Gudrun Pausewang

REISE IM AUGUST

Roman

Ravensburger Taschenbuch 8040,
Ravensburger Buchverlag 1997


 

 

Übersicht

 

A     Inhalt

B     Leseprobe

C     Einsatz des Buches

D     Vorschläge für die Besprechung

  1. Biographische Hintergründe der Opfer – ein Vergleich der fiktiven mit realen Biographien

  2. Alice' Entwicklung während des Transports

  3. Erstellung einer Collage / Powerpoint-Präsentation

  4. Die Frage nach den Tätern

E     Biographische Notizen zu Gudrun Pausewang

 


           

A Inhalt

Alice Dubsky, eine elfjähriges jüdisches Mädchen, wird nach  Auschwitz deportiert. Diese „Reise im August“ wird aus ihrer Perspektive erzählt. Dabei werden in die aktuellen Ereignisse Berichte und Erlebnisse  aus ihrem früheren Leben und Informationen über ihre Familie eingeflochten und es wird ihre durch die Ereignisse forcierte Entwicklung vom „kleinen“ Mädchen zum Erwachsen werden dargestellt.

Alice wächst  in behüteten großbürgerlichen Verhältnissen auf. Zu ihrer Familie gehören neben ihren Eltern auch ihre Großeltern. Mit der Verfolgung der Juden im Dritten Reich wird diese Idylle jäh unterbrochen. die Dubskys müssen sich in ihrer eigenen Villa im Keller verstecken, versorgt durch die „arische“ Haushälterin. Bei einem heimlichen Arztbesuch werden die Eltern verhaftet und wenig später wird auch das Versteck  entdeckt und Alice und ihre Großeltern werden nach Auschwitz  transportiert, wobei die Großmutter von ihnen getrennt wird.

Die „Reise“ findet in einem geschlossenen Güterwagon quer durch Deutschland statt.  Der Wagon ist mit 45 Menschen unterschiedlichster Herkunft, verschiedenster Berufe und allen Alterstufen gefüllt. Die Versorgung und die hygienischen Bedingungen sind katastrophal und verschlimmern sich mit jedem Tag der Fahrt. Die unmenschlichen äußeren Bedingungen gepaart mit der Ungewissheit über die Zukunft lassen die lassen die unterschiedlichen Wesenszüge der zusammengepferchten Menschen zum Positiven wie Negativen scharf  hervortreten.

Alice, von ihrem Großvater bis zu seinem Tod aus Erschöpfung liebevoll umsorgt, entdeckt im Laufe der Fahrt durch die Äußerungen eines fast gleichaltrigen Mädchens, Rebecca , dass sie von ihren Eltern und Großeltern mit „Notlügen“ vor der grausamen, antisemitischen Realität abgeschirmt worden war. So klären sich das Leben im Keller und das verschwinden ihrer Eltern für sie nun auf. Die extremen Lebensbedingungen und die Notwendigkeit nach dem Tod des Großvaters mit den neuen praktischen und vor allem seelischen Bedingungen alleinfertig zu werden, lassen sie frühzeitig vom Kind zum Erwachsenen reifen, ohne erwachsen sein zu dürfen. Hilfe bei diesem Prozess findet sie bei Ruth , der Mutter von Rebecca,  die sie nach dem Tod des Großvaters aufnimmt. Mit Ruth und deren Kindern findet sie dann auch den Tod in der Gaskammer von Auschwitz.


 

B Leseprobe

Jetzt wurde es vollkommen dunkel im Waggon - noch ehe die meisten Zeit gehabt hatten, von der Tür auf ihre Plätze zurückzukehren.

»Die Eimer, Vorsicht, die Eimer!«, hörte Alice Herrn Blum rufen. Seine Stimme kam aus der Nähe. Alice bückte sich und tastete nach dem Eimer. Sie fasste mitten ins Wasser. Aber wo war der andere? Sie griff jemandem ans Bein, aber dann hatte sie ihn, den zweiten Eimer. Sie zog ihn ganz nah an den anderen heran, legte sich mit dem Oberkörper auf den ersten und schlang die Arme um den zweiten.

Schon wollte sie Herrn Blum rufen. Da stieß jemand gegen ihren Kopf. Es tat scheußlich weh. Gleich darauf folgte ein zweiter Stoß. Sie schrie auf, zog den schmerzenden Kopf zurück und senkte ihn in den Eimer, um den Stößen zu entgehen. Man hielt sie wohl für Gepäck, das im Weg stand!

Rufe flogen hin und her. »Mutti, wo bist du?« - Hierher, Ilse!« - »Ich komm hier nicht weiter!« - »Bleib stehen, wo du bist und warte, bis Licht kommt!« - »Mama, komm!«, und ein verzweifeltes: »Benni!«

Alice spürte Kühle am Kinn und an der Nase, köstliche Kühle. Sie war mit dem Gesicht ins Wasser geraten, das im Eimer hin- und herschwappte. Nun konnte sie der Versuchung nicht mehr widerstehen, das Gesicht ganz ins Wasser zu tauchen.

»Wo sind die Eimer?«, hörte sie Herrn Blum erregt rufen.

Nur noch eine Sekunde wollte Alice das Gesicht im Wasser lassen. Nur eine einzige Sekunde.

