Wenn Forscher das physikalische Verhalten von Flüssigkeiten beschreiben wollen, dann stößt es meist nur in Wissenschaftlerkreisen auf Interesse, sehr theoretisch und zu mathematisch geht es dabei zu. Für den Otto-Normalverbraucher, der von partiellen Differentialgleichungen und dergleichen kaum etwas versteht, sind die Ergebnisse der Physiker daher meist ein abstraktes Konstrukt.
Erstaunlich anschaulich ist das, was Forscher vom berühmten Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Boston jetzt der Öffentlichkeit vorstellen: Die Flüssigkeitsdymanik von Milch, wenn Katzen aus ihrem Futternapf trinken. Katzen und Hunde, das vermutete man bisher, nutzen ihre Zunge geschickt, fast schon akrobatisch, um sich daraus eine Art Suppenkelle zurecht zubiegen. Doch zumindest für Katzen ist das weit gefehlt.
Dem geneigten Katzenliebhaber wird das, was Pedro Reis und seine Kollegen im Wissenschaftsjournal "Science" jetzt beschreiben, womöglich schon selbst aufgefallen sein: Katzen "löffeln" nicht - sie "beißen" von der Milch ab, schreiben die Forscher, diese Trink-Taktik sei ein "brillantes Beispiel für die Nutzung der Flüssigkeitsdynamik".
Genau genommen verhält es sich dabei so: Katzen bauen beim Trinken mit ihrer Zunge eine Flüssigkeitssäule auf. Diese Säule müssen sie dann nur noch im rechten Moment abbeißen, um die maximal mögliche Flüssigkeitsmenge aufzunehmen. Für ihre Untersuchungen filmten die Physiker eigens ein paar Vierbeiner in Zeitlupe. Tatsächlich verraten die Bilder, dass die Tiere die Zunge nicht tief eintauchen. Stattdessen führt die Zungespitze eine minimale Bewegung aus, um dadurch die Flüssigkeitssäule aufzubauen: Kurz wird die Zunge auf die Oberfläche gelegt und sogleich wieder zurückgezogen.
Dabei schnellt etwas Flüssigkeit in einer kleinen Säule nach oben. Instinktiv passen die Katzen den perfekten Beiß-Moment ab. Und: Sie wissen ganz genau, wann sie ihr Maul schließen müssen, ehe die Säule wieder in sich zusammenfällt.
Hauskatze beim Trinken gefilmt
Dass Studienleiter Roman Stocker selbst Katzenbesitzer ist, dürfte kaum wundern. Ihm kam die Idee zu diesem Forschungsprojekt, als er vor einigen Jahren seinen eigenen Kater Cutta Cutta beim Trinken beobachtete. Und so verbrachte das Forscherteam viele Stunden damit, Cutta Cutta beim Trinken mit digitalen Kameras filmen zu können.
Anschließend werteten die Physiker die Hochgeschwindigkeitsvideos aus, nahmen sich aber zudem noch Unterstützung aus dem Web: Zahlreiche Videos von Samtpfoten auf YouTube scannten die Forscher, um die Flüssigkeitsdynamik des Katzentrinkens zu analysieren. Außerdem bastelten sie eigens eine Roboterzunge, mit der sie die physikalischen Prinzipien besser untersuchen konnten.
Und diese verstehen die Katzen - ganz gleich welcher Größe und Art - instinktiv. Cutta Cutta und seine Artgenossen bewegen ihre Zunge viermal pro Sekunde. Großkatzen wie Tiger wüssten, dass sie langsamer schlabbern müssten, um den perfekten Moment zu erwischen, berichten die Forscher.
Die Wissenschaftler ermittelten zudem die sogenannte Froude-Zahl, mit der hydrodynamische Strömungsbedingungen wissenschaftlich beschrieben werden. Sie liege bei fast genau eins. Dabei spiele es auch keine Rolle, ob es sich um Haustiere oder Wildkatzen handele. Die Vierbeiner regelten ihren Zungenschlag je nach Körpergröße so, dass sie diesen Wert erreichten und damit die größtmögliche Flüssigkeitsmenge aufnehmen könnten.
"Daraus lässt sich schließen", sagte der an der Untersuchung beteiligte Mathematiker Jeff Aristoff von der Princeton University, "dass Katzen schlauer sind, als manche Leute denken, zumindest, wenn es um Hydrodynamik geht."
cib/dpa
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