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Pakistan: Sohr Damb/Nal

Sohr Damb/Nal: Rekonstruktion einer prähistorischen Kultur (Pakistan, Balochistan)

Ausgrabung einer dörflichen Siedlung aus dem 4. - 2. Jt. v. Chr.; 1996-2001 Survey, seit 2001 Grabung (DFG)

Lage

Der 4 ha große und 13 m hohe Fundort Sohr Damb liegt in einer Höhe von 1250 m üNN in Zentralbalochistan im Westen Pakistans, im weiteren Grenzgebiet zu Iran und Afghanistan. Hier treffen sich Verbindungswege nach Norden, der Küste im Süden und der Indusebene im Osten.

Abteilungen:
Eurasien-Abteilung

Weitere Informationen zur Abteilung/Kommission, die das Projekt betreut

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Geschichte

    
  Ansicht des Fundorts  

Die ersten Grabungen in Sohr Damb, dem Leitfundort der Nal-Kultur, haben 1925 einen Horizont ans Tageslicht gebracht, dessen Keramik technisch und ästhetisch zu den bemerkenswertesten Erzeugnissen des frühen 3. Jts. v. Chr. gehört. Der Kontext der Funde und die Stratigraphie des Ortes blieben jedoch unklar. Die Möglichkeit, in diesem aufgrund politischer Umstände lange verschlossenen Gebiet nach 50 Jahren eine Grabung durchzuführen, bietet nun die einmalige Chance, diese offen gebliebenen Fragen zu beantworten. 

Ziele

Angesichts des Forschungsstandes ist das Ziel des Projekts die 'Rekonstruktion' einer prähistorischen Kultur im weitesten Sinne. Dazu gehören Aspekte des täglichen Lebens, Architektur und Wohnformen, Bestattungssitten, Technologie und Kleinkunst ebenso wie die Erforschung der Umweltbedingungen, der regionalen Siedlungsmuster und der überregionalen Beziehungen.  

Forschungsgeschichte

    
  Fundament mit Holzbalken, Schnitt I (Periode III)  
    
  Nal-Keramik (Periode II)  

Erste Untersuchungen, die Nal nach der Entdeckung Mohenjo Daros in der Wissenschaft bekannt machten, fanden 1903 und 1925 statt. Die Surveys von Aurel Stein und einige zwischen 1948 und 1951 durchgeführte Grabungen bilden bis heute die Basis des derzeitigen Wissensstandes. Zahlreiche Forschungen sind unpubliziert. Neuere Grabungen finden nur noch in Mehrgarh und seit 1986 in Makran statt, beides weit entfernte Regionen. Es fehlen daher noch immer wichtige Grundkenntnisse zur kulturgeschichtlichen Entwicklung dieser Region.

1996 begann die Deutsch-Pakistanische Mission nach Kalat mit Surveys und Sondagen im Südosten Balochistans. Durch die Erfassung und Dokumentation von 350 Fundorten aus der Zeit von ca. 4300 v. Chr. bis zum 19. Jh. n. Chr. führten konnte die Besiedlungsgeschichte dieser Region in groben Zügen festgelegt und ihre Bedeutung vor und während des Bestehens der Induskultur (2500-1900 v. Chr.) aufgezeigt werden. Mit der Verlagerung des Forschungsschwerpunkts weiter nach Norden und den Grabungen in Sohr Damb wird diese 'Grundlagenforschung' nun fortgesetzt.  

Bisherige Arbeiten

    
  Grabungsflächen I + IX (Periode III)  

2001 wurden zwei Stufenschnitte angelegt, die vom höchsten Punkt des Hügels bis zum gewachsenen Boden führen und 13 m hohe Kulturschichten umfassen. Nach der Entdeckung weiterer großer Siedlungshorizonte und eines Friedhofs wurden die Grabungsflächen ab 2002 auf eine Fläche von heute etwa 2500 m² erweitert. Die Besiedlungsgeschichte des Ortes umfasst nun vier Perioden, jeweils mit mehreren Phasen, die in die Zeit von 3800 bis 2200 v. Chr. datieren. 

Aktuelle Arbeiten

    
  Verbranntes Gebäude, Schnitt I  

Die Grabungen konzentrieren sich auf die Untersuchung des Friedhofs aus Periode I und auf die Wohnbebauung der Perioden II und III. Die gut erhaltenen Befunde mit Rauminventaren, die bis zu 300 Gefäße, Figurinen, Werkzeuge und Schmuck umfassen, geben einen Einblick in die Funktion der Gebäude und zeigen die Veränderungen der Inventare über einen längeren Zeitraum. 

Methoden

    
  Grab 739/740 (Periode I)  

- Untersuchungen zur räumlichen Nutzung der Siedlungsfläche und der Veränderungen durch die Zeit anhand dreidimensionaler Darstellung der Befunde und statistischer Auswertungen.

- Rekonstruktion der prähistorischen Lebensbedingungen anhand der morphologischen und chemischen Analyse von Menschen- und Tierknochen und der botanischen Reste.  

Ergebnisse

    
  Keramik aus Grab 738 (Periode I)  
    
  Bestattung aus Periode II  
    
  Keramik aus Periode II  
    
  Keramik (Periode III)  
    
  Stierfigur (Periode III)  
    
  Keramik (Periode III)  

Das umfangreiche und gut stratifizierte Fundrepertoire aus Sohr Damb ermöglicht erstmals eine präzise Umschreibung der Siedlungshorizonte, die die kulturgeschichtliche Entwicklung in Balochistan von 4000 bis 2000 v. Chr. repräsentieren.

