Luitpold-Gymnasium München Leistungskurs Kunsterziehung |
Sulamith und Maria oder Italia
und Germania Friedrich Overbeck (1869-1909) gemalt 1828, Größe 94,4 x 104,7 cm, Öl auf Leinwand, Neue Pinakothek, München 2003 von Uli Schuster |
Frauengespräche - soll man sich da
als Mann zurückziehen? Der offene Gestus, mit dem die Mädchen dem
Betrachter Einblick in ihre intime Zwiesprache gewähren, scheint sich
um einen Zuschauer nicht zu kümmern, weil der auch durch keinen Blick
direkt einbezogen wird. Dabei scheint es aber um sehr gefühlsmäßige
Dinge zu gehen. Der gesenkte Blick der Brünetten, die sanft verschlungenen
Hände, die körperliche Nähe der Beiden, das alles wirkt so,
als ob jemand zu trösten ist und sich andererseits ein blonder Engel
gefunden hätte, der Trost und Verständnis zu spenden vermag. So
wie die beiden gekleidet sind, sind sie aus gutem Hause. Da geht es vermutlich
weniger um körperliche Not als um seelische Pein. Vermutlich ist die
Liebe im Spiel und geht es um die, die im Bild nicht gezeigt werden, die
Männer. Die ganze Staffage, edle, aber im Schmuck dezente Gewänder in kräftigen Farben, ein Blick aus erhöhter Position auf eine sich weithin erstreckende Landschaft mit Elementen gotischer und romanischer Architektur verweisen auf ein ritterlich-höfisches Milieu. Dabei haben die Beiden so wenig individelles in ihren Gesichtern, dass man ihnen außer Sanftmut und Innigkeit fast keine anderen Charakterzüge zutrauen möchte. |
Das Bild weicht von einer quadratischen
Fläche nur gering ab und es scheint interessant, dass der Maler diese
Abweichung in der Breite dadurch korrigiert, dass er den Überhang auf
der rechten Bildseite durch einen Pfeiler oder ein Stück Mauer besetzt.
Zieht man die Mauer von der Breite ab, bleibt als Bildfläche ein Quadrat
übrig, dessen Seiten der Bildhöhe entsprechen. Der Körperumriss
der Figurengruppe schmiegt sich, wie bei einigen Bildern von Raffael, ungezwungen
aber doch spürbar einem Dreieck ein, dessen Spitze etwa an der halben
Kantenlänge dieses Quadrats zu finden wäre. Die Basis dieses Dreiecks
lässt sich schwerer ermitteln. Sie liegt aber etwa dort, wo am linken
Bildrand eine Steinplatte die Rückenlehne der Sitzfläche markiert,
auf der die beiden Mädchen Platz genommen haben, und die sie mit ihren
Körpern und Röcken ganz verdecken. Stärker als diese eckige Geometrie empfindet man eine ovale Form, die durch den Bogen der Arme, Schultern und Köpfe gebildet wird. Solche geschmeidigen und runden Bögen wiederholen sich wie ein Leitmotiv in mehreren Varianten, etwa in den Köpfen, Kränzen, Ausschnitten und Oberkörpern der Mädchen. Diese kreisenden Bewegungen wirken in sich geschlossen und ruhend. Die wenigen Geraden des Bildes, der Horizont und der vertikale Pfeiler am rechten Bildrand stellen weniger ein Kontrastprogramm auf für den runden Ruhepol des Bildes, als dass sie ihn rahmen und damit erst ins Zentrum rücken. Eine derartig deutliche und klassische Bildordnung lehnt sich an Kompositionen an, welche die Maler der Renaissance erdacht hatten und die insbesondere in der Romantik wieder bevorzugt herangezogen wurden. |
Der Bildraum erschließt sich über
eine flache Bildbühne, die wie ein architektonischer Rahmen den Vordergrund
mit den beiden Figuren vor ein nur links und rechts neben den Figuren offenes
Bildfenster rückt. Man kann nicht genau sehen, worauf die beiden Mädchen
sitzen, aber es könnte eine steinerne Bank sein, die im Rücken
der Figuren mit einer schmalen Brüstung abschließt. Architektonisch