»Sie müssen doch irgendwo sein! «, schrie Herr Blum.

Noch eine Sekunde dazu. Und dann kam die Versuchung so mächtig über sie, dass sie den Mund öffnete und trank hastig, Schluck um Schluck. Drei tiefe Schlucke. Beim dritten verschluckte sie sich und musste husten.

»Alice«, hörte sie Ruths Stimme. »Wo bist du, Kind?«

»Die Eimer, Leute - so gebt doch das Wasser heraus!«, schrie Herr Blum mit Wut in der Stimme.

Jetzt hatte Alice wieder Luft. »Sie sind hier, Herr Blum!«, rief sie. »Ich hab sie! Ich liege darüber!«

»Bleib so«, hörte sie ihn antworten. »Ich komme!«

Kinder plärrten. Alice spürte kleine, tastende Hände und hörte ein klägliches »Mami!«

»Benni, Benni«, antwortete die angstvolle Stimme der Blonden.

Wieder bekam Alice ein paar Stöße ab, dann spürte sie tastende Hände. Eine Frauenstimme flüsterte über ihr: »Bist du's, Alice? Lass mich nur einen Becher voll...«

Alice erkannte die Stimme nicht. »Nein«, sagte sie.

Dann spürte sie einen festen Griff am Kopf, an den Haaren, der sie wegzuziehen versuchte.

»Nein!«, fauchte Alice wütend.

Eine zweite Stimme mischte sich jetzt ein. Diese Stimme kannte sie. Das war der Trenchcoat-Mann. »Na warte, dir werd ich ...! «, flüsterte er.

Eine Taschenlampe flammte auf. Ihr Strahl geisterte über die Decke. Alice hob den Kopf. »Herr Blum, Herr Blum!«, rief sie.

Da kam er auch schon. Da war er und half Alice auf die Beine. Er lobte sie, und sie senkte schnell den Blick. Sah er nicht ihr nasses Gesicht, ihr nasses Haar? Erriet er nicht, dass sie von dem Wasser getrunken hatte - Wasser, das ihr nicht zustand?

Mit Herrn Blum war Herr Silbermann gekommen. Seine Krawatte war verrutscht. Er nahm den einen der beiden Eimer und trug ihn zur Blonden hinüber, die jetzt, im herumirrenden Funzellicht, ihren Benni wieder gefunden hatte. Herr Blum leuchtete Herrn Silbermann den Weg. »Aber nur ein Viertel davon, höchstens ein Viertel!«, rief er ihm nach. »Der Rest muss zu Frau Wormser! « Und dann rief er laut in den Waggon hinein: »Wer hat noch eine Taschenlampe? Wir brauchen Licht für die Entbindung!«

Alice antwortete. Auch zwei andere Stimmen meldeten sich zögernd.

Aber es gab mehr als vier Lampen im Waggon! Hier und dort schimmerte eine auf und erlosch wieder. Alice tastete sich durch bis zu ihrem kleinen Rucksack, fingerte Großvaters Taschenlampe heraus und reichte sie Rebekka, die sie weitergab. So wanderte sie bis in die Ecke, wo Frau Wormser stöhnte. Bald begann diese Ecke zu leuchten. An der Decke tanzten Schatten. Rücken und Köpfe, schwarz vor der Helligkeit, verwehrten Alice den Blick auf die Liegende. Ein Kopf, ein Rücken gehörte Ruth.

»Komm, setz dich, Alice«, sagte Rebekka neben ihr.

»Wir müssen dicht zusammenrücken«, sagte Ruben. »Wir haben nicht mehr viel Platz. Die Scheiße ist nur noch einen Schritt weit weg.«

»Wir sind drei Leute weniger als bei der Abfahrt«, sagte Rebekka. »Aber die Toten brauchen so viel Platz.«

»Jetzt haben wir wieder eine ganze Flasche voll Wasser«, murmelte David schlaftrunken.

»Abgerechnet drei Schlucke«, ergänzte Ruben. »Die hat uns Ruth erlaubt. Und wie viel Wasser hast du bekommen?«

Alice dachte an ihre drei Schlucke und fühlte, dass sie jetzt rot wurde. »Unsere Flasche ist ja kaputt«, sagte sie unsicher, »und in der Thermoskanne ist noch Kaffee - «

»Dacht ich mir's doch«, sagte Ruben finster. »Jetzt wird dir Ruth wieder von unserem Wasser abgeben.«

»Behaltet euer Wasser«, sagte Alice heftig. Dann schob sie die Tasche zwischen sich und die Mandels, lehnte sich an sie und hatte die Mandels im Rücken, die Toten vor sich. Sie hatte so wenig Platz, dass sie die Beine ganz dicht an den Körper ziehen musste. Hinter sich hörte sie Rebekka leise mit Ruhen schimpfen.

»Ist doch wahr!«, hörte sie Ruben trotzig antworten.

Alice fühlte sich sehr allein. Gedankenverloren begann sie ihr Haar in zwei Hälften zu teilen. Sie nahm die eine Hälfte, ordnete sie in drei Stränge und begann zu flechten.

S.114 – S.117


 

C Einsatz des Buches

Das Buch kann in den Jahrgangsstufen  8 – 10 eingesetzt  werden.
 


