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die nachtkritik

Hier können Sie werktags ab neun Uhr früh aktuelle Kritiken lesen, am Wochenende ab zehn. Das Datum ist jeweils das der Premiere. Ältere Kritiken finden Sie im Archiv.

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Zürich, 11. März 2010. Die Geschlechter sind in höchster Verwirrung. Jeder steckt in der falschen Haut. Komplizierte, unauflösbar scheinende Dreiecksbeziehungen. Aber wenns richtig vergnüglich werden soll, brauchts schon auch eine dolle Besetzung. Die hat Barbara Frey in Zürich und schickt Nina Hoss, Caroline Peters, Michael Maertens, Robert Hunger-Bühler & Co in die Verwicklungskomödie Was ihr wollt. Beat Mazenauer berichtet.

Leipzig, 11. März 2010. In Wien, im "Begräbnis", ist Helge schon unter der Erde. In Leipzig feiert er noch seinen 60. Geburtstag: Das Fest. Mit seinem Film setzte Thomas Vinterberg Dogma 95 als erster in die Praxis um. Danach eroberte das Drehbuch auch die Bühnen. Nun hatte Martina Eitner-Acheampongs Inszenierung am Centraltheater Premiere. Janina Fleischer war beeindruckt.

Stuttgart, 11. März 2010. Stäffele to heaven ist ja nix anderes als die olle Stairway ins Himmelszelt, vulgo die Lie-hie-be. Doch das ganze Theater über diese Leiter in den Himmel zu wuchten, ist keine ganz leichte Aufgabe, wie Verena Großkreutz gestern in Stuttgart festgestellt hat.

Berlin, 10. März 2010.
Der französische Dramatiker Bernard-Marie Koltès, vor zwanzig Jahren an Aids gestorben, erlebt zur Zeit eine Renaissance. Vor allem wohl wegen der verklären Außenseiterfiguren, die seine Stücke bevölkern. Nach Andrea Breth vergangenen Monat in Wien hat jetzt an der Berliner Volksbühne Werner Schroeter Quai West inszeniert. Hartmut Krug war nicht unzufrieden.

Frankfurt am Main, 9. März 2010. Ein wenig Zirkus steckt ja in allen Inszenierungen von Andreas Kriegenburg. Im Bockenheimer Depot des Schauspiels Frankfurt heißt es nun aber überhaupt und vor allem: Manege frei! Dass es eigentlich um Commedia dell'Arte und Goldonis Diener zweier Herren ging, konnnte man dabei glatt vergessen. Shirin Sojitrawalla hat nichts vermisst.

Frankfurt am Main, 8. März 2010. Dass, wer jung ist und am Theater was werden will, produziert, was das Zeug hält, ist schon okay. Tatsächlich ist der 27-jährige Hallenser Stephan Seidel dabei inzwischen auf so etwas wie einem eigenen Weg. In seinem Stück Das letzte Hochhaus schürft er zwar nicht allzu tief, fördert aber schon Vieldeutiges zutage, berichtet Marcus Hladek.

Wien, 6. März 2010. Dogma 95 – mein Gott, wie lange ist das her? Mit einem Manifest mischten vor gefühlten 30 Jahren ein paar dänische Regisseure die Filmwelt auf, und Thomas Vinterberg gab mit dem ersten Dogma-Film "Das Fest" die Fallhöhe vor. Für das Sequel hat Vinterberg nun undogmatisch das Medium gewechselt und am Burgtheater Das Begräbnis angerichtet. Thomas Askan Vierich hatte Augen für vieles, vor allem aber für Martin Wuttke.

Hamburg, 6. März 2010. Der traurige Hans Christian Andersen ist der Nachwelt vor allem als Märchenerfinder in Erinnerung geblieben. In Hamburg hat Stefan Pucher nun einen warholesken Realitätstransformer auf Dauerstrom in ihm entdeckt, den er in seiner Theaterperformance Andersen. Trip zwischen Welten vorgestellt hat. Rudolf Mast ermittelt.

Göttingen, 6. März 2010. Die junge Regisseurin Alice Buddeberg hat am Deutschen Theater Göttingen Kabale und Liebe von Roland Barthes – von wem? – na gut, von Schiller inszeniert; die männliche Hauptrolle des Hofmarschall von Kalb – Kalb? Quatsch, der heißt doch Ferdinand! – egal, der Held jedenfalls dieses spätstrukturalistischen Dramas – wie bitte? Spätstrukturalismus? Was soll der Unsinn? Es langt! André Mumot, geben Sie Aufklärung!

Berlin, 6. März 2010. Metzelnde Abfallprodukte aus der venezulanischen Miss-World-Produktion, von Emotions-Viren gebeutelte Roboterinnen – sie gehören zum Personal von Rafael Spregelburds Stück Die Paranoia, Teil sechs seines dramatischen Sieben-Todsünden-Zyklus, der, von ihm selbst inszeniert, als Gastspiel bei Festival Internationaler Dramatik (F.I.N.D.) an der Schaubühne zu sehen war. Von den Freuden des Verstehens berichtet Elena Philipp.

Mainz, 5. März 2010. Wir wissen, dass Karl May die fernen Länder, die er in seinen Romanen beschrieb, zuvor nie betreten hat und seine Geschichten eurozentristische Orientfantasmen aus 1001 Nacht sind. Läßt sich von dort eine Linie zu unserer heutigen Sicht auf die arabische Welt ziehen? Eine Frage, der André Rößler in Durch die Wüste am Staatstheater Mainz nachgegangen ist. Mehr von Esther Boldt.

München, 3. März 2010. Ist die Zukunft eine Verlängerung des Heute oder ereignet sie sich in großen Sprüngen? Kommt die Zeitenwende 2012, wenn der Maya-Kalender endet? Ist das der Moment für den Bewusstseinssprung, den "Neuen Menschen"? Derlei Fragen stellen Chris Kondek und Christiane Kühl in ihrem Zukunfts-Sammelsurium Übermorgen ist zweifelhaft // 2012 an den Münchner Kammerspielen. Wohin das führt, weiß Sabine Leucht.

Berlin, 2. März 2010. Deutlichkeit triumphiert in Dämonen, Lars Noréns Beziehungsschlachtdrama von 1984. Thomas Ostermeier an der Berliner Schaubühne aber zeigt – unter anderen mit Brigitte Hobmeier und Lars Eidinger –, dass großartiges Schauspielertheater mit jedem Klischee fertig werden kann. Christian Rakow bewundert eine Inszenierung voll kühler Konzentration.

