Al-Kamil                                           Sultan von Ägypten (1218-1238)
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1177/80
8.3.1238
               Damaskus

Ältester Sohn des Sultans al-Adil I. von Ägypten

Lexikon des Mittelalters: Band V Spalte 883
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al-Kamil (al-Malik al-Kamil), ayyubidischer Sultan
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* 1177 oder 1180,
6. März 1238

Ältester Sohn von Saladins Bruder al-Adil

Begann als Stellvertreter seines Vaters in der Gazira seine militärische und politische Laufbahn und kam 1191 nach Damaskus, um diesen im Kampf gegen Saladins Sohn al-Afdal beizustehen. Nach des letzteren Tod setzten sich al-Adil und al-Kamil in den Besitz Ägyptens, wo al-Kamil als Vizekönig zurückblieb. Als die Kreuzfahrer im Mai 1218 Ägypten angriffen (5. Kreuzzug), konnte al-Kamil ihre Landung und die Eroberung von Damiette nicht verhindern. Nach dem Tode al-Adils (31. August 1218) folgte ihm al-Kamil als Sultan und nominelles Oberhaupt des AYYUBIDEN-Reiches und konnte die Kreuzfahrer nach heftigen Kämpfen bei al-Mansura einkesseln und im August 1221 zur Kapitulation zwingen. Der Gegensatz zwischen al-Kamil und seinen Brüdern bestimmte für die nächsten Jahre das Geschehen und erklärt sein Entgegenkommen gegenüber Kaiser FRIEDRICH II., der in Erfüllung seines Kreuzzugsgelübdes 1228 in Akkon gelandet war und dem er 1229 in einem Friedensvertrag auf 10 Jahre Jerusalem abtrat. Al-Kamil war ein geschickter Diplomat und tüchtiger Feldherr, dem es nach wechselvollen Kämpfen gelang, die Oberherrschaft über seine Brüder durchzusetzen, und der sich um den inneren Ausbau Ägyptens verdient machte.

P. Thorau

Mayer, Hans Eberhard: Seite 195-200,207,208,224-226
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"Geschichte der Kreuzzüge"