Periode I (Togau) wurde unter den noch ungestörten Steinfundamenten der Bebauung aus Periode II in den alten Grabungen entdeckt. Hier kam ein Friedhof mit sekundären Teilbestattungen zutage. Die Grabkammern enthalten bis zu 16 Individuen aller Altersgruppen und zahlreiche Beigaben, überwiegend Keramik und Perlen aus Halbedelsteinen und Muscheln. Die Siedlung dieser Zeit erstreckt sich über den Nordteil des Tells, wo sie von mehr als 6 m hohen jüngeren Kulturschichten überlagert ist.

Mit Beginn der Periode II (Nal) ändern sich Architektur, Bestattungssitten und viele technische und stilistische Merkmale. Die Toten werden nun vollständig in Einzelgräbern bestattet, die Zahl der Beigaben reduziert sich auf wenige Gefäße. Die Räume der Lehmziegelhäuser sind klein, sie zeigen zahlreiche Spuren typischer häuslicher Aktivitäten: Vorratsbassins, zahlreiche Gefäße, Mahlsteine, Knochengeräte, Stierfigurinen und Perlen. Die Nal-Keramik umfasst neben polychromen 'Luxuswaren' auch zahlreiche Gebrauchsgefäße.

Überraschend war die Entdeckung einer umfassenden späteren Besiedlung (Periode III), die enge Verbindungen zu Nordbalochistan, Mehrgarh, Mundigak in Afghanistan und Shahr-e Sokhta in Südostiran zeigt. Dieser zeitlich umstrittene Horizont ist in Sohr Damb mit 6 m starken Kulturschichten belegt. Ihre großflächige Freilegung hat die Zeitstellung dieser wichtigen Besiedlung geklärt und gezeigt, dass die regionale Kulturlandschaft räumlich und zeitlich stärker gegliedert war als bisher angenommen.

Wieder verändern sich Architektur, Technologie und stilistische Merkmale. Die Häuser und die Räume sind größer, typisch sind Lehm- oder Kalkböden, Kiesfundamente und die Verwendung von Bauholz in Fundamenten und Decken. In allen Räumen liegen noch umfangreiche Inventare, darunter Stein- und Knochengeräte, Keramik, Perlen, Figurinen und auch einige Kupfersiegel. Polychromie und die typischen Nal-Motive kommen nicht mehr vor. Öfen, Fehlbrände, Hilfsmittel und Schmelztiegel zeigen, dass die Keramik lokal hergestellt und Kupfer, vielleicht auch Silber, vor Ort verarbeitet wurden.

Die letzte Periode IV ist stark erodiert. Sie ist dem Kulli-Harappa-Horizont zuzuordnen, der Merkmale der Induskultur und des regionalen Kulli-Komplexes miteinander verbindet.

Danach endet die Besiedlungsgeschichte des Hügels und auch der gesamten Region für nahezu 1500 Jahre. Die Gründe dafür werden kontrovers diskutiert. Die paläobotanischen und paläozoologischen Untersuchungen in Sohr Damb legen jedoch nahe, dass die Umweltbedingungen sich nicht wesentlich verändert haben. Verwüstung und Wassermangel sind als auslösende Faktoren daher unwahrscheinlich und auch Flussbettverlagerungen scheiden hier, anders als im Industal, als Erklärung aus.

Die aktuellen Forschungen in Nal haben die Voraussetzungen für eine neue Interpretation der kulturellen Entwicklung der Region und ihrer großräumigen Beziehungen geschaffen. Besonders wichtig ist die Feststellung, dass viele der bekannten Kulturkomplexe nicht nacheinander existierten, sondern gleichzeitig bestanden und dass zwischen den Perioden Unterschiede bestehen, die über einen graduellen Wandel hinausgehen.  

Kooperationen

Das Projekt wird in Zusammenarbeit mit dem Department of Archaeology and Museums, Government of Pakistan, Islamabad, durchgeführt. An dem Projekt beteiligt sind ferner Dr. N. Benecke (Paläozoologie), Dr. J. Görsdorf (C14-Labor), Dr. R. Neef (Paläobotanik) und C. Buquet, CNRS Paris (Anthropologie). 

Ansprechpartner

PD Dr. Ute Franke-Vogt

Telefon: 01888-7711-325
Telefax: 01888-7711-313
Email: Ute.Franke-Vogt@t-online.de

Literatur

Benecke,N. & Neef,R. 2005 Faunal and Plant Remains from Sohr Damb/Nal: A Prehistoric Site (c. 4000 -- 2000 BC) in Balochistan (Pakistan). In: Franke-Vogt,U. & J.Weishaar (eds.), South Asian Archaeology 2003, Forschungen zur Archäologie Außereuropäischer Kulturen Band 1, Aachen, 81-93

Franke-Vogt,U. 2000, The Archaeology of Southeastern Balochistan. Internet-Publikation mit 130 Fotos. Http://www.harappa.com/baluch

Franke-Vogt,U 2005a ,Excavations at Sohr Damb/Nal in 2002, in Franke-Vogt, U and Weisshaar, J (eds.), South Asian Archaeology 2003, Forschungen zur Archäologie Außereuropäischer Kulturen Band 1, Aachen, 59-72

Franke-Vogt,U 2005b ,Sohr Damb/Nal, Baluchistan, Pakistan Ergebnisse der Grabungen 2001, 2002 und 2004, Archäologische Mitteilungen aus Iran und Turan Band 35-36, 2003-2004, 83-141

Goersdorf,J. 2005 Radiocarbon Dates from Sohr Damb/Nal, Balochistan. In: Franke-Vogt,U. & J.Weishaar (eds.), South Asian Archaeology 2003, Forschungen zur Archäologie Außereuropäischer Kulturen Band 1, Aachen, 77-80

Franke-Vogt,U 2006 Alte Kulturen neu entdeckt. Antike Welt 2/2006, 85-93  

 


 
 

Aktualisiert: 31.08.2007

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