Augsburg 1996 Seite 411 - Giardini Cesare: Don Carlos. Infant
von Spanien. Eugen Diederichs Verlag München 1994 Seite 22,136 - Leicht
Hans: Isabella von Kastilien. Königin am Vorabend der spanischen Weltmacht.
Verlag Friedrich Pustet Regensburg 1994 Seite 30,31-38,39,40,44-65,69-91,93-95,101,113,115-120,124,125,148,154,
157-159,164,183,259-262 - Perez Joseph: Ferdinand und Isabella:
Spaniens Katholische Könige. Eugen Diederichs Verlag München
1995 Seite 10,22,44,55,57-68,70,73,75,78,87,96,107,116,123,129,138,156,160,171,203,
272,322,351 - Vones Ludwig: Geschichte der Iberischen Halbinsel
im Mittelalter 711-1480. Reiche - Kronen - Regionen. Jan Thorbecke Verlag
Sigmaringen 1993 Seite 206,214,216, 218,220-230,232,234-236,239 -
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Vones Ludwig:
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„Geschichte der Iberischen Halbinsel“
Die Regierungszeit Heinrichs
IV. (1454-1474) ist in ihrer Zerrissenheit durchfurcht von adligen
Machtkämpfen, Bürgerkrieg, politischen Propagandafeldzügen,
Verleumdung, Verrat und Gewinnsucht der Einzelnen. Man muß schon
bald bis auf Peter den Grausamen zurückgehen,
um ein Herrscherbild zu finden, das ähnlich verunstaltet worden ist,
wie dasjenige Heinrichs IV. Die gegnerische
Propaganda, die unter der Herrschaft der Katholischen Könige die Leitlinie
der offiziellem Hofchronistik bestimmen sollte, machte Heinrich
IV. zum rey hurano, zum menschenverachtenden König, dessen
Impotenz allgemein bekannt war, dessen einzige Tochter eine ehebrecherisch
bezeugte Beltraneja, in Wirklichkeit
das Kind seines Günstlings Beltran de la Cueva gewesen sein soll.
Sogar die Legitimität Heinrichs selbst
als Sohn Johanns II. wurde in Zweifel
gezogen, um das Thronfolgerecht seiner Halbschwester
Isabella sicherzustellen. Alle großen kastilischen Chroniken
des endenden 15. Jahrhunderts geben diese offensichtlichen Propagandamärchen
wieder.
Die Turbulenzen, die die 2. Hälfte seiner Regierungszeit
kennzeichnen sollten, waren für Heinrich
IV. bei Antritt seiner Königsherrschaft keineswegs absehbar
gewesen. Ein Jahrzehnt lang hatte er ein gewisses Gleichgewicht innerhalb
des Adels aufrechterhalten können, wenn auch alle seine Versuche,
einen wirklichen Ausgleich herzustellen, am offenen oder versteckten Widerstand
Villenas gescheitert waren. Die grundsätzliche Ausrichtung der kastilischen
Politik hatte Heinrich IV. nicht geändert,
da er die Linie Lunas weiterverfolgte. Er dachte nicht daran, den Gegensatz
gegen Johann II. von Aragon zum offenen
Austrag zu bringen, sondern neigte mehr dazu, einen gewappneten Friedenszustand
aufrechtzuerhalten. Dieser Taktik entsprachen eine Bündnispolitik
mit Portugal und Frankreich, kriegerische Unternehmungen gegen Granada
und das Bestreben, Johann von Aragon
auf Dauer aus der kastilischen Innenpolitk herauszuhalten. Die zweite Heirat
Heinrichs
mit der Infantin Johanna von Portugal
im Jahr 1455, nachdem seine erste Ehe mit
Johanns
Tochter
Blanca
aufgehoben worden war, hatte den Weg für solche Absichten bereitet.
