PETER DE ROSA

PÄPSTLICHE PORNOKRATIE

Fünfzehn Meilen von Rom, hoch im Albanergebirge, lebte einmal im zehnten Jahrhundert die berühmte Familie Conti, die Grafen Alberich von Tusculum. Diese Kriegsherren gewannen völlige Kontrolle über die Papstwahlen. Sieben Päpste kamen aus dieser einen Familie, drei hintereinander, und fast ausnahmslos trugen sie dazu bei, Roma deplorabilis zu formen, "ein Rom der Schande". Die Geschichte widerlegt den volkstümlichen Mythos, die Borgias seien die einzigen schwarzen Schafe des Papsttums gewesen. Nicht lange nach Karl dem Großen, über eineinhalb Jahrhunderte lang, waren alle Päpste finstere Gestalten. Sie waren weniger Jünger Christi als Jünger Belials, des Fürsten der Finsternis. Sehr viele waren sittenlos, Mörder, Ehebrecher, Kriegsgewinnler, Tyrannen, Simonisten, bereit, alles zu verkaufen, was heilig war. Fast allen ging es mehr um Geld und Intrigen als um Religion. Durch unablässige politische Manöver und ihre Besessenheit von weltlichen Dingen, durch Machtmißbrauch und unglaubliche Bosheit korrumpierten die Päpste, die das Zentrum der Einheit sein sollten, die gesamte Christenheit. Es war nicht die Häresie, sondern das Papsttum, das in der Kirche schließlich zum Bruch führte.

 

Es gibt ein Mysterium in alledem: wie die westliche Kirche trotz der Päpste so lange zusammenhielt.

Zunächst ist es hilfreich. irgendeine beliebige Liste von Päpsten etwa ab dem Jahr 880 zu analysieren. In den folgenden eineinhalb Jahrhunderten gab es fünfunddreißig Päpste, die durchschnittlich je vier Jahre regierten. In der früheren Periode hatte es die gleiche Art Fluktuation gegeben; dies erklärt sich durch die Tatsache, daß die Päpste gewählt wurden, weil sie alt und krank waren. Doch im neunten und zehnten Jahrhundert waren etliche Päpste Anfang Zwanzig, einige sogar Teenager. Manche hielten sich drei Wochen, einen Monat oder drei Monate. Sechs von ihnen wurden entthront, eine Anzahl ermordet. Es ist tatsächlich nicht möglich, mit Sicherheit festzustellen, wie viele Päpste und Gegenpäpste (Scheinpäpste) es in dieser Zeit gegeben hat, denn es gab noch immer keinen festgelegten Wahlmodus und jede Menge Prätendenten. Wenn ein Papst plötzlich verschwand - hatte man ihm dann die Kehle durchgeschnitten oder ihn in den Tiber geworfen? War er im Gefängnis erwürgt worden? Schlief er sich im Bordell aus? Hatte man ihm Ohren und Nase abgeschnitten wie 930 Stephan VII., der verständlicherweise sein Gesicht nie wieder in der Öffentlichkeit zeigte? Oder war er geflohen wie 964 Benedikt V., der, nachdem er ein junges Mädchen entehrt hatte, unverzüglich mit dem gesamten Schatz von St. Peter nach Konstantinopel abreiste und erst wieder auftauchte, als das Geld aufgebraucht war, um weiteren Schaden in Rom anzurichten? Der fromme Kirchenhistoriker Gerbert nannte Benedikt "das böseste aller Ungeheuer der Gottlosigkeit" doch sein Urteil war verfrüht. Dieser Oberhirte wurde schließlich von einem eifersüchtigen Ehemann getötet. Seine Leiche, die hundert Dolchwunden hatte, wurde durch die Straßen geschleift und dann in eine Jauchegrube geworfen.

 

Ohne Frage stellen diese Päpste die schändlichste Gruppe von Machthabern in der Geschichte dar, seien sie kirchlich oder weltlich. Sie waren, offen gesagt, Barbaren. Das alte Rom hatte nichts aufzuweisen, das ihnen an Verkommenheit gleichkam.