 

D Vorschläge für die Besprechung


1. Biographische Hintergründe der Opfer – ein Vergleich der fiktiven mit realen Biographien.

Hier können die fiktive Biographie Alice’ und die einer realen Person aus einer anderen Gesellschaftsschicht und gegebenenfalls einem anderen Land nebeneinander gestellt werden, um den Schülern die historische Realität hinter der Fiktion der Romans sichtbar zu machen. Daneben wird den Schülern auch deutlich, dass es nicht „besondere“ Personen waren, die verfolgt und/oder letztlich ermordet wurden. Vielmehr hätten auch „ich“ und „du“ es sein können.

Zunächst sammeln die Schüler die Textstellen, die Auskunft über das Elternhaus und die Herkunft Alice’ geben (eine Auswahl siehe unten). Dann werden die realen Biographien den Schülern als Arbeitsblatt (AB 1) ausgeteilt.

Als Drittes bekommen die Schüler ein Arbeitsblatt (AB 2), in das sie tabellarisch die Daten - soweit es geht chronologisch und/ oder thematisch (Elternhaus; sozialer Stand, Umfeld, Bildung, Ausbildung  etc.) - eintragen und in einer weiteren Spalte ihre eigenen Lebensdaten parallel dazu vermerken. Letzteres soll verdeutlichen, wie mögliche Lebenswege und Lebensziele abgeschnitten oder  in andere Bahnen gelenkt werden. Auch sollen die Schüler in Bezug auf ihre eigene „Lebensplanung“ sich bewusst werden, was es bedeutet, von  einem unmenschlichen System zur Unperson herabgewürdigt zu werden. (Hier ist durchaus auch ein Hinweis auf die Ausländer-raus-Parolen der Neonazi-Szene möglich oder eine Erweiterung des Themas auf Asylanten, wobei den Hintergründe und Ursachen der Bewerbung um Asyl nach gegangen werden kann. )

 

Hinweise auf Alice’ Biographie

  • S.9o                Alice’ Alter: zwischen 11 und 12 Jahre

  • S.10u              Bahnreisen zum Onkel (Viehhändler)

  • S.11u/12         Erziehung zu peinlicher Sauberkeit

  • S.12                Name des Großvater: Siegfried Dubsky

  • S.16o              Urlaubsreise nach Nizza

  • S.18m             Großvater Kriegsveteran des 1.Weltkriegs

  • S.20m             Hinweis auf Wohlstand: weite Reisen

  • S.21m             Hinweis auf Wohlstand: Großmutter besitzt einen „Persianer“;

  • S.21u              Mutter gepflegte Escheinung: Schuhe mit hohen Absätzen, Parfüm

  • S.26                bürgerliche Erziehung: Höflichkeit, Rücksicht, Achtung von Eigentum

  • S.35                Bildung: „Großvaters Kunstbuch“

  • S.36                Großvater besitzt Kaffeegroßhandlung

  • S.40o              Bildung, Kultur: Besuch von Konzerten; Mutter spielt Klavier

  • S.51o              Augenmerk auf gehobene Sprache: man sagt nicht „kotzen“

  • S.51u              vornehmes Benehmen: man trinkt nicht aus der Flasche

  • S.52o              wohnen in einer Villa (mit Kellerwohnung fürs Personal)

  • S.520              Hausangestellte

  • S.53m             gepflegtes Äußeres: Haare am Morgen eine Viertelstunde bürsten

  • S.53u              Wohlstand:  Alice(!) besitzt Armbanduhr

  • S.80                Bürgerliche Bildung: Kunst als Sinnbild von Kultur

  • S.80                Wohlstand: Schmuck

  • S.80                Ahnentafel:  Abstammung als Verpflichtung

  • S.92u-94o       Beschreibung der Villa; Gärtner zugleich Hausmeister und Chauffeur

  • S.99                Großvaters  (bürgerliches) Geburtstagsfest

  

 

Arbeitsblatt 1

 


Hanna Markowicz

Vor dem Ersten Weltkrieg gehörte er zu Ungarn, danach zur Tschechoslowakei. Die Rede ist von dem Ort Irsava in den Karpaten, in dem am 29. April 1928 Hanna Markowicz auf die Welt kam.

Zu Hause wurde jiddisch gesprochen. »Wenn wir sie nicht verstehen sollten«, erzählt Hanna, »redeten die Eltern miteinander ungarisch«. Ein Grund für sie und ihre vier Brüder Schmuel, Jakov, Herschel und Josef, auch diese Sprache zu erlernen.

In Irsava gab es eine große jüdische Gemeinde. Ungefähr die Hälfte der 10000 Einwohner gehörte ihr an. Die Familie Markowicz war fromm, aber nicht orthodox. Zu Weihnachten wurden sie immer von einer christlichen Familie eingeladen. Ihr Vater ging meist mit den Kindern zur Feier, ihre Mutter nicht immer, »die machte das nicht so gern«. Umgekehrt besuchte die christliche Familie die Markowicz an jüdischen Feiertagen.

