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Interview mir Dr. Klaus Poettgen, medizinischer Leiter IRONMAN European Championship Frankfurt.



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Interview mir Dr. Klaus Poettgen, medizinischer Leiter IRONMAN European Championship Frankfurt.


Darmstadt – Dr. med. Klaus Poettgen ist medizinischer Leiter beim IRONMAN in Frankfurt. Wir haben ihn nach dem Auftauchen eines fehlerhaft widergegebenen Off-Score Wertes von 143, statt 142 zur „Causa Lothar Leder“, den medizinischen Hintergründen und der eigenen Einschätzung über die Handlungsweise der Xdream Sports & Events GmbH befragt.

3athlon.de: Herr Dr. Poettgen, können Sie für unsere Leser kurz den Unterschied zwischen Retikulozyten und Erythrozyten erklären?

Dr. Klaus Poettgen: Im Blut gibt es junge rote Blutzellen (mit Zellkern) als Vorstufen der roten Blutkörperchen, die gerade aus dem Knochenmark freigesetzt wurden. Das sind die sogenannten Retikulozyten.
Wenn diese reifen, verlieren sie ihren Kern und werden damit zu erwachsenen Blutzellen (Erythrozyten). Der Körper achtet hier sehr auf ein Gleichgewicht. Der Anteil der Retikulozyten liegt bei ca. 1%.

 

3athlon:.de Die freiwillige Blutkontrolle von Lothar Leder hat einen Retikulozytenanteil von 0,25 und 0,31 Prozent ergeben. Allgemeinhin gelten als klinische Normbereiche 0,8 bis 2,5 Prozent. Was würde ein Arzt zu den bei Leder gefundenen Werten sagen?

Dr. Klaus Poettgen: Wenn man zu einem Facharzt in diesem Bereich geht und würde mit einen Wert von 0,25% oder 0,31 %  Retikulozyten vorstellig werden,  würde man sich der Frage ausgesetzt sehen warum das Knochenmark nun 70% weniger Vorstufen für rote Blutkörperchen herstellt.

Bei einer Erkrankung wären dann auch in der Regel die erwachsenen roten Blutkörpechen vermindert. Sind aber dazu diese Sauerstoffträger deutlich erhöht ist dies medizinisch schwer zu erklären. Daher haben schon vor Jahren Verbände diesem Spagat zwischen einer extrem abgesunkenen Produktion von neuen Vorstufen roter Blutkörperchen und dem übermäßig vorhandenen Anteil an erwachsenen, reifen roten Blutkörperchen eine Grenze gezogen.

 

3athlon:.de Wie ermittelt man eine solche Grenze, gibt es verschiedene charakteristische Stationen im Zyklus der Blutkörperchen-Produktion?

Dr. Klaus Poettgen: Dies ist der Off-score Wert /stimulation index, weil er den unnatürlichen Abfall der jungen zu dem hohen Anteil der gereiften Zellen ins Verhältnis stellt.
 
Als Verdacht bleiben zwei Konstellationen der Verbände und medizinischen Kommissionen, die hierfür Grenzwerte eingeführt haben:

1. Wenn man fremdes oder eigenes Blut zuführt, hat man mehr reife Sauerstoffträger als der Körper eigentlich benötigt und in der Folge produziert das Knochenmark weniger Retikulozyten (Babyzellen).

2. Stimuliert man das Knochenmark mit einer Substanz zum ausschütten von mehr Retikulozyten, führt dies zum hohen Anstieg dieser bis über 2% in der sogenannten ON-Phase (Anfangsphase / Anstieg / Stimulation).
Danach reifen diese schnell und der Körper realisiert analog zu  Punkt 1, dass genügend reife Zellen vorhanden sind. Also mehr, als der Körper in seiner eingestellten Balance braucht.

Daher „sagt“ sich dass Knochenmark, dass es zur Zeit keine jungen Zellen produzieren muss
(vereinfacht erklärt) und entsprechende regulative Prozesse treten in Kraft. Es kommt zum Absturz des Anteils der Retilkulozyten. Dies ist als Off-Phase definiert (extrem niedrige Retikulozyten auch über Gensteuerung). Exakt diese Situation beschreibt der OFF-score Wert.