Ein Papst, Stephan VI., war vollkommen verrückt. Er grub einen korsischen Vorgänger, Papst Formosus (891-96) wieder aus, als dieser seit über neun Monaten tot war. Bei der später so benannten Kadaversynode kleidete er die stinkende Leiche in volles päpstliches Ornat, setzte sie auf den Thron im Lateran und schritt dann plötzlich zum Verhör. Formosus wurde beschuldigt, unter Vorspiegelung falscher Tatsachen Papst geworden zu sein; er war Bischof eines anderen Ortes und daher für Rom nicht wählbar. Laut Stephan waren deshalb all seine Beschlüsse ungültig, besonders seine Ordinationen. Ein schnatternder  Diakon im Teenageralter antwortete für Formosus. Für schuldig befunden, wurde die Leiche als Gegenpapst verdammt, alle Kleider beraubt bis auf ein härendes Hemd, das an dem verwesten Fleisch klebte, und - minus der beiden Finger, mit denen sie ihren falschen apostolischen Segen erteilt hatte - in den Tiber geworfen. Die Leiche wurde von dem härenden Hemd wie konserviertes Fleisch zusammengehalten, von einigen Bewunderern des Formosus aufgefischt und still begraben. Später wurde sie in ihr Grab in St. Peter zurück-gebracht. Stephan selbst wurde bald erdrosselt.

Päpste verstümmelten und wurden verstümmelt, töteten und wurden getötet. Ihr Leben hatte keine Ähnlichkeit mit den Evangelien. Sie hatten mehr gemein mit modernen Kindern reicher Leute, die zu Randalierern und Süchtigen geworden sind und Strandcafés und Nachtclubs heimsuchen, als mit römischen Päpsten, wie die Welt sie heute sieht. Einige verdankten ihren Aufstieg ehrgeizigen Eltern, einige dem Schwert, einige dem Einfluß schöner, wohlgeborener Maitressen in der sogenannten "Regierung der Huren".

Herausragend unter diesen Kurtisanen war Marozia von der Familie der Theophylakten. Ihrem Zeitgenossen Bischof Liutprand von Cremona zufolge war sie bestens vorbereitet durch ihre Mutter Theodora, die eine zweite Tochter, ebenfalls Theodora genannt, von Papst Johannes X. (914-29) hatte. Wer sagt, Frauen hätten nie einen Einfluß auf die Leitung der Kirche gehabt, ist diesen beiden unglaublichen zielstrebigen Damen nie begegnet. In weniger als einem Jahrzehnt "machten" sie nicht weniger als acht Päpste - und wenn  es ihnen paßte, beseitigten sie sie. In seinem Buch Decline and Fall legt Gibbon nahe, diese "Päpstinnen" seien der Inbegriff jener Sexpolitik gewesen, die zu der Legende oder Satire von der Päpstin Johanna führte. An diese Oberhirtin glaubte man mehrere Jahrhunderte lang, bis zur Reformation. Es ist den Engländern ein Trost zu wissen, daß die einzige Päpstin ein schönes angelsächsisches Mädchen war. In vollem päpstlichen Ornat, so geht die Geschichte, brachte sie einen Sohn zur Welt, während sie in der Sänfte vom Ko-losseum zur Kirche San Clemente getragen wurde, und starb leider auf der Stelle. Diese Legende brachte wieder andere Legende hervor. In der Laterankirche gab es einen blutroten Marmorstuhl mit einem Loch im Sitz. Auf diesen Stuhl setzte sich jeder neugewählte Papst, um das Treuegelöbnis seines Klerus entgegenzunehmen. Doch das Gerücht ging um, daß nach Päpstin Johanna jeder Papst sich auf diesen Stuhl setzen und eine Art gynäkologischer Untersuchungen über sich ergehen zu lassen mußte, um zu verhindern, daß eine zweite Frau auf den Papstthron gelangte. Die Untersuchung - von weiblichen Kardinälen durchführt? - wurde  von lateinischen Gebeten begleitet. Tatsächlich wurde ein ganzes Ritual geschrieben, und es wurde allen Ernstes in vielen mittelalterlichen Manuskripten abgeschrieben. Eine andere, prosaischere Deutung dieses Stuhls besagte, er sei eigentlich ein Nachtstuhl, sichtbares Symbol der Tatsache, daß der Papst durch Gott wie ein Bettler vom Misthaufen erhoben und unter die Fürsten gesetzt worden sei. Es gibt offenbar keinen theologischen Grund dafür, daß eine Frau nicht Papst werden kann, selbst wenn es Frauen, wie Johannes Paul sagt, durch göttliches Recht verboten ist, Priester zu werden. Viele Erzbischöfe und Päpste waren nicht ordiniert. Hadrian V. erscheint auf der Liste der Päpste, obwohl er nur sechs Wochen regierte, vom 11.Juli bis zum 18. August 1276. Er war kein Bischof, nicht einmal ein Priester, doch er war rechtmäßig Papst.

