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Artikel von Yellow Press

Von Orchideenfächern und Neuanfängen. Zur Lage der Korea- und Regionalstudien in Deutschland

Mascha Petersvon Mascha Peters

Im Oktober 2009 werden in Berlin die ersten Studierenden im Studiengang Koreastudien/Ostasienwissenschaften ihr Masterstudium beginnen.  Bereits seit Oktober 2008 hat sich am Institut für Koreastudien der Freien Universität Berlin eine Menge getan: mit der Besetzung der lange Zeit vakanten Professur durch Prof. Dr. Eun-jeung Lee erhielt der Studiengang eine vollkommen neue, sozialwissenschaftliche Ausrichtung. Das längerfristige Ziel, Koreastudien auf einem qualitativ wie quantitativ ebenbürtigen Niveau neben Japanologie und Sinologie anzusiedeln, wird seit kurzem von der Universität selbst tatkräftig unterstützt. Das war nicht immer so.

Die kurze Geschichte der Koreastudien an der FU Berlin beginnt in den 90er Jahren. Zu dieser Zeit fristete das Fach ein Schattendasein als „Beifach“ der Japanologie und Sinologie und verfügte lediglich über eine eigene Lehrkraft, die zwar den Titel „Lehrkraft für besondere Aufgaben“ verliehen bekam, jedoch in der Realität kaum institutionelle Unterstützung erhielt und sich somit auf Sprachvermittlung konzentrieren musste. Die Koreanistik an der Humboldt-Universität zu Berlin wurde 2002 nicht kampf- , aber am Ende doch ersatzlos gestrichen; es folgten lange Jahre der Selbstfindung – sowohl für die Universitäten und deren Einstellung zu den sogenannten Orchideenfächern, als auch für die jeweiligen Fächer selbst. Nicht, dass es während dieser Zeit an der Freien Universität gar keine Lehrveranstaltungen mit Koreabezug gegeben hätte: ich selbst kann mich an einige Seminare im Ostasiatischen Seminar erinnern, das damals noch in der Pacelliallee angesiedelt war und innerhalb dessen Prof. Dr. Paik Sung-jong die Taegŭkki hoch hielt. 2004 übernahm Dr. Holmer Brochlos die kommissarische Leitung des unter prüfungsrelevanten Gesichtspunkten „kopflosen“ Instituts. Dieser Umstand an sich kann nur als Farce bezeichnet werden und bedeutete nicht zuletzt eine Zumutung für die Studenten – wie jeder bestätigen wird, der schon einmal Sondergenehmigungen von Prüfungsämtern einholen und fachfremd seine Prüfungen ablegen musste.

Koreastudien sind Teil der Regionalstudien. Aufgabe der Regionalstudien ist es, grundlegende Kenntnisse über politische, wirtschaftliche, soziale, kulturelle und sprachliche Entwicklungen in einem definierten geographischen Raum zu erarbeiten. Der besondere Mehrwert von Regionalstudien liegt darin, dass Forschung über die Selbstreferentialität in Europa und Nordamerika hinaus wichtige Impulse erhält. Es geht darum neue Perspektiven einzunehmen, Zusammenhänge anders zu erfassen und Entwicklungen vergleichen zu können. Regionalwissenschaften kommt dabei die Rolle einer Vermittlerin zu, der im eigenen Land für kulturelle Unterschiede sensibilisiert und gleichzeitig einen Wissensaustausch mit Forschern im Zielland fördert. Dass Universitäten ihre Regionalstudien seit einiger Zeit wieder zu schätzen wissen folgt einer Logik, die sich neben politischen Rahmenbedingungen wie 9/11 vor allem auch wirtschaftlichen Konjunkturzyklen verdankt, deren Dynamik allerdings immer wieder Schwankungen ausgesetzt war und wohl auch in Zukunft sein wird.

In der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift „ASIEN“ der Deutschen Gesellschaft für Asienkunde e.V. konstatiert Vincent Houben eine „Neuaufstellung der Regionalstudien in Deutschland“. Derselbe Autor hatte fünf Jahre zuvor in einem Artikel gegen die Marginalisierung der Regionalstudien im allgemeinen und der Südostasienstudien im besonderen angeschrieben – zu jener Zeit also, als in Berlin neben der Koreanistik auch andere vermeintlich „exotische“ Fächer dicht gemacht wurden. Houben bescheinigt der Hochschulpolitik in seinem älteren Artikel eine auffällige Differenz zwischen politischer Rhetorik über die Bedeutung Asiens und der Realität an den deutschen Universitäten und sagt voraus, man werde in absehbarer Zeit wissenschaftlich fundierte Asienkompetenz überteuert aus dem Ausland einkaufen müssen. Dorothea und Jürgen Rüland identifizieren in einem Artikel, der ebenfalls aus dem Jahr 2004 stammt, die geringe Größe der Fächer als Problem, da sie in Zeiten des Sparens hinter den größeren Fächern zurück stünden. Zudem fanden die Autoren heraus, dass die asiatische Wirtschafts- und Finanzkrise von 1997/98 unmittelbare Auswirkungen auf die Wahrnehmung der Relevanz von Asien seitens der Universitäten hatte. Houben nennt daneben weitere externe wie interne Faktoren, die sich negativ auf das Dasein der Regionalwissenschaften auswirkten – allen voran natürlich die deutsche Bildungspolitik im allgemeinen und ihre föderale Struktur im besonderen, die u.a. dazu geführt habe, dass innerhalb der Bundesländer teilweise keine kohärente Hochschulpolitik mehr existierte.

