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Medien und Politik | 25.02.2009 23:00 Uhr

Peinliche Details - Journalisten liefern Informationen an BND

BND-Untersuchungsausschuss © dpa
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Anmoderation:

So, die Politiker auf der Anklagebank, die müssen jetzt mal ein bisschen Platz machen. Und zwar für Journalisten. Nicht alle, das ist klar, aber es gibt offensichtlich einige in unseren Reihen, die sich nicht nur für die Medien, sondern auch für den Geheimdienst engagieren. Quasi nebenbei - und auch mal für Geld. Ganz neu ist uns diese Information nicht aber zum ersten Mal kommt sie von einem ehemaligen Abteilungsleiter des „Bundesnachrichtendienstes“. Und der hat jetzt im Untersuchungsausschuss des Bundestags Erstaunliches zu Tage gebracht. Berichtet wurde darüber allerdings kaum. Warum eigentlich nicht? Sine Wiegers über Journalisten, die unsere Zunft in Misskredit bringen.

 Beitragstext:

Politiker auf Wahrheitssuche. Seit 3 Jahren treffen sie sich im Bundestag, wollen wissen, was schief lief beim „Bundesnachrichtendienst“. Warum überwachte der Geheimdienst Journalisten und warum arbeiteten Journalisten für den „BND“? Jetzt erschien der „BND“ - Mitarbeiter vor dem Untersuchungsausschuss, der diese Journalisten-Kontakte pflegte: Volker Foertsch. Hans-Christian Ströbele, Die Grünen (Mitglied „BND“ - Untersuchungsausschuss): „Herr Foertsch war ganz offensichtlich in den 90iger Jahren und auch davor so ne Art graue Eminenz im „Bundesnachrichtendienst“, der einen guten Zugang zu Journalisten hatte.“ Michael Hartmann, SPD (Mitglied „BND“ - Untersuchungsausschuss): „Herr Foertsch hat sich oft getroffen mit Journalisten, mit manchen nahezu 100 Mal. Er hat über einen Journalisten, alleine über einen Journalisten, ein Dossier von über 200 handschriftlichen Seiten angefertigt.“

Journalisten mit Decknamen

Dossiers über die Kontakte mit den Journalisten. Der „BND“ - Mann wollte Informationslecks in seiner Behörde aufspüren. Journalisten sollten ihm dabei helfen. Und manche gaben bereitwillig Auskunft an Volker Foertsch. So berichtete der es jetzt den Abgeordneten im Untersuchungsausschuss. Das nicht-öffentliche Protokoll seiner Vernehmung liegt Zapp vor. Den betroffenen Journalisten wurden Deck-Namen gegeben. (Auszug aus dem Protokoll): “Abgeordneter: Worüber haben Sie denn genau mit Bosch gesprochen? - Foertsch: Er hat mir alle möglichen Dinge erzählt, die er macht und recherchiert. - Abgeordneter: Hat Bosch Ihnen auch über die Redaktionsarbeit anderer Journalisten berichtet? - Foertsch: ...ob Redaktionsarbeit, weiß ich jetzt nicht. Aber Arbeit: Ja. Er hat mir ja auch über Kontakte von anderen erzählt.“ Die Politiker sind erstaunt über diese Anbiederung.

Interna aus Redaktionen

Hans-Christian Ströbele, Die Grünen (Mitglied „BND“ - Untersuchungsausschuss): „Ich muss schon gestehen, bei einzelnen der Berichte, schon bei der Aktenlektüre, aber dann auch im Untersuchungsausschuss von den Zeugen, sind mir die Augen aufgegangen. Und ich hab mich gefragt, wie kann es sein, dass freie Journalisten in der Bundesrepublik sich so intensiv mit einem Geheimdienstmann einlassen?“ Max Stadler, FDP (Mitglied „BND“ - Untersuchungsausschuss): „Darüber hinaus hat er bei solchen Gelegenheiten teilweise offenbar auch Interna, aus der Arbeit von Redaktionen, mitgeteilt bekommen von Journalisten.“ Michael Hartmann, SPD (Mitglied „BND“ - Untersuchungsausschuss): „Es gab eine Reihe von Journalisten, die ich mit dieser Berufbezeichnung gar nicht so gerne belegen mag. Die sehr leicht und leichtfertig, ja sogar prahlerisch Informationen angeboten haben. Und zwar Informationen bis hin zum Quellenverrat, beziehungsweise dem Verrat von Quellen anderer Journalisten.

Geld- und Sachleistungen

Protokollauszug: „Abgeordneter: Sie haben von Jerez ... relevante Informationen erhalten ...? - Foertsch: Ja. - Abgeordneter: Hat Jerez in dem Austausch mit Ihnen über andere Journalisten gesprochen? - Foertsch: ... Ja doch, natürlich. Hat er.“ Max Stadler, FDP (Mitglied „BND“ - Untersuchungsausschuss): „Die Beweisaufnahme im Untersuchungsausschuss hat auch ergeben, dass einige Journalisten auch eine Distanzlosigkeit gegenüber dem „BND“ gezeigt haben, obwohl es doch zu den Grundregeln des Journalismus gehört, nicht zugleich für einen Geheimdienst zu arbeiten.“ Michael Hartmann, SPD (Mitglied „BND“ - Untersuchungsausschuss): „Im übrigen, wurden auch Journalisten wechselseitig zu Verrätern aneinander, auch nicht unbedingt der Stil feiner Leute, um es ganz vornehm zu sagen. Es gab aber auch Geldleistungen, es gab sogar da und dort Sachleistungen der verschiedensten Art.“

