Stellen  |  Immobilien  |  ePaper
Abonnement  |  Märkte  |  Shop
Anmelden   |   Registrieren
 
URL: http://www.welt.de/berlin/article914311/Im_Sprintertempo_an_die_Alster.html
2. Juni 2007, 09:30 Uhr
Von Dirk Westphal
Verkehr

Im Sprintertempo an die Alster

Vor zehn Jahren starteten die ersten ICE von Berlin nach Hamburg. Damals fuhren die Züge mit 160 Stundenkilometern. Seit die Strecke Ende 2004 für Tempo 230 freigegeben wurde, steigen die Fahrgastzahlen stark. In den letzten zwölf Monaten um 47 Prozent.
Deutsche Bahn - Mehdorn
Am 29. Mai 1997 eröffnete die Deutsche Bahn zwischen Hamburg und Berlin die ICE-Verbindung. Für das Unternehmen ist dies ein gutes Geschäft
Jean Baptiste Schumacher liebt schnelle Zugfahrten. Ohne sie könnte der Deutsch-Franzose seine Arbeit auch kaum verrichten. Der Kaufmann wohnt in Hamburg und handelt in Berlin mit Immobilien. Mindestens zwei Mal pro Woche reist Schumacher zu Besichtigungsterminen und Besprechungen an die Spree. Meist mit dem Intercityexpress (ICE) der Bahn.
Schumacher ist damit in großer Gesellschaft. Denn die Bahnverbindung zwischen den Metropolen Berlin und Hamburg ist für die Bahn zu einer Erfolgsgeschichte geworden. Auf der rund 290 Kilometer langen Strecke zwischen den beiden größten Städten Deutschlands sind mittlerweile täglich im Schnitt 10000 Fahrgäste unterwegs, eine Steigerung von 47 Prozent gegenüber dem Vorjahr. An Wochenend- und Feiertagen, wie etwa zu Pfingsten, wurden auch schon mal bis zu 13000 Passagiere registriert. Grund für die Fahrgastzugewinne ist der Ausbau der Strecke zwischen 2002 und 2004 auf Tempo 230, was die Fahrzeit von zuvor oft weit mehr als zwei Stunden auf bis zu 90 Minuten verkürzte.
Als der ICE-Verkehr am 29. Mai 1997 zwischen Berlin und Hamburg aufgenommen wurde, nutzten in den Folgetagen die Strecke dagegen oft nur 6000 Fahrgäste. Die Züge waren zu langsam, fuhren damals maximal 160 Stundenkilometer. Vor 1997 wurde die Strecke sogar nur mit Tempo 120 befahren. Wegen der deutschen Teilung war in die Gleise kaum investiert worden.
Ende der 60er-Jahre betrug die Fahrzeit häufig bis zu sechs Stunden. An der innerdeutschen Grenze hielten die von der Deutschen Reichsbahn betriebenen Züge, Grenzsoldaten der DDR stiegen zu, um Reisende zu kontrollieren. Aber auch wenn sich die Züge wieder in Bewegung setzten, war diese keine Garantie für schnelles Vorankommen. Wegen der zahlreichen Baustellen fuhren die Züge manchmal sogar Schritttempo.

Lange Fahrzeiten vor dem Mauerfall

Auch Jean Baptiste Schumacher kann sich an die langen Fahrzeiten vor dem Mauerfall gut erinnern. Der Immobilienmakler diente bis 1989 in der französischen Garnison im Westteil Berlins. Mitunter nutzte er für die Heimreise einen Zug der amerikanischen Alliierten. Der fuhr zwar über Helmstedt und Richtung Hannover, war aber auch nicht viel schneller. Nur dass zu diesen Zügen DDR-Soldaten keinen Zutritt hatten. „Das war für die wie verbotenes Gelände. Es war eine verrückte Zeit. Befährt man heute die Strecke, erinnert daran fast nichts mehr“, sagt Schumacher, während der ICE am Stationsschild von Wittenberge vorbeirast.
Lange Zeit waren die schnellen Geschwindigkeiten auf der Trasse keine Selbstverständlichkeit. Der Ausbau auf Tempo 230 wurde durch die Pläne für den Transrapid blockiert. Die Bundesregierung unter Altkanzler Helmut Kohl (CDU) wollte dort eine „Referenzstrecke“ für den Verkauf der Magnetschwebebahn errichten. Nach der jahrzehntelangen Erprobung des Transrapid im Emsland sollte dieser im „alltäglichen nutzerorientierten Betrieb seine Leistungsfähigkeit zeigen“, wie es in einer Broschüre des Verkehrsministeriums damals hieß. Dafür war Tempo 300 vorgesehen und eine Fahrzeit zwischen Hamburg und Berlin von um die 55 Minuten kalkuliert.
Pech nur für die Politik, dass die Deutsche Bahn dabei nicht mitspielte. In dem von Ex-Verkehrsminister Matthias Wissmann (CDU) unterstützten Vorhaben sollte die Bahn den Magnetzug betreiben. Doch Vorstandschef Hartmut Mehdorn lehnte ab. Der Transrapid sei „niemals profitabel“ zu betreiben, weil der dafür notwendige Streckenausbau zu teuer sei, sagte der Bahnchef. Keine Übertreibung. Die Referenzstrecke war mit mehr als zwölf Milliarden Mark veranschlagt. Ähnlich utopisch war die Fahrgastprognose. Mehr als 40000 Passagiere erwartete das Magnetbahnkonsortium – täglich. Eine allzu optimistische Annahme, die die rot-grüne Bundesregierung nicht mittragen wollte. Sie entschied, das Vorhaben zu stoppen.

