Nr. 31/08, 25. Juli 2008

Wurde Rudolf Heß ermordet?

Sein Pfleger bricht das Schweigen


Abdallah Melaouhi (geb. 1942 in Srai-Haidra, Tunesien) kam 1966 als Diplom-Kaufmann nach Deutschland. Nach erster Berufstätigkeit in Hamburg absolvierte er eine Ausbildung zum Krankenpfleger und eine Weiterbildung in der Fachrichtung Anästhesie. Von 1982 bis zum Tod von Rudolf Heß im Jahre 1987 war er im Gefängnis Spandau als Pfleger tätig und wirkte danach bis zu seinem Renteneintritt 2002 im Krankenhaus Spandau. Melaouhi ist Mitglied des Migrationsbeirates Berlin-Brandenburg und des Migrations- und Integrationsbeirates Berlin-Spandau, sowie Leiter der Tunesischen Vereinigung e.V.
Über die letzten fünf Lebensjahre von Rudolf Heß (1894–1987) im „Kriegsverbrechergefängnis Spandau“ und seinen angeblichen Selbstmord berichtet sein Pfleger Abdallah Melaouhi in dem Buch „Ich sah den Mördern in die Augen – Die letzten Jahre und der Tod von Rudolf Heß“. Heß war der in der NSDAP-Hierarchie einflusslose „Stellvertreter des Führers“. Weltbekannt wurde er durch seinen Flug und Fallschirmabsprung über Schottland am 10. Mai 1941 und die anschließende lebenslange Haft. Für die National-Zeitung hat Erhard Düvel den gebürtigen Tunesier Abdallah Melaouhi kurz vor seiner Abberufung aus dem bezirklichen Migrations- und Integrationsbeirat am 22. Juli befragt.

National-Zeitung: Herr Melaouhi, in Kürze wird Ihr Buch über die letzten Jahre von Rudolf Heß veröffentlicht. Warum brechen Sie Ihr Schweigen?
Abdallah Melaouhi: Nach dem Tod von Rudolf Heß nutzte ich jede Gelegenheit, meine Zweifel an der offiziellen Selbstmordversion zu äußern. Während sich hier in Deutschland aber niemand für meine Beobachtungen interessierte, baten mich ausländische Rundfunkanstalten wie BBC und CBS oder die Wochenzeitung „Jeune Afrique“ in Paris um Interviews. Darin habe ich wiederholt erklärt, warum ich es ausschließe, dass Rudolf Heß sich selbst das Leben genommen hat. In Berlin legte ich vor einem deutschen Notar eine eidesstattliche Erklärung zu den Vorgängen ab und machte so klar, dass ich zu meiner Meinung stehe, mit allen Konsequenzen, die sich hieraus ergeben können. Wegen eines Verfahrens, das Rudolf Heß’ Sohn Wolf-Rüdiger in den USA anstrebte, habe ich mich danach über viele Jahre nicht mehr geäußert. Ich wollte vermeiden, dass meine Äußerungen die Wahrheitsfindung dort gefährden. Mittlerweile ist Wolf-Rüdiger Heß aber verstorben und ich möchte als letzter lebender Zeuge nochmals meinen Zeigefinger erheben.

„Man versucht, mich aus dem Migrationsrat zu drängen“

National-Zeitung: Welchen Belastungen waren Sie in der unmittelbaren Zeit nach Rudolf Heß’ Tod ausgesetzt?
Melaouhi: Nach meinem ersten Aufbegehren erhielt ich mehrere Drohanrufe. Außerdem war ich in einen schweren Autounfall verwickelt, der beinahe tödlich ausgegangen wäre. Ich bin nach wie vor der Meinung, dass dieser Unfall provoziert und gewollt war. Danach hatte ich Ruhe. Erst jetzt – nachdem das Erscheinen meines Buches und meine Vorträge hierzu bekannt wurden – bekomme ich wieder Schwierigkeiten. So versucht man derzeit, mich aus dem Migrationsrat Berlin-Brandenburg zu drängen, dessen langjähriges Mitglied ich bin. Der Migrations- und Integrationsbeirat Berlin-Spandau hat den Bezirksbürgermeister aufgefordert, mich aus diesem Gremium abzuberufen.

