PÄPSTLICHE PORNOKRATIE
Fünfzehn Meilen von Rom,
hoch im Albanergebirge, lebte einmal im zehnten Jahrhundert die berühmte Familie
Conti, die Grafen Alberich von Tusculum. Diese Kriegsherren gewannen völlige
Kontrolle über die Papstwahlen. Sieben Päpste kamen aus dieser einen Familie,
drei hintereinander, und fast ausnahmslos trugen sie dazu bei, Roma
deplorabilis zu formen, "ein Rom der Schande". Die Geschichte
widerlegt den volkstümlichen Mythos, die Borgias seien die einzigen schwarzen
Schafe des Papsttums gewesen. Nicht lange nach Karl dem Großen, über eineinhalb
Jahrhunderte lang, waren alle Päpste finstere Gestalten. Sie waren weniger
Jünger Christi als Jünger Belials, des Fürsten der Finsternis. Sehr viele waren
sittenlos, Mörder, Ehebrecher, Kriegsgewinnler, Tyrannen, Simonisten, bereit,
alles zu verkaufen, was heilig war. Fast allen ging es mehr um Geld und
Intrigen als um Religion. Durch unablässige politische Manöver und ihre
Besessenheit von weltlichen Dingen, durch Machtmißbrauch und unglaubliche
Bosheit korrumpierten die Päpste, die das Zentrum der Einheit sein sollten, die
gesamte Christenheit. Es war nicht die Häresie, sondern das Papsttum, das in
der Kirche schließlich zum Bruch führte.
Es gibt ein Mysterium in
alledem: wie die westliche Kirche trotz der Päpste so lange zusammenhielt.
Zunächst ist es hilfreich.
irgendeine beliebige Liste von Päpsten etwa ab dem Jahr 880 zu analysieren. In
den folgenden eineinhalb Jahrhunderten gab es fünfunddreißig Päpste, die
durchschnittlich je vier Jahre regierten. In der früheren Periode hatte es die
gleiche Art Fluktuation gegeben; dies erklärt sich durch die Tatsache, daß die
Päpste gewählt wurden, weil sie alt und krank waren. Doch im neunten und
zehnten Jahrhundert waren etliche Päpste Anfang Zwanzig, einige sogar Teenager.
Manche hielten sich drei Wochen, einen Monat oder drei Monate. Sechs von ihnen
wurden entthront, eine Anzahl ermordet. Es ist tatsächlich nicht möglich, mit
Sicherheit festzustellen, wie viele Päpste und Gegenpäpste (Scheinpäpste) es in
dieser Zeit gegeben hat, denn es gab noch immer keinen festgelegten Wahlmodus
und jede Menge Prätendenten. Wenn ein Papst plötzlich verschwand - hatte man
ihm dann die Kehle durchgeschnitten oder ihn in den Tiber geworfen? War er im
Gefängnis erwürgt worden? Schlief er sich im Bordell aus? Hatte man ihm Ohren
und Nase abgeschnitten wie 930 Stephan VII., der verständlicherweise sein Gesicht
nie wieder in der Öffentlichkeit zeigte? Oder war er geflohen wie 964 Benedikt
V., der, nachdem er ein junges Mädchen entehrt hatte, unverzüglich mit dem
gesamten Schatz von St. Peter nach Konstantinopel abreiste und erst wieder
auftauchte, als das Geld aufgebraucht war, um weiteren Schaden in Rom anzurichten?
Der fromme Kirchenhistoriker Gerbert nannte Benedikt "das böseste aller
Ungeheuer der Gottlosigkeit" doch sein Urteil war verfrüht. Dieser
Oberhirte wurde schließlich von einem eifersüchtigen Ehemann getötet. Seine
Leiche, die hundert Dolchwunden hatte, wurde durch die Straßen geschleift und
dann in eine Jauchegrube geworfen.
Ohne Frage stellen diese
Päpste die schändlichste Gruppe von Machthabern in der Geschichte dar, seien
sie kirchlich oder weltlich. Sie waren, offen gesagt, Barbaren. Das alte Rom
hatte nichts aufzuweisen, das ihnen an Verkommenheit gleichkam.
