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Bergbauinduzierte Schwermetallkontaminationen und Bodenplanung in der Harzregion

Von Friedhart Knolle

Aufgrund der Geodiversität des Harzes hatte der Mineral- und Gesteinsabbau in diesem Mittelgebirge seit über 3000 Jahren eine große Bedeutung – Beispiele sind der Bergbau auf Kupferschiefer am Harzrand, die Erz- und Minerallagerstätten im inneren Harz, die Gips- und Dolomitsteinbrüche am Südharzrand und die Diabas-, Gabbro-, Riffkalk- und Grauwackesteinbrüche im Harzpaläozoikum. Diese Eingriffe hatten zunächst nur einen geringen Umfang, entwickelten aber im Laufe der Geschichte aufgrund der wachsenden technischen Möglichkeiten immer gravierendere Einwirkungen auf Natur und Landschaft. Nicht nur die Bergwerke, Metallhütten und Steinbrüche selbst, sondern auch ihre Folgewirkungen wie Abraum- und Schlackehalden, Flotationsteiche, Fichtenmonokulturen und nicht zuletzt die großflächige Schwermetallbelastung sind höchst problematische Folgewirkungen dieses Teiles der Harzer Nutzungsgeschichte – die Kehrseite der nicht im heutigen Sinne nachhaltig entstandenen Harzer Kulturlandschaft.

Schwermetallkontaminationen als Bergbaufolgen

Die Harz ist beliebtes Erholungsgebiet sowie Naturpark und in Teilen Nationalpark – die Existenz problematischer Bodenbelastungen ist hier zunächst nur dem historisch und ökologisch Kundigen evident. Die Harzer Böden und Flüsse, speziell diejenigen im Landkreis Goslar, nur untergeordnet der Landkreise Osterode, Nordhausen und Harz, sind infolge des Metallerzbergbaus und des damit verknüpften Hüttenwesens z.T. extrem hoch mit Schwermetallen belastet. Hohe alte und neue industrielle Kontaminationen sowie untergeordnet auch geogene Hintergrundbelastungen überlagern sich dabei.

Seit die das Harzgebirge durchziehenden Blei-Zink-Kupfer-Erzgänge im Erosionsniveau erschienen, d.h. seit Oberkreide – Tertiär, werden natürliche Schwermetallgehalte fluviatil in das Harzvorland transportiert. Eine die menschliche Nutzung von Wasser und Boden beeinträchtigende Dimension erreichten diese Schwermetallkontaminationen nachweisbar jedoch erst, seit im Harz Erzbergbau umging. Begonnen in der Bronzezeit, erreichten die Schwermetallgehalte schon in der vorrömischen Eisenzeit und später im Mittelalter in untersuchten Erdfallablagerungen in ihrer Intensität europaweit unübertroffene Dimensionen (Hettwer et al. 2002).

Die Harzer Oberböden sind heute durch die Emissionen der Metallhütten stark mit den Elementen Arsen, Blei, Cadmium, Kupfer, Thallium, Zink u.a. angereichert. Im Harzvorland sind insbesondere die Flussgebiete von Innerste, Leine, Oker, Ecker, Aller, Bode und Selke infolge fluviatiler Verfrachtung in wässriger Lösung und gebunden an Schwebstoffe bzw. als Pochsand bis weit in das Harzvorland belastet – dies betrifft die Oberflächengewässer sowie die Fluss- und Auensedimente. Auch die kommunizierenden Grundwässer weisen regional erhöhte Konzentration von gelösten Schwermetallen auf. Aus dem Westharz stammende Metallkontaminationen sind noch in den Sedimenten der Weser und im Bremer Hafenschlick deutlich feststellbar.

Der Bergbau produzierte in jüngerer Zeit neben den nutzbaren Metallen auch schwermetallhaltiges Bergematerial, z.B. die Pochsande und -schlämme der Erzaufbereitungen. Diese Nebenprodukte wurden oberflächlich deponiert – im wahrsten Wortsinne. Die kritischste Konzentration solcher Altlasten zeigt das Einzugsgebiet des oberen Innerstetales zwischen Clausthal-Zellerfeld und Lautenthal im Westharz. Die bezüglich Volumen und Inhaltsstoffen problematischsten Altstandorte und Deponien liegen dagegen am Nordharzrand im Bereich der alten und z.T. noch betriebenen Metallhüttenbetriebe in Langelsheim und Oker-Harlingerode. Keine dieser Deponien hat eine Basisdichtung.

Die Bergbau-Folgeschäden im Nordharzvorland fanden infolge landwirtschaftlicher Mindererträge oder Viehsterben bereits früh Erwähnung, z.B. bei Gatterer (1786). Meyer (1822) lieferte die erste wissenschaftliche Untersuchung des Phänomens und führte die Schäden kausal auf den Schwermetallgehalt der Pochsande zurück. Aus diesem Grunde wurde die Innerste unterhalb von Langelsheim eingedeicht. Der Schwermetalleintrag in die Bäche und Flüsse wurde zeitweise gefördert durch verstärkte Bodenerosion als Folge der Abholzung der Harzer Wälder für die Holzkohlegewinnung und den Grubenausbau.

