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1903

Papst Pius X.

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Pius X. in vollem Papstornat: Pius X. bei einer Segensgeste, geschmückt mit der dreifachen Papstkrone. Die sogenannte Tiara symbolisierte die geistliche und weltliche Herrschaft des Papstes sowie seine Amtsgewalt als Stellvertreter Christi auf Erden.

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In unseliger Tradition

So tickt der Orden von Holocaust-Leugner Williamson: Schon Papst Pius X., der Ordenspatron der Piusbrüder, war ein Erzkonservativer. Er erklärte Wissenschaftler zu Ketzern und Protestanten zu Feinden Christi - trotzdem ist er der einzige Papst der Neuzeit, der zum Heiligen erklärt wurde. René Schlott


Debatte

Letzter Beitrag:

Christiane Hanssen 10. Feb 2009, 14:08
ich denke man macht es sich zu einfach, diesen Papst einfach nur... mehr...

Pius der Zehnte? Der Namenspatron der vieldiskutierten Piusbruderschaft gehört zu den unbekanntesten Päpsten des 20. Jahrhunderts - obwohl er der bislang einzige Pontifex der Neuzeit ist, der heiliggesprochen wurde. Allein in Deutschland tragen über 60 Gotteshäuser seinen Namen, dennoch wissen Laien wie auch die meisten Kleriker kaum etwas über Pius X., und nur Lefebvre und seine Anhänger scheinen ihn derzeit vor dem Vergessen zu bewahren.

Dabei stellte Pius schon durch seine Herkunft und Ausbildung eine bemerkenswerte Ausnahme auf dem Petrusthron dar: 1835 wurde er als Giuseppe Sarto in einer armen Kleinbauernfamilie in der Nähe von Venedig geboren. Sarto studierte nie an einer Universität und war vor seiner Papstwahl auch nicht an der Kurie in Rom tätig gewesen - anders als viele Päpste vor ihm, die adligen oder zumindest wohlhabenden Familien entstammten, meist Kirchenrecht und Theologie an berühmten kirchlichen Universitäten studiert und danach oft eine Laufbahn als Nuntius oder Beamter in päpstlichen Diensten eingeschlagen hatten.

Giuseppe Sarto dagegen war nach seiner Priesterweihe 1858 zunächst als einfacher Landpfarrer in seiner Heimatprovinz geblieben. Weil er als eifriger und frommer Seelsorger galt, wurde er schnell zum Bischof von Mantua und schließlich zum Kardinal und Patriarchen von Venedig befördert. Auch in diesen hohen Ämtern blieb der Bauernsohn ein Mann einfacher Gewohnheiten und eines bescheidenen Lebenswandels. Alle seine Wirkungsstätten lagen im Norden Italiens, Auslandsreisen unternahm er nicht. Auch auf eine tiefere theologische oder philosophische Bildung und das Erlernen von Fremdsprachen verzichtete der Patriarch.

Kampf der modernen Wissenschaft

Im Konklave nach dem Tod Papst Leos XIII. wurde Sarto von einem französischen Kardinal in dessen Muttersprache angesprochen. Als Sarto eingestehen musste, dass er des Französischen nicht mächtig sei, sagte der Kardinal rundheraus, dass Sarto dann auch nicht Papst werden könne. Zur Überraschung aller zeitgenössischen Beobachter kam es anders: Der Patriarch von Venedig ging aus dem langwierigen und schwierigen Konklave im August 1903 als Papst hervor. Zunächst soll er die durch ein Veto des österreichischen Kaisers beeinflusste Wahl abgelehnt haben, nach Zureden aber willigte er ein. Er wählte als Papstnamen Pius, "der Fromme", um an seinen Vorvorgänger Pius IX. (1846-78) zu erinnern, der 1870 das Dogma von der päpstlichen Unfehlbarkeit und der obersten Amtsgewalt des römischen Pontifex durchgesetzt hatte.

Von diesem Machtanspruch machte Pius X. sofort Gebrauch - und zwar umfassend. Kaum in Amt und Würden, nahm der neue Papst den Kampf gegen die Moderne auf. In seiner Antrittsenzyklika forderte Pius zum Widerspruch gegen die moderne Wissenschaft auf und verlangte Gehorsam der Gläubigen gegenüber der kirchlichen Hierarchie. Ein Jahr nach Amtsantritt gab er die Überarbeitung und Zusammenfassung des jahrhundertealten Kirchenrechts in Auftrag - eine längst überfällige Reform, die Pius X. aber nutzte, um das Unfehlbarkeitsdogma und den päpstlichen Machtanspruch in geschriebenes und anwendbares Kirchenrecht zu überführen.

1905 forderte er von allen Gläubigen per Dekret, häufiger die Heilige Kommunion zu empfangen. Bis dahin war es für das gemeine Kirchenvolk üblich, nur einmal jährlich während der Osterfeiertage das Abendmahl zu empfangen, die tägliche Kommunion war ein Privileg von Ordensleuten und Klerus. Pius knüpfte den Sakramentenempfang nur an zwei Bedingungen, "im Stand der Gnade zu sein und die rechte Absicht zu haben". 1910 setzte er das Mindestalter für die Erstkommunion von zwölf auf sieben Jahre herab und wurde kurzzeitig zum populären "Papst der Kinderkommunion".

