15.04.2010, 10:34
Rüstungskauf: Bundeswehr ordert in der Schweiz
Exklusiv
Das deutsche Kontingent in Afghanistan soll aufgestockt werden. Schon jetzt klagen die Truppen vor Ort über den Mangel an gepanzerten Fahrzeugen. Dem soll nun ein Schnellauftrag abhelfen - von zunächst 60 gepanzerten Fahrzeugen aus Schweizer Produktion.
von Thomas Steinmann, Berlin
und Gerhard Hegmann München
Als Reaktion auf die Aufstockung des deutschen Kontingents und die verschlechterte Sicherheitslage in Afghanistan bestellen die deutschen Streitkräfte im Eilverfahren 60 gepanzerte Fahrzeuge in der Schweiz. Der Vertrag mit dem Hersteller Mowag werde in dieser Woche unterzeichnet, erfuhr die FTD aus dem Verteidigungsministerium.
Für 2011 ist die Bestellung weiterer 90 geschützter Fahrzeuge vom Typ Eagle IV geplant. Nach dem jüngsten Anschlag auf die Bundeswehr in Afghanistan, bei dem am Karfreitag in einem Hinterhalt der Taliban drei deutsche Soldaten starben, war eine heftige Debatte über die Ausrüstung der Truppe entbrannt. Seit Langem klagen Soldaten darüber, dass sie in Afghanistan nicht über genug geschützte Fahrzeuge für Patrouillen verfügen.
Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) hatte daher Anfang der Woche angekündigt, in diesem Jahr 150 bis 200 neue gepanzerte Fahrzeuge an den Hindukusch zu schicken. Das Thema Ausrüstung stand am Mittwoch auch im Mittelpunkt von Guttenbergs Überraschungsbesuch bei der Bundeswehr in Kundus.
Derzeit sind in Afghanistan etwa 975 geschützte Fahrzeuge verschiedener Modelle und Hersteller im Einsatz. Das Verteidigungsministerium geht jedoch davon aus, dass angesichts der verschärften Bedrohungslage durch Sprengfallen und Angriffe auf Konvois 600 davon "baldmöglichst" ersetzt werden müssen, wie es in einem Brief der Ministeriumsspitze an die Bundestagsfraktionen heißt. Zur Deckung des "vordringlichsten Bedarfes" - auch durch die Erhöhung des deutschen Kontingents von 4500 auf bis zu 5350 Mann - sei die Beschaffung von 60 als Führungsfahrzeuge einsetzbaren Eagle IV schnellstmöglich erforderlich.
Das Ministerium beziffert die Kosten für die 60 Eagle IV und zusätzliche Spezialausrüstung wie Waffenstationen, Störsender und Funktechnik auf 61,5 Mio. Euro. Die Finanzierung erfolgt kurzfristig über den Einsatzbedingten Sofortbedarf aus dem Verteidigungsetat, sodass der Bundestag dem Kauf nicht vorab zustimmen muss.
Das geschützte Fahrzeug Eagle IV von Mowag
Der Auftrag an den Schweizer Hersteller Mowag, eine Tochter des US-Rüstungsriesen
General Dynamics , hat auch einen heiklen industriepolitischen Hintergrund. Nach der Entscheidung für eine erste Tranche von 198 Eagle IV im Jahr 2008 hatte das Verteidigungsministerium geplant, in diesem Jahr den Folgeauftrag neu auszuschreiben - trotz einer mit Mowag vereinbarten Option auf bis zu 454 weitere Fahrzeuge.
Teil 2: Warum kein deutscher Anbieter zum Zuge kam
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15.04.2010
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