Johannes Mehring (1815-1878)

Leben und Werk des Erfinders der Kunstwabe

Fritz Kaiser

Man war in dem verhängnisvollen Jahr 1933, als die Pfälzer Imker zum erstenmal im Rahmen einer Festversammlung ihres berühmten Landsmannes gedachten. 75 Jahre waren damals vergangen, seit auf der Wanderversammlung deutsch-österreichischer Bienenwirte in Stuttgart im Jahre 1858 die ersten Kunstwaben von ihrem Erfinder Johannes MEHRING aus Frankenthal ausgestellt worden waren. Hören Sie einige Sätze aus einem Bericht über die Mehring- Feier des Jahres 1933:
"Die Feier wurde gegen 8.30 Uhr durch die gemeinsame Besichtigung einer von Bildhauer Theobald HAUCK aus Maxdorf künstlerisch gestalteten Gedenkplatte aus hartem Sandstein eingeleitet, die an dem ehemaligen Hause MEHRINGs, Kirchenstraße 12, zwei Tage vor der Feier eingemauert worden war, um für die Zukunft die Bedeutung MEHRINGs auch sichtbar zum Ausdruck zu bringen. Die Gedenkplatte stellt eine Mittelwand dar, auf der vier Bienen sitzen, die eine Tafel mit der Inschrift halten:

 

Hier wohnte der Erfinder der Kunstwabe

JOHANNES MEHRING

Schreinermeister und Bienenzüchter

(1816-1878)

 

An der Besichtigung der Gedenktafel beteiligte sich unter Führung Frankenthaler Imkerfreunde eine große Anzahl de Festteilnehmer; war doch jeder gespannt, die Wirkungsstätte dieses Mitbegründers der neuzeitlichen Imkerei kennenzulernen.
Ein kleines, unscheinbares, einstöckiges Häuschen. Die Gedenktafel, die über der Tür angebracht wurde, reicht fast bis an das Dach. Hier, aus diesen engen Verhältnissen heraus, wurde uns also etwas geschenkt, was unvergänglichen Wert hat. Von diesem Häuschen gingen geistige Fäden aus, die sich über ein ganzes Land erstreckten. Hier lebte ein Mann, dessen überragender Geist und praktischer Sinn geradezu umgestaltend auf den gesamten Bienenzuchtbetrieb wirkte.
Nach der Besichtigung des MEHRING- Hauses bewegte sich dann der Zug zum Friedhof und zum Grabe MEHRINGs, das ungepflegt und vergessen daliegt.
"

 

Mehring-Haus im 2. Weltkrieg zerstört

Soweit der Bericht aus dem Jahre 1933. 75 Jahre nach der Erfindung der Kunstwabe, 55 Jahre nach dem Tod MEHRINGS im Jahre 1878.
Doch was ist heute, 100 Jahre nach MEHRINGs Tod, aus den Stätten der Erinnerung geworden? Sein Haus in der Kirchenstraße 12 fiel den Bomben des Zweiten Weltkrieges zum Opfer. Das Grab ist nicht mehr auffindbar; der Friedhof wurde in eine Parkanlage umgewandelt. Doch trauern wir nicht über die Hinfälligkeit vergänglicher Dinge! Die Erfindung MEHRINGs und seine Ideen über den Bienenstaat haben überlebt und besitzen heute Weltgeltung.
Bei dem Versuch, das Lebensbild von Johannes MEHRING darzustellen, stieß schon im Jahre 1900 Pfarrer GERSTUNG aus Oßmannstedt in Thüringen auf unerwartet große Schwierigkeiten und schrieb damals:
" Wir haben uns alle erdenkliche Mühe gegeben, die nötigen Unterlagen für eine zutreffende Beschreibung des Lebens und des Charakters MEHRINGs aus dem Kreise seiner noch lebenden Verwandten und Bekannten zu gewinnen; aber das, was uns mitgeteilt worden ist, genügt nicht, um Licht über die vielen interessanten Geheimnisse des Lebens und Wirkens MEHRINGs zu verbreiten. "

Soweit der Bienenpfarrer GERSTUNG.
Der Geburtsort MEHRINGs, das Dorf Kleinniedesheim, liegt genau an der Stelle, wo sich leichte Erhebungen von der flachen Rheinniederung absetzen, im Angesicht der Nibelungenstadt Worms, unweit der Stadt Frankenthal in der Rheinpfalz.

Hier war die Familie Mehring wohl seit vielen Generationen ansässig, was eine Urkunde aus dem Jahr 1729 vermuten läßt: Es ist da von einer Amtshandlung die Rede, bei der "die alten Bürgermeister Johannes Mehring und Martin Kraft an die neue Bürgermeister Johan Wilhelm Merkel und Valentin Schuk an Baarren Gold geliefert und eingehändigt"