National-Zeitung: Welche Teilnahme haben Sie angesichts solcher Erfahrungen von Familienmitgliedern in Tunesien und Deutschland erfahren?
Melaouhi: Meine Familie will ich da nicht hineinziehen; es reicht, wenn ich Schwierigkeiten bekomme. Aber Sie können sich denken, dass die, die mir nahestehen, sich Sorgen machen.

„Deutsche und Araber haben viel gemeinsam“

National-Zeitung: Wie haben Ihre Erfahrungen als Zeuge um den ungeklärten Tod von Rudolf Heß Ihr späteres Leben geprägt?
Melaouhi: Der Tod von Rudolf Heß machte mich zunächst sehr traurig, die Umstände, wie man ihn der deutschen Öffentlichkeit verkaufte, eher wütend. Im Verlaufe der Jahre hatten Rudolf Heß und ich ein Verhältnis aufgebaut, das von gegenseitigem Vertrauen und Respekt geprägt war. Ich, als sein früherer Krankenpfleger, möchte, unter Ausklammerung jeglicher politischer Werturteile, den Menschen Rudolf Heß charakterisieren, wie ich ihn erlebt habe. Vor allem habe ich es mir aber zur Aufgabe gemacht, Licht ins Dunkel um seinen mysteriösen Tod zu bringen. Klar, dass dies einigen Leuten nicht passt.


Rudolf Heß in seiner Zelle in Nürnberg, 24. November 1945.
National-Zeitung: Wie gestaltet sich Ihr Leben im heutigen Alltag Deutschlands?
Melaouhi: Seit einigen Jahren bin ich Rentner und leite die Tunesische Vereinigung e.V. In dieser Funktion verstehe ich mich als Vermittler zwischen der deutschen und tunesischen Kultur und habe etliche Veranstaltungen mit Unterstützung des Bezirksamtes Spandau organisiert. Für diese Unterstützung bin ich den verantwortlichen Mitarbeitern sehr dankbar. Da ich bereits seit jener Zeit hier lebe, als Deutschland im Ausland Arbeitskräfte anwarb, konnte ich Erfahrungen sammeln, die anderen Menschen, besonders den jüngeren, fehlen. Ich weiß, dass die arabische und deutsche Kultur viel mehr gemeinsam haben, als die meisten wahrhaben wollen. Selbst unsere Religionen haben ja die gleichen Wurzeln und wir glauben an denselben Gott. So wie ich mich im Falle von Rudolf Heß um Aufklärung und Wahrheitsfindung bemühe, sehe ich es auch als notwendig an, die hier lebenden Ausländer und Deutschen einander näherzubringen und um gegenseitigen Respekt zu werben. Das bezieht auch ein, Provokationen, egal aus welcher Richtung sie kommen, entgegenzuwirken und Problemfelder anzusprechen. Dafür hatte ich bisher im tunesischen Verein, im Migrationsbeirat Berlin-Brandenburg und im Migrations- und Integrationsbeirat Berlin-Spandau eine gute Plattform, die mir jetzt aber wegen meiner Aktivitäten im Falle Heß entzogen werden soll.

Erinnerungen an die Schlacht um Tunesien

National-Zeitung: In Ihrem Buch kommen Sie auch auf die Erinnerungen in Ihrer Familie an die Schlacht um Tunesien während des Zweiten Weltkriegs zu sprechen.
Melaouhi: Ja, ausführlich. Krieg ist immer die schlimmste Methode, Konflikte zu lösen, weil überwiegend Unschuldige mit ihrem Leben die Zeche bezahlen, die andere gemacht haben. Die meisten Menschen in Tunesien sahen aber die Deutschen als Befreier an, die ihnen helfen sollten, die ungeliebten Franzosen loszuwerden. Viele Ältere bewunderten auch den Mut der Deutschen, den sie während der Kämpfe unter Beweis stellten. Hierzu gibt es einige Überlieferungen.

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