Von Johannes Aumüller, Ruhpolding

Der Norweger Ole Einar Björndalen gewinnt sein 83. Weltcup-Rennen. Die deutschen Männer denken unterdessen an interessante Mittel zur Leistungssteigerung.

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Mit 34 Jahren noch immer ganz vorne: Ole Einar Bjoerndalen aus Norwegen. Foto: Reuters

Ruhpolding gehört zu den Strecken im Biathlon-Weltcup, auf denen sich die guten Läufer besonders viele Hoffnungen auf eine vordere Platzierung machen. Die Anlage in Ruhpolding gilt als leichter zu schießen als andere, weil sie weniger windanfällig ist und weil ihr eine Abfahrt vorausgeht - und auf so einem Schießstand können sich dann auch die tendenziell schwächeren Schützen Siegchancen ausrechnen. Doch eben in dieser augenscheinlichen Einfachheit liegt zugleich auch die Tücke von Ruhpolding. „Hier ist es so einfach, dass du eigentlich unter dem Druck stehst, dass du unbedingt treffen musst“, sagt das Ruhpoldinger Urgestein Wolfgang Pichler, derzeit Trainer der schwedischen Mannschaft.

Bessere Rahmenbedingungen für eine Strecke könnte es kaum geben für einen wie Ole Einar Björndalen, der seit jeher ein so starker Läufer ist, dass er sogar schon bei den Langlauf-Spezialisten einen Weltcup-Sieg feierte; dessen Schwäche eher das Schießen ist; der aber erfahren genug ist, sich nicht unter den Druck setzen zu lassen, vom dem Pichler spricht. Mit einer souveränen Leistung am Schießstand (null Fehler) und einer beeindruckenden Laufleistung gewann der 34-jährige Norweger den Sprint in Ruhpolding - mehr als 33 Sekunden vor dem ebenfalls fehlerfrei gebliebenen Österreicher Dominik Landertinger und mehr als 38 vor seinem Landsmann Emil Hegle Svendsen. Es war Björndalens 83. Weltcup-Sieg seiner Karriere (82 im Biathlon, einer im Langlauf), sein zehnter in Ruhpolding. „Das war heute ein perfektes Rennen. Ich habe lange gebraucht, um so ein Rennen zu laufen.“

Ole Einar Björndalen ist ein Phänomen. Seit der Saison 1992/93 geht er im Weltcup an den Start, spätestens seit 1997/98 zählt er zu den prägenden Athleten der Sportart. Mit fünf Goldmedaillen bei Olympischen Spielen und zehn Goldmedaillen bei Weltmeisterschaften ist er der erfolgreichste Biathlet und einer der erfolgreichsten Wintersportler aller Zeiten. Sowohl bei Olympia in Salt Lake City 2002 als auch bei der WM in Hochfilzen 2005 gelang ihm das Kunststück, vier Mal Gold zu gewinnen. „Ole ist ein Außerirdischer“, sagte der deutsche Bundestrainer Frank Ulrich nach Björndalens Vierfach-Triumph 2002.

Doch zwischen den großen Erfolgen lagen auch immer wieder weniger erfolgreiche Phasen. Mal lag es an seiner generellen Schießschwäche, die er über die Jahre zwar etwas abbauen konnte, die sich aber immer wieder in seine Leistungen einschlich. Mal lag es an seinen Teilzeit-Wechseln zum Langlauf, unter denen die Konzentration auf den Biathlon-Sport litt.

"Im Training viel riskiert"

In der laufenden Saison hatte es zeitweise den Anschein, als befinde er sich wieder in so einer Phase: Seine Leistungen schwankten stark, zwei zweiten Rängen in Östersund und Hochfilzen standen zwei 24. Plätze gegenüber - was auch damit zu tun hatte, dass der Norweger im Oktober krankheitsbedingt drei Wochen mit dem Training pausieren musste. Doch rechtzeitig vor der Biathlon-WM im koreanischen Pyeongchang (14. Februar bis 22. Februar) kommt der Norweger in immer konstantere Form.

Schon vor einer Woche in Oberhof erkämpfte er im Massenstart Rang drei, und nach dem überlegenen Sieg im Sprint (der Viertplatzierte Cristiano de Lorenzi hatte bereits 56 Sekunden Rückstand) ist er auch am Sonntag im Verfolgungsrennen ein Kandidat für einen Podestplatz. „Am Anfang der Saison lief es nicht so gut, und das war ein sehr schwerer Weg zurück. Ich hatte noch nie so eine schlechte Form. Es ist logisch, dass das in dieser Situation ein bisschen schwer ist“, sagte Björndalen. „Ich habe viel trainiert und beim Training auch viel riskiert.“

Bei seinem ersten Weltcup-Sieg der laufenden Saison zeigte sich Björndalen wieder so dominant wie zu seinen besten Tagen. Bereits mit Startnummer vier war er ins Rennen gegangen, und als er nach 23 Minuten und 25 Sekunden noch vor der Startnummer eins die Ziellinie überquerte - da zweifelte kaum jemand, dass der Norweger an diesem Tag triumphieren würde. Zu überzeugend war seine Laufzeit. Doch den Weltcup-Sieg fasste er eher als einen Zwischenschritt zu seinem Saison-Höhepunkt auf. „Die Weltmeisterschaft ist für mich das Wichtigste. Vor der Saison habe ich gesagt, die WM und Vancouver sind für mich die beiden Orte, an denen ich optimal laufen möchte.“

Rösch fehlt eine Sekunde auf Rang vier

Während Björndalen also kurz vor der WM wieder in der Manier auftritt, wegen der ihn Ulrich nach Salt Lake City als „Außerirdischen“ pries, haben die Deutschen noch Luft nach oben. Mit den Leistungen von Michael Rösch (Siebter) und Andreas Birnbacher (Neunter) konnte der Bundestrainer zufrieden sein, Rösch selbst war es nur teilweise: „Ich hatte das Gefühl, dass es ziemlich schlecht ging, aber dann habe ich im Ziel gesehen, dass ich doch nur eine Sekunde Rückstand auf Platz vier hatte. Ich hätte vorher vielleicht doch ein Red Bull mehr trinken sollen.“

Bei Michael Greis war lange unklar gewesen, ob er nach seiner Knieverletzung überhaupt würde starten können. Entsprechend ging der Nesselwanger ohne richtige Vorbereitung ins Rennen. „Auf der Strecke war es okay, die Fehler waren am Schießstand. Wir haben schon spekuliert, ob wir morgen nicht dabei sind“, witzelte Greis, denn nur die besten 60 des Sprintrennens dürfen auch am nächsten Tag in der Verfolgung an den Start gehen. Er wurde schließlich 40. und darf also starten - allerdings mehr als zwei Minuten nach dem zurückgekehrten Außerirdischen, mit dem er in Korea um die Goldmedaillen kämpfen will.

(sueddeutsche.de/hum)