 

Die schöne Hure

Marozia, die Hauptquelle der Päpstin-Johanna-Legende, wurde zuerst intim mit dem Papst in der Person von Sergius III. (904-11). Seinen Weg zum Thron hatte Leo V. verstellt, der einen Monat lang regierte, bevor er von einem Usurpator, Kardinal Christoph, gefangengenommen wurde. Sergius räumte auf, indem er beide abschlachtete.

Sergius exhumierte ein weiteres Mal den inzwischen zehn Jahre toten Papst Formosus und ließ ihn wiederum verdammen. Da Sergius selbst von Formosus ordiniert war, und ließ ihn wiederum verdammen. Da Sergius selbst von Formosus ordiniert war, hätte er sich selbst als irregulär ansehen müssen, aber theoretische Haarspaltereien waren seiner Natur fremd. Um sie aufs rechte Maß zu stutzen, ließ er Formosus' Leiche enthaupten; außerdem entfernte er weitere drei Finger, bevor er sie dem Tiber übergab. Als die kopflose Leiche sich im Netz eines Fischers verfing, erwies sie sich noch einmal als unzerstörbar: Wieder wurde sie nach St. Peter zurückgebracht.

Als Marozia Sergius' Geliebte wurde, war sie fünfzehn Jahre alt und er fünfundvierzig. Sie hatte einen Sohn von ihm, für dessen Karriere sie sich voll einsetzte. Sergius sollte fünf Jahre später sterben, nach einem Pontifikat voller Blut, Intrigen und Leidenschaft. Marozia vergaß ihre junge Liebe nie. Mit dem Papst zu schlafen, hatte ihr ein Gefühl von Entschlossenheit und Heiterkeit gegeben, das nicht einmal drei Ehen und zahllose Affären auslöschen konnten. Das erstemal hatte Papst Sergius sie im Lateranpalast verführt. Ihre Wege hatten sich oft gekreuzt, weil sie ein Großteil ihrer Kindheit dort verbracht hatte - ihr Vater war Senatsvorsteher von Rom. Doch der Augenblick kam, als Sergius bemerkte, daß dies einst bildhübsche Kind zu einer Frau von  atemberaubender Schönheit erblüht war. Was Marozia betraf, so suchte sie in seinen päpstlichen Armen weniger Vergnügen als vielmehr die Ekstase der Macht.

 

Ihre Mutter Theodora hatte schon zwei Päpsten zu Aufstieg und Fall verholfen, als sie gegen alles Kirchenrecht ihren Lieblingsliebhaber bei der Hand nahm und ihn vom Bischof von Bologna zum Erzbischof von Ravenna und schließlich als Johannes X. zum Papst machte. Bischof Liutprand von Cremona schrieb: "Theodora, wie eine Hure, fürchtete, sie würde wenig Gelegenheiten haben, mit ihrem Schatz im Bett zu sein, und so zwang sie ihn, sein Bischofsamt im Stich zu lassen und sich - o ungeheures Verbrechen - das Amt des Papstes in Rom anzueignen." Dies war im März 914, als Marozia zweiundzwanzig war. Sie fand es nicht sehr schlimm; ihr Sohn Sergius war erst sechs, noch zu jung für einen Papst selbst in jenen unfrommen Zeiten.

 

An diesem Punkt stürmten die Alberichs von Tusculum, ursprünglich aus dem Norden gekommen, die Bühne. Papst Johannes legte seiner Bettgenossin Theodora nahe, eine Heirat zwischen Marozia und Alberich würde in jeder Hinsicht nützlich sein. Marozia erkannte den kommenden Mann, und aus der Verbindung kam Alberich  junior. Alberich senior, vielleicht von seiner Frau angestachelt, machte einen verfrühten Versuch, Rom unter seine Kontrolle zu bringen, und wurde getötet. Papst Johannes zwang die junge Witwe, seine verstümmelte Leiche anzusehen. Das war ein Fehler. Eine Frau, die mit Papst Sergius geschlafen hatte, wußte alles über Rache.

