Auf der Jagd mit Radar

Mit den Ohren sehen

Fledermaus auf Beutejagd. Mit ihren Ohren orientiert sie sich in der nächtlichen Dunkelheit.
Bis ins 20. Jahrhundert vermochte die Wissenschaft nicht zu erklären, wie sich Fledermäuse in der Dunkelheit orientieren und zielsicher Beuteinsekten finden. Erst dann kam man mit technischen Hilfsmitteln dem Geheimnis auf die Spur. Fledermäuse stossen andauernd extrem hohe Rufe aus - bis zu Hundert pro Sekunde - und erkennen dank des Echos Hindernisse und Beute. Glücklicherweise sind diese Schreie im Bereich des Ultraschalls und für uns daher nicht wahrnehmbar, denn bezüglich Lautstärke können sich die kleinen Fledermäuse problemlos mit einem Presslufthammer messen! Jede Art verwendet dabei ein eigenes, charakteristisches Rufmuster, abhängig von der Jagdtaktik und der Umwelt. Fledermäuse, welche in der offenen Landschaft jagen, schreien beispielsweise lauter als diejenigen, welche im Gebüsch oder im Wald nach Insekten suchen. Damit sie das Echo ihrer leisen Rufe wahrnehmen können, verfügen diese Arten über besonders grosse Ohrmuscheln. Bereits von ihrem Aussehen kann also auf das bevorzugte Jagdgebiet einer Fledermaus geschlossen werden.
Fliegen braucht viel Energie und macht daher gewaltig hungrig. Eine Wasserfledermaus vertilgt bei ihrer Jagd beispielsweise rund 1000 Mücken innert einer Stunde. Da braucht es effiziente Jagdstrategien. Die abendliche Beutejagd beginnt daher meist mit dem Überfliegen des Jagdreviers auf der Suche nach Insektenschwärmen. Dabei stösst sie schwache, tiefe Schreie aus. Die tiefen Laute vermitteln zwar nur ein grobes Bild der Umgebung, haben aber eine grosse Reichweite und kosten wenig Energie. Sobald eine mögliche Beute geortet wird, wechselt die Fledermaus zu höheren, lauteren Tönen. Der zeitliche Abstand zwischen den Schreien wird immer geringer. Die kürzere Wellenlänge der hohen Töne ermöglicht eine präzisere Anpeilung der Beute. Mit ihren Ohren hört die Fledermaus nicht nur die exakte Position des Insekts, sondern auch dessen Grösse und Form. Ist ein Insekt schliesslich erbeutet, wird es blitzschnell verschlungen. Denn mit einem vollen Mund können die meisten Fledermausarten nicht mehr schreien und flattern für einen kurzen Moment orientierungslos durch die Nacht.

Insekten setzen sich zur Wehr

Der 'Braune Bär' ist eine einheimische Art der Bärenspinner. Diese Nachtfalter stören das Echolot der Fledermäuse, indem sie in der gleichen Tonlage zurückschreien.
Beim gewaltigen Jagderfolg der Fledermäuse ist klar, dass sich Insekten vor ihnen in Acht nehmen müssen. Im Verlaufe der Evolution entwickelten sie daher diverse Techniken, um den nächtlichen Jägern nicht zum Opfer zu fallen. So besitzen praktisch alle Nachtfalter eine dichte Körperbehaarung. Dieser schallschluckende Pelz mindert die Gefahr, durch die Suchrufe der Fledermaus geortet zu werden. Zudem verfügen viele Nachtfalter - im Gegensatz zum Grossteil der übrigen Insekten - über ein Gehör. Damit hören sie eine herannahende Fledermaus, lange bevor sie in deren Reichweite sind. Ist der Jäger allerdings bereits zu nahe, bleibt nur noch der Sturzflug. Mit angelegten Flügeln lassen sie sich wie ein Stein zu Boden fallen und hoffen, so dem sicheren Tod zu entkommen.
Die ausgeklügeltste Abwehr kennen die Bärenspinner. Diese Gruppe von Nachtfaltern beschränkt sich nicht aufs Zuhören, sondern funkt den Fledermäusen drein. Sobald sie die Suchrufe einer Fledermaus hören, setzen sie zu einem ohrenbetäubendem Geschrei an - zumindest für Ohren der Fledermäuse. Um diesem Lärm zu entkommen, drehen Fledermäuse dann meist rasch ab.

 



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