Seit Beginn der 1950er Jahre wurden vom Niedersächsischen Landesamt für Bodenforschung Untersuchungen der Schwermetallverteilung in Gesteinen, Böden und Gewässern des Westharzes durchgeführt. In den obersten Bodenhorizonten großer Teile des Westharzes befindet sich eine Blei-Anreicherungszone mit Gehalten bis zu 5.000 mg/kg Pb, deren Entstehung auf die Zufuhr durch Rauchgase der seit Jahrhunderten im Harz arbeitenden Hütten zurückgeführt wird (Nowak & Preul 1971).

Abb. 1 Lage der HŸttenstŠtten im Westharz und Gebiete hoher Bleigehalte in Bšden (aus Nowak & Preul 1971).

Abb. 1 Lage der Hüttenstätten im Westharz und Gebiete hoher Bleigehalte in Böden (aus Nowak & Preul 1971).

Nowak & Preul (1971) beschrieben, dass sich von den anthropogenen Beeinflussungen der Montanwirtschaft des Harzes in erster Linie die Halden hydrochemisch bemerkbar machen. Fluviatil ist Haldenmaterial in so großem Umfang transportiert und umgelagert worden, dass es stellenweise einen wesentlichen Bestandteil der Talauensedimente bildet und örtlich fast zu Sekundärlagerstätten angereichert ist. Bei jedem Hochwasser werden die schwermetallhaltigen Sedimente erneut mobilisiert. Erste landesweite Untersuchungen der Auensedimente von Innerste, Leine und Aller wurden von der Landwirtschaftlichen Untersuchungs- und Forschungsanstalt Hameln durchgeführt (LUFA 1985). Ein botanisch interessanter Sekundäraspekt sind die auf dieser Kontamination beruhenden Schwermetallfloren (Hellwig 2002, Ernst et al. 2004).

Abb. 2 Cadmiumgehalte von Acker- und GrŸnlandbšden im Harzraum, Ausschnitt Nordharzvorland (LUFA 1985).

Abb. 2 Cadmiumgehalte von Acker- und Grünlandböden im Harzraum, Ausschnitt Nordharzvorland (LUFA 1985).

Viele anthropogene Harzer Schwermetallquellen sind mangels effektiver Sanierung bis heute emittent – sowohl im Oberharz als auch z.B. im Bereich der Langelsheimer und Oker-Harlingeröder Hüttenanlagen. Besonders kritisch für die menschliche Gesundheit ist die Schwermetallbelastung im Gebiet Oker-Harlingerode, was von Bürgerinitiativen und Umweltverbänden seit langem moniert wird (Öko-Institut 1980). 1968 fand ein großes Vogelsterben an der Oker statt; Schwermetallmessungen zeigten extrem hohe Anreicherungen in den Tieren. 1978 gründete sich in Oker eine “Interessengemeinschaft der Immissionsgeschädigten”, nachdem das Niedersächsische Sozialministerium Verzehrempfehlungen für Obst und Gemüse gegeben hatte. 1979 fand erneut ein Vogelsterben statt, wobei zahlreiche Bläßhühner, Enten und Höckerschwäne verendeten (Knolle & Knolle 1983). 1980 stellte das Bundesgesundheitsamt im Hüttengebiet erhöhte Blutbleibelastungen bei Kindern aus Oker fest. Die damals beginnenden Sanierungsbemühungen halten bis heute an.

Abb. 3 Cadmiumgehalte von Bšden niedersŠchsischer Flussauen (LUFA 1985).

Abb. 3 Cadmiumgehalte von Böden niedersächsischer Flussauen (LUFA 1985).

Bundesweit erstes Bodenplanungsgebiet im Landkreis Goslar

Die Bodenbelastungen des Kreisgebietes Goslar wurden – insbesondere seitdem das Bundesbodenschutzrecht zu greifen begann – von der Kreisverwaltung Goslar bzw. in deren Auftrag untersucht und die Daten in einem Bodeninformationssystem zusammengeführt. Die vom Gesetzgeber nunmehr erstmals vorgegebenen Vorsorge- und Prüfwerte werden im Harz häufig weit überschritten. Besonders stark belastete Städte und Gemeinden sind Clausthal-Zellerfeld, Goslar-Oker, Langelsheim, Lautenthal, Wildemann und Sankt Andreasberg. In Sankt Andreasberg spielt aufgrund der Geochemie der dort gewonnenen Erze die hohe Arsenbelastung eine besondere Rolle. Neben den ubiquitären Bodenbelastungen sind im Altlastenkataster des Landkreises Goslar knapp 1200 Objekte erfasst (Landkreis Goslar 2004a). Die vorhandenen Schwermetallbelastungen können heute nur noch mit z.T. hohem Aufwand saniert werden.