Im Jahre 1786 zählte Kleinniedesheim 54 Häuser mit 300 bis 400 Einwohnern. Die Gemarkung umfaßte 1206 Morgen Ackerland und 140 Morgen Weinberge. Ein Wald von Obstbäumen, hauptsächlich Kirschbäumen, gab der in die Rheinebene eingebetteten Gemeinde einen freundlichen Rahmen. Hier wurde Johannes MEHRING am 4. Juli 1815 geboren. Sein Vater Johann Mehring und seine Mutter Katharina geborene Schmahl waren wenig begüterte Ackersleute, die mit Fleiß und Sorgfalt ihr kleines Anwesen am Dorfrand von Kleinniedesheim betreuten. Besonders der Viehstand gedieh unter geschickter Pflege gut, was abergläubischen Leuten Anlaß gab, die Mutter für eine Hexe zu halten. Ein Erbstück dieser klugen Frau ist sicher der scharfe Verstand MEHRINGs, der in jeder seiner zahlreichen Veröffentlichungen erkennbar ist. In der Volksschule seines Heimatortes, wo sich der Junge durch seine Fähigkeiten auszeichnete, wurde das Kind in seinem Wunsch bestärkt, Lehrer zu werden. Tatsächlich besuchte Johannes MEHRING eine Präparandenanstalt; die Ausbildung schloß er aber nicht ab. Schreinerlehre in Worms, Wanderschaft -Bienenidyll in der Heimat Die Eltern brachten den Sohn dann nach Worms zu einem Schreinermeister; diese Lehre schloß er ab und ging als Geselle in die Fremde, wie es damals üblich war. Nach Jahren erst tauchte Johannes MEHRING wieder in der Heimat auf. Am 3.April 1845 heiratete er die Lehrerstochter Barbara Wehe aus Oppau, kaufte das Anwesen Kirchenstraße 12 in Frankenthal und betrieb dort sein Handwerk. Über den jungen Ehejahren lastete ein schweres Leid: Sechs Kinder wurden geboren, keines überlebte das Säuglingsalter. Von dem Schreinermeister MEHRING - sprachen die Nachbarn voller Achtung. Die von ihm hergestellten Möbelstücke, in die er sein Signum "J M" einschnitzte, waren sorgfältig gearbeitet, gediegen. Im Jahre 1849, also im Alter von 34 Jahren, errichtete MEHRING hinter dem Haus in der Kirchenstraße einen Bienenstand. Hier verweilte er oft viele Stunden, beobachtend und reflektierend bei seinen Bienen.
Josef MICHELS, der 1958 einen Artikel über MEHRING in der Zeitschrift "Südwestdeutscher Imker" schrieb, hat die Umwelt MEHRINGs sehr schön geschildert:
"Vor hundert Jahren war die Kirchenstraße eine lebhafte, sogar laute Straße, in welcher die darin wohnenden Handwerker ihre Arbeitssinfonien erklingen ließen. Ein Spengler, ein Schmied und zwei Schuhmacher gaben mit ihrem "Schlagzeug" den Takt an, in der Turngerätefabrik Pfeifer überschnitten sich die Melodien der Sägen, Feilen und Bohrer fugenartig, und dazwischen belebten ein Bäcker und ein Schneider durch gesangliche Soloeinlagen diese Musik. Auch Schreinermeister Mehring gehörte zu den Mitgliedern dieses seltenen Orchesters. Obwohl er nicht unwesentliche Kenntnisse in Harmonielehre besaß, vielleicht auch ein Instrument beherrschte, "spielte" er mit Vorliebe die Pausen. In seiner blauen Arbeitsschürze sahen ihn die Frankenthaler oft tief in Gedanken seine Werkstatt verlassen. Viele Stunden verweilte er grübelnd und beobachtend bei seinen Bienen. Wie die dürftige Überlieferung berichtet, hat seine Kundschaft ihn oft drängen müssen, bis sie die bestellten Möbelstücke geliefert bekam. Da er aber wegen seiner peinlichen Exaktheit bekannt war, hatte er mehr Aufträge, als ihm lieb war. Lehrlinge und Gesellen verließen ihn bald, denn er war schwer zugänglich, und so mußte er allein in der Werkstatt bleiben. Das hatte allerdings den Vorteil, daß er in seinem Denken nicht gestört wurde."

Einen deutlichen Einblick in das Bienenidyll in der Frankenthaler Kirchenstraße gewährt ein am 1.2. 1860 von MEHRING geschriebener Artikel: "Der Totenkopf als Honigdieb. "
Danach brachte am 24. August des Jahres 1859 der Lehrling Meister Mehring die Nachricht, Speckmäuse beunruhigten die Bienen in der Abenddämmerung. Der in vielen Handwerkskünsten perfekte Meister verfertigte einen kammartigen, mit vielen Zinken versehenen Spieß, den er mit einem drei Fuß langen Stiel versah.
 So bewaffnet, ging der Lehrling in den folgenden Tagen bei Eintritt der Dämmerung auf Posten. Dem Jungen gelang es auch mehrmals, das in einen Bienenstock eindringende Untier zu spießen, aber immer wieder riß es aus. Doch hören wir, wie MEHRING den Fortgang des Abenteuers mit eigenen Worten anschaulich schildert:

"Am 26. August gegen Abend saß ich Geschäften halber in einer munteren Gesellschaft bei einem Glas Wein, als mir bei einbrechender Dämmerung mein auf den Anstand gegangener Lehrling einfiel. Ich eilte sogleich nach Hause. Kaum dort angekommen, hörte ich den Ruf: Geschwind, geschwind, die Speckmaus ist in einen Stock hineingeschlüpft! Wie das Wetter war ich die 17 Stufen zählende Treppe hinaufgestiegen und befand mich zur Seite des bezeichneten Stockes, welcher stark vorlag, aber ziemlich ruhig war. Schon glaubte ich, daß mein Lehrling sich getäuscht hätte, als es mit einem Mal am Flugloch Leben gab, welches rasch in ein furchtbares Gewühl ausartete."
MEHRING griff mutig zu, und beim Schein einer Lampe in der Werkstatt fand das Rätsel seine Lösung: Die gefangene Speckmaus war in Wirklichkeit ein Totenkopfschwärmer. Die Bienen gebärdeten sich, als wäre der böse Geist in sie gefahren, und auch MEHRINGs Frau, die herbeigekommen war, um den Fang in Augenschein zu nehmen, bekam ihren Teil an Stichen ab. "Sie erhielt für drei Tage einen derartigen Gedenkzettel ins Gesicht", wie MEHRING weiter schreibt, "daß ich, wäre mir der Gedanke nicht ein unerträglicher gewesen, fast hätte glauben können, sie sei mir gegen eine andere vertauscht worden."

 

In Stuttgart 1858 erste Kunstwabe vorgestellt

Im Jahre 1858 präsentierte der Schreinermeister und Bienenzüchter aus der Pfalz auf der Stuttgarter Wanderversammlung der staunenden Imkerwelt die ersten ausgebauten Kunstwaben! Wie kam es dazu?
Als um die Mitte des vorigen Jahrhunderts der bewegliche Wabenbau durch den schlesischen Pfarrer Johann DZIERZON zur Einführung kam, dachte man bald darüber nach, ob es nicht möglich wäre, künstliche Waben herzustellen. So schrieb im Jahre 1856 ein Pfarrer SCHOLZ an Baron von BERLEPSCH, daß er damit umgehe, künstliche Waben herzustellen. Er wolle dies mit einer Form, ähnlich einem Waffeleisen, versuchen, da sich die Erfindung DZIERZONs erst richtig ausbeuten lasse, wenn man den Bienen stets Wachswaben reichen könne.

Darauf schrieb der Baron am 10.4. 1857 an den Schriftleiter der Eichstädter Bienenzeitung, daß ihn die Herstellung künstlicher Waben sehr interessiere, um so mehr, da er selbst an die Anfertigung solcher gedacht habe, aber nicht aus Wachs, sondern aus Kautschuk. Er möchte nämlich Waben erfinden, aus denen man dann den Honig auspressen könne wie das Wasser aus einem Schwamm.
Am 9. April 1857 legte der Lehrer August Friedrich JEDERMANN aus Tennstadt bei Langensalza dem Baron von BERLEPSCH künstlich verfertigte Wachswaben vor. Mit Hilfe von Drahtstiftchen hatte er in mühevoller Kleinarbeit Zelle für Zelle hergestellt und so ein kleines Wabenstückchen angefertigt. Das Verfahren hatte wegen seiner Umständlichkeit keine praktische Bedeutung.
Der Redakteur der Eichstätter Bienenzeitung, der über den Stand der Angelegenheit bestens informiert war, machte nun folgenden Vorschlag: Es wäre vielleicht gar nicht nötig, die ganze Wabe herzustellen, es könnte genügen, die Zellen etwa in ihrer halben Länge zu fertigen. Dieser Gedanke von SCHMID dürfte der entscheidende Denkanstoß für MEHRING gewesen sein! War er doch aufmerksamer Leser der Eichstätter Bienenzeitung; zudem war er in der Nummer 2 des Jahrgangs 1857 namentlich als neuer Mitarbeiter begrüßt worden.
MEHRING erkannte klar, daß man nur die Mittelwand herstellen müsse, um die gewünschte Wabe zu erhalten. Die Nummer 301 der Pfälzischen Bienenzeitung vom 23. Dezember 1857 enthält die entscheidende Mitteilung über die gelungene Herstellung der ersten Mittelwände.
"Denjenigen Bienenfreunden, welche auf der Freinsheimer Versammlung die von mir beabsichtigten, aus reinem Wachs zu gießenden Waben so sehr in Zweifel gezogen, diene anmit zur gefälligen Nachricht, daß der Guß dennoch stattgefunden hat und zwar mit folgendem Ergebnis:

  1. Eine Tafel nach der bekannten von Berlepsch' schen Rähmchengröße wiegt aus der Form genommen zwei ein Viertel Loth; kommt folglich auf 5 Kronen zu stehen.

  2. Die Waben gehen durch bloßen Temperaturwechsel, ohne alle Schmiere, aus der Form und man ist des lästigen Einölens ganz enthoben.

  3. Eine Tafel herzustellen erfordert mit der Vor- und Nacharbeit für eine einzelne Person nicht über 45 Minuten Zeit. Könnten sich jedoch drei Personen in die Hände arbeiten, so wären leicht vier Stück in der Stunde zu liefern.

  4. Die Tafel ist reiner Arbeitsbienenbau, 9 Zellen auf 5 Zentimeter und vor den natürlichen, wenn beide mit Brut und Honig besetzt sind, an nichts kenntlich als an der größeren Regelmäßigkeit; beim Durchschneiden zeigen sie nur eine etwas stärkere Mittel- oder Scheidewand.

  5. Aus diesen Waben kann man Honig ernten und dann die Tafeln zum sofortigen Gebrauche den Bienen aufs neue wieder einhängen, weshalb dieselben eine unbegrenzte Dauer erhalten.

