Adolf Dirr (1867–1930)

Adolf Dirr

Seinen Ruf als hervorragender Wissenschaftler hat sich Dirr vor allem durch seine langjährigen Sprachforschungen im Kaukasus erworben.
Aber auch über zwei Drittel der heutigen Kaukasiensammlung des Staatlichen Museums für Völkerkunde München sind seiner Sammeltätigkeit zu verdanken.


Adolf Dirr wurde am 17.12.1867 in Augsburg geboren. Das Gymnasium verließ er ohne Abschluss und hospitierte in den Jahren 1891 und 1892 einige Monate am Seminar für Orientalische Sprachen in Berlin. Von 1892 bis 1896 studierte er orientalische Sprachen an der Sorbonne, Daneben besuchte er die École d’Anthropologie de Paris,. Nach der Beendigung dieser Studien war er in Paris noch bis 1901 als Sprachlehrer tätig.

»... als er Schüler der Tertia des Gymnasiums war, lief er von zuhause weg und begab sich nach Algier. Nach Hause zurückgekehrt, ließ er keineswegs seine Träumerei vom Reisen bleiben: nachdem er die Schule hingeworfen hatte, begann er – bei ständig wechselnden Berufstätigkeiten – durch Frankreich und Italien zu streifen« (Nemirovskij,1930: 5). Während seiner Berliner und Pariser Studienjahre reiste er nach Afrika, in die Südsee und vermutlich auch nach Südostasien. Er publizierte über das Haussa (1895), das ägyptische Vulgärarabisch (1893, 21912), die vietnamesische (»annamitische«) Sprache (1894) und das Malaysische (1931).

Nachdem sich Dirr erstmals im Jahr 1900 in Tiflis aufgehalten hatte, unternahm er im folgenden Jahr eine bis 1902 dauernde Forschungsreise in den Kaukasus, die ihn nach Georgien und ins Gouvernement Elizavetopol (heute in Aserbaidschan) führte. Daran schloss sich noch im Jahr 1902 ein weiterer Kaukasienaufenthalt an, der erst im Jahre 1913 mit Dirrs Anstellung als einziger Kustode am Königlichen Ethnographischen Museum in München endete. Während dieser Zeit arbeitete er als Lehrer im russischen Staatsdienst, zunächst in einer staatlichen Mittelschule in Temir-Chan-Šura(Dagestan), ab 1908 dann in Tiflis, wo er an mittleren und höheren Schulen Deutsch, Englisch und allgemeine Sprachwissenschaft unterrichtete.
Dirr nannte sein Leben in dieser Zeit ein»Wanderleben«. In Dagestan bereiste er mehrmals die Flußsysteme des Landes, in einigen Fällen bis hinauf in die letzten Dörfer. Im Jahr 1904 hielt er sich in Tušeti (Georgien) in einem Sommerlager wandernder Schafhirten auf, um das Batsische, eine tschetschenische Sprache, zu dokumentieren.

Im Sommer 1911 hatte Dirr Abchasien und den nördlich des Kaukasus-Hauptkammes gelegenen Teil Ossetiens bereist. Die georgischen Kerngebiete Kartli und Imereti, aber auch Kachetien kannte er gut. 1913 führte er vor dem Dienstantritt in München, im Auftrag der Russischen Akademie der Wissenschaften (St. Petersburg) in Westanatolien Sprachforschungen unter Ubychen durch, ein im Jahre 1864 aus dem westlichen Kaukasus geflohenenes Volk.
Dass alle diese Reisen wissenschaftlichen Zwecken dienten, zeigen dabei angelegten Materialsammlungen: schriftliche Aufzeichnungen, phonographische Aufnahmen von Texten und Musik, Photographien, Objekte der Sachkultur. Dirr nannte diesen Teil seines Forschens »Wissenschaftliches Fieldwork«. Andererseits belegen zahlreiche Publikationen, wie intensiv Dirr seine zwölf kaukasischen Jahre auch dazu nutzte, das gesammelte Material zu bearbeiten.