Insgesamt sind Teile des Landkreises Goslar so stark belastet, dass der Harzer Bodenaushub oft als Sonderabfall anzusprechen ist. Der Landkreis Goslar hat daher ein “Bodenplanungsgebiet Harz” geschaffen, das erste seiner Art im Bundesgebiet – es trat am 1.10.2001 in Kraft. Damit werden die erforderlichen Maßnahmen des Bodenschutzes nach einheitlichen Maßstäben festgesetzt und aufeinander abgestimmt (Landkreis Goslar 2004b).

Literatur

Baumann, A. (1984): Extreme heavy metal concentrations in sediments of the Oker – a river draining an old mining and smelting area in the Harz Mountains, Germany. – In: J. Nriagu (Ed.), Environmental Impact of Smelters. Advances in Environmental Science Series, S. 579-591, John Wiley and Sons, New York

Ernst, W.H.O., Knolle, F., Kratz, S. & Schnug, E. (2004): Aspects of ecotoxikology of heavy metals in the Harz region – a guided excursion. – Landbauforschung Völkenrode 54(2):53-71

Dobler, L. (1999): Der Einfluß der Bergbaugeschichte im Ostharz auf die Schwermetalltiefengradienten in historischen Sedimenten und die fluviale Schwermetalldispersion in den Einzugsgebieten von Bode und Selke im Harz. – Diss. Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Eggers B. (2004): Verteilung und Bindungsverhalten ausgewählter Schwermetalle in Aueböden der Oker und Ecker (Harzvorland). – Diss. Techn. Univ. Braunschweig

Gäbler, H.-E. & Schneider, J. (2000): Assessment of heavy-metal contamination of floodplain soils due to mining and mineral processing in the Harz Mountains, Germany. – Environmental Geology 39 (7): 774-782

Gatterer, J.W.J. (1786): Anleitung den Harz und andere Bergwerke mit Nuzen zu bereisen. Zweyter Theil. – Göttingen

Hellwig, M. (2002): Die Schwermetallbelastungen und die Schwermetallvegetation im Innerstetal. – Ber. Naturhist. Ges. Hannover 144:3-21

Hettwer, K., Deicke, M. & Ruppert, H. (2002): Fens in Karst Sinkholes – Archives for Longlasting “Immission” Chronologies.- Water, Air, and Soil Pollution 149:363-384

Knolle, F. & Knolle, F. (1983): Vogel- und Säugetierverluste durch Umweltbelastungen im Gebiet des Harzes. – Vogelkdl. Ber. Niedersachs. 15(2):47-49

Knolle, F. (1989): Harzbürtige Schwermetallkontaminationen in den Flußgebieten von Oker, Innerste, Leine und Aller. – Beitr. Naturk. Niedersachs. 42(2):53-60

Knolle, F. (2005): Auswirkungen des Mineral- und Gesteinsabbaus im Westharz – Das Beispiel der montaninduzierten Schwermetallbelastung und des geplanten Teilabbaus des Iberges. – System Denkmalpflege – Netzwerke für die Zukunft. Bürgerschaftliches Engagement in der Denkmalpflege, Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen 31:218-220

Landkreis Goslar (2004a): Altlasten im Landkreis Goslar Eine Information des Amtes für Wasser- und Bodenschutz beim Landkreis Goslar. – www.landkreis-goslar.de

Landkreis Goslar (2004b): Bodenschutz und Bodenplanungsgebiet Harz im Landkreis Goslar Eine Information des Amtes für Wasser- und Bodenschutz beim Landkreis Goslar. – www.landkreis-goslar.de

LUFA = Landwirtschaftliche Untersuchungs- und Forschungsanstalt Hameln (1985): Schwermetalluntersuchungen landwirtschaftlich genutzter Böden und Pflanzen in Niedersachsen. – Unveröff. Gutachten im Auftrag des Niedersächsischen Ministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten

Meyer, G.F.W. (1822): Beiträge zur chorographischen Kenntnis des Flußgebiets der Innerste in den Fürstenthümern Grubenhagen und Hildesheim mit besonderer Rücksicht auf die Veränderungen, die durch diesen Strom in der Beschaffenheit des Bodens und in der Vegetation bewirkt worden sind. 2 Bde. – Göttingen

Nowak, H. & Preul, F. (1971): Untersuchungen über Blei- und Zinkgehalte in Gewässern des Westharzes. – Beih. geol. Jb. 105:1-68, 9 Taf.

Öko-Institut (1980): Umweltgift Blei – Basisinformationen zur Verseuchung des Raumes Goslar. – Öko-Berichte, Freiburg i.Br.

Segers-Glocke, C. (Hrsg., 2000): Auf den Spuren einer frühen Industrielandschaft; Naturraum – Mensch – Umwelt – Harz. – Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen 21:1-182

Segers-Glocke, C. & Witthöft, H. (Eds, 2000): Aspects of Mining and Smelting in the Upper Harz Mountains (up to the 13th/14th Century) – in the Early Times of a Developing European Culture and Economy. – Sachüberlieferung und Geschichte 33:1-168, Scripta Mercaturae Verlag, St. Katharinen

(Dieser Text ist am 24.02.2009 auf der alten Version von geoberg.de erschienen und wurde übernommen.)

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