Zum Text springen | Zur Navigation springen | Zur Schnellsuche springen |
ABS Bund

Sie sind hier: ABS Bund / Argumente / Studiengebühren
15.02.2005

Eine merkwürdige Umfrage

Pro-Behauptung fünf: Die Mehrheit der StudentInnen sei für Studiengebühren.

Richtig ist: Die Umfragen, die diese Einschätzung zu stützen scheinen, sind Ergebnisse durchsichtiger Manipulationen.

Selbst wenn die Behauptung der Mehrheitsfähigkeit von Studiengebühren zutreffen würde, wäre das kein Argument im eigentlichen Sinne. Eine politische Abstimmung oder eine demoskopische Befragung beweisen inhaltlich nichts für oder gegen eine Sache. Allerdings sagen sie etwas über den Stand einer öffentlichen Auseinandersetzung aus. Dennoch stimmt diese Aussage auch unabhängig von diesen Einwänden nicht. Die Behauptung, die Mehrheit der StudentInnen sei für Studiengebühren, wird seit März 1998 kolportiert – häufig mit Zusätzen wie »Nun ist es endlich erwiesen!« oder »Die studentischen ›Funktionäre‹, die gegen Studiengebühren agitieren, vertreten nur sich selbst!« etc. Dieser Behauptung liegen jedoch lediglich zwei gefälschte Ergebnisse zu Grunde. „1998 und 2003 wurde ein vom Meinungsforschungsinstitut forsa ermitteltes Ergebnis von den Auftraggebern – in beiden Fällen: CHE und Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft – so interpretiert, dass die Mehrheit der StudentInnen für die Einführung von Studiengebühren seien. [...] Was aber die forsa-Umfragen so brisant machte, war [...] der klare Widerspruch zur jeweils aktuellen Situation an den Hochschulen. Sowohl 1997/98 als auch 2002/2003 war in sämtlichen Medien ein anderes Bild zu sehen: Zu Zehntausenden und zu Hunderttausenden gingen seinerzeit StudentInnen auf die Straße, etliche Hochschulen befanden sich im Streik.“ (Struben 2004, S. 25f.) Die Auftraggebenden Organisationen verbreiteten am 4. März 1998 eine Pressemitteilung, in der sie behaupteten, die Mehrheit der 22- bis 25-jährigen StudentInnen (54 Prozent) sei für Studiengebühren (Stifterverband/CHE-Presseinformation, 4. März 1998) und behaupteten: »Der Eindruck aus den Studentenprotesten der vergangenen Monate, Studierende wehrten sich mit Händen und Füßen gegen Studiengebühren, ist falsch[...]« (ebd.).
Wenn man sich die aufgeschlüsselten Ergebnisse des beauftragten forsa-Instituts genauer betrachtet, ging es allerdings um etwas ganz anderes: »Ziel der Befragung war es, die Akzeptanz verschiedener, in Zusammenhang mit der Erhebung von Studiengebühren diskutierter Vorschläge zu ermitteln« (forsa, 1998, S. 3). Dazu wurden ein Bevölkerungsquerschnitt von 10 001 Personen und zusätzlich 500 StudentInnen befragt. Den Befragten wurden drei konkurrierende Studiengebührenmodelle in Form von Aussagen wie »Ich bin für die Einführung von Studiengebühren, wenn...« vorgestellt, wobei sie jeweils ankreuzen konnten »stimme zu« oder »stimme nicht zu«. Anders gesagt: Wer sich an der Befragung überhaupt beteiligte, war bereits mitten in einer Diskussion über Studiengebührenvarianten. Drei davon wurden in folgender Reihenfolge präsentiert: 1. »Studiengebühren, die dem Landes- und Bundeshaushalt zufließen«; 2. »Studiengebühren, die der Hochschule zugute kommen«; 3. »Studiengebühren, die der Hochschule zugute kommen und für die ein Darlehen aufgenommen werden kann.« An der Reihenfolge dieser Befragung lässt sich bereits das (zu erwartende) Ergebnis ablesen. Bei der ersten Variante war die Zustimmung am geringsten, beim zweiten Modell hielten sich (bei tendenziell überwiegender Ablehnung) Zustimmung und Ablehnung fast die Waage. Beim dritten schließlich bewegte sich die Zustimmung zwischen 50 und 60 Prozent (bezogen auf die Gesamtbevölkerung), wobei sich allerdings noch nicht mal eine prozentuale Mehrheit aller befragten StudentInnen für dieses Konzept aussprachen. Da die Befragten in den suggestiven Kontext versetzt wurden, über ein bevorzugtes Studiengebührenmodell politisch mitentscheiden zu dürfen, wählte der größere Teil folglich die mildeste Variante von den drei genannten. Das Ergebnis dann so zu deuten, als sei die Mehrheit von 1,8 Millionen StudentInnen für Studiengebühren, ist eine an Kühnheit kaum zu übertreffende Interpretation.
Nun könnte man glauben: »Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht«. Doch das Centrum für Hochschulentwicklung reagierte im Vorfeld der für den 13. Dezember 2003 angekündigten studentischen Demonstrationen erneut mit einer Umfrage und behauptete am 11. Dezember: „Studierende mehrheitlich für Studiengebühren“ (Pressemitteilung des CHE vom 13.12.2003). Diese Meldung wurde wiederum ungeprüft von den Medien übernommen und erst auf Druck des Aktionsbündnisses gegen Studiengebühren (vgl. ABS-Presseerklärung vom 18.12.2003) wurde bekannt, dass die Umfrage nach dem gleichen Prinzip gestrickt war wie 1998. Das einzige, was Stifterverband und CHE damit bewiesen haben, ist, dass man sich für jeden ideologiepolitischen Zweck eine passend gemachte Meinungsumfrage bestellen kann.
Das gleiche Institut – forsa -  führte übrigens 1999 eine weitere – methodisch saubere – Befragung durch. Das Ergebnis war eine deutliche Ablehnung von Studiengebühren. Die Frage: »Sind Sie für die Einführung von Studiengebühren, wenn diese Gebühren direkt der jeweiligen Hochschule zugute kämen?« beantworteten 53 Prozent mit nein und lediglich 32 Prozent mit ja (Die Woche, 22. Oktober 1999).



Navigation


Newsletter | Suche