Streckenausbau für Tempo 230

Nachdem das Transrapid-Projekt im Jahr 2000 politisch beerdigt wurde, entschied die Bahn, die Strecke für ihre regulären Züge für Tempo 230 auszubauen. 57 Bahnübergänge wurden dafür beseitigt. Die Investition dafür nahm sich im Vergleich zum Transrapid geradezu läppisch aus: 630 Millionen Euro. Am 12. Dezember 2004 war es dann so weit: Die ICE-Züge absolvierten die Strecke in 90 Minuten. Sie sind dabei nur eine knappe halbe Stunde länger unterwegs, als es der Transrapid gewesen wäre. Eine zum Auto konkurrenzlos kurze Zeit.
Als sieben Jahr zuvor, am 29. Mai 1997, der planmäßige ICE-Verkehr zwischen Berlin und Hamburg aufgenommen wurde, betrug die Fahrzeit noch 2 Stunden 15 Minuten, mitunter auch 2 Stunden 30 Minuten. Ein Wert, der bereits vor dem Zweiten Weltkrieg erreicht wurde. Damals legte der legendäre Schnelltriebwagen „Fliegender Hamburger“ die Distanz in 2 Stunden 18 Minuten zurück. Selbst heute sind einige Züge nicht viel schneller. So benötigt etwa der EC um 15.18 von Berlin-Hauptbahnhof nach Hamburg-Hauptbahnhof 1 Stunde 59 Minuten.
Während die schnellsten Bahnen auf der Strecke zwischen Berlin-Spandau und Hamburg nicht halten, legen die anderen schon mal einen Stopp ein. Etwa in Wittenberge, obwohl dort oft nur ein halbes Dutzend Passagiere zusteigt. Die weitgehend deindustrialisierte Stadt hat nur noch um die 20000 Einwohner und entsprechend wenig potenzielle Kunden. Ein für die Bahn kaum rentables Geschäft. „Das Herunterbremsen und Beschleunigen eines ICE ist so teuer, dass dies mit so wenig zusteigenden Passagieren nicht gerechtfertigt ist“, sagte Bahnchef Hartmut Mehdorn, als der Ausbau der Strecke für Tempo 230 begann. Doch Mehdorn wurde durch die Politik überstimmt. „Es geht nicht, dass wir das Land gänzlich von der Schiene abkoppeln“, sagte Brandenburgs Ministerpräsident Platzeck (SPD). Und er setzte sich durch.
Seither halten wenigstens einige der ICE, Intercitys und Eurocitys in Wittenberge. Der Rest der brandenburgischen Städte entlang der Trasse zwischen Berlin-Spandau und Hamburg bleibt dagegen von den schnellen Zügen abgekoppelt. Wo einst wegen Bahnübergängen nicht schneller als 160 gefahren werden durfte, sprinten die Züge nun im Eiltempo vorbei. Auf den kleineren Provinzbahnhöfen schützen Absperrgitter auf den Bahnsteigen wartende Passagiere. Eine nötige Schutzvorrichtung: Die ICE durchqueren die Stationen mit 230 Stundenkilometern.
Jean Baptiste Schumacher bekommt davon meist wenig mit. Unterwegs arbeitet der Immobilienmakler oft mit seinem Laptop, erarbeitet Exposés oder setzt Schreiben auf. Als er am Freitag im Zug nach Hamburg sitzt, hat neben ihm eine junge Mutter mit ihrem Sohn Platz genommen. Seit dem Ausbau der Strecke auf Tempo 230 fährt sie oft mit der Bahn nach Hamburg, wo ihr Freund wohnt. Meist bucht sie den ICE – wegen des „supersuperschnellen Verkehrs“.
 