Unter der Oberhoheit al-Adils regierten seine drei Söhne in den Teilreichen:
al-Kamil, der auch als Nachfolger al-Adils ausersehen war, besaß das Kernland Ägypten, al-Muazzam regierte Syrien und Palästina  und al-Aschraf herrschte in al-Dschazira, dem oberen Mesopotamien. Al-Kamil, den der fränkische Angriff auf Damiette völlig überrascht hatte, schlug mit seinen Truppen eilig ein Lager etwas südlich der Stadt auf dem Ostufer auf. Sein taktisches Ziel war es, die Franken am Übergang über den Fluß zu hindern, da sie dann Damiette von der Landseite her ganz hätten einkreisen können. Nach der Eroberung der Stadt starb der Sultan al-Adil vor Kummer. Von nun an war jederzeit damit zu rechnen, dass die immensen Spannungen im AIYUBIDEN-Reich zum Ausbruch kommen konnten, denn auf die Dauer gedachten sich al-Muazzam und al-Aschraf nicht der Oberherrschaft al-Kamils zu beugen, doch standen sie vorerst gegen die Franken zusammen.
Dem Erfolg der Franken kam allerdings entgegen, dass die Verschlechterung der militärischen Lage al-Kamils, der den koptischen Christen und der städtischen Bevölkerung unablässig schwere Steuern auferlegte und neue Truppenkontingente abzwang, zu einer Verschwörung unter den ägyptischen Emiren führte. Kopflos floh der Sultan aus dem Lager, das auch von der Armee in panischem Schrecken verlassen wurde. Dies ermöglichte den Kreuzfahrern, am 5. Februar 1219 das auf dem Ostufer gelegene Lager zu besetzen. Sie machten dort nicht nur reiche Beute, sondern konnten nunmehr auch Damiette vollständig einkreisen und von allen Zufuhren abschneiden. Al-Kamil dachte schon daran, bis in den Jemen zu fliehen, als aus Syrien sein Bruder al-Muazzam kam und energisch eingriff. Den Haupträdelsführer der Verschwörer ließ er einfach nach Syrien entführen und daraufhin brach die Fronde zusammen. Dies stellte das Selbstvertrauen al-Kamils wieder her. Aber die Bedrohung Damiettes war für ihn so unangenehm, dass er im März 1219 den Heiligen Krieg ausrief. Vorher hatte er erfolglos versucht, sich mit den Kreuzfahrern zu arrangieren. Sein Angebot war ein langfristiger Waffenstillstand und die Rückgabe des ganzen ehemaligen Königreichs von Jerusalem außer Transjordanien, für das er 30.000 Byzantiner Entschädigung anbot. Dafür sollten die Kreuzfahrer Ägypten räumen. Die Annahme des Vorschlages scheiterte an dem Widerstand des Legaten Pelagius von Albano. Der Sultan nahm den Kampf wieder auf, aber ein Angriff gegen das christliche Lager zerbrach an den guten Befestigungsanlagen und den beiden Pontonbrücken, die die Kreuzfahrer erbaut hatten. Erst am 29. August konnte al-Kamil einen größeren Erfolg gegen die Belagerer erfechten. Er nutzte die Gunst der Stunde, um ihnen erneut ein Friedensangebot zu unterbreiten. Jetzt verpflichtete er sich sogar, das Heilige Kreuz zurückzugeben und die schon im März in Palästina vorsorglich geschleiften Festungen und Stadtmauern von Jerusalem auf seine Kosten wieder aufzubauen. Al-Kamil wollte die ägyptischen Kernlande des aiyubidischen Reiches retten. Seine Lage hatte sich ungeachtet seines Erfolges vom August verschlechtert, denn das Ausbleiben der Nilüberschwemmung bedrohte das Land mit einer Mißernte. Zudem waren die Verhältnisse in Damiette fast unhaltbar geworden. Dennoch hätte der Besitz von Damiette für die Kreuzfahrer noch nicht den Ägyptens bedeutet, und so war al-Kamils Angebot in der Tat äußerst großzügig.
Damiette war vom Herbst 1219 an unhaltbar geworden. Am 5. November fanden die Christen einige Abschnitte der Mauer unbesetzt, und ohne dass es einen Verrat gegeben hätte, eroberten sie fast kampflos die Stadt. Der Eindruck, den der Fall der Stadt in der islamischen Welt machte, war niederschmetternd. Al-Kamil tat, was er konnte. Er verlegte sein Lager nilaufwärts nach al-Mansura (die Siegreiche), wo er eine neue Lagerstadt erbaute, die in der Kreuzzugsgeschichte berühmt werden sollte. Damit war der Weg nach Kairo verlegt. Al-Muazzam sandte er nach Palästina zurück, um die Franken dort beschäftigt zu halten. Im übrigen mußte er auf Zeitgewinn hinarbeiten, denn ein Gegenangriff war nur mit der vereinigten Macht aller AIYUBIDEN denkbar.
Ein neuerliches Friedensangebot al-Kamils scheiterte daran, dass die Franken nun auch Transjordanien forderten, das als Brücke zwischen Ägypten und Syrien für die AIYUBIDEN unentbehrlich war. Am 17. Juli 1221 brachen die Kreuzfahrer zur Eroberung des Landes auf und stießen auf dem Ostufer flußaufwärts vor, bis sie sich am 24. Juli vor Mansura einigelten. Ihr Lager lag in dem Winkel, der durch den Nil und einen seiner Nebenflüsse gebildet wurde, und nur die Unkenntnis der hydrographischen Verhältnisse Ägyptens konnte die Franken glauben machen, dies sei eine strategisch geschützte Position. Die Lage im AIJUBIDEN-Reich hatte sich inzwischen geändert, nachdem al-Aschraf im Frühjahr 1221 den 3. Mosulkrieg beendet und damit die Abspaltung eines Teils von Mesopotamien verhindert hatte. Er konnte nun den immer dringenderen Appellen al-Kamils nachkommen. Anfang August waren die Truppen der drei aiyubidischen Brüder in Ägypten vereint, und um den 10. August sahen sich die Kreuzfahrer in einem geschickten Manöver der Muslime umgangen und zu Lande und zu Wasser von jeder Verbindung mit Damiette abgeschnitten. Weder Lebensmittel noch Entsatz konnte zu ihnen gelangen, da al-Kamil die Flußdeiche hatte durchstechen lassen, was bei den jahreszeitlichen Hochstand des Nils zur vollständigen Überschwemmung des umliegenden Landes führte. Am 26. August versuchten die verzweifelten Kreuzfahrer, sich auf der einzigen noch offenen, von al-Kamil aber besetzten Straße nach Damiette durchzuhauen. Nach wenigen Meilen blieben sie im Morast stecken, denn der Sultan hatte nun auch diese Straße noch unter Wasser gesetzt. Der Legat Pelagius mußte nun um Frieden bitten, und am folgenden Tage wurde ein Waffenstillstand auf acht Jahre geschlossen, der die Räumung Ägyptens gegen freien Abzug der Christen vorsah. Am 8. September 1221 zog al-Kamil als Sieger in Damiette ein. Kurz darauf demonstrierte eine Siegesfeier in al-Mansura noch einmal die Einheit des AIYUBIDEN-Reiches.
Seit 1221 waren die aiyubidischen Brüder, die vereint die Franken zurückgeworfen hatten, zunehmend zerfalllen. Es war zu einem Machtkampf zwischen al-Kamil und al-Muazzam gekommen. In seiner Not hatte al-Kamil, der sich den Rücken freihalten wollte, 1227 sein Angebot von 1219 wiederholt und Kaiser FRIEDRICH II. die Rückgabe der Eroberungen Saladins angetragen. Al-Muazzam schloß sich diesem Angebot allerdings nicht an. Sein Tod am 12. November 1227 befreite al-Kamil aus der Gefahr eines Zweifrontenkrieges, aber der Kreuzzug war nicht mehr aufzuhalten. Während der Sultan den Kaiser hinhielt und ihn veranlaßte, seine Forderungen erheblich zu vermindern und zuzugeben, dass es um sein kaiserliches Ansehen geschehen wäre, wenn er erfolglos heimkehre, erfolgte gleichzeitig nach raschen Verhandlungen im Vertrag von Tell al-Adschul (Ende 1228) eine Neuverteilung des AIYUBIDEN-Reiches. Syrien und Damaskus sollten an al-Aschraf fallen, Palästina dagegen an al-Kamil. Damit stärkte der Vertrag von Tell al-Adschul die Stellung Ägyptens auf Kosten der aiyubidischen Teilreiche und sicherte
al-Kamils Oberherrschaft. Dies war aber nur ein Programm, das erst mit Waffengewalt gegen an-Nasir, den Sohn al-Muazzams, durchgesetzt werden mußte. Um für diesen Zwist gerüstet zu sein, der unmittelbar nach dem Abschluß des Vertrags ausbrach, schloß al-Kamil am 18. Februar 1229 zu Jaffa einen Friedensvertrag mit dem Kaiser, der 10 Jahre, 5 Monate und 40 Tage gelten sollte.
Al-Kamil war seit 1229 mit der Neuordnung des AIYUBIDEN-Reiches beschäftigt, die sich aus dem Vertrag von Tell al-Adschul ergab. Dann mußte er sich mit den Hwarizmiern befassen. Al-Kamil hatte bald gegen seine seldschukischen Alliierten zu kämpfen. Als er den Krieg verlor, rebellierte sein Bruder al-Aschraf, und al-Kamil mußte gegen ihn ziehen. Erst al-Aschrafs Tod 1237 beendete den Bruderkrieg, aber ein Jahr darauf starb al-Kamil, und nun versank das AIYUBIDEN-Reich in den Diadochenkämpfen seiner Söhne as-Salih Aiyub (Damaskus) und al-Adil II. (Ägypten).