Als Theodora 928 starb, ließ Marozia den Papst gefangen setzen und dann ersticken. Ihr erster Sohn war inzwischen siebzehn. Bald, sehr bald würde er genug Erfahrung für das Amt des Papstes haben. Er war durch ein sinnenfrohes und völlig unmoralisches Leben darauf vorbereitet. Die nächsten beiden Päpste regierten nur kurz; beide verschwanden unter mysterösen Umständen. Nun, im Alter von zwanzig Jahren, wurde der Sohn von Marozia und Papst Sergius Papst Johannes XI.

Marozias Ehrgeiz ging noch weiter. Als Guy, ihr zweiter Ehemann, gestorben war, heiratete sie einen Halbbruder, König Hugo von Provence. Hugo war schon verheiratet, aber seine Frau war leicht zu beseitigen. Es war ein Glück für Marozia, daß ihr Sohn Papst war; er war in der Lage, das glückliche Paar von allen Hindernissen wie etwa Inzest zu dispensieren. Was sollte verhindern, daß ihr neuer Mann Kaiser wurde und sie selbst Kaiserin? Es war etwas, das Sergius gewollt hätte. Johannes XI. zelebrierte bei der Hochzeit seiner Mutter im Frühling 932. Dann wurde alles zunichte durch Marozias eifersüchtigen zweiten Sohn, den acht-zehnjährigen Alberich junior. Er übernahm die Macht in Rom und wurde der neue Papstmacher. Hugo von Provence ließ seine Frau im Stich und floh in Schande. Alberich setzte Johannes XI., seinen Halbbruder und den Sohn eines Papstes, in ständigen Arrest im Lateran - dort starb er vier Jahre später - , und was besonders unfreundlich war, er ließ seine eigene Mutter gefangen nehmen.

 

Marozia war nicht mehr jung, aber noch immer eine stattliche Frau, als sie zum erstenmal Hadrians Mausoleum betrat, bekannt als die Engelsburg. Sie sollte über fünfzig Jahre an jenem schrecklichen Ort am Tiber bleiben, ohne einen Tag der Freiheit.

Sie war sechzig geworden, als die Nachricht sie in ihrem Kerker erreichte, daß Alberich mit vierzig gestorben war und daß sein Sohn, ihr Enkel Oktavian, sich zum Papst aufgeschwungen hatte. Er war der erste Papst, der seinen Namen änderte: Er nannte sich Johannes XII. Dies war im Winter 955. Sie drehte ihr graues, altes Gesicht und sank zurück in ihre Träumereien von vergangener Herrlichkeit mit ihrem Liebhaber Sergius. Die Jugend des neuen Papstes mag zum Teil sein unfrommes Verhalten erklären, denn er war erst sechzehn, als er die Bürde des Amtes übernahm. Ganze Klöster beteten Tag und Nacht um sein Ableben.

Selbst für einen Papst jener Epoche war er so schlimm, daß die Bürger ihm nach dem Leben trachteten. Er hatte Sünden erfunden, sagten sie, die seit Anbeginn der Welt unbekannt waren, einschließlich mit der eigenen Mutter zu schlafen. Er unterhielt einen Harem im Lateranpalast. Er trieb mit den Opfergaben der Pilger Glücksspiel. Er hielt zweitausend Pferde und fütterte sie mit in Wein getränkten Mandeln und Feigen. Er belohnte die Gefährtinnen seiner Liebesnächte mit goldenen Kelchen von St. Peter. Er tat nichts für den einträglichsten Tourismuszweig der Zeit, die Pilgerreisen. Besonders Frauen wurden gewarnt, San Giovanni in Laterano nicht zu betreten, wenn ihre Ehre ihnen lieb war : Der Papst war immer auf Jagd. Vor dem Hochalter der Mutterkirche der Christenheit trank er sogar auf den Teufel.