Dresden, 27. Februar 2010. In E. T. A. Hoffmanns Novelle Der goldene Topf tauchen im Leben des Studenten Anselmus eines Tages Wesen mit Wurzeln in Atlantis auf, jener sagenhaften Stadt, die vor langem untergegangen ist. Wie das biedermeierliche Dresden, in dem die Novelle spielt und wo Sebastian Baumgarten sie jetzt für die Bühne adaptierte. Mehr von Christine Diller.

Bremen, 27. Februar 2010. In der "linken Stadt" im Norden hat Volker Lösch unter Zuhilfenahme von Interviewtexten von Bremer Linken aus Schillers Räubern eine linke Geschichte gemodelt. Andreas Schnell hat die Premiere gesehen.

Bochum, 27. Februar 2010. Zwei Tage lang dauert die Wochenend-Odyssee Europa, veranstaltet von Ruhr 2010 (der Markenname, den sich die europäische Kulturhauptstadt Essen verpasst hat). Zu Fuß, zu Schiff, zu Bus, per Bahn ging es hin und her zwischen Bochum, Moers und Oberhausen, Essen, Mülheim und Dortmund, durch sechs Theater und sechs neue Odysseus-Stücke. Organisiert wurde diese Kunstkarawane vom raumlabor berlin, private Übernachtungsquartiere stellten freundliche Nordrheinländern und Westfalen. Sarah Heppekausen schickt einen Vorbericht.

Berlin, 26. Februar 2010. Eine Erzählung des Arztes und Dramatikers Anton Tschechow liegt dem neuen Theaterabend von Dimiter Gotscheff am Deutschen Theater zu Grunde. Im Krankenzimmer Nr. 6 begegnet man berühmten Tschechow-Protagonisten, wie Christian Rakow von einer ersten Visite berichtet.

Wien, 26. Februar 2010. Vom weiten Feld der Liebe handelt Sibylle Bergs neues Stück, das sie Nur Nachts genannt hat. Niklaus Helbling hat im Akademietheater die Uraufführung inszeniert – ein Berg-Werk des Auf- und Umbruchs, das Stefan Bläske gesehen hat.

Berlin, 25. Februar 2010.
Immer mehr hüllt sich Frank Castorf derzeit in die Fahnen des Jakob Michael Reinhold Lenz. Die Soldaten sind Castorfs dritter Lenz in zwei Jahren, nach der "Lenz"-Oper von Wolfgang Rihm und dem "Hofmeister" jüngst in Zürich. In der Volksbühne saß Esther Slevogt auf dem Seesack.

Hamburg, 25. Februar 2010. Der Vorhang hebt sich. La Rois hadert mit der Liebe zwischen einem Einzelwesen und dem Kollektiv, vage orientiert an Christa Winsloes Mädchen in Uniform. Bei dem neuen Stück eines René Pollesch in Höchstform war André Mumot im Hamburger Deutschen Schauspielhaus.

Wien, 25. Februar 2010. Er war der größte Raunzer und Nuschler deutscher Zunge und trennte sich von seiner jüdischen Frau, um unter den Nazis weiter Karriere zu machen: Hans Moser. Franzobel hat ihm ein groteskes Gedenkblatt verfasst. Bei der Premiere im Wiener Theater in der Josefstadt war Thomas Askan Vierich.

Jena, 25. Februar 2010. "Dieser ganze Lebenshunger ist nur ein Loch im Magen", heißt es in Thomas Melles neuem Stück Das Herz ist ein lausiger Stricher. Zu füllen versuchen es trotzdem alle - mit Meskalin, Lidl-Milch, einem Kind, mit einem Mord. Jördis Bachmann hat sich die Uraufführung im Theaterhaus Jena angeschaut.

Berlin, 25. Februar 2010. Drei She She Pop-Performerinnen holen ihre Väter auf die Bühne: um Lear nachzustellen, allerdings ohne Mord und Totschlag. Testament – verspätete Vorbereitungen zum Generationswechsel heißt She She Pops neuer Abend im Hebbel am Ufer. Rudolf Mast war dort.

Dresden, 21. Februar 2010. Nein, nicht sechs Personen suchen einen Autor, fünf Autoren suchen eine Person. Je eine. Das ist das Prinzip, mit dem die Dresdner Bürgerbühne in Alles auf Anfang das wirkliche Leben ins Staatsschauspiel einziehen lässt. Und was für ein wunderbares Theater echte Lebensgeschichten werden können, das erlebte Matthias Schmidt.

Wien, 20. Februar 2010.
Anfangs wollte nichts so richtig glücken, bis Joachim Meyerhoff als Werther zum ersten Mal seine eigene Entfremdung zum Einsatz brachte. Ach diese Lücke, diese entsetzliche Lücke heißt der sechste Teil von Alle Toten fliegen hoch, in dem es um seine Ich-Werdung und seine Lehr- und Wanderjahre als Schauspieler geht. Ein siegreicher Marathonläufer erzählt also von seinen strauchelnden Gehversuchen. Und man hängt ihm an den Lippen. Mehr von Stefan Bläske.

Berlin, 20. Februar 2010. Nicht der Geiz ist geil, sondern das System, das ihn dazu macht. Und in dieser Ideologie des Immer-billiger-und-immer-mehr-Konsumierens ist der wahre Geizige ein echter Störfaktor, ja, ein Dissident. So jedenfalls lesen am Berliner Maxim Gorki Theater PeterLicht und Jan Bosse Molières Komödie Der Geizige neu. Zu Anne Peters Vergnügen.

Nürnberg, 20. Februar 2010. Die Bespielung der Nürnberger Kongresshalle, während der Sanierung des Theater das Ausweichquartier auf dem Reichsparteitagsgelände, begann mit Brechts "Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui" und endet mit einem anderen Gauner: Richard III., inszeniert von Christoph Mehler. Nichts für Unschuldslämmer, so Georg Kasch.


Magdeburg, 20. Februar 2010. Zwei abgestürzte Männer ohne Erinnerung, ein Mord und ein Regenschirm. Mehr braucht es nicht, um den Aberwitz von Eugène Labiches rasender Komödie Die Affäre in der Rue Lourcine in Gang zu setzen. In Magdeburg hat sich nun the Master of the Aberwitz Herbert Fritsch mit dem Fall befasst. Den Ute Grundmann begutachtet hat.