»Ich habe zunächst keinen Antisemitismus gespürt. Es gab zwar Streit in der Schule, aber der hatte mit Antisemitismus nichts zu tun. Jedenfalls kann ich mich nicht daran erinnern. Ich hatte sowohl russische als auch jüdische Freundinnen. Das war nichts Außergewöhnliches.«

 

Ungarn annektierte 1939 von der Tschechoslowakei die Karpatenukraine, zu der Irsava gehörte. Die ungarische Regierung erließ zahlreiche antijüdische Gesetze. Juden, die nicht beweisen konnten, dass ihre Vorfahren »bereits seit mindestens 1867 in jener Provinz ansässig« waren, drohte die Deportation. Im Herbst 1941 wurden mehr als 10 000 Juden, vor allem aus der Karpartenukraine über die Grenze in das von Deutschland besetzte Kamenez-Podolskij verschleppt und von der SS ermordet.

            »Von unseren Verwandten wurden die ersten 1942 deportiert. Damals haben wir geglaubt, dass es nicht noch schlimmer werden kann, als es ohnehin schon war.«

            Obwohl schon viele Juden aus Ungarn ermordet worden waren, hatte die Regierung in Budapest den deutschen Aufforderungen zu ihrer Deportation in großem Stil bis zum März 1944 nicht entsprochen. Die Lage für die 750 000 Juden im Land änderte sich schlagartig, als deutsche Truppen Ungarn am 19. März 1944 besetzten. Ab Mitte April begannen die Nazis mit der systematischen »Konzentration« der Juden aus Irsava und der gesamten Karpatenukraine. Hanna, ihre Eltern und drei ihrer vier Brüder wurden nach Muncas in ein »Durchgangslager« gebracht. Mitte Mai 1944 begannen die Transporte nach Auschwitz-Birkenau.

(Hanna wird mit anderen Häftlingen von Auschwitz nach Hamburg  zum Schutt und Trümmer räumen gebracht, kam dann ins Lager Bergen-Belsen und wurde dort von den Engländern befreit. Sie lebt heute in Israel.)

aus: Erinnere Dich, Auschwitz – zwischen Schweigen und Sprechen, Aktion Sühnezeichen Friedensdienste 1994, S. 9f



 

Georg Scherer

Geboren am 2. März 1906 in Pasenbach. Bezirksamt Dachau; gestorben am 8. April 1985 in Dachau.

Seine Jugend wird von Armut und Elend überschattet. Georg Scherer verliert schon früh seine Mutter. Der Vater zieht mit der Familie von Pasenbach  nach Dachau, wo er in der ehemaligen Pulver- und Munitionsfabrik Arbeit findet. Für den Besuch der Schule bleibt dem Jungen wenig Zeit, da er oft während des Unterrichts zum Arbeiten auf die Felder geschickt wird. »Für ein Butterbrot«, wie er sich ausdrückt, hat er außerdem nicht selten einen Ochsen stundenlang im Moos zu hüten.

Weil daheim für eine Lehre kein Geld vorhanden ist, wird Georg zu einem Bauern nach Breitenau bei Dachau gegeben, wo er sich den Lebensunterhalt selbst verdienen muss. Sein sehnlichsterWunsch, ein Handwerk zu erlernen, erfüllt sich erst nach dem Tod des Vaters, der bei der Demontage von Munition ums Leben gekommen ist. Die »Deutschen Werke«, welche die Anlagen der Pulver- und Munitionsfabrik im Jahre 1920 übernommen haben, bieten dem Sohn eine Lehrstelle an, damit er später mit dem erlernten Beruf die Familie ernähren kann.

Nachdem Scherer als Eisendreher ausgelernt  hat, blickt er wieder voller Sorgen in die Zukunft. Sein Lehrbetrieb schließt, und er ist ohne Arbeit. Schließlich findet er bei den «Bayerischen Motoren Werken» (BMW) in München eine Stelle, in der er es zum Werkmeister bringt. Die Position hat er jahrelang inne. Scherer behält seinen Wohnsitz in Dachau. Dort tritt der begeisterte Sportler im Jahre 1923 dem «Arbeiter-Turn- und Sportverein« (ATSV) bei, der ihm auch, wie er später immer wieder betont, zur »politischen Heimat« wird. Als Geräteturner, Handballer und Leichtathlet macht er bald von sich reden. So nimmt er sogar an der 1.Internationalen Arbeiter-Olympiade teil, die vom 24. bis zum 28. Juli 1925 in Frankfurt am Main stattfindet, und gewinnt dort den 1500-Meter-Lauf. Der Dachauer Verein schickt ihn auch zum Besuch der »Bundesschule des deutschen Arbeiter-Turn und Sport-Bundes « (ATSB) nach Leipzig, wo Lehrwarte, Schiedsrichter und Übungsleiter ausgebildet werden.

