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28.4.2001
Vor 25 Jahren
Schriftsteller Eugen Roth gestorben
Joachim Scholl



"Ein Mensch erblickt das Licht der Welt - Doch oft hat sich herausgestellt Nach manchem trüb verbrachten Jahr, Dass dies der einzige Lichtblick war."

Ein Mensch - das war immer der Auftakt zum Gedicht, hier in der Vertonung des Komponisten Klaus Wüsthoff, und "Ein Mensch" wurde das Markenzeichen eines Schriftstellers, der sich nie hätte träumen lassen, dass seine zunächst eher nebenbei entworfenen heiter-ironischen Verse ihn berühmt und reich machen würden. Eugen Roth wollte eigentlich ein ernster Dichter werden, er hatte Germanistik studiert, seinen Doktor gebaut und schaute auf zu den großen Männern der Literatur. Nach dem Studium zog es ihn magisch hin zu den literarischen Zirkeln in München, seiner Heimatstadt. Die ersten Gedichte wurden sogar gedruckt, düster-expressionistisch getönte Lyrik eines 23-jährigen, der gerade aus dem Stahlbad des Ersten Weltkriegs kam. Wie viele seiner Generation war der 1895 geborene Eugen Roth begeistert ins Feld gezogen, vor Ypern wurde er schwer verwundet - das nannte er seine "zweite Geburt", fortan war er ein erklärter Gegner des Militärs. Der Erfolg als Autor wollte sich jedoch nicht recht einstellen, zum Leben reichte es schon gar nicht, also wurde Eugen Roth Journalist, wie sein Vater. Der war in München ein bekannter Mann und reimte selber - seine Kinder ließ er das zur Gaudi bisweilen aufsagen, sogar öffentlich, etwa bei Volksfesten, und eines dieser Spaßgedichte fing an mit "Ein Mensch". 25 Jahre später erinnerte sich der Sprössling daran.

Eugen Roth: "Wie kam ich darauf, die Gedichte ‘Ein Mensch' zu veröffentlichen, die das ‘Große Los' meines Lebens geworden sind? Um 1930 begann ich, fast zufällig, das eine oder andre nur so hinzuschreiben - noch war ich ja hauptberuflich ein Zeitungsmann. 1933, fristlos entlassen, bot ich die heiteren Verse herum, nur die Zeitschrift ‘Simplicissimus' wagte, einen Verfemten zu drucken. Zehn Verleger lehnten ab, ein elfter in Weimar brachte das Buch heraus, schon bis 1944 erreichte es, vorwiegend durch die Soldaten, die Auflage von einer halben Million."

"Fristlos entlassen", das sagt Eugen Roth ganz beiläufig, in der Tat waren es die Nazis, die den kritischen, von der NS-Gewaltpropaganda abgestoßenen Journalisten gleich nach der Machtübernahme als "politisch unzuverlässig" aus seiner Stellung warfen. Eugen Roth sah klar die Gefahr, in der er nun schwebte, kritisch weiterzuschreiben hätte das KZ und Schlimmeres bedeutet. So rettete er sich widerwillig in den Humor und war selbst überrascht, wie gut ihm das gelang. Dem kleinen Verlag Alexander Duncker in Weimar hatte die Welt schließlich zu danken, dass Eugen Roth zu sich selber fand, 1935 erschien der Band "Ein Mensch", der Erfolg war überwältigend. Bis Kriegsbeginn folgten zwei weitere Bücher, in schmalem Dünndruck, portofrei konnten diese Bändchen zum Beispiel an die Front geschickt werden. Es ist eine halbbitter-halbkuriose Vorstellung, dass Hunderttausende von deutschen Soldaten Eugen Roth im Tornister hatten und seine Gedichte über die Schlachtfelder zerstreuten. Aber zu manchen Versen hatte man vielleicht gerade im Schützengraben eine ganz besondere Beziehung, etwa zur "Vorsicht":

Ein Mensch, mit keinem Grund zur Klage Als dem der allgemeinen Lage, Klagt trotzdem und auf jeden Fall, Klagt herzlich, laut und überall, Dass jedermann sich überzeugt, Wie tief ihn Not und Sorge beugt. Wenn er sich nämlich unterfinge Zu sagen, dass es gut ihm ginge, So ginge es ihm nicht mehr gut. Der Neid, der rasche Arbeit tut, Hätt‘ ihn vielleicht schon über Nacht Um all sein Gutergehn gebracht. Drum hat der Mensch im Grunde recht, Der geht erklärt, es ging ihm schlecht.

Eugen Roth musste auch im Zweiten Weltkrieg noch in den Krieg ziehen, zur Truppenunterhaltung ging er auf Lesereise an die Front. Sein Erfolg setzte sich auch nach 1945 ungebrochen fort, die Auflage seiner Bücher ging schließlich in die Millionen, und unermüdlich produzierte Eugen Roth seine Gedichte, aber auch Erzählungen, launige Ratgeber, eine Tierfibel, die Einfälle gingen ihm nicht aus. Das lag auch am Thema, sein einziges, aber unausschöpfliches: der Mensch an sich, mit seinen Fehlern und Schwächen, Peinlichkeiten und Ängsten. Der leidende Mensch, der verliebte Mensch, der Mensch im Alltag, dem auch beispielsweise am Herd bisweilen ein Ärgernis widerfährt:

Ein Mensch, der sich ein Schnitzel briet, Bemerkte, dass ihm das missriet. Jedoch, da er es selbst gebraten, Tut er, als wär‘ es ihm geraten, Und, um sich nicht zu strafen Lügen, Isst er's mit herzlichem Vergnügen.

Eugen Roth war wohl der liebevollste Philosoph des Menschenwesens und ein lyrischer Stilist ersten Ranges, den die Literaturgeschichte allerdings unter der Bezeichnung "Humorist" abbuchte und wenig bedeutsam fand. Zeitlebens litt der Autor unter dieser Missachtung, er wollte ernst genommen werden, weil es ihm ernst war mit seinen Einsichten in die Tiefen der menschlichen Seele. Entschädigt wurde Eugen Roth jedoch durch viele Auszeichnungen, darunter das Große Bundesverdienstkreuz, und vor allem durch seine Leser - in Tausenden von Briefen bekräftigten seine Fans, wie viel Trost und Zuspruch seine Gedichte spendeten. Und sie tun es noch, weil sie nicht altern, denn der Mensch bleibt im Grunde doch immer derselbe, und auch die Situationen, in die er gerät, haben sich im Verlauf der Geschichte kaum gewandelt. Als Eugen Roth im Alter von 81 Jahren starb, hatte er auch diese Tatsache im voraus schon bedacht, der Tod kommt ja immer ungelegen - für die, die zur Beerdigung müssen...
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