STERN 45/2002
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Kämpfer für den Qualm


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Es passierte auch schon mal, dass einer einen Forschungsantrag an das Gesundheitsministerium stellte und dann von einem Beauftragten des VdC zurückgerufen wurde. Gabriele Hundsdörfer, so der Antragsteller, habe den Vorgang damit entschuldigt, dass der Antrag über einen Gutachter in falsche Hände geraten sei. Und überhaupt ließ sie auf Anfrage mitteilen, sie habe kein enges Verhältnis zur Zigarettenindustrie, und sie habe niemals interne Dokumente weitergeleitet. Doch Brückner baute fest auf diese Quelle. Um seiner Informantin aus dem Wirtschaftsministerium, einer gewissen Frau Schlaffeld*, zu nützen und einem Regierungsrat aus dem Gesundheitsministerium, einem Herrn Eisen*, zu schaden, brauchte er 1992 einen bestimmten Brief. Er notierte: »Wenn wir den Antwortbrief des Gesundheitsministeriums besorgen könnten (sei es über Frau Holter*, sei es über Prof. Adlkofer oder Frau Hundsdörfer), könnten wir ihn fachkundig widerlegen lassen. Damit hätten wir Frau Schlaffeld die Möglichkeit gegeben, sich als Sachkennerin zu profilieren und wir hätten Herrn Eisen gezeigt, dass es nicht so leicht ist, wenn man sich mit uns anlegt.«

Alles gibt Brückner
nicht zu. Mit Schleichwerbung will er nie etwas zu tun gehabt haben. Dann kann man nur rätseln, warum die Münchner Lisa-Film GmbH 1992 dem VdC 18240 Mark berechnete für die Wiederholung der TV-Serie »Ein Schloß am Wörthersee« und dabei Bezug nimmt auf eine »Vereinbarung mit Ihrem sehr geehrten Herrn Dr. Brückner«. Oder warum sich Manfred Barthel, der Drehbuchautor von Rühmann- und Karl-May-Filmen, 1992 schriftlich beim VdC auf »unsere Rahmenabsprache« beruft und für »einzubauende Szenen« in der Kulenkampff-Serie »Die große Freiheit« um »finanzielle Klärung« bittet. Wortreich macht schließlich im gleichen Jahr Manfred Stoffers vom Fokom Institut dem VdC Vorschläge für gute Schleichwerbung. Besonders in Serien komme es auf »eine sympathische Raucherfigur an, die selbstverständlich und sichtbar mit allen positiven Effekten raucht«. Er habe da schon »eine Langlaufserie mit jungem Zielpublikum in den Fingern, in der sich die genannte Platzierungsform geradezu ideal anbieten würde«. Diese Seite des Pädagogen und Juristen Manfred Stoffers war bisher unbekannt. Denn wenn er sich nicht gerade der Zigaretten-Lobby andient, schreibt Stoffers in Büchern über »Ziele und Aufgaben des Jugendmedienschutzes« und ist nach eigenem Bekunden »Kommentator des Jugendschutzgesetzes«.

Dass trotz vieler
Mühen nicht alles so läuft, wie die Tabak-Lobby es gern hätte, zeigte sich jüngst vor dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg. Dort hatte die Bundesregierung im Oktober vergangenen Jahres eine Klage gegen die so genannte Tabakrichtlinie eingereicht, die den Zigarettenherstellern ab 2007 vorschreibt, auch beim Export die verschärften innereuropäischen Kondensatgrenzwerte einzuhalten. Das Bundeswirtschaftsministerium war der Meinung, das Mehr an Gesundheit beeinträchtige die deutsche Tabakindustrie im internationalen Wettbewerb. Die Klage wurde ausgearbeitet von einer Kanzlei, die sich rühmt, Arbeitgeber bei großen Musterprozessen ums Passivrauchen zu vertreten. Irgendwas ist dann im letzten Moment schief gelaufen. Wegen Fristüberschreitung wurde die Klage im Mai als »offensichtlich unzulässig« abgewiesen. Zum Trost ein tiefer Lungenzug, Herr Brückner? Nein, selbst bei Frust nicht? Der Mann gibt Rätsel auf. Zum Abschied wünscht er »viel Auflage mit der Geschichte«. Ob er am Ende doch Nichtraucher ist?

Georg Wedemeyer

*Namen geändert

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