Interessanter wird es, wenn man sich die damalige Diskussion um die Regionalwissenschaften als solche vergegenwärtigt. Insgesamt geht es um eine Standortbestimmung der Regionalstudien, wie sie sich international seit den 1950er Jahren entwickelt haben. Ulrike Freitag erläutert in einem Beitrag aus dem Jahr 2002 die Genese der Regionalwissenschaften als eigenständige Fächer, die sich historisch aus der Beschäftigung mit anderen, vor allem außereuropäischen Kulturen erklärt. Im Zeitalter des Imperialismus wie auch während der Zeit des Eisernen Vorhangs existierte ein dezidiertes politisches Interesse an interdisziplinärer Forschung, die die Entwicklungen in bestimmten Regionen verfolgen und analysieren sollte. 50 Jahre später sahen sich die Regionalwissenschaften dann mit vielfältigen Vorwürfen konfrontiert: Die Dokumentierung und Deskription von Regionalphänomenen habe wenig zur neuer Theoriebildung beigetragen, zu wenig Studenten und Drittmitteleinwerbung sowie eine fehlende Dienstleistungsorientierung trugen auf der anderen Seite zum schlechten Image der Regionalwissenschaften bei.

Die heutige Debatte präsentiert sich anders. Wie Vincent Houben in seinem aktuellen Artikel fest stellt, wird die Relevanz von eigenem, unabhängigen Wissen über Gebiete jenseits von Europa und Nordamerika als strategische Ressource eines Landes derzeit nicht mehr grundlegend in Frage gestellt. Als Zeugnisse dieser neuen Entwicklung können die Empfehlungen des Wissenschaftsrats zur Förderung der Regionalstudien aus dem Jahr 2006 gelten, die ihrerseits die Grundlage für ein Förderprogramm des Bundesministeriums für Bildung und Forschung bildeten, das für den Zeitraum 2009-2013 eine institutionelle Vernetzung von Regionalstudien unterstützen soll.  An der Freien Universität Berlin wurden im Zuge dieser neuen Entwicklungen nicht nur die Koreastudien wieder belebt. 2006 entstand an der FU außerdem das Zentrum für Regionalstudien, das sich als Plattform für den wissenschaftlichen Dialog zwischen disziplinärer und regionalbezogener Forschung versteht und im Rahmen interessanter Veranstaltungen regelmäßig ein breites Publikum zur Diskussion einlädt. Wenn im Jahr 2009 von einer „Neuaufstellung der Regionalstudien“ die Rede ist, so sollte man das wörtlich verstehen: Jetzt, da die Fächer sich überwiegend nicht mehr in ihrer unmittelbaren Existenz bedroht fühlen müssen, geht es um eine inhaltliche Neudefinition. Wie Ulrike Freitag richtig fest stellt, befinden sich Regionalwissenschaftler oft in einem Spannungsfeld zwischen ihrer regionalen Spezialisierung, die in der Regel keine eigene Methodik aufweist, und ihrer methodischen und theoretischen Verortung. Diesen Konflikt durch entsprechende Forschung gezielt zu lösen wird künftig die Aufgabe der Regionalwissenschaften in Deutschland ausmachen.

Mascha Peters, Freie Universität Berlin

http://www.geschkult.fu-berlin.de/e/oas/korea-studien/

Literatur:

Freitag, Ulrike (2002): Perspektiven geisteswissenschaftlicher Forschung, online abrufbar: http://www.zmo.de/Mitarbeiter/Freitag/Perspektiven.htm

Houben, Vincent J.H. (2004): Regionalwissenschaften und Marginalisierung der Südostasienstudien in Deutschland – eine Stellungnahme. In: ASIEN, S. 87-95

Houben, Vincent J.H. (2009): Neuaufstellung der Regionalstudien in Deutschland. In: ASIEN, S. 7-9

Rüland, Dorothea und Jürgen (2004): Schnelles Handeln ist angesagt. In: Hochschulpolitik Aktuell 2, S. 86-87

Dieser Artikel wurde zudem bei unserem Medienpartner  Kyoposhinmun veröffentlicht /www.kyoposhinmun.de

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