Papst Johannes erregte solchen Zorn, daß er um sein Leben fürchtete, St. Peter plünderte und nach Tivoli floh. Als der fünfzigjährige Otto von Sachsen - der 961 in der Peterskirche zum Kaiser gekrönt wurde - hiervon Wind bekam, befahl er dem jungen Mann, sofort heimzugehen. Es paßte ihm nicht in den Kram, einen flüchtigen Papst zu haben; es war schlecht für das kaiserliche Geschäft.

 

Eine Synode wurde einberufen, um die Dinge zu ordnen. Anwesend waren sechzehn Kardinäle, all die vielen italienischen Bischöfe und viele andere, die aus Deutschland nach Rom beordnet wurden. Der Bischof von Cremona hat einen genauen Bericht über die Anklagen gegen den Papst hinterlassen. Er hatte die Messe gelesen, ohne zu kommunizieren. Er hatte einen Diakon in einem Stall ordiniert. Er hatte für Ordinationen Honorar verlangt. Er hatte mit einer langen Liste von Damen kopuliert, einschließlich der alten Flamme seines Vaters und seiner eigenen Nichte. Er hatte seinen geistlichen Führer geblendet. Er hatte einen Kardinal kastriert und seinen Tod verursacht. All diese Beschuldigungen wurden unter Eid bekräftigt.

Da schrieb Otto Johannes einen Brief, den man zu den größten Kuriositäten rechnen muß.

Alle, Klerus wie Laien, bezichtigen Dich, Heiligkeit, des Mordes, Meineids, Sakrilegs, Inzests mit deinen Verwandten, und daß Du wie ein Heide Jupiter, Venus und anderen Dämonen angerufen habest.

Johannes reagierte, indem er einen Brief ohne jede Grammatik an die Bischöfe diktierte. Er warnte sie, wenn sie ihn absetzten, würde er sie alle exkommunizieren, so daß sie weder ordinieren noch Messe lesen könnten. Dann sprang er auf ein Pferd und ging jagen.

Als Otto das Warten schließlich leid war und nach Sachsen zurückkehrte, hob Johannes` Familie eine Armee aus, um ihm sicheres Geleit nach Hause zu geben. In Rom übernahm er wieder das Amt Petri. Mit einer so milden Strafe wie der Exkommunikation nicht zufrieden, verstümmelte oder exekutierte er alle, die zu seiner Verbannung beigetragen hatten.

Kein Papst ging je in einer peinlicheren Stellung zu Gott zurück. Eines Nachts ertappte ein eifersüchtiger Ehemann, einer von vielen, seine Heiligkeit in flagranti delicto mit seiner Frau und gab ihm die Letzte Ölung mit einem Hammerschlag auf den Hinterkopf. Er  war vierundzwanzig. Die Römer mit ihrem bekannten makabren Humor sagten, es sei der Höhepunkt seiner Karriere gewesen. Immerhin hatte er das Glück, im Bett zu sterben, selbst wenn es ein fremdes war.

Im siebzehnten Jahrhundert schrieb dann Kardinal Bellarmin in seinem Buch über das Papsttum De Romano Pontifice: "Der Papst ist der oberste Richter in der Entscheidung strittiger Glaubens- und Moralfragen." Dieser große Verteidiger des Papsttums schrieb im selben Buch: "Wenn der Papst im Irrtum wäre, Sünden befähle und Tugenden verböte, müßte die Kirche trotzdem Sünden als gut und Tugenden als Laster ansehen, sonst würde sie gegen das Gewissen sündigen." Kein Wunder, daß die Teenagerpäpste sich so viel herausnehmen konnten. Doch selbst Bellarmin, der seine Borgias kannte, mußte einräumen, daß Johannes XII. "Abschaum war". Fuerit fieri omnium deterrimus.

Als ein Ungeheuer aus dem Weg war, wählten die Römer Benedikt V. als Ersatz. Otto war überlistet und wütend. "Niemand kann ohne Zustimmung des Kaisers Papst sein", erklärte er. "So ist es immer gewesen." Seine Wahl war Leo VIII. Im sechzehnten Jahrhundert behauptete Kardinal Baronius in seinen Kirchlichen Annalen, die Acton als "größte je geschriebene Kirchengeschichte" bezeichnet hat, Benedikt sei der wahre Papst gewesen und Leo der Gegenpapst. Dies ist schwer zu widerlegen. Doch Benedikt fiel reuig zu Ottos Füßen und erklärte sich selbst zum Schwindler. Um dies zu beweisen, legte er seine Regalien ab und bekannte auf Knien vor Leo. er sei der rechtmäßige Nachfolger Petri.