Ein Papst, Stephan VI., war
vollkommen verrückt. Er grub einen korsischen Vorgänger, Papst Formosus
(891-96) wieder aus, als dieser seit über neun Monaten tot war. Bei der später
so benannten Kadaversynode kleidete er die stinkende Leiche in volles
päpstliches Ornat, setzte sie auf den Thron im Lateran und schritt dann
plötzlich zum Verhör. Formosus wurde beschuldigt, unter Vorspiegelung falscher
Tatsachen Papst geworden zu sein; er war Bischof eines anderen Ortes und daher für
Rom nicht wählbar. Laut Stephan waren deshalb all seine Beschlüsse ungültig,
besonders seine Ordinationen. Ein schnatternder Diakon im Teenageralter antwortete für Formosus. Für schuldig
befunden, wurde die Leiche als Gegenpapst verdammt, alle Kleider beraubt bis
auf ein härendes Hemd, das an dem verwesten Fleisch klebte, und - minus der
beiden Finger, mit denen sie ihren falschen apostolischen Segen erteilt hatte -
in den Tiber geworfen. Die Leiche wurde von dem härenden Hemd wie konserviertes
Fleisch zusammengehalten, von einigen Bewunderern des Formosus aufgefischt und
still begraben. Später wurde sie in ihr Grab in St. Peter zurück-gebracht.
Stephan selbst wurde bald erdrosselt.
Päpste verstümmelten und
wurden verstümmelt, töteten und wurden getötet. Ihr Leben hatte keine Ähnlichkeit
mit den Evangelien. Sie hatten mehr gemein mit modernen Kindern reicher Leute,
die zu Randalierern und Süchtigen geworden sind und Strandcafés und Nachtclubs
heimsuchen, als mit römischen Päpsten, wie die Welt sie heute sieht. Einige
verdankten ihren Aufstieg ehrgeizigen Eltern, einige dem Schwert, einige dem
Einfluß schöner, wohlgeborener Maitressen in der sogenannten "Regierung
der Huren".
Herausragend unter diesen
Kurtisanen war Marozia von der Familie der Theophylakten. Ihrem Zeitgenossen
Bischof Liutprand von Cremona zufolge war sie bestens vorbereitet durch ihre
Mutter Theodora, die eine zweite Tochter, ebenfalls Theodora genannt, von Papst
Johannes X. (914-29) hatte. Wer sagt, Frauen hätten nie einen Einfluß auf die
Leitung der Kirche gehabt, ist diesen beiden unglaublichen zielstrebigen Damen
nie begegnet. In weniger als einem Jahrzehnt "machten" sie nicht
weniger als acht Päpste - und wenn es
ihnen paßte, beseitigten sie sie. In seinem Buch Decline and Fall legt Gibbon
nahe, diese "Päpstinnen" seien der Inbegriff jener Sexpolitik
gewesen, die zu der Legende oder Satire von der Päpstin Johanna führte. An
diese Oberhirtin glaubte man mehrere Jahrhunderte lang, bis zur Reformation. Es
ist den Engländern ein Trost zu wissen, daß die einzige Päpstin ein schönes
angelsächsisches Mädchen war. In vollem päpstlichen Ornat, so geht die
Geschichte, brachte sie einen Sohn zur Welt, während sie in der Sänfte vom
Ko-losseum zur Kirche San Clemente getragen wurde, und starb leider auf der
Stelle. Diese Legende brachte wieder andere Legende hervor. In der
Laterankirche gab es einen blutroten Marmorstuhl mit einem Loch im Sitz. Auf
diesen Stuhl setzte sich jeder neugewählte Papst, um das Treuegelöbnis seines
Klerus entgegenzunehmen. Doch das Gerücht ging um, daß nach Päpstin Johanna
jeder Papst sich auf diesen Stuhl setzen und eine Art gynäkologischer
Untersuchungen über sich ergehen zu lassen mußte, um zu verhindern, daß eine
zweite Frau auf den Papstthron gelangte. Die Untersuchung - von weiblichen
Kardinälen durchführt? - wurde von
lateinischen Gebeten begleitet. Tatsächlich wurde ein ganzes Ritual
geschrieben, und es wurde allen Ernstes in vielen mittelalterlichen
Manuskripten abgeschrieben. Eine andere, prosaischere Deutung dieses Stuhls
besagte, er sei eigentlich ein Nachtstuhl, sichtbares Symbol der Tatsache, daß
der Papst durch Gott wie ein Bettler vom Misthaufen erhoben und unter die
Fürsten gesetzt worden sei. Es gibt offenbar keinen theologischen Grund dafür,
daß eine Frau nicht Papst werden kann, selbst wenn es Frauen, wie Johannes Paul
sagt, durch göttliches Recht verboten ist, Priester zu werden. Viele
Erzbischöfe und Päpste waren nicht ordiniert. Hadrian V. erscheint auf der
Liste der Päpste, obwohl er nur sechs Wochen regierte, vom 11.Juli bis zum 18.
