Kalenderblatt | MDR INFO | 10.09.07

10.09.1977: Letzte Hinrichtung mit der Guillotine

von Martin Mair

Es ist eine kühle Nacht, die das Marseiller Gefängnis "Les Baumettes" heute vor 30 Jahren einhüllt. Um 4:40 Uhr durchbricht das laute Klacken einer Guillotine die Stille des kargen Hinterhofs der französischen Haftanstalt. Hamida Djandoubi ist der letzte Verbrecher, den der französische Staat köpfen ließ. Der Tunesier wurde wegen Mordes zum Tode verurteilt.

"Der einbeinige Todeskandidat zog den Rauch tief in die Lungen ein. Da unterbrach eine Bach'sche Stimme die Stille: So das reicht jetzt, wir waren großzügig genug. Der 28 Jahre alte Tunesier Hamida Djandoubi zuckte nur mit der Schulter, er wusste was auf ihn wartete. Mit humpelnden Schritten bewegte er sich auf die Guillotine zu, die in einer Ecke des Gefängnishofes von Marseille aufgebaut war. Seine Prothese des ampurtiereten rechten Beines zog er hinter sich her."


"Die Welt"
zur letzten Hinrichtung mit der Guillotine 1977

Die Guillotine hatte in Frankreich eine lange Tradition: Die Nationalversammlung hat sie zu Beginn der französischen Revolution eingeführt und gleichzeitig alle anderen Hinrichtungsarten abgeschafft. Der Vorschlag für die Guillotine kam vom Arzt Joseph-Ignace Guillotin, der das Leiden der Todeskandidaten verkürzen wollte. Er forderte 1789:

"Jede Todesstrafe hinfort ohne Unterschiede des Standes, einzig durch Enthaupten zu vollziehen, als die sicherste, die schnellste, die am wenigsten schmerzhafte Weise, jemandem vom Leben zum Tode zu befördern. Und weil der Henker ein Mensch ist, kann ihm nicht jeder Schlag gleich gut gelingen. Eine Maschine muss erfunden werden, die zuverlässiger arbeitet als der Henker."

Joseph-Ignace Guillotin
französischer Arzt (1738-1814)

Zum Konstrukteur der ersten Guillotine wurde ein Freund Guilotins, der deutsche Klavierbauer Tobias Schmidt. Er konstruierte die Mord-Maschine, bei der ein abgeschrägtes, 40 Kilo schweres Fallbeil den Kopf des Verurteilten abtrennt. Am 25. oder 26. April 1792 - die Chronisten sind sich da nicht einig - wurde der Straßenräuber Nicolas Jacques Pelletier als erster Franzose öffentlich mit der Guillotine enthauptet.

Zwischen 1882 und 1939 starben in Frankreich 395 Menschen auf dem Schafott. In den Kolonien oder in französisch Algerien waren es sehr viel mehr - allein Fernand Meyssonnier, der letzte Scharfrichter von Algier, hat 200 Köpfe abgetrennt.

"Das Blut spritzt drei Meter weit mit einem Mal, weil das Herz weiterschlägt"

Fernand Meyssonnier
der letzte Scharfrichter von Algier

Nach 1939 fand das blutige Schauspiel nicht mehr öffentlich statt, sondern hinter den hohen Gefängnismauern - die Verurteilten starben seitdem unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Erst 1981 schafft die Regierung um Francois Mitterand die Todesstrafe ab - obwohl eine Mehrheit der Franzosen Hinrichtungen weiter befürwortete. Mit einem flammenden Appell wandte sich Robert Badinter, damals Justizminister, an die Mitglieder der Nationalversammlung.

"Dann Ihrer Stimme wird es morgen vor Tagesanbruch in den französischen Gefängnissen, verborgen hinter einem schwarzen Vorhang, zu unserer aller Schande, keine heimlichen Hinrichtungen mehr geben. Morgen werden die blutigen Seiten unserer Justiz, gewendet sein."

Robert Badinter
französischer Justizminister 1981 in der Nationalversammlung

Und so bleibt die Hinrichtung des Tunesieres Djandoubi die letzte in der Geschichte Frankreichs. Doch erst vor einem guten halben Jahr wurde das Verbot der Todesstrafe auch in die französische Verfassung aufgenommen.

Zuletzt aktualisiert: 08. September 2007, 15:27 Uhr

 

 
 
 
 
 
 

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