Es ist nicht klar, ob die Behauptung eines echten Papstes, er sei nicht echt, eine Übung in Unfehlbarkeit ist - doch es muß eine Botschaft an die ganze Kirche über Glauben und Moral darin liegen.

Als sowohl Leo als auch Benedikt starben, setzte Otto Johannes XIII. auf den Thron. Es war keine kluge Wahl. Die Römer schickten ihn prompt heim. Otto brachte ihn zurück, nur um einzusehen, daß der Instinkt der Römer recht hatte. Der neue Papst beging Taten von unglaublicher Grausamkeit. Wie Luitprand in seiner Chronik berichtet, riß er die Augen seiner Feinde aus und ließ die halbe Bevölkerung über die Klinge springen. Kurz nach Johannes XII. kam Benedikt, der ebenfalls mitten im Ehebruch von einem erzürnten Ehemann getötet wurde.

Kardinal Baronius waren verständlicherweise diese Ergebnisse peinlich, die er mit bemerkenswerter Ehrlichkeit berichtet. Die Päpste dieser Zeit nennt er "Eindringlinge auf dem Heiligen Stuhl, nicht Apostel, sondern Apostaten" (non apostolicos sed apostaticos). Es schüttelt ihn, gibt er zu, daß er über sie schreiben muß. Auf dem Stuhl Petri saßen nicht Menschen, sondern Ungeheuer in Menschengestalt. "Ruhmsüchtige Messalinas, voller fleischlicher Begierden und geschickt in allen Formen der Schlechtigkeit, regierten Rom und prostituierten den Stuhl Petri für ihre Favoriten und Liebhaber."

Angesichts der Beschlüsse des Ersten Vatikanischen Konzils von 1870 ist seine Folgerung verblüffend:

Die wichtigste Lehre dieser Zeiten ist, daß die Kirche sehr gut ohne Päpste auskommen kann. Was für das Überleben der Kirche wichtig ist, ist nicht der Papst, sondern Jesus Christus. Er ist das Haupt der Kirche, nicht der Papst.

 

Wenige Jahrhunderte später wäre Baronius als Häretiker gebrandmarkt worden. Der katholische Glaube ist heute: Der Papst ist das Haupt der Kirche auf Erden, Stellvertreter Christi, der Fels, auf dem die Kirche erbaut ist, Band der Freiheit, Bewahrer von Glauben und Moral. Aber die lange Zeit, die wir betrachtet haben, zeigt ein ganz anderes Bild. Nicht nur Baronius, sondern auch das Volk von Rom hätte über solchen theologischen Unsinn gelacht. Für sie hatten die Pforten der Hölle sichtbar standgehalten. Wenn nicht dies der Sieg des Fürsten der Finsternis  war, was war es dann? Die einzige Frage, die sie beschäftigte, war nicht "Wie kann der Papst die Kirche retten", sondern "Wie kann der Papst seine eigene Seele retten".

Während all dieser stürmischen Ereignisse und anderer, die folgten, blieb Marozia in ihrer Gefängniszelle. Sie, einst das berückendste Geschöpf ihrer Zeit, war nun ein verwelkter, sehniger Knochenhaufen geworden, eingewickelt in Lumpen. Inzwischen war sie Mitte Neunzig - die Erinnerung daran, mit dem einen Papst geschlafen und ihm einen Sohn geschenkt zu haben, den sie wiederum zum Papst gemacht hatte, muß sie inspiriert haben zu überleben. Sie wurde zwar vernachlässigt, aber an höchster Stelle nie ganz vergessen.

Im Frühling 986 beschlossen der dreiundzwanzigjährige Papst Gregor V. und sein Vetter, der fünfzehnjährige Kaiser Otto III:, die arme alte Frau habe lange genug im Kerker geschmachtet. Der Papst schickte einen zahmen Bischof, um die Dämonen aus ihr zu exorzieren und ihre Strafe der Exkommunikation aufzuheben. Sie wurde von ihren Sünden losgesprochen. Dann wurde sie hingerichtet.

 

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