Dem Nationalsozialismus steht Scherer von Anfang an ablehnend gegenüber. An seiner Haltung ändert sich auch nach der »Machtergreifung« Hitlers nichts. Standhaft weigert er sich gegenüber dem Betriebsleiter bei BMW, in die NSDAP einzutreten. Mit seinen Äußerungen gegen das NS-Regime, die er offen am Arbeitsplatz macht, zieht er sich die Feindschaft des Vorgesetzten zu. Um Scherer zu Fall zu bringen, wird auf ihn ein Spitzel der Bayerischen Politischen Polizei (später wie in Preußen »Geheime Staatspolizei«  genannt) angesetzt. Der Ahnungslose vertraut dem Fremden und lässt sich von ihm Flugblätter mit regimefeindlichem Inhalt aushändigen, die er in Dachau unter Freunden verteilt. Wiederholt trifft er den Provokateur nach Arbeitsschluss an einem geheimen Ort unweit von BMW in München, wo er neues Material übernimmt. Die Tätigkeit wird Scherer zum Verhängnis. Am 22. Dezember 1935 erscheint plötzlich die Polizei in der Turnhalle an der Brunngartenstraße in Dachau und nimmt den Überraschten fest, der dort gerade eine Weihnachtsfeier für den Arbeitersportverein einstudiert hat. Nachdem Scherer zunächst ins Dachauer Amtsgerichtsgefängnis gekommen ist, wir der an Heiligen Abend ins Konzentrationslager gebracht.

(1941 wird Scherer aus der KZ-Haft entlassen, kommt in einem Rüstungsbetrieb in Dachau  unter , was ihn vor dem Militärdienst bewahrt und lebt dann in Dachau bis u seinem Tod 1985.)

aus: Lebensläufe, Schicksale von Menschen, die KZ Dachau waren, Dachauer Dokumente Bd.2, 1990, Hgb. Verein Zum Beispiel Dachau

 

 

 

 

 

 

Arbeitsblatt 2

Alice

Hanna

Georg

ich

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

2. Alice’ Entwicklung während des Transportes

 

Hier soll der inneren Entwicklung Alicens nachgegangen werden. Pausewang lässt Alice in den Tagen im Waggon von einem kleinen Mädchen zu einer beinahe jungen Frau heranreifen. Es bietet sich an, den Reifungs-/ Veränderungsprozessprozess als Bespiel zu nehmen, was mit Menschen geschieht, die extreme Situationen aushalten müssen. In diesem Fall bewirken drei Faktoren die Veränderung Alice’: die immer unerträglicher werdenden Lebensumstände im Güterwaggon, die Aufklärung durch Mitreisende über ihre wahre Situation und die auf etwa 24 Stunden komprimierte Zeit, die Alice noch zu leben hat. Letzteres ist ihr nicht wirklich bewusst, aber dennoch ein Faktor, der ihre Entwicklung voranzutreiben scheint.

 

Zunächst seien einige Textstellen angeführt, die die Situation im Waggon aufzeigen und zwar sowohl solche, die die menschenverachtende Situation vor Augen führen, als auch solche, die das Aufblitzen von geradezu rührendem menschlichen Verhalten zeigen.

In diesem Zusammenhang kann man die Schüler auf ein durchgehendes Motiv hinweisen bzw. sie es selbst herausarbeiten lassen: die Toilettenecke mit der sich letztlich unaufhaltsam weiter ausbreitenden Kloake. Deuten lässt sich dieses immer wiederkehrende und sich im wahrsten Sinne des Wortes vergrößernde Bild mit der immer stärkeren Eingrenzung der Lebensmöglichkeiten der Juden im Wagon (und darüber hinaus auf die Lebensbensmöglichkeiten der Juden überhaupt) und dem Näherheranrückens des schrecklichen Endes. Die Kloake, das böse Unheil, bemächtigt sich ihrer.

Hier nun die Textstellen:

S.7                  schließen der Schiebetür (= Güterwagon)

S.12/13           einrichten der  Toilettenecke

S.15 o             Versuch durch die Schiebetür zu pinkeln

S.22 u             Versuch, Ordnung in die Ungewissheit zu bekommen (Namensliste)

S.27 m            eingesperrt sein (Schiebetüren sind verschlossen)

Wassermangel

S.33 o             Kind wird in aller Öffentlichkeit gesäugt

S.33 u             eine hochschwangere Frau

S.34 u             Toilettenecke

S.49                Wassernot

S.54                Toilettenecke (Aggression gegen jemanden, der zu lange Zeit benötigt)

S.58 u/59        Ekel vor der Kloake wird erzwungenerweise überwunden

S.58                Paul beschäftigt die Kinder

S.73 u             Gesang der Opernsängerin

S.76                Rebekka und Alice tragen sich Gedichte vor

S.86 ff             Großvaters Tod

S.87 u/88        Ruth nimmt die verwaiste Alice ganz selbstverständlich auf

S.94 m            steigende Aggression (Streit um Wasser)

S.108 u           Der Tod Pauls tritt in den Hintergrund, da das Wasser wichtiger ist

S.114 ff           Kampf ums Wasser

S.123 u           teilen von Lebensmitteln

S.134 f            die Geburt

S.138 u           kleine Hilfsgeste (Handtücher gegen die Blutungen nach der Geburt)

S.142 u           die Kloake breitet sich aus

S.146 o           die „Brühe“ hat Alice erreicht (kurz vor der Ankunft in Auschwitz)

 

 