Stuttgart, 19. Februar 2010. Die standardisierten Vorstellungen von Welthaltigkeit in den Dramaturgieetagen produzieren eher weltlose, marktförmige Gegenwartsdramatik. Davon weiß auch der Autor in Nis-Momme Stockmanns drittem Stück Kein Schiff wird kommen ein Lied zu singen. Dann bricht in das verordnete Standardthema 'Wende' doch das Echte ein. Mehr über Annette Pullens Uraufführung im Staatstheater Stuttgart weiß Verena Großkreutz.

Berlin, 19. Februar 2010. Jugendliche steinigen ein Baby in einem Kinderwagen zu Tode. Gewalt beherrscht die Köpfe, und doch sollen sich die Zuschauer hier nicht grausen, sondern lernen. Mit Gerettet hat Edward Bond 1965 ein Geburtsstück der englischen Milieudramatik vorgelegt. Wie es Benedict Andrews in der Schaubühne reaktivierte, weiß Simone Kaempf.

Freiburg, 19. Februar 2010. In Astrid Lindgrens berühmtem Kinderbuch Die Brüder Löwenherz heißt das Land Nangijala, in James Camerons Film 'Avatar' Pandora – eine paradiesische Welt jenseits des Irdischen, in der Tod und Körperlichkeit aufgehoben sind und auch Gelähmte wieder laufen, ja, sogar fliegen können. Am Freiburger Theater hat Sandra Strunz aus Lindgrens Stoff eine zeitgenössisch inspirierte 'Gratwanderung mit Schauspielern, Tänzern und Avataren' gemacht. Wie das gelang, sagt Jürgen Reuß.

Berlin, 18. Februar 2010. Drei Pfarrerskinder treten in Hans Henny Jahnns Pastor Ephraim Magnus an, um mit aberwitzigem Unbedingtheitsanspruch, selbstzerfleischender Askese und verquältem Freiheitswillen die Grenzen des Bürgerlichen und des guten Geschmacks weit hinter sich zu lassen. Castorf-Mimin Silvia Rieger inszeniert und spielt dieses Exerzitium an der Volksbühne. Wolfgang Behrens ließ sich auf die Folter spannen.

Tübingen, 18. Februar 2010. Sein Name war Eiger. Eiger Nordwand des Denkens wurde der Professor genannt, dem in Joachim Zelters neuem Stück Professor Lear Sprache, Zeit und Orientierung verloren gehen. Ob es gelingt, den Verfall eines Geistesriesen in Walter Jens' Heimatstadt Tübingen glaubhaft auf die Bühne zu bringen, weiß Verena Großkreutz.


Paris, 13. Februar 2010. Liegt die Hoffnung in Krisenzeiten einfach besonders weit entfernt? Schiffsgeschichten, Robinsonaden sind auf dem Theater jedenfalls im Kommen. Jetzt erzählt die große französische Theatermagierin Ariane Mnouchkine mit ihrem Théâtre du Soleil in Les Naufragés du Fol Espoir (Aurores) nach einem Roman von Jules Vernes von den "Gestrandeten der Verrückten Hoffnung", die in Patagonien an einer neuen Gesellschaft bauen. Andreas Klaeui ging mit auf Reisen und ließ sich berauschen.

Frankfurt am Main, 13. Februar 2010. Interessant! Hanna Rudolph rudert in ihrer Inszenierung von Gerhart Hauptmanns Einsame Menschen zurück, gen Aufwertung alter Werte. Die Entschiedenheit, mit der sie dies tut, weiß Marcus Hladek zu schätzen.

Göttingen, 13. Februar 2010. Die Welt ist schlecht. Und wir, kaum den Plüschtieren entwöhnt, müssen tatenlos zusehen, wie unseren Teddies nun die Beine ausgerissen werden. Zorn heißt ein Stück der jungen Dramatikerin Nino Haratischwili, das sich mit derartigen Verhältnissen befasst und nun von Felix Rothenhäusler an Göttingens Deutschem Theater inszeniert wurde. Mehr von André Mumot.

Darmstadt, 13. Februar 2010. Zwei elisabethanische Giganten tanzen ums goldene Kalb. Wie der Vergleich zwischen Shakespeare und seinem Konkurrenten Ben Jonson an dem Darmstädter Doppelabend Volpone / Timon von Athen ausging, weiß Harald Raab.

Oldenburg, 13. Februar 2010. Gott ist nicht tot! Nein, er hat sich nur in ein unwirtliches Nest an der schottischen Küste zurückgezogen, wo er aber statt Trost eher Verheerung stiftet. Jedenfalls in Lars von Triers Film Breaking the Waves, den Anna Bergmann nun in Oldenburg für das Theater adaptierte. Wovon Tim Schomacker berichtet.


Leipzig, 12. Februar 2010. Nicht der leere Magen, sondern der Seelenhunger hat den norwegischen Modernisten Knut Hamsun in seinem 1890 erschienen Roman Hunger umgetrieben. Jetzt packt die junge Regisseurin Pernille Skaansar diese Existenzqualprosa mithilfe des neuesten Dogmas des Leipziger Performertheaters in der Nebenspielstätte des Centraltheaters Skala an. Ralph Gambihler weiß, wie es gelang.

Basel, 12. Februar 2010. In Mainz war Shakespeares Edelschurke Richard III. jüngst noch als Frau besetzt. In Basel kommt nun der ehemalige Forsythe-Mitarbeiter Michael Simon wieder auf den klassischen männlichen Titelpart zurück. Und dennoch ist es auch bei ihm ein Stück der starken Frauen, sagt Charles Linsmayer.

Wuppertal, 12. Februar 2010. "Leer" lässt Marcus Lobbes in fluoreszierenden Lettern über die Bühne des Schauspielhauses Wuppertal schreiben, wo er jetzt Shakespeares Königsdrama König Lear inszenierte. Was sonst noch geschah, weiß Regine Müller.

München, 11. Februar 2010. "Wir führen Krieg gegen die Verhältnisse, Baby!" Coole Sätze wie der gehörten im Film der sechziger Jahre unbedingt dazu, wenn Outlaws wie Bonnie und Clyde auf der Leinwand die moralischen Biedermann-Schurken des Kapitalismus bekämpften und dafür mit dem Leben bezahlten. Barbara Weber hat das mythische Verbrecherpärchen jetzt in München auf die Bühne geholt. Petra Hallmayer hat die Chose gesehen.