Kinder:

  al-Adil II. Abu Bakr
  1221
9.2.1248

  al-Musud Herr von Jemen
     


  as-Salih Aijub
  1207
22.11.1249






Literatur:
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Horst, Eberhard: Friedrich der Staufer, Claassen Verlag Düsseldorf 1989, Seite 114,140-146,151,154,162,169,185,218,293,303,321 - Kantorowicz, Ernst: Kaiser Friedrich der Zweite, Klett-Cotta Verlag Stuttgart 1991, Seite 91,168,171,177,264,315,323, 330,382,422,508,577,625 - Masson Georgina: Friedrich II. von Hohenstaufen, Rowohlt Taschenbuch Verlag Reinbeck bei Hamburg 1991, Seite 91,122,123,124, 135,140, 141,143,144,145,150 -
Mayer, Hans Eberhard: Geschichte der Kreuzzüge, Verlag W. Kohlhammer GmbH 1995 Seite 195-200,207,208,224-226 - Runciman, Steven: Geschichte der Kreuzzüge, Sonderausgabe in 1 Band Verlag H.C. Beck München 1978, Seite 856,921,928-934,936-937, 940-946,954,961-967,986-991 - Wies, Ernst W.: Friedrich II. von Hohenstaufen. Messias oder Antichrist, Bechtle Esslingen 1998, Seite 91,131, 142,145,148,151,206 - Winkelmann Eduard: Kaiser Friedrich II. 2. Band, Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 1963, Seite 9,98-122, 127,132,135,137,145,155,159,179,293,392,399,493,496 -