"Es ist etwas aus der Balance geraten"

Nachrufe und Analysen in Österreichs Tageszeitungen.
Sämtliche österreichische Tageszeitungen machen am Sonntag bzw. in ihren Online-Ausgaben mit dem Tod des Kärntner Landeshauptmannes Jörg Haider auf.

"Krone": "Wie ein Blitz"
Die "Kronen Zeitung" widmet ihm mehrere Meinungselemente. "Wie ein Blitz" hat Ernst Trost die Nachricht getroffen: "Man spürt, da ist etwas aus der Balance geraten im so wirren und komplexen Gebäude österreichischer Innenpolitik." Haider habe einen "kometenhaften Aufstieg" gehabt, "aber auch immer wieder selbstzerstörerische Aktionen gesetzt und Gegnerschaft provoziert", so Trost. "Man muss nicht sein Freund gewesen sein, um nach diesem tragischen Ende tiefe Betroffenheit zu empfinden ..."

Michael Jeannee klagt in seiner Brief-Kolumne das "verfluchte Schicksal" an und schließt: "Leb wohl, Jörg Haider." Hausdichter Wolf Martin schließlich verknüpft die "Tragik" des Vorfalls in Kärnten mit der "Dramatik" der internationalen Finanzkrise. Einen Beitrag von "Krone"-Chef Hans Dichand gab es in der Abendausgabe der Zeitung nicht.

Fellner: "Gestorben, wie er gelebt hat"
"Jörg Haider ist gestern so gestorben, wie er gelebt hat", schreibt "Österreich"-Herausgeber Wolfgang Fellner. "Immer Vollgas, immer über dem Limit." Haider sei "das größte politische Genie seit Bruno Kreisky" gewesen, aber auch der "größtmögliche Zerstörer".

Fellner: "Ich habe gegen diesen Jörg Haider an die 100 Prozesse geführt und mit ihm erbittert gestritten." Doch er habe auch den "'anderen' Jörg Haider" respektiert und "teilweise bewundert". Zuletzt sei Haider zum "sanften, besonnenen, fast weisen Politiker gereift" und hätte "alle Chancen gehabt", das Land "jenseits von Rot-Schwarz neu zu gestalten".

Aber: "Er war nur - leider - wieder einmal zu schnell..." Werner Schima, Chefredakteur von "Österreich", bedauert: "Schade, dass Österreich diesen neuen Haider nicht näher kennenlernen konnte."

"Kleine Zeitung": "Haider wird fehlen"
In der "Kleinen Zeitung" stellt deren Chefredakteur Hubert Patterer fest: "Jörg Haider wird fehlen, seinen Anhängern, aber auch seinen Gegnern." Haider habe "die politische Geografie dieses Landes nachhaltig verändert", er habe "die Vorherrschaft zweier Machtblöcke, die das Land geprägt und am Ende in eine behäbige Stillstandsdemokratie geführt hatten, aufgebrochen. Das ist sein demokratiepolitisches Verdienst. Es hat über den Tod hinaus Bestand."

Patterer beschreibt die "vielen Talente" Haiders, er sei auch "rast-und ruhelos" gewesen. "Dass er in der beschleunigten Bewegung starb, spät nachts, verleiht seinem Tod eine grausame innere Logik." Die innenpolitischen Konsequenzen sieht Patterer wie folgt: Nun seien "alle Koalitionsspekulationen nichtig. Die große Koalition wird kommen. Das BZÖ hat nur durch Haider geatmet. Es bleibt zurück als Hülle."

"Kurier": "Stets ein Grenzgänger"
Im "Kurier" schreibt Chefredakteur Christoph Kotanko: "Haider war, seit er 1986 in der FPÖ durch einen Putsch der Deutschnationalen an die Macht kam, ein Veränderer heimischer Verhältnisse (...). So sehr seine Braun-Töne, seine Ausländerfeindlichkeit und sein aggressiver Populismus abzulehnen waren (der 'Kurier' hatte hier immer eine klare Linie) - Haiders Kritik an den herrschenden Verhältnissen der Achtziger- und Neunzigerjahre war zum Teil auch berechtigt."

Diese Verhältnisse, so Kotanko, habe Haider "benannt, bekämpft und zum Teil auch verändert". Haider habe wichtige Themen aufgegriffen, habe allerdings "zu oft die falschen Antworten auf richtige Fragen" gefunden. Die FPÖ habe er "zu den größten Triumphen, aber auch in die größte Niederlage" geführt.

"So war er stets ein Grenzgänger, der es nie bis ganz nach oben schaffte", schreibt der "Kurier"-Chefredakteur. "In letzter Zeit suchte er Normalität und Anerkennung in allen politischen Lagern. Die Sehnsucht blieb ungestillt."

Rauscher: "Selbstzerstörerischer Politiker"
"Man konnte sich nie vorstellen, dass dieser zerstörerische und selbstzerstörerische Politiker einfach so in den Ruhestand oder Vorruhestand hinübergleitet", schrieb Hans Rauscher in der Online-Ausgabe des "Standard".

"Haider war ein Symbol für so unendlich vieles, was problematisch ist an Österreich, obwohl oder eher weil er so viele Hoffnungen so vieler Menschen weckte", analysiert er und blickt in die Zukunft: "Das extrem rechte Lager kann sich nun wiedervereinen", FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache könne Haiders "Erbe antreten, ohne sich mit ihm einen Kampf um die Macht liefern zu müssen. Das könnte einiges bedeuten für die Machtkonstellationen im Lande".

"Presse": "Legitimer Vergleich mit Kreisky"
"Jörg Haider hat sich immer wieder als legitimer Nachfolger Bruno Kreiskys in der österreichischen Innenpolitik präsentiert", blickt Chefredakteur Michael Fleischhacker in der "Presse" (Online-Ausgabe) zurück. Und ortet darin einen "legitimen Anspruch" Haiders: Beide Politiker seien Naturtalente gewesen.

"In Kärnten hat Haider das erreicht, was Kreisky bundesweit gelang", so Fleischhacker. "Dass jetzt alle, auch seine ehedem erbittertsten Gegner, von einem Verlust für die österreichische Politik und von einer Ausnahmebegabung sprechen, ist wahrscheinlich nicht einmal geheuchelt: Der gerade erst beendete Wahlkampf hat es überdeutlich gezeigt."

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