Graz, 11. Februar 2010. Peter Simonischek im Krankenhaus, mit Pyjama als Büßerhemd, fehlt eigentlich nur noch der Auftritt von Glauben und Guten Werken. Aber er, der in Imperium, inszeniert vom österreichischen Filmemacher Götz Spielmann, nicht mehr Herr der Lage ist, ist hier natürlich gar nicht der Jedermann ist. Oder doch? Reinhard Kriechbaum weiß mehr.

Berlin, 11. Februar 2010. Vor fünf Jahren startete Dirk Laucke seine Autoren-Laufbahn am Kinder- und Jugendtheater Grips am Berliner Hansaplatz. Jetzt ist er zurück mit einem Auftragswerk. Die Premiere von Stress! – Der Rest ist Leben hat Elena Philipp gesehen.

Wien, 11. Februar 2010. Vor drei Jahren gewann Ivana Müller den Preis des Festivals des freien Theaters Impulse. Spätestens seitdem ist die kroatische Tänzer-Performerin eine feste Größe im europäischen Koproduktions-Rumreise-Zirkus des nicht ortsgebundenen Theaterwesens. Im Wiener Produktionshaus brut hat Müller jetzt Working Titles, ein Stück für Puppen, Baumwolle und Schauspieler vorgestellt, Thomas Askan Vierich war dabei. 

Frankfurt/Main, 11. Februar 2010. Antony Rizzi, einst Tänzer bei William Forsythe, ist Choreograf, Schauspieler, Radio DJ, Filmemacher. Ein umtriebiger Künstler mit recht eigenem Humor, der sich in der Performance Monkey on the table am Mousonturm unter anderem mit Francis Bacon beschäftigt. Esther Boldt weiß mehr.

Berlin, 10. Februar 2010. Unter den zeitgenössischen Chormeistern des deutschsprachigen Theaterwesens ist er einer der anerkanntesten: Jetzt hat Ulrich Rasche im Bröckelpalast der freien Szene Berlins eine der schmelzendsten Mozart-Opera für sechs Mikrophone, sechs Hocker und einen Entführungsfall eingerichtet. Auf einem lehnenlosen Sitz folgte Wolfgang Behrens dem Geschehen dennoch interessiert.

Bochum, 9. Februar 2010. Michael Lippold, ein Schauspieler vom Schauspielhaus, ist mit einigen Kollegen ein paar Ecken weiter und in die Rottstraße 5 gegangen und hat Philip Ridleys Disneykiller quasi als Garagenstück inszeniert: Low-Tech, lustig – und vielleicht ein wenig lapidar. Sarah Heppekausen war bei der Premiere und saß dort in Hörweite der ehemaligen Nokia-Bahn.

Zürich, 9. Februar 2010. Mit seinem Film Week-End markierte Jean-Luc Godard 1968 das Ende vom Erzählkino. Am Neumarkt und unter der Regie von Robert Lehniger wird aus der Gesellschaftsgroteske mit grausigem Ende ein sattes Stück Unterhaltungstheater. Felizitas Ammann berichtet.

Berlin, 8. Februar 2010. "Dieses Stück muss nichts müssen", schreibt Oliver Kluck im Prolog zu Das Prinzip Meese. Aber es will viel: betrachtet, wie die Verwirrung eines Verwirrten als Kunst gefeiert wird. Leistet im Sinne Thomas Manns seinen Zeitdienst. Die Uraufführung von Antú Romero Nunes im Studio des Maxim Gorki Theater will tatsächlich nichts müssen und verleiht dem Kunstsinn lässige Unverbindlichkeit, lobt Dirk Pilz.

Wien, 6. Februar 2010. Danke, Andrea Breth, sagt Reinhard Kriechbaum. Denn Bernard-Marie Koltès' Drama Quai West ist das Stück der Stunde. Und wie real, zugleich aber dunkel es am Burgtheater ausschaut!

Zürich, 6. Februar 2010.
Schwieriges Stück, diese Alkestis von Euripides. Hörbar nicht von heute, fremd in vielem – und doch ziemlich aktuell. Zumindest dann, wenn man es wie Karin Henkel in Zürich inszeniert. Findet Beat Mazenauer.

Chemnitz, 6. Februar 2010.
Das globalisierte Lebensgefühl ist ein weites Feld. Weit, wie das Meer und schwer zu durchmessen. Fracht (Nautisches Denken I-IV) hat Ulrike Syha ihr neues Stück genannt, das Dieter Boyer in Chemnitz uraufgeführt hat. Wovon Hartmut Krug berichtet.

Frankfurt, 6. Februar 2010.
"Cry, Baby, cry", sangen 1968 Die Beatles auf ihrem Weißen Album. "Schrei, Baby, schrei!" hört sich das nun im Schauspiel Frankfurt an, wo Roland Schimmelpfennig die Texte für Florian Fiedler übersetzte. Im roten Plüschsessel übte sich Esther Boldt in heiterem Liederraten.

Berlin, 5. Februar 2010.
Reiches Söhnchen liebt Mittelschichtskind, was aus Sicht des machtbewußten Vaters den Elitestatus der Family gefährdet, weshalb akuter Korruptionsbedarf besteht. So in etwa hat Stephan Kimmig am Deutschen Theater Friedrich Schillers anklagendes Drama Kabale und Liebe ins Heute übersetzt. Was sonst noch geschah, weiß Nikolaus Merck.

Lübeck, 4. Februar 2010. Wenn ein ehemaliger Derivate-Händler nach Brasilien abhaut, in einer Bruchbude landet, mit einer Putzfrau anbändelt, was ist das dann? Ein Stück zur Finanzkrise hat das Theater Lübeck mit Michael Wallners Auftragswerk Flying down to Rio angekündigt. Michael Laages fuhr nach Lübeck und sagt: Pech, drauf reingefallen.

Berlin, 4. Februar 2010. Revolution now! heißt der neue Abend des deutsch-britischen Performerkollektivs Gob Squad. "Not yet" prangt allerdings erstmal auf dem riesigen Videoscreen in der Volksbühne. Denn die revolutionären Massen sind dem Theater abhanden gekommen, das Volk muss für die umstürzlerischen Ideen erstmal gewonnen, die Revolutionärin auf der Straße gecastet werden. Eine saubere Sache, findet Christian Rakow.

