Ein vorläufiges Ende

1. Oktober 2009

Die SZ fragte sich gestern (leider nicht online), wie man eigentlich jemanden auf Facebook beerdigt. Dabei ist das Gute am Internet doch eigentlich, dass es gar nicht beerdigen kann, dass es ein Medium des Anti-Sterbens ist. Es ist eher eine wabernde Materie, verändert sich ständig. Auch so etwas wie der Blog-Friedhof, den ZEIT ONLINE einst mit nicht mehr aktiven Blogs bestückte, war mehr ein Symbol für diese Veränderungen, denn ein Grabmal des Todes. Nur dass er mittlerweile gelöscht wurde (hier die letzte erhaltene Seite aus dem Archiv für Websites Archive).

So wird auch dieses Blog nicht sterben, auch wenn wir uns heute von hier verabschieden. Wir freuen uns, dass es dieses Liebes-und-Sex-Blog gibt und wünschen euch Leserinnen und Leser ein erfülltes weiteres Sex-Lesen auf anderen Seiten. Sagt uns doch gerne mal, was ihr gut oder schlecht fandet (waren es zu viele Texte? zu wenig? zu lang? zu kurz? zu …?; was fehlte euch, was gefiel euch?) Danke! Und Danke, Berlin Verlag!

PS: Wenn ihr uns weiterverfolgen wollt: René bloggt derzeit 100 Tage über David Foster Wallace Roman “Unendliches Glück“, Nikola über Kultur und Internet auf der Blogmacherei. Der Berlin Verlag hat auch eine eigene Blog-Adresse.

Die Sicht des Penis

30. September 2009

Das Schlimme an thematischen Blogs ist, dass man irgendwann nur noch dieses eine Thema liest und sieht. So sehe ich, wenn ich durch die Welt laufe, vor allem Penisse und Sex-Nachrichten. Die Welt ist voll davon. Schrecklich. Ich fühle mich schon wie Humbert Humbert, der Ich-Erzähler in Wladimir Nabokovs Roman “Lolita”. Er hat auch eine verdrehte, einseitige Weltsicht. In einem Straßenpfosten sieht er einen Phallus. Aber Humbert Humbert ist eine Kunstfigur. Seine Perspektive ist die einer, wenn auch provozierenden, Fiktion.

Nackte Litfasssäule

Nackte Litfass-Säule.

Und während die Welt gerade über die Verhaftung des Filmemachers Roman Polanski diskutiert, überlege ich, ob ich jetzt wirklich wieder eines meiner Penis-Bilder hochladen soll. Oder ob ich damit diese Penis-Sicht verstärke.

Polanski hat 1978 bei einer Party in Jack Nicholsons Villa ein 13-jähriges Mädchen mit Drogen “zum Sex verführt”, wie es euphemistisch heißt. Er wurde damals in den USA angeklagt und ist dann nicht zur Verhandlung erschienen, sondern ist aus dem Land geflohen. Jetzt wurde er, im Vorfeld seines Auftritts beim Filmfestival Zürich, bei seiner Einreise in die Schweiz festgenommen. Die einen sagen: Lasst ihn frei. Er hat genug durchgemacht (seine Mutter starb in Auschwitz, seine schwangere Frau wurde durch Charles Mansons Sekte grausam getötet; er konnte nie wieder nach Hollywood reisen). Andere sagen: Gut so, jeder ist vor dem Gesetz gleich.

Mädchenblog zitiert eine Passage vom US-amerikanischen Blog Feministing, mit dem Tathergang. Und das ist nunmal keine Banalität: 

Before we discuss how awesome his movies are or what the now-deceased judge did wrong at his trial, let’s take a moment to recall that according to the victim’s grand jury testimony, Roman Polanski instructed her to get into a jacuzzi naked, refused to take her home when she begged to go, began kissing her even though she said no and asked him to stop; performed cunnilingus on her as she said no and asked him to stop; put his penis in her vagina as she said no and asked him to stop; asked if he could penetrate her anally, to which she replied, „No,“ then went ahead and did it anyway, until he had an orgasm.

Josef Joffe befand in der ZEIT, dass “sex crimes” verjähren, Flucht nicht. Ich sehe es genau anders: Flucht verjährt, aber nicht die Vergewaltigung. Frage: Warum haben ihn die Franzosen nicht festgenommen? Wir müssen aufhören, sexuelle Gewalt zu verharmlosen. Auch wenn die Opfer, in diesem Fall auch das Opfer Polanskis, den Tätern verzeihen. Letztere müssen sich ihren Taten stellen. Sex ist etwas Freiwilliges, sollte Spaß machen. Allen Beteiligten.

Fragen der Zeit

26. September 2009

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Es liegt in den Genen

24. September 2009

Die einen haben früher Sex als die andern. Wenn du früher entjungfert wurdest als dein Sitznachbar, dann kann das daran liegen, dass du von einer alleinerziehenden Mutter erzogen wurdest. So etwas können natürlich nur amerikanische Wissenschaftler herausfinden.