„Dem BND zu Diensten“

Als ranghohe Politiker vor diesem Untersuchungsausschuss aussagen mussten, kämpften Journalisten um die besten Bilder und Interviews. Als es jetzt um die dubiose Rolle der Journalisten in der „BND“ - Affäre ging - gähnende Leere. Max Stadler, FDP (Mitglied „BND“ - Untersuchungsausschuss): „Bei den verschiedensten Themen des „BND“ - Untersuchungssausschusses war oft die Besuchertribüne voll und zwar vorwiegend gefüllt mit Journalisten. Ausgerechnet beim Thema „BND“ und Journalisten war das Interesse relativ gering, das hat mich etwas verblüfft.“ Verblüffend wenige Artikel auch über den Ausschuss und die bittere Erkenntnis, wie Journalisten (Zeitungsausschnitt: „Süddeutsche Zeitung, Ausgabe vom      ) „Dem BND zu Diensten“ waren. Michael Hartmann, SPD: „Ich würde mir wünschen, dass dieser in der Tat große Skandal, den wir da mit aufdecken, dass der etwas intensiver berichtet wird. Aber vielleicht ist das dann auch peinlich für das Ansehen des Journalismus, in dem einen oder anderen Fall.“ Der „FAZ“ - Korrespondent war einer der wenigen Journalisten, der bei Foertschs brisanter Aussage dabei war.

Gegen journalistischen Ehrenkodex verstoßen

Peter Carstens, Parlamentskorrespondent „FAZ“: „Journalisten haben gegen ihren journalistischen Ehrenkodex sozusagen verstoßen, in dem Augenblick, in dem sie über Kollegen geredet und Wissen aus anderen Redaktionen an den „BND“ herangetragen haben.“ Wissen liefern an den „Bundesnachrichtendienst“. Über dieses Doppelspiel mancher Journalisten hat die Branche kaum diskutiert. Obwohl mittlerweile bekannt ist, wie niederträchtig diese Journalisten agierten. Peter Carstens, Parlamentskorrespondent „FAZ“: „Die Motive der Journalisten sind Geltungsbedürfnis, Mitteilungsbedürfnis, vereinzelt rein finanzielle Interessen. Es gibt auch noch das Motiv, das man Kollegen aktiv schaden möchte. Also es gibt einzelne Vorkommnisse oder Fälle in diesem Komplex, wo Journalisten oder sogenannte Journalisten später sogar zugegeben haben, dass sie beim „Bundesnachrichtendienst“ deswegen so ausführlich über den und den Kollegen geredet haben, weil sie ihn verachteten.“

Vertrauen in Journalistenstand geschädigt

Es sind nicht nur ehemalige und aktuelle „Focus“ - Mitarbeiter, die einiges zu erklären hätten, aber lieber schweigen. Wie auch andere, die das Ansehen eines ganzes Berufstands in Verruf bringen. Hans-Christian Ströbele, Die Grünen: „Der Hauptschaden ist angerichtet worden und der wichtigste Teil des Skandals ist, dass das Vertrauen in die Integrität, in die Unabhängigkeit des Journalistenstandes geschädigt worden ist.“ Michael Hartmann, SPD: „Es gibt einen Ehrenkodex des Journalismusses, der klar sagt, dass man nicht nachrichtendienstlich arbeitet. Das haben aber manche getan, teilweise aus Eitelkeit und Geltungsbedürfnis. Teilweise auch deshalb, weil man auch hoffte, selbst Informationen zu bekommen. Auf jeden Fall, wurde da für das journalistische Selbstverständnis, so wie ich es kenne, eine rote Linie bei weitem überschritten.“ Max Stadler, FDP: „Die Frage, wie es sich mit journalistischem Ethos verträgt, wenn einzelne Journalisten mit dem „BND“ eng kooperiert haben, muss meiner Meinung nach, von der journalistischen Zunft selber geklärt werden.“ Politiker appellieren an den Anstand von Journalisten. Denn nicht alle Journalisten scheinen zu wissen, was eigentlich selbstverständlich ist. Peter Carstens, Parlamentskorrespondenz: „Na der Pressekodex regelt das ja ganz einfach, also die Berufsehre von Journalisten besagt, dass man nicht zugleich für Nachrichtendienste arbeitet. Ende der Diskussion.

 Abmoderation:

Journalisten und der „BND“ - darüber haben wir ja schon häufiger berichtet. In unserem Archiv unter www.ndr.de/zapp können sie sich alle früheren Beiträge gerne noch einmal ansehen.

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Von Boulevardschlachten über Rosenkriege bis hin zu den Image-Kampagnen der Polit-Szene - Zapp blickt hinter die Kulissen der Medienwelt.

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Video
BND-Untersuchungsausschuss © dpa
25.02.2009

Datenlecks im BND. Um sie zu finden, suchte der Bundesnachrichtendienst Kontakte zu Journalisten.

Länge: 07:28 Minuten

Weitere Informationen

Die BND-Informationen zum Irak-Einsatz

18.01.2006 23:00

Zapp Beitrag vom 18.01.2006

Übertriebene Aufregung - Die Ermittlungsverfahren gegen Journalisten

22.08.2007 23:00

Zapp-Beitrag vom 22.08.2007

Internet-Links

Hintergrund bei Phoenix online vom 20.02.2009