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Islam

Der neue Kandidat im Iran

Alireza Nader

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2009-03-23

WASHINGTON, DC – Der Präsidentschaftswahlkampf im Iran ist gerade interessanter geworden, denn der ehemalige Premierminister Mir Hussein Mussawi steigt in den Ring, während der ehemalige Präsident Mohammad Chatami das Handtuch wirft. Diese Entwicklung stellt die bislang größte Herausforderung für den derzeitigen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad dar – und eine potenzielle Gelegenheit, die Beziehung zwischen dem Iran und dem Westen zu verändern.

Von Mussawi, der findet, dass der Iran „schlecht in Form“ sei, nehmen viele Mitglieder der iranischen Elite an, er besäße die revolutionären und ideologischen Voraussetzungen, um gegen islamistische Fundamentalisten wie Ahmadinedschad anzutreten. Gleichzeitig wird er mit iranischen Reformern in Verbindung gebracht, die glauben, der Iran müsse große innen- wie außenpolitische Änderungen vornehmen, um seiner Wirtschaftskrise und der internationalen Isolation zu entkommen.

Eine Präsidentschaft Mussawis könnte zu einer Außenpolitik führen, die eine Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten und der Europäischen Union in mehreren Fragen einschließt, darunter auch das iranische Atomprogramm. Jedoch wird Mussawi in den Monaten bis zur Wahl am 12. Juni viele Hindernisse überwinden müssen, und dies wird ihm nur gelingen, wenn der Oberste Rechtsgelehrte Ajatollah Ali Chamenei es zulässt.

Mussawi war ein wichtiger Bestandteil der Revolutionsbewegung, die den Schah 1979 stürzte. Als Premierminister von 1981 bis 1989 wurde ihm angerechnet, den Iran durch die Krisen der frühen revolutionären Zeit und den Iran-Irak-Krieg gesteuert zu haben.

Dem allgemein als fähigen Technokraten angesehenen Mussawi gelang es oft, einen Weg durch das komplizierte ökonomische und politische Labyrinth des Irans zu finden. Er schien seine aktive Rolle in der Politik aufgegeben zu haben, nachdem sein Amt 1989 abgeschafft wurde. Doch jetzt ist er scheinbar wieder aufgetaucht, wie ein persischer Cincinnatus, um dem Iran in seiner Stunde der Not zu helfen.

Der Iran steht unter Ahmadinedschad vor der schlimmsten Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten. Durch Inflation, Arbeitslosigkeit, Sanktionen und fallende Ölpreise hat sich ein gewaltiges Unwetter zusammengebraut, das die Stabilität des Regimes bedroht. Dennoch trauen die Öffentlichkeit und der kleine Kreis der Elite den Präsidentschaftskandidaten zu, die Zustände im Iran zu verbessern.

Ahmadinedschad erhält weiterhin einige Unterstützung von den armen und ländlichen Schichten, doch wird er von einem Großteil der herrschenden Klasse, selbst innerhalb seines eigenen politischen Lagers, mit Geringschätzung betrachtet. Seine wirtschaftlichen Fehler haben deutlich gemacht, dass ein gemäßigterer und fähigerer Präsident gebraucht wird.

Unterdessen wird der ehemalige Präsident Chatami von den Fundamentalisten und den höchsten Tieren der Revolutionären Garden verunglimpft, die seine Reformagenda während seiner Amtszeit als Präsident wiederholt behindert haben. Ein vor Kurzem veröffentlichter Kommentar in der rechten Zeitung Kayhan, die eng mit Chamenei verbunden wird, warnte Chatami, er solle verhindern, dass ihn dasselbe Schicksal wie die ermordete Benazir Bhutto in Pakistan ereile. Es überrascht nicht, dass er seine Kandidatur zurückzog, wodurch Mussawi, ein Technokrat und Revolutionär, als einziger aussichtsreicher Herausforderer Ahmadinedschads übrigblieb.

Doch kommt es im Iran nicht leicht zu Veränderungen. Der Oberste Rechtsgelehrte Ajatollah Ali Chamenei misstraut Mussawi, der während Chameneis Präsidentschaft in den 80er Jahren als Premierminister diente. Die beiden waren bei der Wirtschafts-, Sozial- und Religionspolitik häufig uneins. Dagegen war Ahmadinedschad Chamenei gegenüber loyal und ist seiner Politik in den letzten vier Jahren weitestgehend gefolgt. In Chameneis Augen war es Ahmadinedschad, der Chameneis reformistische Gegner in Schach gehalten und Präsident George W. Bushs Versuch, den Iran und Nahen Osten zu „dominieren“, abgewehrt hat.

Eine empfundene Veränderung des amerikanischen „Verhaltens“ unter der Regierung Obama könnte Chameneis Unterstützung für, oder zumindest seine Einwilligung in, einen Wahlsieg Mussawis erleichtern. Chamenei ist zwar grundsätzlich gegen vollständige Beziehungen zwischen den USA und dem Iran, aber ein neuer iranischer Präsident könnte u. U. einen Vorwand für eine eingeschränkte Einigung liefern, u. a. vielleicht an der atomaren Front. Eine Entspannung zwischen den USA und dem Iran in den nächsten Monaten, selbst wenn sie nicht von realen Fortschritten in der Beziehung begleitet wird, könnte die Aussichten auf ein gerechteres, weniger manipuliertes Wahlergebnis erhöhen.

Mussawi sollte man im Auge behalten. Doch wie immer sind Wahlen im Iran weder vorhersehbar noch transparent. Die beherrschenden Akteure – Chamenei und die Revolutionsgarden – werden weiterhin einen potenziell entscheidenden Einfluss ausüben.

Alireza Nader ist Analyst bei der RAND Corporation, einer gemeinnützigen Einrichtung, die durch Forschung und Analyse zur Verbesserung von Politik und Entscheidungsfindung beiträgt.

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