Bruchsal, 4. Februar 2010. Ambitionierte Projekte allerorten: Die Badische Landesbühne in Bruchsal hat sich mit dem deutschen Theater Temesvar zusammengetan, um Goethes "Faust" mit der Fassung von Nikolaus Lenau zu kreuzen: Goethe Lenau Faust. Sibylle Orgeldinger berichtet.

Mainz, 3. Februar 2010. Am Anfang sind sie alle noch sauber, die Spieler in Matthias Fontheims Inszenierung von Shakespeares Mord- und Intrigendrama Richard III. Aber davon kann keine Rede mehr sein, sobald das Stück begonnen hat, wie Shirin Sojitrawalla berichtet.

Hamburg, 3. Februar 2010. Eine kultige Hotelbar in unmittelbarer Nachbarschaft des Deutschen Schauspielhauses hat Dominique Schnizer für seine Theaterserie Spiel's noch einmal Sam - Jetzt live und in Farbe auserkoren, die Michael Curtiz' Film Casablanca in insgesamt sieben Folgen nacherzählt. Teil eins hatte jetzt mit Bela B. von den Ärzten Premiere. Katrin Ullmann sagt, ob es der Beginn einer wunderbaren Freundschaft war.

Berlin, 31. Januar 2010. Anne Tismer hat zwischen Richard II, Nora und Lulu so ziemlich alle großen Theaterrollen gespielt, wurde mit Preisen und Lob überschüttet. Und doch ist sie dem Stadttheatersystem ins freie Schaffen entflohen – warum bloß? Auch darüber kann ihr gemeinsam mit Alexis Bug verantworteter Aktions-Abend Hitlerine über Ameisen in Afrika, Ego- und Interpretations-Terror Aufschluss geben. Im Volksbühnen-Prater nimmt Tismer allerlei kolonisierende Amtshandlungen vor und betreibt reinste Unsinnproduktion. Esther Slevogt war zugegen.

Osnabrück, 30. Januar 2010.
Die Stadt hat ein Felix-Nussbaum-Museum, dessen Architekt kein geringerer als Daniel Libeskind ist. Seitdem hat in Osnabrück die Shoah das Gesicht des 1904 geborenen Felix Nussbaum, dessen Werk man zur Schule der Neuen Sachlichkeit zählen kann und der 1944 in Auschwitz ermordet wurde. Am Theater Osnabrück haben Johann Kresnik und Christoph Klimke ein Stück über den Künstler herausgebracht. Das Heiko Ostendorf den Atem raubte.

Berlin, 30. Januar 2010. Was wäre gewesen, wenn man jetzt nicht in dieser blöden blühenden Landschaft säße? Und vor allem: Wer wäre ich geworden, wenn stattdessen alles so weiter gegangen wäre? Fragen, die eine junge Frau in Thomas Freyers neuem Stück Im Rücken die Stadt hat, die zum Geburtstag ihres Großvaters noch einmal ostwärts in ihre Heimat gereist ist. Über Nora Schlockers Uraufführung am Maxim Gorki Theater schreibt Simone Kaempf.

Wiesbaden, 30. Januar 2010. Manche halten ja Kleist für den größeren, weil durchgeknallteren Dramatiker als Schiller und Goethe zusammen. Aber muss denn nun auch sein gerechtigkeitsfanatischer Kohlhaas auf die Bühne gezerrt werden, wie Konstanze Lauterbach es am Staatstheater Wiesbaden tat? Shirin Sojitrawalla meint: Warum nicht?

Frankfurt am Main, 30. Januar 2010. Mit den immer wieder neuen Katastrophen- und Epidemiemeldungen vor Augen scheint ein Stoff wie Albert Camus' Die Pest eine geradezu ewige Aktualität zu besitzen. Martin Kloepfer hat jetzt am Frankfurter Schauspiel eine eigene Bühnenfassung des Romans inszeniert, wovon Marcus Hladek zu berichten weiß.

Dessau, 29. Januar 2010. Hass, Liebe und kettenrauchende Familienväter: Kleists Familiendrama Die Familie Schroffenstein ist ein höchst soapkompatibles Drama, wie Christian Weise festgestellt hat. Folgerichtig hat er es im Anhaltischen Theater Dessau nicht im ritterlichen Schauerambiente sondern im noch schaurigen Milieu eine Plattenbaus in Szene gesetzt. Ute Grundmann zog aus, um das Gruseln zu lernen.

Bremen, 28. Januar 2010. Muss man sich Hamlet als eine Art Dostojewskij'schen Fürst Myschkin vorstellen? Bei Nora Somaini, die Shakespeares Großklassiker jetzt formbewusst für die Bremer Shakespeare Company in Szene gesetzt hat, schon. Andreas Schnell fand diesen komplett entstaubten Hamlet ziemlich spannend.

Berlin, 28. Januar 2010. Gestern hat der Bochumer Intendant Elmar Goerden, eine der am heißesten diskutierten Figuren auf der nachtkritik-Bühne, als Gastspiel am Maxim Gorki Theater Hanglage Meerblick von David Mamet gezeigt. Damit sei Goerden "die überzeugendste Inszenierung seiner Bochumer Zeit" gelungen, so die Nachtkritikerin Ulrike Gondorf im April 2009 – kompakt, dicht, hochbrisant.

Zürich, 28. Januar 2010. Mit Die letzten Tage der Ceausescus hat das Duo Simone Eisenring und Milo Rau den Geheimprozess um das rumänische Diktatorenpaars Elena und Nicola Ceausescu dokumenartheatralisch aufgerollt. Das Ergebnis ist derzeit in der Zürcher Gessnerallee zu sehen. Nikolaus Merck war bereits bei der Berliner Premiere im Dezember zugegen.

Berlin, 28. Januar 2010. In der Vaganten Bühne war gestern Eike Hannemanns Inszenierung Die Reise nach Bernward Vesper zu sehen, entstanden am Theater Erlangen. Die Premiere im Oktober 2008 hatte Georg Kasch als "atmosphärisch dichte, moralinfreie eineinhalb Stunden" erlebte.

Berlin, 24. Januar 2010. Jane Fonda ist für dieses Stück an den Broadway zurückgekehrt. Und der Schon-Pulitzer-Preisträger Moisés Kaufman hätte damit beinahe noch den Tony Award gewonnen. Denn in den 33 Variationen geht es um die großen Themen: um Beethoven und um die Nervenkrankheit ALS. Am Renaissance Theater in Berlin spielt nun Rosel Zech für Jane Fonda, und Nikolaus Merck hatte ein Erlebnis der besonderen Art.