Es folgen jetzt Textstellen, die Alice Entwicklung vom kleinen, unwissend gehaltenen, verwöhnten und großbürgerlich erzogenen Mädchen zur auf das Erwachsenwerden zusteuernder Jugendlichen illustrieren. Der Prozess beginnt, Alice ist knapp zwölf Jahre alt, mit dem Abtransport aus der Kellerwohnung der (groß-)elterlichen Villa und endet mit dem Tod in der Gaskammer etwa 24 Stunden später. In dieser Zeit durchläuft sie den Ablöseprozess von den Eltern/Großeltern. Sie haben versucht, sie in ihrer Kindlichkeit zu belassen, um sie über die wahre Situation leichter hinwegtäuschen zu können, da sie ihr – in guter Absicht - „unnötige“ Sorgen, Nöte und Ängste ersparen wollten. Bei aller Distanz, die sie zu den „Geschichten“ der Eltern/Großeltern gewinnt, selbst bei der Wut, die sie deswegen zeitweilig empfindet, bleibt der Grundzug ihres Verhältnisses zu und ihrer Erinnerung an diese Personen von Liebe und Zuneigung bestimmt. Je mehr Alice ihre Situation durchblickt (wo bei sie nie von Hoffnungslosigkeit übermannt wird), desto selbstbewusster und stärker wird sie. So erträgt sie nicht nur den Tod des Großvaters und Pauls, in den sie sich ein wenig verliebt hatte, sondern entwickelt ein abgeklärtes, liebevolles Verhältnis zu den Toten, deren Leichname direkt neben ihrem Platz liegen. Sie wird also von Stunde zu Stunde – mit kleinen Einbrüchen – zu einer stärkeren, selbständigeren Persönlichkeit.

Den Schülern kann die Aufgabe gestellt werden, Alicens Schwächen und Stärken herauszuarbeiten, sie nebeneinander zu stellen und dann die aufgefundenen Textstellen auszuwerten, d.h. festzustellen, was über wiegt: Stärke oder Schwäche?

Das Fazit dieses Arbeitsganges ist die Erkenntnis, dass der Mensch auch unter unmenschlichen Bedingungen sich seine Würde bewahren und Mensch bleiben, ja sogar noch über sich hinaus wachsen kann.

            Die Schüler bekommen den Auftrag, ein Arbeitsblatt selbst zu entwerfen, aus dem auch optisch die Entwicklung von Alice hervorgeht. Denkbar wäre ein horizontal in der Mitte durch eine deutliche Linie geteiltes DIN A4 Blatt. Oberhalb der Linie werden ihre „positiven“ Schritte, unterhalb die „negativen“ in der Abfolge des Geschehens eingetragen. eine starke vertikale Linie durchschneidet die horizontale zwei/drei Zentimeter vor dem rechten Rand. Dahinter tauchen dann nur noch ein Kreuz als Symbol des Todes und das Wort „Gaskammer“ auf (s. Abb. unten). 

Hier nun die Textstellen, die Alice charakterisieren und ihre Entwicklung zeigen:

  • S.9 o               Alicens Alter: sie sieht jünger aus als sie ist: fast 12 Jahre alt

  • S.11 u             Ekel vor Schmutz

  • S.16 m /17 o   Ekel vor Kot am Schuh, Alice muss sich übergeben

  • S.20 m            erste Ahnung (niemand ist vom „Verreisen“ zurückgekommen)

  • S.22 m            erster Verdacht: Großeltern mussten „Reise“ geahnt haben

  • S.26 o             Alice erzogen zur Höflichkeit

  • S.32 u             Alice verbietet sich ein Lachen

  • S.33 o             Alice traut sich, aufzustehen und ein Baby zu streicheln

  • S.35 o             Interesse an Paul

  • S.37 m            Frage nach der erzwungenen „Reise“

  • S.38 o             nach den Erklärungen des Großvaters: „Freude“ auf die „Reise“

  • S.38 u              Interesse an Paul

  • S.41 o             Alice möchte erwachsen und erfahren werden: sie will „alles“ von

  •                         Rebekka wissen

  • S.46 u/47        Alice wird durch Rebekka aufgeklärt über Zeugung und Geburt

  • S.50 u              Alice ekelt sich wieder

  • S.51 u              Alice trinkt aus der Falsche, was „man“ eigentlich nicht tut

  • S.55 o             leiser Zweifel an den Erklärungen der Großeltern

  • S.56 m             Verdacht gegenüber der Täuschung mit Briefen

  • S.62                Großvaters Fluch lässt sie an ihm zweifeln  

  • S.64                Großvaters Schwächeanfall lässt Alice stärker werden

  • S.71/72           die Lüge über den Abtransport der Eltern: Zahnklinkaufenthalt

  • S.78 o             Bewusstwerden ihrer Kindlichkeit: kennt nur „Kindergedichte“

  • S.78 u              äußerliches Älterwerden: Rebekka flicht ihr Zöpfe

  • S.79                Aufklärung durch Rebekka über Menstruation

  • S.82 ff             Aufklärung über die Wirklichkeit

  • S.84 m             Veränderung im Verhalten gegenüber dem Großvater: fast aggressiv

  • S.84 u ff          Enttäuschung über die Lügen: Aggression gegenüber den Großvater

  • S.86 u              Tod des Großvaters

  • S.87 m             Alice’ Reaktion auf den Tod: Wutgefühle; stiehlt ein Brot

  • S.88                Abschied vom Großvater

  • S.89 ff             Durchschauen der Lügengeschichten

  • S.91 u             ein letztes Aufbäumen gegen den Tod des Großvaters

  • S.107 u            Pauls Tod: erschossen auf der Flucht, sein Leichnam im Wagon