Protestanten als "Feinde Christi"

Doch das Hauptanliegen seines Pontifikats galt dem Kampf gegen die modernen Entwicklungen in Gesellschaft und Wissenschaft, die sich auch auf die Theologie auswirkten. So begannen Ende des 19. Jahrhunderts vor allem deutsche und französische Theologen die kritische Interpretationsmethode von Geschichtsquellen auch auf die Bibel und die Schriften der Kirchenväter anzuwenden. Schnell legten sie offensichtliche Widersprüche und Irrtümer in der Heiligen Schrift offen und interpretierten kirchliche Dogmen lediglich als von Menschen gemachte, auslegbare Glaubenssätze.

Solche wissenschaftlichen Studien setzte Pius X. sofort auf den Index, ihre Autoren wurden kurzerhand exkommuniziert. In seiner Enzyklika Pascendi (1907) verurteilte der Papst modernistische Bibelkritik als Häresie. Wissenschaftlicher Fortschritt, so der Nachfolger Petri, solle "nur im Lichte der katholischen Lehre und unter ihrer Führung" angestrebt werden. Allen, die weiter an den Irrlehren festhielten, wurden Disziplinarmaßnahmen angedroht. Drei Jähre später führte Pius den sogenannten Antimodernisten-Eid ein: Jeder Priester musste fortan vor der Weihe den ketzerischen Ideen abschwören, die in der Enzyklika Pascendi verurteilt worden waren, und sich zur gesamten Kirchenlehre bekennen. Erst 1967 wurde der Eid von Papst Paul VI. wieder abgeschafft.

Während seiner Amtszeit produzierte Pius X. eine Flut von päpstlichen Schriftstücken, die sich gegen moderne politische Entwicklungen richteten. In der Enzyklika Vehementer nos von 1906 lehnte er jeden Kompromiss mit dem Laizismus, dem französischen Modell der Trennung von Staat und Kirche, ab. Darüber kam es zum Bruch mit Frankreich, später auch mit Spanien und Portugal. Selbst die Demokratie als Staatsform beurteilte Pius X. skeptisch, denn sie gefährde die Kirchenhierarchie. 1910 kam es zu Spannungen mit dem Deutschen Reich, weil Pius die Protestanten als "falsche Propheten" bezeichnete, für die das Pauluswort von den "Feinden Christi" zutreffe, deren "Gott der Bauch" sei.

"Antimodernistische Hexenjagd"

In der Kirchengeschichtsschreibung ist man sich heute weitgehend einig in der negativen Beurteilung des Pontifikats von Pius' X. Trotz einiger von ihm angestoßenen innerkirchlichen Reformen, so die nahezu einhellige Meinung, habe es die Kirche hinter die Öffnungsbemühungen seines Vorgängers Leo XIII. zurückgeführt. "Starrheit und Rigorimus" sieht Papstkenner Jean Matthieu-Rosay bei Pius am Werk, ein "Zurück zur autoritären Defensive" der Bonner Historiker Rudolf Lill und "Antimodernistische Hexenjagd" der Kirchengeschichtler Josef Gelmi aus Brixen, um nur einige bezeichnende Urteile von Fachleuten zu nennen.

Dennoch wurde Pius, der 1914 mit 79 Jahren starb bereits zur Ehre der Altäre erhoben. Ein anderer, bis heute umstrittener Pius-Papst, Eugenio Pacelli, besser bekannt als Pius XII., sprach seinen Vorgänger 1954 heilig - als dafür nötiges Wunder reichte die angebliche Spontanheilung eines von Furunkeln geplagten belgischen Diplomaten aufgrund eines Papstgebets. Bereits drei Jahre zuvor war Pius seliggesprochen worden. Bis heute ruhen seine Gebeine in einem Glassarg im Petersdom, von den täglich vorbeiströmenden Gläubigen- und Touristenmassen weitgehend unbeachtet.

Manche Besucher allerdings machen an Pius' Grab außergewöhnliche Erfahrungen. Viele Priester hätten bei der Feier des heiligen Messopfers am Altar über dem Grab erlebt, "wie ein zarter Rosenduft zum Altar emporstieg, der Duft der Heiligkeit, der von diesem Papst der heiligen Eucharistie ausgeht". In der offiziellen, vom Verlag der deutschen Pius-Bruderschaft vertriebenen Biographie "Loderndes Feuer - der heilige Papst Pius X." heißt es: "Weil sich seine Seele in seltener Reinheit dem himmlischen Bräutigam vermählt hatte, blühen nun bis in diese vergängliche und arme Erde hinab die Rosen des Hohenliedes, strömt für den gläubigen Sinn seiner Verehrer noch aus seinen Gebeinen etwas vom Wohlgeruch seiner Tugenden."



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