Das größte Defizit des ersten Regierungsjahrzehnts
Heinrichs
IV. bestand allerdings in seiner Unfähigkeit, mit den verschiedenen
Adelsfaktionen ein dauerhaftes Einvernehmen zu finden, das den Intrigen
Villenas und der Unzufriedenheit seiner direkten Konkurrenten widerstanden
hätte. Alle erfolgversprechenden Anläufe in den Jahren 1456,
1457 und 1458 scheiterten letztlich, selbst wenn die Übereinkünfte
mit der einprägsamen Formel des Einer für Alle und Alle für
Einen beschworen worden waren. Zu vielfältig waren auf hoher Ebene
die Interessen der Adelsparteien und - blickt man auf den partikularen
Unterbau - diejenigen der sich in den Concejos befehdenden Adelsclans,
der sogenannten bandoslinajes ('Geschlechterbanden' oder auch 'Familienbanden'),
zu verschlungen die Beziehungen untereinander, zu scharf vielerorts die
Gegensätze. Den wechselnden Günstlingen des Königs - neben
Villena waren dies vor allem dessen Bruder Pedro Giron, der Condestable
Miguel Lucas de Iranzo und Beltran de la Cueva - standen in der Hauptsache
die großen etablierten Adelsfamilien, zum Teil identisch mit einer
Aragon-Partei, sowie die Erzbischöfe von Toledo - Alfonso Carillo
de Acuna, ein Onkel Villenas - und Sevilla - Alfonso de Fonseca - samt
ihrem Anhang gegenüber oder gegebenenfalls an der Seite, wenn dieselben
bereit waren, ihre Macht zu teilen. Als Johann
II. 1458 in Aragon die Regierungsgewalt übernahm und dadurch
einen deutlichen Machtzuwachs verzeichnen konnte, wuchs natürlich
für die kastilischen Adelsparteiungen, die über die Einführung
eines neuen Steuersystems verärgert waren, wiederum die Verlockung,
sich dort Unterstützung zu suchen. Dass sich eine Adelsliga unter
Führung Villenas 1460 um Rückendeckung an Johann
II. wandte und so den aragonesischen König erneut ins Spiel
brachte, geschah fast zwangsläufig und konnte von Heinrich
IV. nur gekontert werden, indem er ein allen Seiten wenig genehmes
Eheprojekt zwischen seiner Halbschwester Isabella
und
Karl
von Viana ankurbelte. Dieser bedrohlichen Situation wußte
Johann II. auf Anraten seiner Gattin, die durch Villena und
ihren Vater Fadrique Enriquez informiert worden war, nur durch die Gefangensetzung
Karls
von Viana zu begegnen.
Es wurde klar, wie sehr die Navarra-Politik und schließlich
das Eingreifen in Katalonien zu einer doppelschneidigen Waffe in der Hand
des kastilischen Königs geriet, die er sogar nach dem Tod Karls
von Viana sowohl gegen Johann II. als
auch gegen den unruhigen Adel führen konnte. Das militärische
Übergewicht Heinrichs, sein
Herrschaftsanspruch innerhalb des Prinzipats von Katalonien, seine Anrechte
auf den navarresischen Thron, die er durch den Verzicht seiner früheren
Gattin Blanca erhalten hatte (30. April
1462) und die Absicherung der dynastischen Thronfolge durch die Geburt
seiner Tochter Johanna (28. Februar
1462), wodurch die vom oppositionellen Adel geförderten Ansprüche
seines Halbbruders Alfons nichtig wurden,
verschafften ihm entscheidende Vorteile. Erst die Unterwerfung unter den
Schiedsspruch Ludwigs XI., der ihm
mit der Merindad von Estella ein wenig verlockendes Faustpfand einbrachte,
leitete das Scheitern seiner Politik ein und erschütterte seine Stellung
in den Grundfesten, da nun der König von Aragon aus der Defensive
befreit war. Der Marques von Villena ließ sich seinen schlechten
Rat durch die Übertragung einer französischen Grafschaft bezahlen,
wozu er noch die Hand einer illegitimen Tochter des Königs für
seinen Sohn erhielt.