Leserbrief schreiben LESERBRIEF SCHREIBEN
Bitte füllen sie alle mit * gekennzeichneten Felder aus.
Im Sprintertempo an die Alster

Vor zehn Jahren starteten die ersten ICE von Berlin nach Hamburg. Damals fuhren die Züge mit 160 Stundenkilometern. Seit die Strecke Ende 2004 für Tempo 230 freigegeben wurde, steigen die Fahrgastzahlen stark. In den letzten zwölf Monaten um 47 Prozent.

Leserbrief *
Ihr Name *
Ihre E-Mail *
Ihre Website

Bitte übertragen Sie den Code in das folgende Feld:

 
captcha image
Code *

Leserbrief abschicken
Nutzungsbedingungen
 
Artikel empfehlen Artikel empfehlen
Bitte füllen sie alle mit * gekennzeichneten Felder aus.
Im Sprintertempo an die Alster

Vor zehn Jahren starteten die ersten ICE von Berlin nach Hamburg. Damals fuhren die Züge mit 160 Stundenkilometern. Seit die Strecke Ende 2004 für Tempo 230 freigegeben wurde, steigen die Fahrgastzahlen stark. In den letzten zwölf Monaten um 47 Prozent.

Name Empfänger *
E-Mail Empfänger *
Ihr Name *
Ihre E-Mail *
Bemerkung *

Bitte übertragen Sie den Code in das folgende Feld:

 
captcha image
Code *

Empfehlung abschicken
 
kommentar KOMMENTAR SCHREIBEN
Bitte füllen sie alle mit * gekennzeichneten Felder aus.
Sie schreiben einen Kommentar zu diesem Artikel:
Im Sprintertempo an die Alster

Vor zehn Jahren starteten die ersten ICE von Berlin nach Hamburg. Damals fuhren die Züge mit 160 Stundenkilometern. Seit die Strecke Ende 2004 für Tempo 230 freigegeben wurde, steigen die Fahrgastzahlen stark. In den letzten zwölf Monaten um 47 Prozent.

Kommentar *
Ihr Name *
Ihre E-Mail *

Hinweis: Bitte übertragen Sie den Code in das folgende Feld:

 
captcha image
Code *

Kommentar abschicken
 
read comment KOMMENTARE
Jutta Kodrzynski meint:
04.06.2007, 10:35 Uhr
Der Artikel zeigt noch einmal sehr gut auf, was für eine idiotische Idee der Bau des Transrapids gewesen wäre. Die Landschaft wäre zerschnitten, Kleinstädte hätten keine Anbindung gehabt und die Kosten wären wohl kaum reingebracht worden. Wenn wir jetzt auch noch Fahrräder im ICE mitnehmen könnten, wäre das ganz großartig.
Burger meint:
03.06.2007, 21:15 Uhr
Allerdings geht der _letzte_ Zug nach Berlin ab HH bereits um

!!!!!!!!!!!!!!! 21.18 !!!!!!!!
Deutscher Michel meint:
02.06.2007, 13:27 Uhr
Wenn die Strecke für den ICE profitabel ist, warum nicht auch für den Transrapid? 10000? Wenn der Transrpaid (noch schneller) dort fahren würde, müsste niemand mehr ins Auto steigen. Dann sind noch mehr Fahrgäste zu erwarten. Und anders herum. Warum ist der ICE profitabel wenn nur 10000 mitfahren??? Warum hat man denn da plötzlich Geld zum Ausbau auf 230 km/h gehabt. Deutschland bleibt hinter China und Iran zurück, so scheint es.
1
Top-Thema: NS-Geschichte
Albert Speer plante Halle des Volkes Wie Hitler Berlin zu Germania umbauen wollte
Direkt neben dem Holocaust-Mahnmal öffnet die erste Ausstellung über die Umbaupläne Hitlers für Berlin unter dem Titel "Mythos Germania". Der Verein Berliner Unterwelten zeigt "Schatten und Spuren der Reichshauptstadt". Im Mittelpunkt stehen die Planungen des Generalbauinspektors Albert Speer.

Von Sven Felix Kellerhoff  mehr...
Umfrage
Was halten Sie von dem Slogan "be berlin"?
Videos
Kolumne

Stadtrand
Was jedem irgendwann irgendwo passieren kann. Von André Mielke

Zoogeschichte

Knut, der Eisbär
Seit seiner Geburt ist Knut ein Medienstar. Wie alles begann und was er jetzt gerade macht

Service

Berliner Unternehmensarchiv
Die schnelle Firmensuche

- Anzeige -
Veranstaltungsprogramm

Lust auf Kino, Konzert oder Party?
Hier finden Sie alle aktuellen Veranstaltungen

- Anzeige -
- Anzeige -

aktuelles Wetter
Berlin

Berlin
Hamburg

Hamburg
Frankfurt

Frankfurt
München

München
- Anzeige -
- Anzeige -
- Anzeige -