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29.02.2008    17:29 Uhr Drucken  |  Versenden  |  Kontakt
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ZDF-Film: "Die Gustloff"

Konjunktur des Untergangs

Das Flüchtlingsschiff Gustloff wurde 1945 von russischen Torpedos getroffen und versank in der eisigen Ostsee. Das ZDF stellt in einem Zweiteiler das Schreckensszenario nach.
Von Uwe-Karsten Heye

gustloff zdf zweiteiler film conny klein
vergrößern Der Untergang der Gustloff ist bis heute die größte Katastrophe in der Geschichte der Seefahrt.
Foto: ZDF / Conny Klein
 

Erneut wird an die Gustloff erinnert und an ihre 10000 Passagiere. Vergnügungsdampfer, dann Lazarettschiff und schließlich ausgewählt als Flüchtlingstransporter zwischen Gotenhafen und Kiel. Die Gustloff versank am 30. Januar 1945, von russischen Torpedos getroffen, bei 25 bis 35 Kältegraden in der eisigen Ostsee.

Literaturnobelpreisträger Günter Grass war es, der mit seinem Buch "Im Krebsgang" die Katastrophe dieses Einsatzes schilderte und der uns den Kommandeur des russischen U-Bootes S-13 näherbrachte, der diesen tausendfachen Tod auf sich lud. Erinnert wird nun wieder, dieses Mal mit der Macht und Kraft der Fernsehbilder in dem zweiteiligen Gustloff-Drama des Zweiten Deutschen Fernsehens. Es erinnert an diesen Schreckenstag, an dieses Kleinstmosaik im Kaleidoskop der großen Katastrophe des Zweiten Weltkrieges.


Der massenhafte Exodus der Ost- und Westpreußen, der Königsberger und Danziger, an die zwei oder drei Millionen, die den Weg über die Ostsee nach Westen suchten, um der in das Reich drängenden Roten Armee zu entgehen, er führte dazu, dass so ziemlich alles, was schiffbar war, von der Kriegsmarine eingesetzt wurde, um der Massenflucht Herr zu werden. Daher die Gustloff. Und daher ihr Schicksal.

Das Lehrstück Gustloff

Hätte die Katastrophe verhindert werden können, wenn das Schiff auf dieser Fahrt von regulären Kriegsschiffen begleitet und geschützt worden wäre? Der Film wirft diese Frage in seinem ersten Teil auf. Damit wird zugleich aber auch deutlich, mit welchem Zynismus das NS-Regime mit der angsterfüllten Zivilbevölkerung umging.

Die Gustloff und ihre letzte Fahrt waren in meiner Familie ohne Erinnerungsverlust geblieben. Meine Mutter und Großmutter, meine Schwester und ich, in Danzig zuhause, wir sind auf der Passagierliste zu finden, die meinem Vater nach Rückkehr aus dem Krieg als Beleg dafür vorgelegt wurde, dass wir wohl in der Ostsee unser Ende gefunden hatten.

Tatsächlich aber hatte meine Mutter kurzfristig den womöglich letzten Zug aus Danzig vorgezogen und die Passage verfallen lassen. Für ihn gehörten wir bis zu unserem zufälligen Wiedersehen, gute 20 Jahre später, zu denen, die an diesem Januartag 1945 in der Ostsee ertrunken waren. Und auch meines Vaters mutmaßlichen Tod hatten wir schriftlich: an der Ostfront verschollen.

Kein Wunder also, dass ich die fiktive Wiedergeburt des Schiffes und die Geschichte seines Einsatzes mit großer Emotion verfolgt habe. So bereits bei der Lektüre des Buches von Günter Grass und jetzt nicht weniger entlang dieses Zweiteilers. Dabei immer begleitet von der hoffenden Erwartung, dass dieses Lehrstück Gustloff in allen seinen Bezügen erzählt wird.

Wie war es möglich?

Vor allem anderen ist es auch ein Beleg dafür, wohin uns dieser Zivilisationsbruch der Nazi-Ära gebracht hatte. Ohne diese erschreckende Vorgeschichte, in der die Deutschen ihr Schicksal einer verbrecherischen Clique überließen und quasi Reichskanzler Hitler rechtmäßig zur Macht verhalfen, hätte es keine Flucht, keine Vertreibung gegeben. Wie also eine Geschichte erzählen, die in ihrem Bestand so viel Eigenverantwortung an dem Grauen enthält, das die Fernsehbilder über diesen Tag kurz vor Kriegsende aufblättern.

50 Millionen Tote hat der Zweite Weltkrieg gekostet. Darunter sechs Millionen deutsche und europäische Juden. 20 Millionen Tote, die in den Weiten Russlands in Massengräbern aufgehäuft und durch das Unternehmen "Barbarossa", die deutsche Wehrmacht, die Einsatzgruppen hinter den Linien, in den Gaswagen und in Konzentrationslagern ihr Ende fanden.

Was zählt da die Gustloff, ließe sich fragen. Nun, auch die beiden Folgen im ZDF führen die Fragen nach dem Warum? und nach dem Wie war es möglich? in die richtige Richtung.