Das Verhalten Villenas gegenüber Frankreich und
Aragon bewirkte eine Änderung der Haltung des Königs, die zu
einem politischen Umschwung führte. Heinrich
IV. wandte sich verstärkt der MENDOZA-Partei zu, die durch
Pedro Gonzales de Mendoza, den Bischof von Calahorra, und dem mit ihnen
durch Einheirat verbundenen Beltran de la Cueva, dem Mayordomo Mayor und
Maestresala des königlichen Haushalts sowie Grafen von Ledesma, vertreten
wurde. Um der Stellung Bertrans de la Cueva das nötige Gewicht zugeben,
übertrug ihm der kastilische König Gibraltar und den begehrten
Maestrazgo des Ordens von Santiago, der durch den Tod Alvaros de Luna vakant
geworden war. Unter Mißachtung der testamentarischen Bestimmungen
Johanns II., der diese Würde für seinen zweiten Sohn
Alfons vorgesehen hatte, hatte Heinrich
IV. die Verwaltung des Ordens bisher ebenso wie zeitweilig den
Maestrazgo von Alcantara in eigenen Händen gehalten und gleichzeitig
dem Zugriff Villenas entzogen, dem damit der wichtigste Eckpfeiler zum
Ausbau seiner eigenen Machtstellung fehlte. Von seiten Villenas erfolgte
auf diesen Affront hin eine heftige Raektion. Er rief zusammen mit Erzbischof
Carillo, seinem Onkel, und Pedro Giron, seinem Bruder, in Alcala de Henares
eine Adelsliga ins Leben, deren Ziel die 'Befreiung' der Infanten
Alfons und Isabella und
die Verteidigung ihrer Rechte war, was gleichzeitig die Leugnung des Thronanspruchs
von Heinrichs Tochter Johanna
nach sich zog. Als Johann II. von Aragon
dieser Liga beitrat, wuchs sie zu bedrohlicher Stärke an.
Sucht man ein Ereignis, durch das der Weg in den bis
1468 andauernden Bürgerkrieg unausweichlich beschritten wurde, dann
stößt man auf jene Adelsversammlung in Burgos, die am 28. September
im Namen der drei Stände eine Manifest zur Reform des Reiches proklamierte.
Dieses Manifest, das um die Unterstützung der kastilischen Concejos
warb und die Handschrift Villenas und Carillos trug, denunzierte in polemischer
Art die Regierungspraxis des Königs, der die Herrschaftsgewalt an
Beltran de la Cueva abgetreten habe und dessen von ihm verstärkt eingesetzten
Corregidores illegal handelten, hielt ihm seine Politik der Tolaranz gegenüber
Muslimin, Juden und Konvertiten vor, sein Eingreifen in Katalonien, die
von ihm geübte Praxis der Ämterbesetzung und ließ paktistische
Tendenzen durchblicken. Es schloß mit der Forderung, Alfons
als
Thronerben einzusetzen und ihm den Maestrazgo des Santiagoordens zu übertragen.
Anschließende Verhandlungen führten zur Übereinkunft von
Cabezon-Cigales (25. Oktober 1464), durch die Alfons
unter der Bedingung, Johanna zu heiraten,
Thron und Maestrazgo - dessen Verwaltung Villena vorbehalten blieb! - erhalten
sollte, während Beltran de la Cueva mit dem Herzogtum von Albuquerque
abgefunden wurde. Zusätzliche Beratungen einer paritätisch besetzten
Vierer-Kommission, die vielleicht schon durch erste Gerüchte überschattet
wurden, der König sei impotent, seine vermeintliche Tochter die Frucht
eines ehebrecherischen Verhältnisses und in Wahrheit das Kind
Beltrans de la Cueva - eine Beltraneja -, endeten mit der Sentencia von
Medina del Campo (16. Januar 1465). Nun war klar, was Villena und seine
Anhänger unter einer Reichsreform verstanden: Muslimin und Juden sollten
vom Hof entfernt, eine Inquisition zur Entlarvung von Ketzern und Judaizantes
unter den Konvertiten eingeführt, im Sinne der Städte die Wahl
in die Cortes erleichtert und für das Königtum die Steuererhebung
erschwert werden; die Praxis der königlichen Amtsträger sollte
Untersuchungen unterworfen werden; der Adel sollte weitgehende Gerichtsfreiheit
genießen, das stehende Heer des Königs von 3.000 lanzas auf
600 reduziert werden. Ähnliche Forderungen hatte bereits die Adelsliga
von 1460 in Yepes formuliert, ohne damals allerdings jene städtefreundliche
Tendenz in ihre Propaganda miteinzubeziehen. Wäre die Sentencis durchgeführt
worden, hätte dies die oligarchische Kontrolle über die Monarchie
festgeschrieben und den König von der Adelsgewalt abhängig gemacht.