lässt das an eine Loggia oder einen Balkon denken. Jedenfalls scheint der Sitz auch einen schönen Ausblick über die Landschaft zu gewähren. Dem allerdings drehen die Mädchen den Rücken zu. Er zeigt jedoch dem Betrachter wo sie beheimatet sind: Rechts türmt sich eine Stadt auf in mittelalterlichem Gepräge und mit dem spitzen Turm einer gotischen Kirche, links liegt etwas näher und tiefer ein Gebäudekomplex, vielleicht ein Kloster, an dem sich ein romanischer Glockenturm, eine Fensterrose und Rundbögen ausmachen lassen. Man kann in der Gegenüberstellung von gotischen und romanischen Elementen ein Argument sehen für eine kunstlandschaftliche Sicht auf Germania (gotisch) und Italia (romanisch). Der Hintergrund ist farblich interessant, weil ihn der Maler deutlich in zwei Zonen trennt, eine nähere, die in warmen Brauntönen gehalten ist, und eine fernere, die durch ein kühles Verblauen weit in die Ferne gerückt wird. Sanfte Hügel lassen dort an ein Mittelgebirge denken und Wasser deutet einen See oder die Uferzone eines Meeres an. Menschen oder Tiere sind in dieser Landschaft nicht zu sehen, aber man kann annehmen, dass ganz im Sinn romantischer Landschaften hier Verweise auf die Personen zu suchen sind. Auf Kirche und Kloster wird in der Architektur verwiesen, Stadt und Land könnten als Alternativen gesehen werden, bezeichnen aber auch gemeinsam denkbare Lebensräume, die sich nicht ausschließen oder feindlich gegenüberstehen. Jedes illusionistisch gemalte Bild enthält einen mehr oder weniger versteckten Hinweis auf ein betrachtendes Auge. Der Horizont markiert seine Höhe und verrät uns in diesem Fall einen Blickwinkel aus leichter Untersicht in Bezug auf die Augenhöhe der Mädchen. Das Stück Mauer auf der rechten Bildseite gibt mit den Fugen der Backsteine die Möglichkeit preis, den zentralen Fluchtpunkt dieser Frontalperspektive zu rekonstruieren. Er findet sich etwa dort, wo die beiden Gesichter ein kleines 'Fenster' offen lassen für einen Blick in die Tiefe des Bildraums. |
Kräftige Lokalfarben dominieren den
Vordergrund. Rot, Grün, Gelb, ein fast schwarzes Blau und Weiß
sind hier die Hauptfarben. Der Mittelgrund zieht sich in einem warmen Braunton
vornehm zurück während die Ferne in blassblauen Tönen entrückt.
Die Quantitäten sind nicht ganz leicht zu bestimmen, aber Rot und Brauntöne
beherrschen das Bild und treten deutlich in den Vordergrund, während
sich Blau nur an wenigen Stellen kräftig und deutlich zeigt, zum Beispiel
am Schulterband der Germania. Gelb hat im Innenfutter von Marias Jacke den
stärksten Ton, kommt aber in den Haaren und den Hauttönen in sanften
Abtönungen mit Rot und Orange vor. Das Weiß an den Hemden beider
Mädchen ist deutlich als Farbe bestimmt und findet sich im Himmel und
in den Hauttönen der Mädchen als Grundton. Durch Farbseparation
lassen sich Farbauszüge herstellen, an denen sichtbar wird, wo die Haupttöne
im Bild vorkommen und welchen Flächenanteil sie belegen. Während im Vordergrund scharfe Umrisse die Farbflächen klar abgrenzen, sind die Umrisse im Hintergrund nur noch schwach wahrnehmbar. Helle und dunkle Töne liegen im Vordergrund stark kontrastierend nebeneinander, ein weißer Ärmel steht vor einem nahezu schwarzen Rock. Im Hintergrund sind die Unterschiede zwischen helleren und dunkleren Tönen nur noch schwach sichtbar. Die Malweise ist in einem hohen Maß glatt und hinterlässt keine sichtbaren Spuren der Pinselführung oder des Farbauftrags. Farbe ist als Malmaterial, Leinwand als Bildgrund nicht wahrnehmbar. Die Farbübergänge, Verläufe sind fließend und weich, sowohl dort, wo das Gewand Falten bildet, als auch in den Gesichtern oder an den Händen. |
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Der ursprüngliche Bildtitel benennt
die beiden Mädchen mit Sulamith und Maria. Das liefert für die
Interpretation deutliche Hinweise auf bestimmte Frauengestalten für
die es einen literarischen Hintergrund gibt. Auch die spätere Benennung
mit "Germania und Italia" gibt der Interpretation eine mögliche Richtung.
Neben den Gewändern und der Architektur, die vom Stil her auf historische
Epochen weisen liefern die Haarkränze deutliche Hinweise für die
Interpretation der Szene. Sulamith trägt einen Kranz aus Lorbeer während
Maria einen Kranz aus Myrthe um ihr Haupt gewunden hat. Beide Pflanzen tragen
mythologische Bedeutungen. Die Hinweise aus Architektur und Landschaft sind
oben bereits angesprochen worden.
Wer ist Maria? Wer ist Sulamith?
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hier folgt noch etwas - versprochen! |
Literatur, Quellen |