Ulrich Maurer MdB

parlamentarischer Geschäftsführer der Linksfraktion im Deutschen Bundestag
Mitglied im Vorstand der Partei DIE LINKE.
Beauftragter »Parteiaufbau West«

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Texte

So, 5. Okt. 08

Ulrich Maurer Mdb
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Austritt aus der SPD
Brief vom 27. Juni 2005
Hiermit beende ich meine Mitgliedschaft in der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands mit sofortiger Wirkung.

Es fällt mir nach über 35 Jahren schwer, diesen Schritt zu tun. Ich habe viele Jahre mit der SPD gelebt und gekämpft und immer wieder viele Hoffnungen damit verbunden. Es ist der Parteiführung in Berlin und auch Euch gelungen, diese Hoffnungen vollständig zu zerstören. Der Deformationsprozess, dessen Ausdruck und Motor Gerhard Schröder ist, hat in den Wochen nach der verlorenen NRW-Wahl seinen vorläufigen Höhepunkt erreicht: Die vollständige Unterwerfung nahezu aller Funktionsträger(innen) unter den als Putsch von oben inszenierten „letzten Willen“ ihres Autokraten und seines Parteivorsitzenden ist ein in der Geschichte der SPD beispielloser Vorgang. Der Parteivorsitzende hat gestern Abend erneut klar zum Ausdruck gebracht, dass er eine Diskussion in der Partei über das so genannte Wahlmanifest nicht wünscht und unterbindet. Nach Lage der Dinge wird die Partei genau zwei Tage vor der Beschlussfassung, die nicht auf einem Parteitag erfolgt, im Besitz dieses Dokuments sein. Damit ist der demokratische Anspruch des Parteinamens vollständig widerlegt. Den Mitgliedern der Partei bleibt nur die Wahl zwischen Unterwerfung oder Trennung.

Unterwerfung bedeutet die Aufgabe einer Selbstachtung, ohne die eine Mitgliederpartei genauso wenig existieren kann wie ein einzelner Mensch, der dem Zynismus noch nicht verfallen ist. Eine Partei ohne politische Selbstachtung ist aber nur ein Netzwerk zur gegenseitiger Beförderung von Karrieren, bei dem die einfachen Mitglieder in die Rolle einer auf Kommando applaudierenden Veranstaltungskulisse gedrängt werden.

Dass die Funktionär(innen) des so genannten linken Parteiflügels sich nach kurzer, überwiegend heimlicher Empörung für diese Inszenierung zur Verfügung gestellt haben, macht mir meinen Schritt etwas leichter: Eine Partei, in der es zum eigentlich selbstverständlichen Widerstand gekommen wäre, wäre vielleicht noch ein Engagement wert gewesen, eine Organisation, in der die Führer(innen) der parlamentarischen Linken ihre äußerst bescheidenen Wünsche nach ein bisschen Symbolpolitik zu Lasten der Superreichen bei Hofe im Kanzleramt mit Kaffee und Kuchen vortragen, ist eine Persiflage auf die wichtigen Auseinandersetzungen, die es in der Vergangenheit dieser ehemals großen Partei gegeben hat.



Dieser Akt der „sanften Rebellion“ ist allerdings insofern durchaus verständlich, als ja sowohl die vorausgegangenen Steuersenkungsorgien für Großverdiener und Unternehmen wie auch die beispiellosen Angriffe auf die Benachteiligten in Form der Hartz-Gesetze im Parlament geschlossen durchgesetzt wurden.

Im Übrigen ist der Symbolismus der 3 %igen Millionärssteuer eine besonders dreiste Spekulation auf die Vergesslichkeit des arbeitenden Staatsvolkes, die allerdings die Intelligenz desselben weit unterschätzt.

In einem Land, in dem in den letzten 13 Jahren das private Finanzvermögen sich auf 4.000 Milliarden verdoppelt hat und die Schulden des parallel ruinierten Staates um das 2½fache übersteigt, während die Reallöhne und die Rentnereinkommen sinken, besteht die ganze Antwort der sozialdemokratischen Partei in der zusätzlichen Belastung der Einkommensmillionäre um 3 % auf das, was sie über 500.000 € hinaus verdienen. Im Übrigen ist die Halbwertszeit von Wahlversprechen Gerhard Schröders bekanntlich besonders kurz. Man muss schon ziemlich schamlos sein, um den Vergleich zwischen den Wahlprogrammen 1998 und 2002 und der nachher exekutierten realen Politik zu ertragen.