Mannheim, 24. Januar 2010. Skandale um Schlecker, Lidl & Co. waren in letzter Zeit zwar beliebter Talk-Show-Gegenstand, aber nicht unbedingt bevorzugtes Sujet Neuer Dramatik. Am gestrigen Sonntagabend jedoch waren Anne Will, die Schleckers Zeitarbeits-Lohndumping diskutierte, und das Mannheimer Nationaltheater, wo Cilli Drexel das neue Stück von Reto Finger uraufführte, immerhin mit ähnlichen Settings befasst. Finger hat in NORMA aus einem missglückten Filial-Überfall seine ganz spezifische Theaterwahrheit gezimmert. Sehr zum Gefallen von Harald Raab.

Weimar, 23. Januar 2010. Walzer gibt's hier schon, bloß keine Walzerseligkeit. Nora Schlocker treibt das Ensemble des Weimarer Nationaltheaters mit ihrem Horváth-Abend Geschichten aus dem Wiener Wald in die schiere Spielwut. Auf nach Weimar!, lautet also die Parole, die ein begeisterter Matthias Schmidt mit seiner Nachtkritik ausgibt.

Hamburg, 23. Januar 2010. Es ist stockfinster im Bühnenhaus, wo man es nur schwer atmen hört. Dann fängt die Musik an, die Tom Waits für Robert Wilsons Woyzeck geschrieben hat. Jette Steckel hat die in Kopenhagen uraufgeführte Büchner-Adaption nun am Thalia Theater inszeniert, der Geburtsstätte der Zusammenarbeit der beiden US-Künstler. Rudolf Mast erstattet Bericht.

Wien, 23. Januar 2010. Harry Lime lebt! behauptet der Dramatiker Jörg Albrecht in seinem neuen Stück, das er für das Wiener Schauspielhaus geschrieben hat. Dessen Domizil war früher ein Kino und kommt in Carol Reeds Filmklassiker mit Orson Welles auch vor! Was in Jan-Christoph Gockels Uraufführungsinszenierung sonst noch geschah, schreibt Stefan Bläske.

Potsdam, 23. Januar 2010. Die, die inzwischen am Heiligen See aufwändige Domizile bewohnen – nämlich Jauch, Döpfner, Joop & Co. – könnten locker Folien für heutige Schnitzler-Adaptionen abgeben. In Potdam, wo am Hans Otto Theater nun Intendant Tobias Wellemeyer das mit den Wehen neuer Zeiten kämpfende Personal von Arthur Schnitzlers Das weite Land in Szene gesetzt hat. Wie, weiß Christian Rakow.

Wien, 23. Januar 2010. "Verarmen Jetzt", lautet einer der Slogans, die der neu eröffnete Wiener Off-Schuppen Garage X auf seine T-Shirts drucken lässt. Vive la crise! heißt indes der experimentelle und wohltuend Klischee-freie Wirtschaftskrisen-Abend, den Angela Richter dort inszeniert hat. Georg Petermichl hat sich vergnügt.

Wien, 22. Januar 2010. Jan Bosse hat Othello inszeniert. In Wien. Am Burgtheater. Mit Katharina Lorenz als Desdemona. Joachim Meyerhoff als Othello. Edgar Selge als Jago. Und Caroline Peters als Emilia. Herz, was willst du mehr? Stefan Bläske durfte zuschauen.

Mainz, 22. Januar 2010. In Krieg der Bilder schraffiert Falk Richter seine "Partygeneration", die sich einfach nicht aufraffen kann, eine Haltung zu entwickeln. Maria Åberg versuchte, dem mit Rhythmus und Geschwindigkeit Kontur zu geben. Ob es gelang, weiß Marcus Hladek.

Berlin, 22. Januar 2010. Johan Simons hat in Elfriede Jelineks so virtuoser wie hermetischer Sprachfläche Die Kontrakte des Kaufmanns nach Menschlichem gegraben. Und es gefunden. Esther Slevogt berichtet vom Gastspiel des NT Gent im HAU.

Dresden, 22. Januar 2010. Der Obererfolgsdramatiker Lutz Hübner hat ein neues Stück geschrieben. Eltern im Kampf um die Karriere - ihrer Kinder. Die Uraufführung von Frau Müller muss weg hat Barbara Bürk am Dresdner Staatsschauspiel inszeniert. Caren Pfeil hat mitgelacht.

Frankfurt, 22. Januar 2010. Die Spürhunde auf den Fährten der neuen deutschen Dramatik haben in ihm schon exemplarische Beute ausgemacht: Schriftsteller 2010. Jetzt hat Nis-Momme Stockmann, der von der Insel Föhr nach Frankfurt kam, dortselbst sein neues Stück vorgelegt. Das blaue blaue Meer, Astrid Biesemeier war bei der Uraufführung.

Zürich, 22. Januar 2010. Das Doppelpack aus Samuel Becketts und Peter Handkes Das letzte Band/ Bis dass der Tag Euch scheidet, auf Deutsch erstaufgeführt von Jossi Wieler bei den Salzburger Festspielen 2009, hatte in Zürich Premiere. Joachim Lange war bei der Salzburger Sause dabei.

Karlsruhe, 21. Januar 2010. Warum wird jede Kunst zum Geschäft? So heißt einer der drei Teile aus Rafael Spregelburds Gesellschaftssatire Alles. Stilchaotisch und absurd aufgekratzt hat er sie in Karlsruhe selbst inszeniert. Otto Paul Burkhardt ist angetan.

München, 21. Januar 2010. Beatrice und Benedikt kommen doch noch zusammen, in Jan Philipp Glogers Inszenierung von Viel Lärm um nichts am Residenztheater. Wie das geschieht, ist ein kleines, betörendes Wunder und schöne Schauspielkunst, berichtet Sabine Leucht.

Heidelberg, 21. Januar 2010. Im Rahmen des Wanderlust-Projekts der Bundeskulturstiftung arbeitet das Theater Heidelberg mit dem Teatron Beit Lessin in Tel Aviv zusammen. They call me Jeckisch, heißt die erste gemeinsame Produktion, geschrieben von Nina Gühlstorff und Nina Steinhilber. Ralf-Carl Langhals hat sie gesehen.