J. Mehring aus FrankenthaI in Rheinbayern"
Redakteur SCHMID übernahm diese Mitteilung in die Eichstätter Bienenzeitung und fügte die Aufforderung an MEHRING bei, seine Erfindung zum allgemeinen Nutzen der Bienenzucht schleunigst und detailliert zu beschreiben und mit Zeichnungen zu versehen, daß jeder Imker sich sofort Waben danach anfertigen könne.

 

In den folgenden Jahren Herstellungsmethode entwickelt

Daran lag allerdings MEHRING nichts, wollte er seine Erfindung doch selbst gewinnbringend auswerten. Deshalb sandte er dem Redakteur zwar eine ganze Reihe von Artikeln, die Kunstwaben erwähnte er darin jedoch mit keiner Silbe.
In den folgenden Jahren entwickelte er die Methode der Herstellung so weit, daß er im Jahre 1860 an einem Tag mit Leichtigkeit 100 Waben herstellen konnte. Das Dutzend kostete einen Gulden; die Form mit Zubehör und Anleitung gab er für 11 Gulden ab, kein überhöhter Preis, wenn man berücksichtigt, daß MEHRING die Zellen in den Platten aus Hartholz in geduldiger Handarbeit ausstichelte. So erklärt es sich auch, daß MEHRINGs Holzpressen recht klein waren. Das im Frankenthaler Erkenbert-Museum vorhandene Stück, das uns zu einer Ausstellung zur Verfügung gestellt wurde, hat eine Wabenfläche von 20,7 cm Breite und 9,3 cm Länge. Es legt Zeugnis ab von der erstaunlichen Kunstfertigkeit seines Herstellers.
Die beim Kauf einer Presse mitgelieferte Anleitung zur Herstellung der Waben hat MEHRING niemals in einer Bienenzeitung veröffentlicht. Zum Glück hat Pfarrer WETZLER aus Scheuring bei Landsberg am Lech, der im Jahre 1858 in Stuttgart bei MEHRING wie neun andere Bienenzüchter eine Wabenpresse bestellt hatte, im März 1860 einen Artikel "Die künstlichen Mittelwände" geschrieben, aus dem wir Einzelheiten des MEHRING' schen Verfahrens entnehmen werden.
Der Erfinder teile die Anfertigung der Kunstwaben in drei Abschnitte:

  1. das Bilden der Tafeln,

  2. das Ebenen und

  3. das Pressen derselben.

So einfach man pressen könne, so schwierig sei das Bilden der Tafeln und das Ebenen. Der Pfarrer aus Oberbayern empfahl deshalb, die Wachstafeln bei einem Wachszieher herstellen zu lassen, da diese Leute eine große Fertigkeit besäßen und glatte Wachstafeln in kürzester Zeit und papierdünn anfertigen könnten.
Pfarrer GERSTUNG erfuhr bei seinen Nachforschungen um die Jahrhundertwende von Georg MÜLLER III aus Großniedesheim, welcher außer anderen Dingen bei der Versteigerung des Nachlasses MEHRINGs auch dessen Korrespondenz erworben hatte, ein gewisser SCHOBER, Goldarbeiter aus Frankenthal, habe die erste Platte hergestellt; von dieser Form hätten MEHRING und SPRINKHORN Abdrücke genommen. Tatsächlich hat dieser Imkernachbar MEHRINGs, Ökonom SPRINKHORN, in Stuttgart ebenfalls Mittelwände ausgestellt! Das Preisgericht traf jedoch eine ziemlich klare Entscheidung: MEHRING erhielt den 1. Preis für Erfindungen in Höhe von 30 Gulden, SPRINKHORN dagegen erhielt nur ein Diplom. An der Urheberschaft bei der Erfindung der Kunstwabe bestand auch für GERSTUNG kein Zweifel.
Welch großen Erfolg MEHRING in Stuttgart hatte, beweist der Ausstellungsbericht, der in der Dezemberausgabe der Bienenzeitung veröffentlicht wurde:
"Am meisten drängten sich die Teilnehmer um den erst während der Nacht eingetroffenen Herrn Mehring aus Frankenthal, der seine geistreich ausgedachten Apparate zur Anfertigung künstlicher Wachswaben und zur Vorzeichnung der Richtung des Baues mitgebracht und ausgestellt hatte. "
Im Januar 1859 veröffentlicht MEHRING eine Anzeige in der Bienenzeitung, in der sich das große Interesse der Bienenzüchter an der Erfindung spiegelt:
"Ankündigung

Durch die vielen brieflichen Zuschriften, welche fortlaufend wegen der künstlichen Wabenangelegenheit bei mir einlaufen, hat es sich herausgestellt, daß dieser Gegenstand eine ganz außergewöhnliche Teilnahme gefunden hat; denn nicht nur von den äußeren Grenzmarken Deutschlands, sondern auch aus dem Ausland inden werte Briefe ihren Weg in meine bescheidene Wohnung.
Diese Zuschriften alle gründlich und klärend zu beantworten, wie es die freundlichen Anfragen verdienen, ist mir eine reine Unmöglichkeit, weil ich demjenigen Stande in der menschlichen Gesellschaft angehöre, welche angewiesen ist, von der Arbeit seiner Hände zu leben
..."
Im weiteren verpflichtete er sich, je zwei Proben, eine frisch gepreßt, eine von den Bienen ausgebaut, zu senden, falls der Anforderung ein Geldbetrag von einem Gulden beigefügt würde.
Große Probleme bereiteten dem Bienenzüchter die mäßigen Trachtverhältnisse in der Frankenthaler Gegend. Wenn der Nektar nicht in Strömen fließt, stellen die Bienen Wachsproduktion und Bautätigkeit ein. MEHRING aber brauchte ständig Wachs für seine Mittelwandproduktion.