Interessant ist auch, dass Typen sofort biochemisch reagieren, sobald eine Frau anwesend ist. Selbst wenn es sich um deine hässliche Kusine handelt.

Drüben in der erwachsenen Konkurrenz bei der ZEIT hat man Pillen gefunden, die den Geschmack von Sperma verändern sollen. Ohje.

Und in der Glaserei hat man ein Foto gefunden, das auch von hier stammen könnte.

Und Abgang. Nicht ohne Stendhal: “Nichts begünstigt die Entfaltung der Liebe mehr als eine langweilige Einsamkeit, die von ein paar seltenen, langersehnten Festlichkeiten unterbrochen wird. Gewandte Mütter mit Töchtern verstehen das.”

It’s In His Kiss

22. September 2009

Neulich jemanden sagen hören: “Dann musste ich ihr erstmal beibringen, wie man richtig küsst.” Über den Satz musste ich lange nachdenken. Erst über den Langmut, die Geduld, den Mut des Sprechers; – wie oft habe ich beispielsweise auch schon enttäuscht gedacht: Die kann ja gar nicht küssen? Und ist das nicht sehr wesentlich, wenn man was Ernstes eingeht, dass es damit als erstes klappt? Dann aber habe ich gedacht: Was ist, wenn die Geküsste genauso enttäuscht war? Was ist, wenn Küssen keine Frage von Können ist, sondern von Vorliebe und Geschmack? Vielleicht gibt es einfach Frauen und Männer, die lieber trocken küssen (besonders Frauen, meint die Süddeutsche), die Zunge lieber stecken lassen (den Satz “Das ist mir zu nass” habe ich bzgl. Zungenküsse auch schon mal gehört), lieber den Mund nicht öffnen und die Lippen lieber nicht hin- und herbewegen. Vielleicht ist es auch eine Frage von Lippenumfang. Schmale Lippen küssen besser, wenn sie auf andere schmale Lippen treffen. Oder hatte der Kerl von oben doch einfach Recht? Und man muss, wie beim Sex, auch schon beim Küssen eben lernen: von einander, oder wenn’s nicht klappt, dann eben von der oder dem nächsten?

P.S. Anschauungsmaterial: Hier. Das Original von Betty Everett ist übrigens besser.

Liebe morgen

18. September 2009

Liebe ist sanft wie eine Wolke, findet Lenny Kravitz. Sven Hillenkamp fand neulich im Tagesspiegel, dass die Liebe stirbt. Ein sehr guter Artikel, wie wir finden, aber die darin steckende Wahrheit hat noch nicht jeden und jede erreicht. Reste, Spuren von Romantik spuken noch allenthalben durch unsere Köpfe. Und vielleicht ist das auch besser so. Es muss sich ja nicht immer so übel ausnehmen wie bei Uhutrust.

Auf dem Flohmarkt gab es neulich die gekürzte Ausgabe von “Über die Liebe” von Stendhal. Für 30 Cent. Stendhal, ist das nicht eine Hansestadt in der Altmark? Ja, richtig, nach der hat sich der französische Schriftsteller Henri Beyle benannt (die Stadt schreibt sich ohne h). Der lebte im 19. Jahrhundert. Wir werden hier immer mal wieder aus dieser “Buchgemeinschafts-Ausgabe” zitieren. Heute zum Beispiel das:

“Die Liebe zweier Liebenden ist fast nie die gleiche.”

Oder das:

“Die Liebe ist wie ein Fieber, das zwei Menschen gleichzeitig befällt. Wer von beiden zuerst gesundet, den langweilt der andere grässlich.”

Verstorben ist übrigens Mary Travers von Peter, Paul & Mary. Das ist die Frau unter dem Herzen auf dem Foto hier. Das Ende der Liebe ist nah.

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Geheimbotschaften auf Mülleimern

16. September 2009

… nachts fotografiert. Lisa sagt: Da fehlt ein S.

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Luis sagt

15. September 2009

Die männliche Sexualität ist schon irgendwie geil. Am Wochenende zum Beispiel. Da bin ich mit einer alten Freundin in einer Bar gesessen. Alt wie in: Kenn ich schon seit Jahrzehnten. Die war auch mal kurz hinter mir her, aber es ist nichts gelaufen damals, und das ist auch schon unendlich lange her. Jedenfalls hat sie jetzt Probleme mit ihrem Typen. Der hat sie ordentlich betrogen mit einer anderen. Und am Samstag jedenfalls heult sie und klagt sie mir stundenlang die Ohren voll, und ich höre auch brav zu, und nicht nur weil man das so macht, als Freund und Gentleman, sondern auch weil ich sie mag und ihr gern mein Ohr leihe, besonders in so einer Situation. Aber was ist, gleichzeitig läuft so eine Gedankenspur mit, die ganze Zeit über, ob ich da nicht noch näher ran und ob vielleicht noch was läuft heute Nacht. Männliche Sexualität! Einfach nur geil manchmal. Habe dann Sonntag in der Badewanne auch ziemlich darüber ablachen müssen. Über mich so. Wer’s noch nicht geschnallt hat: Es ist natürlich nichts gelaufen, und das ist auch gut so. Tatsächlich hat die Gute noch ein Problemtelefonat mit ihrem jetzt Ex-Typen geliefert, und das Sonntagmorgens um 5. Weibliche Sexualität, auch nicht schlecht.