 

3athlon:.de Kurt Denk, als Präsident des IRONMAN in Frankfurt steht in der Kritik, weil er „vorschnell“ die Werte, bzw. die Auffälligkeit publiziert habe. Warum erfolgte die Erklärung so schnell, „nur“ 3 Wochen nach der EM in Frankfurt?

Dr. Klaus Poettgen: Diese Auffälligkeiten erzwingen eine Klärung dieses Befundes, da sie bei vielen anderen Verbänden als Grenzwerte definiert sind.

Lothar Leder lag beim Hämoglobin und vor allem beim Off-score bei beiden Untersuchungen über den Grenzwerten von verschiedensten internationalen Sportverbänden. Kurt Denk ist ein Privatveranstalter und muss sich nicht danach richten ob der eigene Sportverband (DTU) ein solches Regelwerk hat. Bei der ITU wäre dies noch zu prüfen, weil die DTU bekanntlich im Zweifel auf das Regelwerk der ITU als übergeordnete Instanz zurückgreift.

 

3athlon:.de Lothar Leder wehrt sich derzeit meist in Presseerklärungen über seine Website und besteht darauf zu keiner Zeit betrogen oder gedopt zu haben. Er erklärt die Werte auf die Nutzung von Höhenzelt und Atemmaske beim Training. Wie kann Lothar Leder zu seiner Entlastung beitragen?

Dr. Klaus Poettgen: Wir hätten uns gewünscht,  dass Lothar Leder u.a. alte Blutwerte darlegt, um Kooperationsfähigkeit und Wunsch nach Aufklärung zu zeigen. Dies ist nicht geschehen. Das Schlafen in simulierter Höhe erklärt den Sachverhalt nicht.

Daher hat sich der Veranstalter entschlossen sich vom Athleten zu trennen. Die Werte hätten nie stillschweigend abgeheftet werden können, ohne dass sich der Athlet ausreichend erklärt oder mitarbeitet. Die Werte liegen der NADA vor. Zudem hätte uns jeder bei genauerem hinsehen gefragt warum wir dies übersehen hätten, gerade weil IRONMAN Germany so eng mit Lothar Leder verbunden ist. Der Vorwurf der Kumpanei wäre naheliegend.
Die Integrität des Sports, der Veranstaltung und all der Athleten die keine auffälligen Werte haben wäre ebenso gefährdet gewesen.

Hier sind keine neuen Normen geschaffen worden, sondern hier bestehen längst Systeme anderer Fachverbände und medizinischer Kommissionen. Es geht um einen auffälligen Wert (!), den andere Verbände bereits in Regularien bewertet haben.

 

3athlon:.de Lothar Leder hat einen Stimulationsindex, der als Off-Score Wert ausgedrückt wird von 136,59 und 142. Diese Werte sind in überregionalen Medien z.T. falsch dargestellt worden. Wie ist das zu erklären und wie berechnet man den Stimulationsindex genau? Welcher Durchschnittswert ergibt sich aus den Proben der anderen 28 Probanden des IRONMAN Frankfurt?

Dr. Klaus Poettgen: Der Mittelwert aller Probanden liegt ohne Lothar Leder bei 95,19. Der stimulation index / off-score errechnet sich aus dem Hämoglobin abzüglich 60 und der Wurzel des Prozentwertes der Retikulozyten:

 Hb - 60 √ Retikulozyten; (Hb in g/l)

Die Begrifflichkeit „stimulation“ ergibt sich daher, weil er anzeigt wie stark die Blutproduktion im Knochenmark durch die Anwesenheit von bereits vorhandenen reifen Zellen beeinflusst wird. Die Angabe von 143 muss ein Übertragungsfehler sein. Wie eingangs erwähnt lagen sie bei 136,59 und 142.

 

3athlon:.de Welche Grenzwerte werden in anderen Sportverbänden genutzt?