Angesichts dieser Situation zeigte sich Heinrich
IV. zum Kampf entschlossen und annullierte die Sentencia. Im
Gegenzug griff die Adelsliga, die Plasencia, Avila, Medina del Campo, Valladolid
sowie Valdenebro beherrschte und sich nun der Rückendeckung durch
die Städte sicher sein konnte, zum äußersten Mittel. Nachdem
am 30. April 1465 in Plasencis der 12-jährige Infant
Alfons im Geheimen zum König gewählt worden war, wurde
am 5. Juni Heinrich IV. in effigie
durch ein propagadistisches Ritual in Avila mit den gegen ihn erhobenen
Anklagen konfrontiert, der Popnaz offiziell seiner Herrschaftszeichen entkleidet
und als rex injustus abgesetzt. Daraufhin erfolgte die Akklimation und
zeremonielle Einkleidung Alfons' XII. als
neuer König von Kastilien. Dieser symbolträchtige Vorgang, der
unter der Bezeichnung Farce von Avila in die Geschichtsschreibung eingegangen
ist, wurde neuerdings von Angus Mac Kay als constitutional drama bzw. als
constitutional dramatic ritual gekennzeichnet, in dessen Verlauf einem
in Trauerkleider gehüllten, auf einem Thron sitzenden Popanz von hohen
kastilischen Würdenträgern die Zeichen der königlichen Macht
genommen wurden: das Schwert, die Krone und das Zepter. Damit hatte der
abgesetzte König das Recht zur Verteidigung des Reiches, die königliche
Würde und seine Gerichtshoheit verloren und konnte - natürlich
in Form einer Puppe - vom Thron gestoßen werden.
Diese unerhörte Vorgehensweise der Adelsliga bedurfte
zweifellos einer gründlichen Rechtfertigung, so dass nun eine Propagandakampagne
einsetzte, die sich aller im Umlauf befindlichen Gerüchte bediente
und sie, oft die Grenze zur Verleumdung überschreitend, in politische
Waffen unmünzte. So fand unter vielen anderen herabsetzenden Vorwürfen
- darunter Impotenz, Homosexualität, Blasphemie, Häresie, Tyrannei
- die vermeintliche Vaterschaft Beltrans de Cueva über die
Infantin Johanna la Beltraneja ihren ersten literarischen Niederschlag
am Tag nach den Ereignissen von Avila, während die königstreue
Seite um adäquate Antworten bemüht war. Die einprägsamsten
Zeugnisse dieser Bemühungen sind satirische Dichtungen, die die Tagespolitik
reflektieren: die Coplas de Mingo Revulgo, die Coplas de Vita Christi und
die Coplas del Provincial. Sie wurden allesamt von Mitgliedern der MENDOZA-Familie
verfaßt, der stärksten Gruppierung hinter Heinrich
IV., an deren Spitze Diego Hurtado de Mendoza, der zweite Marques
von Santillana und Graf von Real de Manzanares, und sein bereits erwähnter
Bruder Pedro Gonzales de Mendoza standen.
Die diplomatischen Schachzüge der nächsten
Jahre verhalfen keiner Partei zum entscheidenden Durchbruch, ebensowenig
die ruinösen Verleihungen von Titel, Besitzungen und hochdotierten
Ämtern auf beiden Seiten. Pedro Giron starb 1466, als er im Begriff
stand, die Infantin Isabella zu heiraten
und so einer eigenen Position und der Sache seines Bruders eine zukunftsträchtige
Grundlage zu geben. In entlarvender Weise war ein politischer Handel mit
diesem Heiratsprojekt verknüpft worden: für die Vertreibung Bertrans
de la Cueva und seines Bruders vom Hof zeigte Villena Bereitschaft,
Alfons XII. dem Gewahrsam Heinrichs
IV. zu übergeben und die Aufständischen zur Botmäßigkeit
zurückzubringen. Angesichts dieser brüchigen Fronten und unsicheren
Parteitreue nimmt es nicht wunder, dass selbst die siegreiche Schlacht
bei Olmedo (20. August 1467) keine Entscheidung zugunsten des kastilischen
Königs herbeiführen konnte, da schon kurze Zeit später der
Verrat des Statthalters von Segovia den königlichen Schatz in Gefahr
und Villena um den Preis der endgültigen Übertragung des Santiagoordens
zurück ins politische Spiel brachte. Der aufsteigende Stern Villenas
ließ das Interesse Johanns II. von Aragon
an einer festeren Verbindung zum kastilischen Adelsführer wachsen,
was seinen Ausdruck im Projekt einer Ehe zwischen dem Infanten
Ferdinand von Aragon und einer Tochter Villenas fand. Diese
Annäherung wurde wohl auch dadurch bedingt, dass
Johann II. ungebrochen Rechtsansprüche auf viele jener
Gebiete erhob, die mittlerweile die Machtzentren der Villena-Herrschaft
waren.