  • S.114/115       Alice kämpft um die Wassereimer

  • S.115 o           Alice wird schwach: sie „stiehlt“ Wasser

  • S.117              Alice flicht sich Zöpfe

  • S.119/120       Alice hält auch Pauls Leichnam aus: flicht weiter an den Zöpfen

  • S.120 o           sie schließt Paul die Augen   

  • S.120 m           Alice ist auf sich selbst gestellt, fühlt sich Freitag

  • S121/122        Gedanken an Paul: ihre erste Liebe

  • S.123 m           Gedanken über das „neue Leben“

  • S.128/129       Alice erfährt vom Verhältnis der Umwelt zu den Juden

  • S. 129 m          Versöhnliche Gedanken: friedliches Miteinander

  • S.137              Mitleid mit den ihr Normalität vorspielenden Eltern

  • S.139 u/140    Alice Verbundenheit mit den Toten

  • S.141/142       „Vernichtung“ der „Betrugs-“Briefe: als Toilettenpapier

  • S.146              Panik wegen der Kloake: Zuflucht in der Sicherheit von Ruths Schoß

  • S.152 ff           Alice innere Flucht in Träume und Erinnerungen

  • S.158 u            Alice wird Frau: ihre erste Menstruation

  • S.159 o           endgültige Trennung vom Großvater: er wirkt nun fremd auf sie

  • S.163/164       eine letzte Illusion beim letzen Abschied von den Toten      

  • S.171              Überwindung der Scham beim Ausziehen vor dem „Duschen“

  • S.172/173       Umhängen des Schmucks als letzte Geste des Wunsches vom normalen  Leben

     

3. Erstellen einer Collage / Powerpoint-Präsentation

 

Eine Möglichkeit, die in „Reise im August“ enthaltenen Informationen zu verarbeiten und die bei den Schülern sicher eintretende Emotionalisierung durch das im Buch beschriebene Leid aufzufangen, ist die Gestaltung einer Collage. 

            Das Thema für die Collage kann allgemein gehalten werden, d.h. den Schülern wird nur gesagt, sie sollen das, was sie am stärksten berührt hat, in ein Bild umsetzen. Denkbar ist aber auch eine Themenvorgabe, die Schüler an bestimmte Punkte der Problematik hinführt.

Als Themen bieten sich z.B. an:

  • Gegenüberstellen von Alice’ Leben vor der Verfolgung mit dem während ihrer Deportation
  • Das Leben im Wagon und der Blick nach draußen
  • „Reise im August“  (Betonung auf Reise)
  • Die Menschen im Wagon und ihre Träume /Hoffnungen und / oder Ängste

Die Materialien finden die Schüler u. a. in Illustrierten. Aber auch selbst angefertigte Zeichnungen, die dann ausgeschnitten werden, können verwertet werden. Bildmaterial aus der Zeit des Dritten Reiches kann der Lehrer in Form von entsprechenden Kopien beisteuern.

Die Schülerarbeiten werden dann in der Klasse ausgestellt und die Schüler aufgefordert sich zu ihren Bildern (allerdings auf freiwilliger Basis) zu äußern, d.h. zu erläutern, was sie bewogen hat, ihr Bild so zu gestalten. Über diese Gespräche vertiefen die betroffenen Schüler sich noch einmal in die Materie und die anderen erfahren Aspekte, die sie so vielleicht noch nicht bedacht haben.

 

In Klassen, die sich mit dem Computer und entsprechenden Programmen etwas auskennen, kann aus den Arbeiten der Schüler in Arbeitsgruppen auch eine Powerpoint-Präsentation angefertigt werden. So werden ausgewählte Schülerarbeiten eingescannt und dann zu einer Bildabfolge zusammengestellt. Kriterium für die Abfolge könnte der Weg nach Auschwitz mit der sich immer weiter verdichtenden Katastrophe sein. Als zusätzliches Ausdrucksmittel bieten sich bei einer solchen Präsentation eingearbeitete kurze Texte aus dem Buch oder aus anderen Quellen an.

 

Die Präsentation lässt sich noch um eine eindruckvolle Komponente erweitern, indem die Bilder (und möglichen Texte) durch Musik unterlegt werden. Welcher Art die Musik ist, hängt vom Musikgeschmack der Schüler ab, der allerdings in einem Vorgespräch dem Thema entsprechend etwas kanalisiert werden sollte. Aber auch vom Lehrer vorgestellte jiddische Lieder u.ä. bieten sich an.

 

Das Ergebnis der Schülerarbeiten kann auf CD-ROM gebrannt werden, die dann in einer anderen Klasse als Interpretationsgrundlage für das Buch oder Gesprächsgrundlage für das Thema allgemein verwendet werden kann.

 

4. Die Frage nach den Tätern

 

An dieser Stelle soll und kann keine umfassende Darstellung der Täter erfolgen, aber auf die Frage der Schüler, „was waren das für Menschen, die so etwas anderen haben antun können“, muss zumindest in einem gewissen Umfang eingegangen werden (wohl wissend, dass es eine eindeutige, alles erklärende Antwort nicht gibt).