Diese Art zu lügen ist eine der wesentlichen Ursachen dafür, dass das Vertrauen des Staatsvolkes in die Staatsform Demokratie untergraben ist.

Die größte aller Täuschungen aber ist die Behauptung, die Politik der Regierung Schröder sei durch die Globalisierung geradezu erzwungen worden, und sie wird nicht besser dadurch, dass ein Mann wie Erhard Eppler dazu seinen Segen gibt.

Es ist zwar wahr, dass unter den Staaten der EU ein Wettbewerb nach unten bei den Unternehmenssteuern stattgefunden hat und stattfindet. Aber wer hat die Bundesregierung daran gehindert, ihre Zustimmung zur bedenkenlosen Erweiterung der EU von verbindlichen Zusagen zur Unterlassung von Steuerdumping abhängig zu machen? Wer hat in einem Land, in dem schamloser Reichtum und öffentliche Armut herrschen, die Regierung Schröder davon abgehalten, die Vermögenssteuer wieder einzuführen, als sie nach 1998 die Macht und die Mehrheit im Bundesrat dazu hatte, wo doch sogar die USA diese Steuerart unter den „Zwängen“ der „Globalisierung“ besitzen. Was hat die Absenkung des Spitzensteuersatzes von 53 % unter Kohl auf jetzt 42 % mit der Globalisierung zu tun? Hat die Bundesregierung die Abwanderung von Spitzenbeamten, Ministern, Abgeordneten, Zahnärzten oder Rechtsanwälten in die Schwellenländer befürchtet? Was hat die einzigartige Steuerfreiheit von Veräußerungsgewinn mit den Zwängen der Globalisierung zu tun? Was hat der Ausverkauf des Staatsvermögens mit den Zwängen der Globalisierung zu tun, wo doch jetzt fast der halbe deutsche Energiemarkt dafür von einem französischen und einem schwedischen Staatskonzern beherrscht wird? Was hat das Bürokratiemonstrum Hartz IV mit den Zwängen der Globalisierung zu tun?

Nein, die Wahrheit ist und bleibt, nach den gestrigen Ankündigungen zur nochmaligen Senkung der Unternehmenssteuern, die völlige Unterwerfung der Wirtschafts- und Finanzpolitik unter die Vorgaben der so genannten neoklassischen Angebotstheorie, deren komplexe wissenschaftliche Muster einen primitiven ideologischen Kern haben: die Behauptung, man könne eine Volkswirtschaft nur dadurch voran bringen, dass man die Reichen reicher macht, damit sie Lust am Investieren haben, und dann für die Armen etwas abspringt. Profitiert haben davon die großen Unternehmen und die Exportwirtschaft, investiert wurde in Deutschland wenig, dafür aber 100tausende mittelständischer Existenzen, die von der Binnennachfrage abhängen, vernichtet. Gesenkt wurde die Kaufkraft und gesteigert die Massenarbeitslosigkeit. Für diese Politik sind die Staatshaushalte auf der Einnahmeseite ruiniert worden. Die Massenarbeitslosigkeit hat das Übrige getan und jetzt gilt die Ironie von Heinrich Böll, dass, wenn das Geld knapp ist, halt die Armen einspringen müssen. Sie werden jetzt allerdings damit beglückt, dass die Enteignung ihrer 30 oder 40 Jahre gezahlten Beiträge erst ab 2008 vollzogen wird. Im Übrigen bleibt es im vollen Umfang beim System Hartz.

Es bleibt dabei, dass an den Hauptschulen drei von 30 Schülerinnen und Schülern einen Ausbildungsplatz bekommen, weil ja die Regierung Schröder lieber einen Ausbildungspakt geschlossen hat, als den Unternehmen, die nicht ausbilden, eine Abgabe zuzumuten. Wisst ihr eigentlich, wie es bei denen aussieht, die mit 15 Jahren um ihre Zukunft betrogen werden?

Ich bin nicht mehr in der Lage dies zu ertragen und ich mag auch nicht mehr Euch ertragen.

Ulrich Maurer


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