zuletzt bearbeitet: 15.10.2011 09:19 Uhr
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Casino Erfurt: "Da ist Gefahr im Verzug"
Glücksspiel-Kritiker sind empört: Obwohl in Thüringens einziger Spielbank erhebliche Mängel bekannt geworden sind, schiebt das Innenministerium eine Prüfung auf die lange Bank.
Erfurt - Ilona Füchtenschnieder, die Bundesvorsitzende des Fachverbands Glücksspielsucht, kann sich über das Thüringer Innenministerium nur wundern. Das Ministerium hat die Aufsicht über das Casino Erfurt. Doch eine Überprüfung des Casinos legten die Beamten vorerst auf Eis - und das, obwohl seit dem Kika-Prozess massive Kritik an Thüringens einziger Spielbank laut geworden ist.
Rückblick: Im Juli diesen Jahres wurde der frühere Herstellungsleiter des öffentlich-rechtlichen Kinderkanals Kika vom Landgericht Erfurt zu einer Haftstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt. Die Richter sahen ihn schuldig der Untreue und Bestechlichkeit. Der Kika-Manager hat laut eigenem Geständnis mittels Scheinrechnungen und gemeinsam mit einem Komplizen etliche Millionen Euro beim Sender abgezweigt. Seinen Anteil an der Beute will er zum größten Teil in Spielbanken verzockt haben. Ein Gutachter bescheinigte ihm Spielsucht.
Im Casino im vornehmen Hotel am Erfurter Dom war der Kika-Mann Stammgast. Durchschnittlich fast zwei Mal pro Woche saß er an den Automaten. Bis zu 40 000 Euro verspielte er nach eigenen Angaben an einem Abend. Doch das Casino, das Spielsucht verhindern soll, schritt nicht ein. Ein "angenehmer Gast, unkompliziert und ruhig" sei der Kika-Mann gewesen, sagte der Casino-Direktor als Zeuge im Prozess. Für eine Spielsucht habe es keine Anzeichen gegeben.
"Die Fehler des Casinos sind offensichtlich", sagt dagegen Glücksspiel-Kritikerin Füchtenschnieder. Dabei beruft sie sich auch auf das mündliche Urteil, in dem der Vorsitzende Richter Thomas Schneider das Verhalten der Casino-Leitung "verantwortungslos" nannte. Schneider regte sogar an, dass dies juristische Folgen haben solle.
Füchtenschnieder ist deshalb verwundert, dass vom Thüringer Innenministerium bisher nicht gegen die Spielbank vorgegangen worden ist. "Auflagen und eine richtig hohe Geldbuße" seien nötig, verlangt die Expertin. Bei einem Spielverhalten, wie es der Kika-Manager zeigte, hätte das Casino eingreifen müssen. Es sei ein "absolutes Alarmsignal" für Spielsucht, sagt Füchtenschnieder, wenn jemand so häufig und mit so viel Geld spiele.
Das Innenministerium als Aufsichtsbehörde legt jedoch vorerst die Hände in den Schoß. "Wir warten ab, bis das Urteil rechtskräftig wird", sagt ein Ministeriums-Sprecher auf Nachfrage unserer Zeitung. Erst dann wolle man eine weitere Stellungnahme vom Casino-Betreiber, der in Duisburg ansässigen Westspiel-Gruppe, einholen. Bisher habe es keine Vorgaben oder Vorschriften für den Betreiber gegeben. Nur eine erste Stellungnahme zur Einhaltung des Sozialkonzeptes sei angefordert worden.
Dem Innenministerium zufolge hat der Kika-Manager gegen das Urteil des Landgerichtes Erfurt Revision eingelegt. Sein Erfurter Anwalt ließ eine Anfrage zum Stand des Verfahrens bisher unbeantwortet. Wegen der Revision könnte es noch sehr lange dauern, bis es zu einem rechtskräftigen Urteil kommt - was die Glücksspiel-Kritikerin alarmiert.
"Ich sehe akuten Handlungsbedarf. Da ist Gefahr im Verzug", warnt Ilona Füchtenschnieder. Sie denkt an Spieler im Erfurter Casino, die wie der Kika-Manager in die Sucht abgleiten könnten. Es sei doch seit dem Prozess erwiesen, dass in der Spielbank das Sozialkonzept nicht ausreichend beachtet worden sei. "Wenn einer Aufsicht Missstände bekannt werden, dann muss sie die abstellen", verlangt die Expertin: "zeitnah".
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