 

Hier bietet sich ein kurzes Eingehen auf Adolf Eichmann an. Eichmann war mit der Organisation der Transporte in die Vernichtungslager befasst, so dass er als Täter für dieses Buch eine besondere Relevanz besitzt.

 

Informationen über Eichmann lassen sich durch die Schüler beibringen, indem sie die Schulbibliothek nach entsprechender Fachliteratur oder Lexika durchforsten und auch das Internet heranziehen.

 

Hier ein Kurzabriss seiner Biographie:

(zitiert nach Armin Besant und aus: Friedemann Bedürftig, Lexikon Drittes Reich, Serie Piper 2369, München 1997)

Adolf Eichmann (SS-Sturmbannführer), geboren 1906 in Solingen, zog mit seiner Familie als Kind nach Linz (Österreich). Nach dem Studium des Maschinenbaus, das er nicht abschloss, war er als Arbeiter, Verkäufer und Vertreter für eine Mineralölfirma tätig. 1932 trat er der österreichischen NSDAP bei und kam 1934 nach Berlin in das sog. Juden-Referat II 112 des Sicherheitsdienstes (SD). 

1938 wurde er Chef der „Zentralstelle für jüdische Auswanderung“ in Wien (150000 österreichische Juden zwang er durch Schikanen in den folgenden anderthalb Jahren zur Auswanderung unter Verlust fast ihrer gesamten Habe)  und 1939 des entsprechenden Amtes in Prag und übernahm die Leitung des Judenreferats im Reichssicherheitshauptamt. Er war hier für jüdische Angelegenheiten wie „Auswanderung“ und „Räumung“, also praktisch die Deportation und Enteignung der Juden, zuständig. 1942 nahm er an der Wannseekonferenz teil, auf der die „Endlösung der Judenfrage“ beschlossen wurde. In der Folge war Eichmann als Organisator für die Deportation ca. 3 Mio. Juden aus dem deutschen Machtbereich in die Vernichtungslager verantwortlich. Und der Schreibtischtäter Eichmann wusste genau, was mit der Endlösung der Judenfrage gemeint war: In Auschwitz-Birkenau war er Zeuge von Massenvergasungen. Das hinderte ihn nicht, höchstpersönlich Transporte ungarischer Juden zusammenstellen, nachdem sein zynisches Geschäft Lkw gegen Leben gescheitert war, das er Joel Brand vorgeschlagen hatte.

Bei Kriegsende tauchte er unter; 1960 spürte ihn der israelische Geheimdienst in Argentinien auf und entführte ihn nach Israel. Hier wurde er vor Gericht gestellt, am 15. Dezember 1961 wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen das jüdische Volk zum Tod verurteilt und am 1. Juni 1962 hingerichtet.

Die Frage, wie konnte ein Mensch das tun, findet zum Teil in der Biographie eine Erklärung (keine Entschuldigung, wie es hier überhaupt nicht um „ent-schuldigen“ geht, sondern um den Versuch, sich dem Unfassbaren etwas zu nähern). Ein weiterer Hinweis liegt in der politischen Überzeugung Eichmanns, die genährt durch die antisemitische Einstellung der Zeit ihren Rahmen in der NSDAP fand. Auch die missverstandene sog. preußische Tugend der Pflichterfüllung ohne Wenn und Aber muss hier genannt werden. Und nicht zuletzt war es auch der Reiz des sozialen Aufstiegs in Form einer Karriere bei der SS.

 

Es folgen Photos zwei von Eichmann und eine Luftaufnahme vom Lager Auschwitz-Birkenau:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Eichmann „privat“

 

Eichmann während des Prozesses

 



E  Biographische Notizen zu Gudrun Pausewang

 

Geboren wird Gudrun Pausewang 1928 in Wichstadtl in Böhmen. Mit 17 Jahren (ihr Vater ist schon 1943 gefallen) muss sie auf Grund der Vertreibung ihre Heimat verlassen und flieht bis nach Hessen. Sie legt das Abitur ab und studiert an einem pädagogischen Institut und arbeitet dann viele Jahre als Lehrerin und auch Schulleiterin in Deutschland und vor allem auch in Lateinamerika (Chile, Venezuela, Kolumbien). Bis zu ihrer Pensionierung war sie wieder Lehrerin in Hessen.

Ihr erstes Buch „Der Weg nach Tongay“ erschien 1965, ihr erstes Kinderbuch „Hinterm haus der Wassermann“ 1972. Es folgten u.a, „Auf einem langen Weg“, „Die Not der Familie Caldera“ , „Kunibert und Killerwamba“, „Die letzten Kinder von Schewenborn“, „Die Wolke“, „Reise im August“ und „Hörst du den Fluss, Elin“.

Gudrun Pausewang wurde mit bedeutenden Literaturpreisen geehrt, u.a. Züricher Kinderbuchpreis, Gustav-Heinemann-Friedenspreis, Birmingham Children’s Book Award, Heinrich-Wolgast-Preis.

(Quelle: Lexikon Deutsch: Kinder- und Jugendliteratur, Hrsg. Jörg Knobloch u.a., Freising 1998)

 

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