August 1276. Er war kein Bischof, nicht einmal ein Priester, doch er war
rechtmäßig Papst.
Die schöne Hure
Marozia, die Hauptquelle der
Päpstin-Johanna-Legende, wurde zuerst intim mit dem Papst in der Person von
Sergius III. (904-11). Seinen Weg zum Thron hatte Leo V. verstellt, der einen
Monat lang regierte, bevor er von einem Usurpator, Kardinal Christoph,
gefangengenommen wurde. Sergius räumte auf, indem er beide abschlachtete.
Sergius exhumierte ein
weiteres Mal den inzwischen zehn Jahre toten Papst Formosus und ließ ihn
wiederum verdammen. Da Sergius selbst von Formosus ordiniert war, und ließ ihn
wiederum verdammen. Da Sergius selbst von Formosus ordiniert war, hätte er sich
selbst als irregulär ansehen müssen, aber theoretische Haarspaltereien waren
seiner Natur fremd. Um sie aufs rechte Maß zu stutzen, ließ er Formosus' Leiche
enthaupten; außerdem entfernte er weitere drei Finger, bevor er sie dem Tiber
übergab. Als die kopflose Leiche sich im Netz eines Fischers verfing, erwies
sie sich noch einmal als unzerstörbar: Wieder wurde sie nach St. Peter
zurückgebracht.
Als Marozia Sergius'
Geliebte wurde, war sie fünfzehn Jahre alt und er fünfundvierzig. Sie hatte
einen Sohn von ihm, für dessen Karriere sie sich voll einsetzte. Sergius sollte
fünf Jahre später sterben, nach einem Pontifikat voller Blut, Intrigen und
Leidenschaft. Marozia vergaß ihre junge Liebe nie. Mit dem Papst zu schlafen,
hatte ihr ein Gefühl von Entschlossenheit und Heiterkeit gegeben, das nicht
einmal drei Ehen und zahllose Affären auslöschen konnten. Das erstemal hatte
Papst Sergius sie im Lateranpalast verführt. Ihre Wege hatten sich oft
gekreuzt, weil sie ein Großteil ihrer Kindheit dort verbracht hatte - ihr Vater
war Senatsvorsteher von Rom. Doch der Augenblick kam, als Sergius bemerkte, daß
dies einst bildhübsche Kind zu einer Frau von
atemberaubender Schönheit erblüht war. Was Marozia betraf, so suchte sie
in seinen päpstlichen Armen weniger Vergnügen als vielmehr die Ekstase der
Macht.
Ihre Mutter Theodora hatte
schon zwei Päpsten zu Aufstieg und Fall verholfen, als sie gegen alles
Kirchenrecht ihren Lieblingsliebhaber bei der Hand nahm und ihn vom Bischof von
Bologna zum Erzbischof von Ravenna und schließlich als Johannes X. zum Papst machte.
Bischof Liutprand von Cremona schrieb: "Theodora, wie eine Hure,
fürchtete, sie würde wenig Gelegenheiten haben, mit ihrem Schatz im Bett zu
sein, und so zwang sie ihn, sein Bischofsamt im Stich zu lassen und sich - o
ungeheures Verbrechen - das Amt des Papstes in Rom anzueignen." Dies war
im März 914, als Marozia zweiundzwanzig war. Sie fand es nicht sehr schlimm;
ihr Sohn Sergius war erst sechs, noch zu jung für einen Papst selbst in jenen
unfrommen Zeiten.
An diesem Punkt stürmten die
Alberichs von Tusculum, ursprünglich aus dem Norden gekommen, die Bühne. Papst
Johannes legte seiner Bettgenossin Theodora nahe, eine Heirat zwischen Marozia
und Alberich würde in jeder Hinsicht nützlich sein. Marozia erkannte den
kommenden Mann, und aus der Verbindung kam Alberich junior. Alberich senior, vielleicht von seiner Frau angestachelt,
machte einen verfrühten Versuch, Rom unter seine Kontrolle zu bringen, und
wurde getötet. Papst Johannes zwang die junge Witwe, seine verstümmelte Leiche
anzusehen. Das war ein Fehler. Eine Frau, die mit Papst Sergius geschlafen
hatte, wußte alles über Rache.