Dr. Klaus Poettgen: Für alle Grenzwerte gilt die Annahme, dass ab Erreichen des Wertes eine Überschreitung der Grenze definiert wird.

FIS Hb 17,0 g / dl
UCI Hb 17,0 g / dl
IAAF Hb 17,0 g / dl

Der Off-score Wert (Stimulationsindex) beschreibt wie gesagt das Verhältnis zwischen jungen Blutkörperchen und erwachsenen Blutkörperchen. Niedrige Retikulozytenwerte und hohe Werte für rote Blutkörperchen führen zur Aufstellung folgender Grenzwerte bei Männern (Frauen 123):

UCI 133
IAAF 133
ISU 125,6 (auf Meereshöhe)
ISU 133 (in Höhe über 610 m)

 

3athlon:.de Mit welchen Konsequenzen hätte ein Sportler beim Überschreiten der Grenzwerte im jeweiligen Fachverband zu rechnen?
Dr. Klaus Poettgen: Die UCI sähe z.B. eine Schutzsperre für 2 Wochen vor. Die FIS empfiehlt 5 Tage. Auch private Anti-Doping-Programme enthalten solche Grenzwerte. Das bekannteste Beispiel ist das Programm der CSC-Radprofis, die im Sinne des „Gläsernen Athleten“ auch alle Werte veröffentlichen.

Rasmus Damsgaard (Dänemark)* erklärt beim Antidopingprogramm des CSC Teams
den Aspekt „OFF-Score vs. Laufzeit“ wie folgt.

Zitat: „OFF-Score ist eine Aufstellung von den Parametern Hämoglobin und Retikulozyten (junge rote Blutkörperchen). Durch die Zusammenführung beider Variablen kann ermittelt werden, ob ein Athlet EPO benutzt oder sogar das Prozedere von Bluttransfusionen (autolog) durchgeführt hat. Die von UCI festgesetzte Obergrenze liegt bei 133. Das Programm hat die Obergrenze auf 125.6 herabgesetzt. Dies ist auch das Limit, welches die Initiatoren der OFF-Score Aufstellung vorgeschlagen haben.“

 

3athlon:.de Wie kann man aus Ihrer Sicht abschliessend die ”Causa Leder” beurteilen?

Dr. Klaus Poettgen: Festzustellen ist, dass Lothar Leder eine Auffälligkeit bei der Blutuntersuchung gezeigt hat. Diese wurde nicht schlüssig erklärt oder durch den Versuch von kooperativem Verhalten relativiert. Ausdrücklich möchte ich an dieser Stelle feststellen, dass es sich um keinen „Dopingfall“ oder eine „positive Dopingprobe“ handelt.

Ein endgültige Einschätzung obliegt den Sportverbänden, hier der DTU  und ggf. den Zivil- und Sportgerichten. Über den aktuellen Stand der Untersuchungen durch die DTU kann ich keine Auskunft geben.
(Kai Baumgartner)

 

Anhang
Testergebnisse, 29.06.2007, Frankfurt am Main

1. Test Lothar Leder
Hämoglobin: 17,0 g/dl
Hämatokrit: 49,5 %
Retikulozyten: 0,31%
Stimulationsindex/ Off-Score Wert: 136,59

2. Test Lothar Leder
Hämoglobin: 17,2 g/dl
Hämatokrit: 49,6%
Retikulozyten: 0,25%
Stimulationsindex/ Off-Score Wert: 142

Off-Score Mittelwert mit Leder (17 Männer)
97,62

Off-Score Mittelwert ohne Leder (16 Männer)
95,19

Off-Score (Min./Max.) der 16 Männer
81-112 (ohne Leder)

Off-Score Mittelwert (12 Frauen)
80,61

Off-Score Grenzwerte
s.o.

* Rasmus Damsgaard
Leiter der Antidopingkommission
PhD in medicine, Head of Information at Anti-Doping Denmark,
Bispebjerg Bakke 23
DK-2450 Copenhagen NV

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Dr. med. Klaus Pöttgen ist für die Medizinische Leitung im IRONMAN Triathlon zuständig.
Foto: Ingo Kutsche - Sportfotografie.biz


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