 

MEHRINGs unerschöpflicher Einfallsreichtum

Es wundert uns nicht, daß er auch hier Lösungen fand, die seinen unerschöpflichen Einfallsreichtum erkennen lassen, deren Anwendung aber heute nicht mehr zulässig wäre:

Bei Bekannten in Kleinniedesheim kaufte er Kirschen, in einem Jahr bis zu einem Wert von 200 Gulden; den Absud reicherte er mit Zucker an und versorgte damit seine Bienen. Zu diesem Zweck baute er besondere Futterkammern in seine Bienenkästen ein. Weiterhin kaufte er Malzprodukte, verwandelte mit Hilfe des Ferments Diastase die Stärke in Malzzucker und reichte diese "Süßen" seinen hungrigen Bienenvölkern.

Wahrscheinlich waren es die Bienen selbst, die MEHRING auf diese Idee gebracht hatten, nachdem sie in der angrenzenden Malzfabrik Schmitt fündig geworden waren. Da er diese Surrogate auch zur herbstlichen Einfütterung verwendete, kann man MEHRING ruhig zusammen mit DATHE und FREUDENSTEIN zu den Pionieren der Zuckereinfütterung zählen.

Seine Fütterungsmethoden sind übrigens Gegenstand eines Briefes, den er an Freifrau von Berlepsch gerichtet hat! Dr. REIDENBACH aus Zweibrücken, der 1933 eine sehr sorgfältige Arbeit über MEHRING geschrieben hat, veröffentlichte den Inhalt dieses Briefes in der Pfälzischen Bienenzeitung. Ich zitiere daraus. "Herr Baron von Berlepscb nennt meinen Honig Kunsthonig; möchte wissen, ob Freifrau von Berlepsch diejenige Milch auch Kunstmilch nennt, welche durch Stallfütterung erhalten wird? Meine Frau nicht, sie meint: Jede Milch, die aus dem Euter einer Kuh kommt, sei Kuhmilch." An anderer Stelle des Briefes heißt es: "Denn: Wenn ich nicht füttere, so habe ich per Jahr etwa einen Zentner ,Gottbeschersel' zu verkaufen; bei meiner Fütterung dagegen 18 bis 20 Zentner."
Aus seinen Fütterungen machte er kein Geheimnis, weil er der Meinung war, auch hier eine neue Methode gefunden zu haben! So schrieb er am 18. 10. 1862 einen Beitrag für die Bienenzeitung unter der Überschrift "Über Malzzucker als Bienenfutter". Noch deutlicher erklärt er sich in einem auf den 15.4.1867 datierten Artikel "Bieneneier im Honig". Hier berichtet er, er habe im Sommer 1866 Bieneneier im Honig vorgefunden. Dies sei auf seine Kunstfütterung zurückzuführen, da die Bienen aus Raummangel auch bestiftete Zellen zur Honigablagerung verwendeten. Reichliche Trachten seien offenbar der Vermehrung eines Bienenvolkes nicht förderlich, wie es übrigens seine eigenen Völker bewiesen, seitdem er die künstlichen Fütterungen von April bis Oktober zum Zwecke einer größeren Ernte betreibe und überhaupt seine Bienen größtenteils nur dafür habe, um süße Stoffe in Honig und Wachs umwandeln zu lassen! Der landwirtschaftliche Betrieb, der hier nur im Anbau von Kartoffeln, Zuckerrüben, Tabak, Cichorie und Getreide bestehe, gebe den Bienen keine Nahrung. Alles Mögliche müsse er deshalb aufbieten, um den herumlungernden Bienen einträgliche Beschäftigungen anzubieten.
Die Verwendung von Zucker für die Einwinterung ist zur Selbstverständlichkeit geworden. Die Verwendung von Zucker während der Sommermonate zur Steigerung des Ernteergebnisses sehen wir heute jedoch als Honigverfälschung an.
Als MEHRING im Jahre 1871 bei der apistischen Ausstellung im Glaspalast beim Oktoberfest in München seinen Honig ausstellte, geriet Baron von BERLEPSCH als Preisrichter in nicht geringe Verlegenheit. Er traf jedoch eine richtungweisende Entscheidung, als er MEHRINGs Honigproben von der Prämiierung ausschloß mit der Begründung, die Angelegenheit sei noch nicht spruchreif und bedürfe der Überprüfung.

Mitarbeiter der Eichstätter Bienenzeitung

Den zuverlässigsten Einblick in die Gedankenwelt MEHRINGs gewähren seine zahlreichen Veröffentlichungen. In einigen Fällen handelt es sich dabei um umfangreiche Artikel; meistens jedoch sind es kurze Beiträge im Stil von Leserbriefen, in denen Beobachtungen oder Erfahrungen mitgeteilt werden. Manche Berichte sind reine Werbetexte, in denen der Hersteller von Bienenzuchtgeräten seine Neuanfertigungen erklärt und empfiehlt. Es ist deshalb auch nicht verwunderlich, daß die annähernd 40 Veröffentlichungen der Jahre 1858 bis 1872 in der weit verbreiteten Eichstätter Bienenzeitung erfolgten und nicht in der Pfälzischen Bienenzeitung!