Als Theodora 928 starb, ließ
Marozia den Papst gefangen setzen und dann ersticken. Ihr erster Sohn war inzwischen
siebzehn. Bald, sehr bald würde er genug Erfahrung für das Amt des Papstes
haben. Er war durch ein sinnenfrohes und völlig unmoralisches Leben darauf
vorbereitet. Die nächsten beiden Päpste regierten nur kurz; beide verschwanden
unter mysterösen Umständen. Nun, im Alter von zwanzig Jahren, wurde der Sohn
von Marozia und Papst Sergius Papst Johannes XI.
Marozias Ehrgeiz ging noch
weiter. Als Guy, ihr zweiter Ehemann, gestorben war, heiratete sie einen
Halbbruder, König Hugo von Provence. Hugo war schon verheiratet, aber seine
Frau war leicht zu beseitigen. Es war ein Glück für Marozia, daß ihr Sohn Papst
war; er war in der Lage, das glückliche Paar von allen Hindernissen wie etwa
Inzest zu dispensieren. Was sollte verhindern, daß ihr neuer Mann Kaiser wurde
und sie selbst Kaiserin? Es war etwas, das Sergius gewollt hätte. Johannes XI.
zelebrierte bei der Hochzeit seiner Mutter im Frühling 932. Dann wurde alles
zunichte durch Marozias eifersüchtigen zweiten Sohn, den acht-zehnjährigen
Alberich junior. Er übernahm die Macht in Rom und wurde der neue Papstmacher.
Hugo von Provence ließ seine Frau im Stich und floh in Schande. Alberich setzte
Johannes XI., seinen Halbbruder und den Sohn eines Papstes, in ständigen Arrest
im Lateran - dort starb er vier Jahre später - , und was besonders unfreundlich
war, er ließ seine eigene Mutter gefangen nehmen.
Marozia war nicht mehr jung,
aber noch immer eine stattliche Frau, als sie zum erstenmal Hadrians Mausoleum
betrat, bekannt als die Engelsburg. Sie sollte über fünfzig Jahre an jenem
schrecklichen Ort am Tiber bleiben, ohne einen Tag der Freiheit.
Sie war sechzig geworden,
als die Nachricht sie in ihrem Kerker erreichte, daß Alberich mit vierzig
gestorben war und daß sein Sohn, ihr Enkel Oktavian, sich zum Papst
aufgeschwungen hatte. Er war der erste Papst, der seinen Namen änderte: Er
nannte sich Johannes XII. Dies war im Winter 955. Sie drehte ihr graues, altes
Gesicht und sank zurück in ihre Träumereien von vergangener Herrlichkeit mit
ihrem Liebhaber Sergius. Die Jugend des neuen Papstes mag zum Teil sein
unfrommes Verhalten erklären, denn er war erst sechzehn, als er die Bürde des
Amtes übernahm. Ganze Klöster beteten Tag und Nacht um sein Ableben.
Selbst für einen Papst jener
Epoche war er so schlimm, daß die Bürger ihm nach dem Leben trachteten. Er
hatte Sünden erfunden, sagten sie, die seit Anbeginn der Welt unbekannt waren,
einschließlich mit der eigenen Mutter zu schlafen. Er unterhielt einen Harem im
Lateranpalast. Er trieb mit den Opfergaben der Pilger Glücksspiel. Er hielt
zweitausend Pferde und fütterte sie mit in Wein getränkten Mandeln und Feigen.
Er belohnte die Gefährtinnen seiner Liebesnächte mit goldenen Kelchen von St. Peter.
Er tat nichts für den einträglichsten Tourismuszweig der Zeit, die
Pilgerreisen. Besonders Frauen wurden gewarnt, San Giovanni in Laterano nicht
zu betreten, wenn ihre Ehre ihnen lieb war : Der Papst war immer auf Jagd. Vor
dem Hochalter der Mutterkirche der Christenheit trank er sogar auf den Teufel.