Eine bedeutsame Verschiebung erlebten die komplizierten
Machtkonstellationen in Kastilien durch den unvorhersehbaren Tod Alfons'XII.,
der am 5. Juli 1468 an der Pest starb.
Damit verlor die Adelsopposition ihre Kristallisationsfigur
und mußte entweder zu Heinrich IV.
zurückkehren oder sich auf die Infantin Isabella
als
Erbin der Ansprüche ihres Bruders konzentrieren. Zwar konnte die Adelsopposition
Isabella
dazu bewegen, sich unter Vermeidung des Titels einer Königin als Prinzessin
und legitime Erbin von Kastilien zu bezeichnen, doch war ihre Position
gegenüber Heinrich IV. merklich
schwächer. Der kastilische König konnte sich nicht nur der Unterstützung
durch das Papsttum und den Hieronymitenorden sowie durch eine große
Städtehermandad erfreuen, die ihn verlorenen Boden schnell wiedergewinnen
ließ, sondern auch den Übertritt mancher Adelsgruppierungen
verzeichnen. Schließlich erklärte sich Isabella
bereit,
die Königsherrschaft ihres Halbbruders anzuerkennen, negierte aber
nach wie vor die Rechte Johannas. Nach
vorbereiteten Verhandlungen in Castronuevo (17.-25. August 1468) und dem
Abschluß eines wichtige Punkte klärenden, rechtlich nicht bindenden
Vorvertrags am 18. September wurde am 19. September 1468 an einem Ort in
der Nähe von Avila, der nach den dort befindlichen prähistorischen
Stierstatuen Toros de Guisando genannt wurde, eine endgültige Einigung
- die sogenannte Contratacion de Guisando - erzielt. Als Preis für
die Unterwerfung Isabellas und ihrer
Parteigänger mußte Heinrich IV. in
Anwesenheit des päpstlichen Legaten a latere, Antonio de Veneris,
ihr Thronfolgerecht als "su primera heredera e subcesora" unter Hinnahme
ihres Titels einer "princcesa e primera heredera" anerkennen. Zusätzlich
zu weiteren Absprachen mußte der König den unlauteren Lebenswandel
seiner Gattin brandmarken und sich die Ansicht zu eigen machen, seine Ehe
sei niemals rechtmäßig geschlossen worden, was nur durch das
Fehlen einer päpstlichen Dispens wegen zu naher Verwandtschaft begründet
war. Deshalb wurde Königin Johanna von Portugal
des
Reiches verwiesen, mußte aber ihre Tochter zurücklassen. Von
diesem Zeitpunkt an hatten die Thronfolgeansprüche Isabellas
eine
neue rechtliche Grundlage, ohne dass ihre Partei eigens die nun vom König
selbst stillschweigend anerkannte Illegitimität der Beltraneja
auf
einen Ehebruch zurückführen mußte. Die Infantin hingegen
gestand Heinrich IV. zu, bei der Wahl
ihres zukünftigen Gemahls ein Vorschlags- und Zustimmungsrecht ausüben
zu dürfen, ohne dass ihr Wille jedoch übergangen werden sollte.