Berlin, 21. Januar 2010. Theater ist Unterhaltung. Jaaaaa, Ihr grimmigen Kommentatoren, auch das. Dafür stehen hierzulande die Singeabende. Wie die von Rainald Grebe. Der hat jetzt im Maxim Gorki Theater ein Konzert für Städtebewohner gegeben. Obertitel: Zurück zur Natur. Humorforscher Wolfgang Behrens ließ sich momentweise begeistern.

Essen, 21. Januar 2010.
Transit heißt das Spielzeitmotto des Schauspiels Essen. Entliehen bei dem Titel des frühen Romans von Anna Seghers. Den hat Reto Finger jetzt für die Bühne adaptiert. Anselm Weber inszenierte, das letzte Mal in seiner Essener Zeit. Sarah Heppekausen war dort.

Bochum, 18. Januar 2010. Leer ist der kleine Keller am Schauspielhaus Bochum, in den Elmar Goerden Botho Strauß' Bagatellen Sieben Türen versetzt hat. Leer und dunkel. Kerstin Edinger ist mit hinabgestiegen.

Berlin, 17. Januar 2010. Eine moderne Provinz-Medea steht im Zentrum von Dennis Kellys Drama Taking Care of Baby, dessen deutsche Erstaufführung Sascha Hawemann in den Kammerspielen des Deutschen Theaters inszenierte – mit Faust-Preisträgerin Meike Droste. Auf wessen Seite sich der Regisseur schlägt und welche Wagnisse er umschifft, weiß Nikolaus Merck.

Stuttgart, 16. Januar 2010. Meist weint man mit Anton Tschechows Sehnsuchtsmenschen, wenn ihr Kirschgarten abgeholzt wird. Nicht so bei  Michael Thalheimer, der das Drama am Staatstheater Stuttgart nun aus neoliberaler Sicht aufgerollt hat. Unheimlich, wie Tomo Mirko Pavlovic fand, der sich plötzlich selbst wie einen Controller auf die Ranewskaja, ihren Bruder Gajew und das andere elende Pack blicken sah.

Hannover, 16. Januar 2010. Lukas Bärfuss hat ein neues Stück geschrieben. Na ja, aus Wolfram von Eschenbachs Parzival einen neue Version gedrechselt. Lars-Ole Walburg hat sie in Hannover aufgeführt. Vor allem jedoch: Sandra Hüller hat sich mächtig, mächtig gewundert. Und Andr  Mumot beschreibt das alles für uns.

Leipzig, 16. Januar 2010. Es ist, als ginge die Saat der 90er Jahre nun erst richtig auf: längst ist das Ensemble der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz in alle Winde und Fernsehkanäle zerstreut. Dort aber treibt jede und jeder Einzelne sein kräftig' Wesen. Wie jetzt Sophie Rois im Leipziger Centraltheater. Wo sie eine sehr eigene Medea darstellt. Johanna Lemke hat die Premiere gesehen.

Köln, 16. Januar 2010. In seiner berühmten Revolutionstragödie Dantons Tod lässt der 21jährige Dr. Georg Büchner seine Revolutionäre wie Marionetten am blutigen Diskurs der Epoche zappeln – ideale Vorlage für das Theater des Regisseurs und Choreografen Laurent Chétouane, der das Stück nun am Schauspiel Köln inszenierte. Mit Devid Striesow in der Titelrolle. Was Andreas Wilink bezeugen kann.

Berlin, 16. Januar 2010. In die Welt ziehen, sich selbst suchen und doch etwas zurücklassen. Die Choreografien von Constanza Macras umspielen immer wieder prekär gewordenes Heimatgefühl. Megalopolis heißt ihr neuer Abend an der Berliner Schaubühne. Welche Kräfte da wirken, berichtet Elena Philipp.

München, 16. Januar 2010. Ein krasser Fall von modernem Klassiker: Endstation Sehnsucht von Tennessee Williams. Das Trauma des sozialen Abstiegs bei Südstaatlern daheim, 1947 uraufgeführt. Wenn einer, wie Sebastian Nübling, das Ensemble der Kammerspiele zur Verfügung hat, kann man das spielen. Bloß wie? Das weiß Petra Hallmayer, die bei der Premiere zugegen war.

Berlin, 15. Januar 2010.
Dea Loher, die Maxima Gorki der deutschsprachigen Dramatik, hat ein neues Stück geschrieben. Diebe heißt es, Andreas Kriegenburg hat am Berliner Deutschen Theater die Uraufführung inszeniert und dazu eine rotierende Mühle auf die Bühne gestellt. Was das zu bedeuten hat, weiß Elena Philipp.

Biel-Solothurn, 15. Januar 2010. Dass das reinste Heldentum zur Groteske werden muss, wo die Wege zu einer transzentalen Heimat ungangbar geworden sind, dies hat 1914 Georg Lukács als zentrale Metapher von Cervantes' Roman gelesen. In letzter Zeit begegnet man Don Quijote wieder häufiger auf der Bühne. Nun im Theater Biel-Solothurn, wo ihn Daniel Pfluger in Szene setzte. Wie, sagt Charles Linsmayer.

Zürich, 14. Januar 2010. In Zürich, ausgerechnet da, kam es zum lange geplanten und ewig verschobenen Gipfeltreffen. Schüttel- und Rüttelmeister Frank Castorf inszeniert Der Hofmeister vom Oberstürmer und Oberdränger Lenz. Ob dabei die erwarteten Funken flogen? Andreas Klaeui berichtet.

Basel, 14. Januar 2010. Unbestrittener Meister der Radikalmodernisierung oller Kamellen ist derzeit Simon Solberg. Am Chemiestandort Basel hat er sich Schillers Räuber vorgenommen. Welche Art Gegenwartshackfleisch er daraus gemacht hat, Irene Grüter weiß es.

Berlin, 14. Januar 2010. Nach der Vergackeierung von Daniel Kehlmanns Werktreueforderung, dem Aufmüpfen gegen das Diktat des Eros, findet Patrick Wengenroth auch in seiner dritten Schiller-Lecture Was kann eine gute stehende Schaubühne eigentlich wirken? noch Funkelsteine unter den zusammengekehrten Splittern, berichtet Christian Rakow.

Berlin, 13. Januar 2010. Von seinen Leib- und Magen-Fragen kann René Pollesch nicht lassen, wie man schon am Stücktitel erkennt: Ich schau dir in die Augen, gesellschaftlicher Verblendungszusammenhang! Im Großen Haus der Volksbühne lässt er sie mit Fabian Hinrichs jedoch durchaus entschleunigt stellen und hat auch Platz für die Persönlichkeit des Schauspielers gelassen. Anne Peter staunt.