Papst Johannes erregte
solchen Zorn, daß er um sein Leben fürchtete, St. Peter plünderte und nach
Tivoli floh. Als der fünfzigjährige Otto von Sachsen - der 961 in der
Peterskirche zum Kaiser gekrönt wurde - hiervon Wind bekam, befahl er dem
jungen Mann, sofort heimzugehen. Es paßte ihm nicht in den Kram, einen
flüchtigen Papst zu haben; es war schlecht für das kaiserliche Geschäft.
Eine Synode wurde
einberufen, um die Dinge zu ordnen. Anwesend waren sechzehn Kardinäle, all die
vielen italienischen Bischöfe und viele andere, die aus Deutschland nach Rom
beordnet wurden. Der Bischof von Cremona hat einen genauen Bericht über die
Anklagen gegen den Papst hinterlassen. Er hatte die Messe gelesen, ohne zu
kommunizieren. Er hatte einen Diakon in einem Stall ordiniert. Er hatte für
Ordinationen Honorar verlangt. Er hatte mit einer langen Liste von Damen
kopuliert, einschließlich der alten Flamme seines Vaters und seiner eigenen
Nichte. Er hatte seinen geistlichen Führer geblendet. Er hatte einen Kardinal
kastriert und seinen Tod verursacht. All diese Beschuldigungen wurden unter Eid
bekräftigt.
Da schrieb Otto Johannes
einen Brief, den man zu den größten Kuriositäten rechnen muß.
Alle, Klerus wie Laien,
bezichtigen Dich, Heiligkeit, des Mordes, Meineids, Sakrilegs, Inzests mit
deinen Verwandten, und daß Du wie ein Heide Jupiter, Venus und anderen Dämonen
angerufen habest.
Johannes reagierte, indem er
einen Brief ohne jede Grammatik an die Bischöfe diktierte. Er warnte sie, wenn
sie ihn absetzten, würde er sie alle exkommunizieren, so daß sie weder ordinieren
noch Messe lesen könnten. Dann sprang er auf ein Pferd und ging jagen.
Als Otto das Warten
schließlich leid war und nach Sachsen zurückkehrte, hob Johannes` Familie eine
Armee aus, um ihm sicheres Geleit nach Hause zu geben. In Rom übernahm er
wieder das Amt Petri. Mit einer so milden Strafe wie der Exkommunikation nicht
zufrieden, verstümmelte oder exekutierte er alle, die zu seiner Verbannung
beigetragen hatten.
Kein Papst ging je in einer
peinlicheren Stellung zu Gott zurück. Eines Nachts ertappte ein eifersüchtiger
Ehemann, einer von vielen, seine Heiligkeit in flagranti delicto mit seiner
Frau und gab ihm die Letzte Ölung mit einem Hammerschlag auf den Hinterkopf.
Er war vierundzwanzig. Die Römer mit
ihrem bekannten makabren Humor sagten, es sei der Höhepunkt seiner Karriere
gewesen. Immerhin hatte er das Glück, im Bett zu sterben, selbst wenn es ein
fremdes war.
Im siebzehnten Jahrhundert
schrieb dann Kardinal Bellarmin in seinem Buch über das Papsttum De Romano
Pontifice: "Der Papst ist der oberste Richter in der Entscheidung
strittiger Glaubens- und Moralfragen." Dieser große Verteidiger des
Papsttums schrieb im selben Buch: "Wenn der Papst im Irrtum wäre, Sünden
befähle und Tugenden verböte, müßte die Kirche trotzdem Sünden als gut und
Tugenden als Laster ansehen, sonst würde sie gegen das Gewissen sündigen."
Kein Wunder, daß die Teenagerpäpste sich so viel herausnehmen konnten. Doch
selbst Bellarmin, der seine Borgias kannte, mußte einräumen, daß Johannes XII.
"Abschaum war". Fuerit fieri omnium deterrimus.
Als ein Ungeheuer aus dem
Weg war, wählten die Römer Benedikt V. als Ersatz. Otto war überlistet und wütend.
"Niemand kann ohne Zustimmung des Kaisers Papst sein", erklärte er.
"So ist es immer gewesen." Seine Wahl war Leo VIII. Im sechzehnten
Jahrhundert behauptete Kardinal Baronius in seinen Kirchlichen Annalen, die
Acton als "größte je geschriebene Kirchengeschichte" bezeichnet hat,
Benedikt sei der wahre Papst gewesen und Leo der Gegenpapst. Dies ist schwer zu
widerlegen. Doch Benedikt fiel reuig zu Ottos Füßen und erklärte sich selbst
zum Schwindler. Um dies zu beweisen, legte er seine Regalien ab und bekannte
auf Knien vor Leo. er sei der rechtmäßige Nachfolger Petri.