Die entscheidenden Männer bei der Aushandlung des
Paktes waren Villena, Carrillo, Fonseca und Alvaro de Stuniga, doch kann
von einem allgemeinen Einvernehmen die Rede sein. Schon bald gewannen wieder
gravierende Differenzen die Oberhand. Als Villena seine Kontrolle über
die politischen Vorgänge innerhalb des Reiches verstärken wollte,
indem er das Projekt einer Verheiratung Isabellas
mit
Alfons
V. von Portugal und der Beltraneja
mit dessen ältestem Sohn Johann (II.)
betrieb, stieß er auf den entschlossenen Widerstand der Infantin,
die klar erkannte, dass sie auf diese Weise aus dem Machtzentrum entfernt
werden sollte. Zudem liefen seit spätestens Ende 1468, vielleicht
sogar schon seit der Zeit, als Alfons XII. seiner
Krankheit erlag, geheime Verhandlungen über eine Eheschließung
Isabellas
mit
dem aragonesischen Infanten Ferdinand,
ohne dass die Vereinbarungen von Toros de Guisando irgendeine Berücksichtigung
gefunden hätten. Entscheidende Rückenstärkung erhielt die
Infantin dabei von Carrillo und der ENRIQUEZ-Familie, die auch die Pläne
Villenas zu Fall brachten. Obwohl
Isabella ihr
wahrscheinlich im Mai 1469 erneuertes Versprechen, ohne Zustimmung des
kastilischen Königs nicht zu heiraten, brechen und darüber hinaus
die Verweigerung der erforderlichen Dispens durch das Papsttum hinnehmen
mußte, schloß sie am 18. Oktober 1469 in Valladolid nach langen
Vertragsverhandlungen jene Ehe mit Ferdinand von
Aragon, durch die die dynastische Vereinigung und die Zusammenführung
der beiden iberischen Großreiche eingeleitet werden sollten. Schlaglichtartig
wird die ganze Brisanz dieser politischen Vernunftsehe beleuchtet, wenn
man berücksichtigt, dass ihr Vollzug nur durch die Präsentation
eines gefälschten päpstlichen Dispensschreibens ermöglicht
wurde. Dennoch waren die machtpolitischen Konsequenten dieser Verbindung
nicht rückgängig zu machen.
Zwar widerrief Heinrich IV.
am
26. Oktober 1470 die Vereinbarungen von Toros de Guisando und proklamierte
seine Tochter Johanna wieder feierlich
als Thronfolgerin und Princesa de Asturias, zwar enterbte er
Isabella,
zwar strebte er durch eine Vermählung Johannas
mit
Karl
von Frankreich, dem Herzog von Guyenne und Bruder Ludwigs
XI., eine Allianz mit Frankreich an, zwar versuchte er, nach
dem unerwarteten Tod
Karls mit Alfons
V. von Portugal und Enrique Fortuna, einem Vetter Ferdinands,
neue Heiratskandidaten zu gewinnen, doch genügte dies alles nicht,
um Isabella und Ferdinand,
die bereits eine Tochter hatten, das Gesetz des Handelns zu entreißen.
Isabella
und
Ferdinand
konnten
ungehindert in Kastilien Regierungsgeschäfte wahrnehmen, als ob der
Thronwechsel bereits vollzogen wäre. Die kastilischen Städte,
die in zunehmenden Maße ihre Autonomie durch die Eingriffe königlicher
Amtsträger eingeschränkt sahen und um die Erhaltung ihrer Wirtschaftskraft
fürchteten, traten nach und nach auf die Seite des Infanten-Paares.
Als der neue, proaragonesische Papst Sixtus IV. in einer Kehrtwendung der
kurialen Politik im Dezember 1471 der Ehe nachträglich die notwendige
Dispens erteilte, fast gleichzeitig eine Allianz zwischen dem Infanten-Paar,
Aragon und Burgund zustande kam, schließlich Pedro Gonzales de Mendoza
für die Aussicht auf den Kardinalshut die Sache Johannas
verlorengab
und zu allem Überfluß 1473 durch die Übergabe Segovias
der königliche Schatz den Besitzer wechselte, waren die Würfel
endgültig gefallen. Als Heinrich IV. am
11.
Dezember 1474 nur kurze Zeit nach dem Marques von Villena (+ 4. Oktober
1474) starb, war der Prozeß, der zu einer politischen und gesellschaftlichen
Neuordnung Kastiliens führen sollten, bereits im vollen Gange.