MEHRINGs erster Artikel erschien in der Märznummer des Jahres 1858 unter der Überschrift "Eine auf der Tat ertappte Bienendiebin".
Hier schildert er das Verhalten einer Hausmaus, die während der Sommermonate fortgesetzt vom Flugbrett eines Volkes Bienen holte. Er begnügte sich nicht mit der Schilderung der Beobachtung. Ihn interessierte es, ob sich die Bienen einer Maus erwehren konnten. Deshalb fing er die Maus lebendig, hielt sie mit einer Flachzange am Schwanz fest und setzte sie auf das Flugbrett.

Die Maus wehrte sich so geschickt, daß 12 Bienen mit ihrem Leben bezahlen mußten, ehe es einer gelang, dem Räuber einen Stich an der Nase beizubringen. Man erkennt die Experimentierlust MEHRINGs, eine entscheidende Voraussetzung für seinen Erfolg.
Der zweite Artikel im Mai des gleichen Jahres ist eigentlich ein Leserbrief. Er richtet sich gegen Vorschläge des Barons von BERLEPSCH, wie man Bienen über große Entfernungen befördern könne.
Wieder einmal waren in fernen Landen - dieses Mal im südöstlichen Sibirien - wertvolle Bienen entdeckt worden; sie sollten lebend nach Deutschland gebracht werden.
 Zweifellos stammten die besseren Vorschläge von MEHRING: Für einen weiten Transport eigne sich keine Bienenwohnung besser als der Strohkorb und keine Zeit besser als der Monat September, weil dann die Bienen alles im Korb hätten, was sie benötigten. Im Frühjahr dagegen trete der umfangreichen Brutpflege wegen Wassermangel ein. Dann empfahl er - auf Einzelheiten kann ich hier nicht eingehen -, den Korb mit einem luftdurchlässigen Packtuch so zu umschließen, daß ein Hohlraum entstehe, in den sich die Bienen ihrem Luftbedürfnis entsprechend hineinziehen könnten.
Meines Erachtens hat er hier den Wandervorraum, ein wichtiges Konstruktionsmerkmal moderner Wanderbeuten, erfunden.
Die Schilderung zeigt, daß MEHRING die Fähigkeit besaß, ein schwieriges Problem in allen Einzelheiten klar zu erfassen und mit Phantasie und handwerklichem Geschick eine optimale Lösung zu finden.
Die Artikel MEHRINGs stecken voll guter Einfälle; es würde jedoch den Rahmen dieses Aufsatzes sprengen, wollte ich sie nacheinander inhaltlich würdigen. Ich werde deshalb im weiteren nur noch die Überschriften nennen, um einen Begriff von der Vielseitigkeit des Autors zu geben, wobei ich auch hier auf Vollständigkeit verzichten muß.

Über die Befruchtung von Bienenköniginnen (1858)
Beschreibung eines Stempels für künstliche Wabenanfänge (1858)
(Diesen Stempel aus Metall mit dem Grundriß des Querschnitts einer Bienenwabe drückte er auf die Unterseite des oberen Rähmchenschenkels und stellte so künstliche Wabenanfänge als dünne Wachsschicht her. Das Gerät, das er für zwei Gulden verkaufte, gilt als Vorläufer seiner Wabenpresse.)
Die Schwarmschachtel
(1859) - (Sie ist ein Schwarmfanggerät)
Über die Durstnot der Bienen
(1859)
Das Fächeln der Bienen (1859)
Sind die Bienen in den Weinbergen schädlich? (1860)
Der Totenkopf als Honigdieb (1860)
Über unbedeckelte und verkehrtliegende Brut (1860)

Unregelmäßige Eiablage einer Königin (1861) Warum werden ungewöhnlich viele Völker im Winter mutterlos? (1862)
Zum Füttern der Bienen (1863)
Malzsirup als Bienenfutter (1863) Verunreinigungen des Honigs (1863) Umlogieren von Bienenvölkern aus Körben in Kästen (1864)
Beitrag zum Einschließen der Königin (1865) Über das Schaukeln und Hobeln der Bienen (1866)
Wie finden die Bienen den Honig? (1866) Bienenwohnungen mit beweglicher Decke (1866)
Bieneneier im Honig (1867)
Kleiner Beitrag zur Bildung des Honigtaus (1867)
Erneuerung der Wabenanfänge (1867) Empfehlung eines neuen Rauchapparats (1868)
Zur Mehlfütterung (1872)
Über Faulbrut (1871 )

 