Es ist nicht klar, ob die
Behauptung eines echten Papstes, er sei nicht echt, eine Übung in Unfehlbarkeit
ist - doch es muß eine Botschaft an die ganze Kirche über Glauben und Moral
darin liegen.
Als sowohl Leo als auch
Benedikt starben, setzte Otto Johannes XIII. auf den Thron. Es war keine kluge
Wahl. Die Römer schickten ihn prompt heim. Otto brachte ihn zurück, nur um
einzusehen, daß der Instinkt der Römer recht hatte. Der neue Papst beging Taten
von unglaublicher Grausamkeit. Wie Luitprand in seiner Chronik berichtet, riß
er die Augen seiner Feinde aus und ließ die halbe Bevölkerung über die Klinge
springen. Kurz nach Johannes XII. kam Benedikt, der ebenfalls mitten im
Ehebruch von einem erzürnten Ehemann getötet wurde.
Kardinal Baronius waren
verständlicherweise diese Ergebnisse peinlich, die er mit bemerkenswerter
Ehrlichkeit berichtet. Die Päpste dieser Zeit nennt er "Eindringlinge auf
dem Heiligen Stuhl, nicht Apostel, sondern Apostaten" (non apostolicos sed
apostaticos). Es schüttelt ihn, gibt er zu, daß er über sie schreiben muß. Auf
dem Stuhl Petri saßen nicht Menschen, sondern Ungeheuer in Menschengestalt.
"Ruhmsüchtige Messalinas, voller fleischlicher Begierden und geschickt in
allen Formen der Schlechtigkeit, regierten Rom und prostituierten den Stuhl
Petri für ihre Favoriten und Liebhaber."
Angesichts der Beschlüsse
des Ersten Vatikanischen Konzils von 1870 ist seine Folgerung verblüffend:
Die wichtigste Lehre dieser
Zeiten ist, daß die Kirche sehr gut ohne Päpste auskommen kann. Was für das
Überleben der Kirche wichtig ist, ist nicht der Papst, sondern Jesus Christus.
Er ist das Haupt der Kirche, nicht der Papst.
Wenige Jahrhunderte später
wäre Baronius als Häretiker gebrandmarkt worden. Der katholische Glaube ist
heute: Der Papst ist das Haupt der Kirche auf Erden, Stellvertreter Christi, der
Fels, auf dem die Kirche erbaut ist, Band der Freiheit, Bewahrer von Glauben
und Moral. Aber die lange Zeit, die wir betrachtet haben, zeigt ein ganz
anderes Bild. Nicht nur Baronius, sondern auch das Volk von Rom hätte über
solchen theologischen Unsinn gelacht. Für sie hatten die Pforten der Hölle
sichtbar standgehalten. Wenn nicht dies der Sieg des Fürsten der
Finsternis war, was war es dann? Die
einzige Frage, die sie beschäftigte, war nicht "Wie kann der Papst die
Kirche retten", sondern "Wie kann der Papst seine eigene Seele
retten".
Während all dieser
stürmischen Ereignisse und anderer, die folgten, blieb Marozia in ihrer
Gefängniszelle. Sie, einst das berückendste Geschöpf ihrer Zeit, war nun ein
verwelkter, sehniger Knochenhaufen geworden, eingewickelt in Lumpen. Inzwischen
war sie Mitte Neunzig - die Erinnerung daran, mit dem einen Papst geschlafen
und ihm einen Sohn geschenkt zu haben, den sie wiederum zum Papst gemacht
hatte, muß sie inspiriert haben zu überleben. Sie wurde zwar vernachlässigt,
aber an höchster Stelle nie ganz vergessen.
Im Frühling 986 beschlossen
der dreiundzwanzigjährige Papst Gregor V. und sein Vetter, der fünfzehnjährige
Kaiser Otto III:, die arme alte Frau habe lange genug im Kerker geschmachtet.
Der Papst schickte einen zahmen Bischof, um die Dämonen aus ihr zu exorzieren
und ihre Strafe der Exkommunikation aufzuheben. Sie wurde von ihren Sünden
losgesprochen. Dann wurde sie hingerichtet.