Stuttgart, 13. Januar 2010. Und die Liebe höret nimmer auf. Weder die körperliche, noch die andere natürlich. Weswegen das Staatstheater Stuttgart unter dem hübschen Titel Stäffele to heaven eine Trilogie zum Thema anberaumt hat, deren erster Teil jetzt Premiere hatte: Dürfen die das? Eine dokumentarische Collage nach Schnitzlers "Reigen" von Corinna Preisberg und Christian Holtzhauer. Verena Großkreutz hat es gefallen.

Berlin, 12. Januar 2010.
In seiner Nachtasyl-Inszenierung am Berliner Ensemble verwendet Thomas Langhoff zwar die angenehm zeitgemäße deutsche Fassung von Angela Schanelec, aber auf der Bühne selbst ist der distanzierende Milieurealismus ungebrochen. Wolfgang Behrens fühlte sich unfreiwillig obenauf.

Düsseldorf, 10. Januar 2010. Sie kennen sich ewig: In den 90er Jahren mischten der Jung-Regisseur Stefan Bachmann und der Jung-Autor Thomas Jonigk unter dem Label Theater Affekt das deutschsprachige Theater von den Off-Rändern her auf. Nun, da beide nur noch mitteljung sind, haben sie sich am Düsseldorfer Schauspielhaus für die Beziehungskomödie Ach, da bist Du ja! wiedervereint. Zu welchem Erfolg, weiß Regine Müller.

Frankfurt am Main, 10. Januar 2010. "Wenn das passieren kann, kann alles passieren", sagt Alex, der über dem Tod seiner achtjährigen Tochter verzweifelt. Er ist der moderne Hiob in Simon Stephens' Monologstück Steilwand, das Lily Sykes jetzt in der Box des Schauspiel Frankfurt zur deutschen Erstaufführung brachte. Marcus Hladek fühlte sich an Lear und Woyzeck erinnert und berichtet über eine glückhafte Stück-Bewältigung.

Düsseldorf, 9. Januar 2010. "Ravenhill for Breakfast" hieß 2007 eine Serie von 17 Minidramen des britischen Dramatikers, die während des Edinburgh Festivals in der Tageszeitung The Guardian veröffentlicht und täglich uraufgeführt wurden. Bei seiner ersten Arbeit mit einem deutschen Ensemble hat der polnische Regisseur Jan Klata das daraus entstandene Stück Shoot/ Get Treasure/ Repeat von Mark Ravenhill in Düsseldorf zum ersten Mal auf deutsch aufgeführt. Christiane Enkeler hat es gesehen.

Köln, 9. Januar 2010. Ja, diese Jugend, es ist schon ein Kreuz mit ihr! Entweder sie versackt in Clubs oder vor der Glotze. Oder fängt an, dem Hitler nachzulaufen. Manch einer gar wird irr und verliert sich im Gebirg. Ausgehen 1-3 hat Robert Borgmann einen Theaterabend überschrieben, der sich anhand von Texten Barbi Markovics, Ödön von Horváths und Georg Büchners mit ziellosem, jugendlichen Treiben befasst. Und den 1980 geborenen Regisseur für Guido Rademachers irgendwie etwas alt aussehen läßt.

Heilbronn, 9. Januar 2010. Wie lenkbar ist öffentliche Empathie? Was für Gefühle lassen wir uns medial implantieren, um sie bei der erstbesten Gelegenheit auf das nächste Opfer zu übertragen, das uns die Medien präsentieren? Fragen, denen der Dramatiker Holger Schober in seinem neuen Stück heimat. com am realen Fall einer fünfzehnjährigen Asylbewerberin nachgegangen ist. Wie schon bei früheren Schober-Stücken hat auch diesmal Dominik Günther die Uraufführung inszeniert. Mehr von Katja Schlonski.

Berlin, 9. Januar 2010. Schullektüre West. Der Besuch der alten Dame von Friedrich Dürrenmatt. Armin Petras hat im Maxim Gorki Theater am modernen Klassiker gedreht und geschraubt. Herausgekomen ist so etwas wie Geschichte in der Möglichkeitsform nach Alexander Kluge. Was wäre, wenn Güllen im Osten läge? Ralph Gambihler sah schon im Dezember die Premiere im koproduzierenden Dresden.

Köln, 8. Januar 2010. Hier ist nichts mit revolutionärer Kraft des Proletariats. In seinem berühmten Film Die Schmutzigen, die Häßlichen und die Gemeinen räumte Ettore Scola 1975 auf mit der Vorstellung von der gesellschaftserneuernden Kampfkraft der Arbeiterklasse und zeigte ein Elendstableau, das keine Progression, sondern bloß den Absturz in noch tiefere Verwahrlosung kennt. Karin Beier hat Scolas mitleidloses Panorama nun für die Bühne ihres Schauspiel Köln adaptiert. Sarah Heppekausen berichtet.

Zürich, 8. Januar 2010. Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich, wie man weiß, in seinem Bett zu einem ungeheuren Ungeziefer verwandelt. Am Schauspielhaus Zürich hat die junge Regisseurin Nina Mattenklotz sich an einer etwas anderen Lesart von Frank Kafkas berühmter Erzählung Die Verwandlung versucht, die Christoph Fellmann sehr eingeleuchtet hat.

Berlin, 8. Januar 2010. In der Box des Berliner Deutschen Theaters kam gestern Felicitas Bruckers Inszenierung von Thomas Freyers preisgekröntem Stück Amoklauf mein Kinderspiel heraus, die Katrin Ullmann bereits bei ihrer Hamburger Premiere am Thalia Theater gesehen hat.

Graz, 7. Januar 2010. Das Stück hat Marie Brassard für sich selbst geschrieben, Geschichten, die allesamt aus Lust und Furcht der Rotkäppchen-Fabel wachsen. Aber es geht auch ohne Brassard. Anna-Sophie Mahler hat Peepshow in Graz mit der Schauspielerin Martina Stilp inszeniert. Reinhard Kriechbaum berichtet.

Berlin, 7. Januar 2010. Flick, ein Name, viele Verstrickungen: Flick-Prozesse, Flick-Affäre, und die Flick-Kunstsammlung gibt es auch noch. Hans-Werner Kroesinger spannt in seinem neuen Abend Capital Politics am Berliner HAU die Flicks zusammen. Was dabei herauskam, weiß Rudolf Mast.

 

 
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