Brauch dich heute Abend

14. September 2009

Wie versprochen, behandeln wir in dieser Folge der beliebten Reihe “Sex im Pop” den australischen Sänger Michael Hutchence, der sich mutmaßlich beim Onanieren tödlich stranguliert hat, und zwar 1997. Ja, die Welt ist seltsam, und die Wege der Herren oftmals unergründlich. Beklagen konnte sich Hutchence eigentlich nicht. Er hatte Popsängerinnen (Kylie!), dänische Models und die Exfrau eines anderen Popstars im Bett. Paula Yates hieß die Dame, war die Ex von Sir Bob Geldof und eine in England gehassliebte, sehr bekannte Moderatorin, die ihm, wie man so bescheuert sagt, 1996 auch die Tochter Tiger Lily schenkte. Nach Hutchence’ Tod versank seine Witwe in Depressionen. Im September 2000 kaufte sie sich drei Flaschen Schnaps und verschwand, bis man ihre Leiche fand. Tiger Lily wächst jetzt mit den Kindern von Sir Bob auf. Tja, tragische Geschichte.

Und Michael Hutchence war tatsächlich auch mal mit Kylie zusammen, und zwar zur Zeit der Wende, nämlich von 1989 bis 1990. Zu Kylie beim nächsten Mal mehr. Hier unten sehen wir das Video von Hutchence’ Band INXS, in dem er auf auffallende Art Werbung für Geschlechtsverkehr macht. Vor der Verwendung von Bademantelgürteln sei an dieser Stelle noch einmal nachdrücklich gewarnt.

Sexuelle Revolution im Internet?

12. September 2009

Dieses Blog hat sich bereits mit einigen Auswirkungen der sozialen Netzwerke auf unser Flirt- und Liebesverhalten beschäftigt (Facebook-Flirten, -Eifersucht, Liebes-Twitter). Natürlich fragt sich auch schon eine ganze Armada von Theoretikerinnen und Theoretikern, wie etwa Partnerbörsen und Chaträume unsere Partersuche und unser Ich-Verständnis beeinflussen. Von Eva Illouz war schon die Rede, sie spricht von kapitalisierten Beziehungen: Man verabredet sich im Web nur mit Gleichgestellten, Gleichgesinnten, verschwendet keine Zeit auf Menschen, von denen nicht das Erwartete zurückkommt. ”Life on screen” von der Cyberanalystin Sherry Turkle (1995) ist bereits ein Klassiker über die Herausbildung eines “second self”, eines zweiten Selbst im Netz. Der “tiny sex” im Internet per Chat erlaube auch das Spiel mit Geschlechterzuschreibungen, das “gender swapping”. Turkle’s These in Kurzform lautet “Ich bin viele”. Davon kann die Hamburger Band Die Sterne ein Lied singen: In ihrem Song “Big in Berlin” (1999) intonieren sie die Zeile “Wir sind viele und wir sind zu zweit.” Die menschliche Selbstdarstellung ist natürlich nicht nur auf die Onlinewelt begrenzt. Der kanadische Soziologe Erving Goffman verglich sie schon 1959 in seinem Buch “Wir alle spielen Theater” mit dem Rollenspiel auf der Theaterbühne. Für ihn galt aber nur der Kontakt zwischen Mensch und Mensch als Interaktion, die zwischen Mensch und Maschine zählte er nicht. Ob das Internet nun aber unser sexuelles Verhalten befreit, erweitert oder eher verunsichert, ist trotz aller schöner Theorie eine offene Frage. Prinzipiell sind die Möglichkeiten, im Internet andere Menschen kennenzulernen, unendlich. Durch gezielte Suchanfragen auf Partnerbörsen und genaue Profilvergleiche trifft man wahrscheinlich schneller auf Gleichgesinnte als in einer Kneipe. Auch hilft die digitale Distanz beim Online-Gespräch dabei, direkter zu sein, Tabus anzusprechen und Reaktionen zu provozieren.

Die Revolution wäre also eine der Masse und der Information. Doch wer nur noch online flirtet, lässt seine Sinne verkümmern. Ein Computer duftet und atmet nicht, er lächelt und errötet nicht. Besteht die sexuelle Revolution des Internets etwa darin, dass wir mehr über Sex lernen, lesen und schreiben, aber weniger Sex haben? Dass wir mehr denken, aber weniger fühlen? Abgesehen von unseren Fingerspitzen, die über die Tastatur tanzen? Daher: Genug geforscht für heute.