Verzeichnis der hergestellten Geräte

 Im Jahre 1866 veröffentlichte MEHRING ein Verzeichnis von Geräten, die bei ihm gefertigt und größtenteils vorrätig gehalten wurden. Er führt 18 Geräte an, darunter Gliederstöcke, Berlepschbeuten, Schwarmtrichter, Schwarmschachteln, Schwarmkatheter zum Herausnehmen von Bienenvölkern aus hohlen Bäumen, Wabengabeln und Lötapparate. Bei den Gliederstöcken handelt es sich um Bienenwohnungen, "bei welchen jede einzelne Biene, jedes Bienenei und die Königin, sowohl bei Tage als auch bei Nacht, besehen werden kann, ohne dem Stock im Geringsten zu schaden oder mit den Bienen selbst in Berührung zu kommen". Mit den Lötapparaten nebst Lot lieferte MEHRING Geräte zum Einlöten der Mittelwände in die Rähmchen.
Das Verzeichnis enthält außerdem 11 verschiedene Instruktionen. In einer davon gab er sein Geheimnis preis, wie man Gerste durch die Bienen in Honig und Wachs umwandeln läßt. Andere der "wohlfeilen" Instruktionen befassen sich mit der Vereinigung von Bienenvölkern, der Bildung von Ablegern und der Heilung drohnenbrütiger Stöcke. Erstaunlich ist ein mit Datum des 1. 2. 1866 versehener Zusatz, den ich wörtlich wiedergeben möchte:
 "Bei dem Unterzeichneten sind Centrifugalmaschinen zum Entleeren der Honigtafeln à 25 Gulden - sage fünfundzwanzig Gulden - zu haben.
 FrankenthaI (Pfalz), den
1. 1. 66

J. Mehring, Schreinermeister

Diese Anzeige erfolgte wenige Monate nach Bekanntgabe der Erfindung der Honigschleuder durch den österreichischen Major Franz von HRUSCHKA auf der Wanderversammlung in Brünn im September des Jahres 1865!
Als im Jahre 1863 die deutsch-österreichischen Bienenwirte ihre Versammlung in Karlsruhe veranstalteten, begab sich der Schreinermeister aus Frankenthal mit umfangreichem Gepäck in die nahegelegene Stadt. Der Ausstellungskatalog führt MEHRING an Stelle 22 mit folgenden Gegenständen auf:

1 Gliederstock zur entwickelsten Beobachtung. -1 Schwarmschachtel. -1 Sammlung von Kunsttafeln mit allen Stadien des Baus. -1 Partie neuer Kunsttafeln nebst der Form zur Anfertigung derselben. -Mehrere Kästchen zum gefahrlosen Zusetzen und ein Kästchen zum Transport der Königinnen. -2 Stück elegante und bequeme Bienenbrillen. -1 Katheter zum Herausholen von Schwärmen aus hohlen Bäumen. -1 praktische Rauchpfeife. -1 Zigarrenhalter für Nichtraucher, 1 Drohnenfalle, 1 Partie Weiselhäuschen, 1 Wabengabel, mit der keine Bienen gedrückt werden, 1 Fütterungsapparat, der die Gefahr der Raubbienen beseitigt, 1 Klötzchen zur Abhaltung der Sonnenstrahlen, 4 ausgebaute Aufsatzgläser, 1 neuer Bienenfeind, Honig- und Wachsproben. -

Wie schon an anderen Orten, war MEHRING auch in Karlsruhe eine Prämiierung seiner originellen Ausstellungsstücke sicher. Man drängte sich um den angesehenen Pfälzer, dessen Artikel von bester Qualität waren; außerdem konnte man bei MEHRING immer etwas Neues finden. Die Leser der Eichstätter Bienenzeitung nahmen im Jahre 1869 eine völlig neue Aktivität des Pfälzers zur Kenntnis. In einer großen Anzeige kündigte MEHRING ein neues Bienenbuch an.

Das neue Einwesensystem
als Grundlage der Bienenzucht
oder
Wie der rationelle Imker
den höchsten Ertrag von seinen Bienen
erzielt.
Auf Selbsterfahrungen gegründet
von
J. Mehring in FrankenthaI in der Rheinpfalz.

 Auf dem Höhepunkt seines Ansehens

MEHRING stand zu diesem Zeitpunkt auf dem Höhepunkt seines Ansehens. Der Erfinder der Kunstwabe, der zahlreiche Ehrungen im In- und Ausland entgegengenommen hatte, trat mit einer revolutionären Idee über das Wesen des Bienenstaates an die Öffentlichkeit!

Ein Bienenvolk sei nicht eine große Herde von Einzelwesen, sondern ein tief ineinandergreifender tierischer Gesamtkörper, den man als "Bien" bezeichnen müsse. Seine neue Auffassung nannte er das "Einwesensystem" im Gegensatz zu den bestehenden Vorstellungen von den dreierlei Wesen Königin, Drohnen und Arbeitsbienen. Das alte sogenannte "Dreiwesensystem" könne trotz aller Anstrengungen eine Reihe von Vorgängen im Bienenvolk nicht erklären.