Nicht so wichtig vielleicht die Frage, warum erst jetzt diese Erinnerungsarbeit Konjunktur hat, erzählt von den Enkeln oder Kindern der Täter- und Opfergeneration. Vielleicht lässt es sich ja auch jetzt erst erzählen, da das Nachbeben der deutschen Katastrophe etwas geringer geworden ist. Es hat womöglich auch mit der Vereinigung der beiden Deutschländer zu tun. Da wird Geschichte erneut wichtig, zumal in der DDR eine weitere Erfahrung einer autoritären und demokratiefeindlichen Gesellschaftsordnung zu besichtigen war.

Dennoch, bloß nichts vermanschen. Es gibt keinen gemeinsamen Kamm, über den die Ideologismen des letzten Jahrhunderts geschoren werden könnten. Der reale Sozialismus hinterließ in der DDR im Wesentlichen Aktenberge und darin zu findendes Denunziantentum. Hitlers Gefolgsleute hinterließen Leichenberge und Aktenberge. Kein gering zu achtender Unterschied. Dem Zweiteiler des ZDF ist ein großes, hoffentlich auch junges Publikum zu wünschen.

Uwe-Karsten Heye, 67, war von 1998 bis 2002 Sprecher der Regierung des SPD-Kanzlers Gerhard Schröder, anschließend deutscher Generalkonsul in NewYork. Seit 2006 ist Heye Chefredakteur der sozialdemokratischen Monatszeitung Vorwärts. 2004 veröffentlichte er seine Familiengeschichte unter dem Titel "Vom Glück nur ein Schatten".


(SZ vom 1./2.3.2008/kur)

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Kommentare


04.03.2008 09:00:15

Papa-Ralf: Mord an Deutschen kein Kriegsverbrechen?

ein Trost ist, dass der Kapitän des russischen U-Bootes seinen Triumph nicht feiern konnte. Er starb am Suff ... wie so viele russische Klingeljackenhelden*.

Den Stern eines "Helden der SU" bekam er dennoch postum.

Im Übrigen darf das Wrack der "W.Gustloff" nicht besucht werden. Ganz offensichtlich wurde es nach dem Krieg von russischen Marinetauchern geplündert. Leichenfledderei nennt man so etwas:

"Der Archäologe schaut nicht nur, was vorhanden ist, sondern auch was fehlt: Von den mehr als 20.000 Teilen des Weißgeschirrs zeigte sich keine Scherbe, es gibt auch keine Gepäckreste und keine Kinderwagenräder. Nirgendwo in den Nischen und in den Seitenkolken konnten Überreste der Toten beobachtet werden. Knochen vergehen in Seewasser nicht, und es hatte um 100 Tonnen davon gegeben."

Quelle: http://www.highend-archaeology.eu/gustloff.htm

Mit der "W.Gustloff" gingen Menschen unter, die froh waren, einen Platz auf dem Schiff gefunden zu haben, um den Roten Soldateska zu entkommen ...

das ist tragisch! Und dass man ihnen auch nach dem Tod keine Ruhe gönnte, ist wieder typisch für die Bolschewisten.

Bei allen Rechtfertigungsversuchen, dies nicht als Kriegsverbrechen erscheinen zu lassen, unterscheidet sich die ohne Vorwarnung mit 3 Torpedos getroffenen "W.Gustloff" genauso wenig, wie von Panzern zusammen geschossenen und überrollten Trecks - wie auch nicht von, in gezielt angelegten Feuerstürmen, verbrannten Städten ...

Hier erreichte der Krieg eine "Qualität", die nicht von den Deutschen ausging.

*wegen des Blechs an ihren Jacken. Man sieht sie alljährlich am 23. Februar und am 9. Mai in den Straßengräben...


1 Besucher hat diesen Kommentar bewertet



02.03.2008 19:44:22

Monikamm207: Massaker an tausenden Juden zur selben Zeit

"Vor allem anderen ist es [Lehrstück Gustloff] auch ein Beleg dafür, wohin uns dieser Zivilisationsbruch der Nazi-Ära gebracht hatte. Ohne diese erschreckende Vorgeschichte, in der die Deutschen ihr Schicksal einer verbrecherischen Clique überließen und quasi Reichskanzler Hitler rechtmäßig zur Macht verhalfen, hätte es keine Flucht, keine Vertreibung gegeben."

Ich kann Uwe-Karsten Heye nur zustimmen. Es ist nichts gegen Filme einzuwenden, die zeigen, dass auch die deutsche Zivilbevölkerung unter dem Krieg gelitten hat. Nur sollten sie immer den historischen Gesamtzusammenhang einbeziehen, der ursächlich für die Katastrophen war.

Wird dieser ZDF-Film auch über ein Ereignis berichten, das genau zur selben Zeit nur 100km Luftlinie entfernt ablief: der Massenmord an ungefähr 6000 Juden während des Todesmarsches von Königsberg sowie am Strand und im Eiswasser der Bernsteinküste bei Palmnicken? Ich fürchte, nein. Es wäre aber für alle Zuschauer, vor allem die jüngeren, wichtig zu wissen, dass die Opfer des Gustloff-Untergangs, abgesehen von den Kindern, möglicherweise nicht alle soo unschuldig waren, wie sie heute dargestellt werden.


3 Besucher haben diesen Kommentar bewertet



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