Seinen "Bien" verglich er mit einem Wirbeltier. Die älteren Bienen, die Trachtbienen, die ausfliegen und Honig und Pollen sammeln, entsprächen den Gliedmaßen eines Wirbeltieres; die Königin sei das weibliche Geschlechtsorgan, die Drohnen stellten männliche Geschlechtsorgane dar, und die jungen Bienen, die fortwährend die eingetragenen Süßen in Honig umwandelten, seien die Eingeweide.
Selbst die gefüllten Honigwaben seien Teile dieses Wesens, wie ja auch die Schmalzlappen in den Lenden eines Schweins Teile des Tierkörpers wären.
MEHRING konnte mit dieser "Modellvorstellung", wie wir heute sagen, für wesentliche Merkmale des Bienenstaates treffende Erklärungen finden, wie zum Beispiel die gegenseitige Abhängigkeit der zahlreichen Bewohner eines Volkes oder die Arbeitsteilung unter den Bienen. Aber auch für schwierige Einzelfragen aus der Ethologie der Honigbienen fand er überraschende Lösungen. So bedürften die jungen Bienen wie die Eingeweide eines höher organisierten Warmblütlers nicht der nächtlichen Ruhe und Erholung, die wir als "Schlaf" bezeichnen; dagegen fänden die alten Bienen wie die Gliedmaßen eines Wirbeltieres zur Nachtzeit ihre Ruhe.
Das Buch stieß allgemein auf Unverständnis, und noch im Jahr des Erscheinens veröffentlichte der als Bienenforscher angesehene schlesische Pastor SCHÖNFELD eine vernichtende Kritik in der Eichstätter Bienenzeitung:
Dem Einwesen des Verfassers gab er den Spottnamen "Apis miraculosa Mehringii" - Mehrings Wunderbiene! Die Idee des Pfälzers nannte er eine merkwürdige Tollheit. Ein an sich schöner Gedanke wäre auf grob materielle Art verhunzt worden, daß ein Bienenkenner sich darüber nur wundern könne, einem Anfänger aber zumute werden müsse, als drehe sich ein Mühlrad in seinem Kopfe um. "Schade um das schöne Papier und den guten Druck." In diesem vernichtenden Urteil gipfelte die beißende Kritik des Pastors Paul SCHÖNFELD.
MEHRING muß von diesem Mißerfolg schwer getroffen gewesen sin. Jedenfalls stellte er die Mitarbeit in der Eichstätter Bienenzeitung weitgehend ein. Hatte er doch in diese Schrift seine ganze geistige Energie investiert! Bereits im Jahre 1861 hatte er an dem Buch gearbeitet, was ein Brief an den Baron von BERLEPSCH vom 14. 4. 1861 beweist. Dort heißt es:
"Von meiner Selbstansicht über das Bienenwesen erhalten Sie seinerzeit 1 Exemplar als Gegenfreundschaft für Ihr Bienenwerk. Den Mittelweg wird das Ding nicht gehen; entweder - oder heißt mein Grundsatz. Ich will der Bienenzucht, dieser spröden Schönen, die Kindlein vom Leibe bringen, daß sie in ihrer nackten Wirklichkeit dasteht."

Späte Ehrenrettung durch Pfarrer Gerstung

Eine späte Ehrenrettung des "Einwesensystems" erfolgte im Jahre 1901 durch Pfarrer GERSTUNG. Er gab den theoretischen Teil der Schrift MEHRINGs neu heraus im Verlag Paul Waetzel in Freiburg im Breisgau und Leipzig und schrieb in der Einleitung:
"Indem ich den theoretischen 1. Teil des im Jahre 1869 erstmalig erschienenen hochinteressanten Werkes des schlichten und doch so kenntnisreichen und so scharf beobachtenden, denkenden und schließenden Tischlermeisters J. Mehring in Frankenthal in der Rheinpfalz, des ,neuen Einwesensystems' neu herausgebe, entledige ich mich einer Dankespflicht, welche mir schon seit Jahren schwer auf dem Gewissen gelegen hat. Habe ich doch Mehring ein gut Teil der Bausteine zu verdanken, aus denen sich meine organische Auffassung des "Biens" und seiner Zucht aufbaut."
In den letzten Lebensjahren mied MEHRING das Auftreten in der Öffentlichkeit. Seine großartige Erfindung der künstlichen Wabenmittelwand breitete sich jedoch über die ganze Welt aus. Bereits im Jahre 1868 taucht MEHRINGs Name im Zusammenhang mit seiner Erfindung mehrmals in einem Buch auf, das der Wiener Arzt Ludwig Josef MELICHER unter dem Titel "Die Bienenzucht in der Weltausstellung zu Paris im Jahre 1867' schrieb.
Daß schließlich andere den finanziellen Gewinn aus seiner Erfindung zogen, dürfte ihn nicht sehr bewegt haben. Eigenschaften, die er schätzte, verrät er in dem Wahlspruch, den er seinem "Einwesensystem" vorangesetzt hat:

 

Einfachheit und Wahrheit
sind die Fundamentalgesetze
der Weltenordnung.
J. Mehring

 

Am 24. November 1878 starb Johannes MEHRING im Alter von 63 Jahren, nach verläßlichen Angaben an einem Magenleiden. Seine Frau Barbara Mehring geborene Wehe, die die Sterbeurkunde unterschrieb, gab als Beruf ihres verstorbenen Gatten "Bienenzüchter" an.
Kein anspruchsvolles Lehrbuch der Imkerei ist nach seinem Tode geschrieben worden, in dem nicht erinnert wird an Johannes MEHRING aus Frankenthal, der mit seiner künstlichen Wabenmittelwand eines der wesentlichen Elemente rationeller Imkerei erfunden hat.

 

Anschrift des Verfassers: Dr. Fritz Kaiser Bahnhofstraße 26, 6501 Ober-Olm

 

 

Quellenangabe: ADIZ Allgemeine Deutsche Imkerzeitung - Mai 1978 - Herausgegeben vom Delta-Verlag KG - Seite 129 ff