Krieg Iran-Irak: Bomben auf Zivilisten

Der Krieg zwischen dem Iran und dem Irak, der sich vor 53 Monaten am Streit um den Grenzverlauf am Schatt el Arab, dem Zusammenfluß von Euphrat und Tigris, entzündete, eskalierte mit dem neuen iranischen Vorstoß in den Huwaisa Sümpfen am Tigris. Bis zu 30 Kilometer tief drangen iranische Truppen nach Meldungen aus Teheran auf feindliches Gebiet vor. Doch am Ostufer des Tigris stoppten irakische Verbände den Vormarsch. Das strategische Ziel der Offensive, die am Westufer des Tigris verlaufende Straße zwischen der Hafenstadt Basra und der Hauptstadt Bagdad zu unterbrechen, mißlang.

Acht Divisionen warfen die Iraner in die Schlacht. Noch immer vertrauen die Reyolutionsführer inTeheran auf die zahlenmäßige Überlegenheit ihrer Armee, die sie unbedenklich gegen einen mit modernsten Waffen ausgerüsteten Gegner anrennen lassen. Auch diesmal zahlten die iranischen Soldaten einen grausamen Blutzoll. Die irakische Nachrichtenagentur INA meldete, 30 000 Iraner seien getötet, mehr als 100 000 verwundet worden. Teheran seinerseits sprach von 12 000 getöteten Irakern Über die eigenen Verluste schweigen sich beide Seiten aus.

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Die Angaben mögen propagandistisch übertrieben sein; unabhängige Beobachter können sie nicht überprüfen. Doch die Zahlen, wie verzerrt sie die Wirklichkeit auch immer wiedergeben, lassen an einem keinen Zweifel: Der Krieg, den keine der beiden Seiten militärisch gewinnen kann, und der bereits Hunderttausende das Leben gekostet hat, wird immer brutaler. Eine politische Lösung ist nicht in Sicht.

Immer mehr leidet auch die Zivilbevölkerung unter den Kampfhandlungen. Beide Seiten haben ihre Luftangriffe auf die gegnerischen Städte wiederaufgenommen, die sie vor einem Jahr auf Drängen der Vereinten Nationen eingestellt hatten. Diesmal wird der „Städtekrieg"

noch rücksichtsloser geführt, auch die Hauptstädte sind betroffen.

Den iranischen Artilleriebeschuß Basras beantwortete der Irak mit Bombenangriffen auf ein Dutzend iranischer Städte „Wir werden den iranischen Führern so lange auf die Köpfe schlagen, bis sie einen umfassenden Frieden akzeptieren", kommentierte ein Militärsprecher in Bagdad den Luftterror.

Doch der Iran, der seit kurzem über Mittelstreckenraketen sowjetischer Bauart vom Typ SS 12 und Scud B verfügt, glaubt dem Irak Paroli bieten zu können. Man werde Bagdad „in einen Schutthaufen für die irakischen Herrscher verwandeln", verkündete Radio Teheran großspurig.

Teheran fühlt sich stark genug, alle Waffenstillstandsangebote der Irakis brüsk zurückzuweisen. Der Iran sei in der Lage, schrieb Staatspräsident Chamenei an UN Generalsekretär Perez de Cuellar, „alle vier Ecken Iraks unter Feuer zu nehmen". Auch die Ankündigung Bagdads, es betrachte den Luftraum über dem Iran als Kriegsgebiet, dürfte die Mullahs in Teheran wenig beeindrucken. Die Evakuierung Hunderter von Ausländern, die am Dienstag begann, paßt zwar nicht in das Bild, welches die Revolutionsführer der Welt vom Kriegsverlauf vermitteln möchten; doch die spektakuläre Aktion der westlichen Fluggesellschaften wird sie in ihrem fanatischen Kampfeswillen eher bestärken. Die schiitischen Fundamentalisten in Teheran wollen den Krieg weiterführen, bis sie den irakischen Staatspräsidenten, den „Satan" Saddam Hussein, aus Bagdad vertrieben haben.

Doch Saddam Hussein, von den arabischen Staaten gestützt, wird sich so leicht nicht verjagen lassen.

Am Montag versicherten ihm Ägyptens Präsident Mubarak und der jordanische König Hussein bei ihrem Blitzbesuch in Bagdad ihrer Unterstützung. An den Iran appellierte Mubarak nach seiner Rückkehr in Kairo, „Wege für ein Ende des Krieges und Friedensverhandlungen zu finden". Doch die Mullahs geben sich ungerührt. Sie setzen unbeirrt, so die unselige Formulierung von Staatspräsident Chamenei, auf „Endlösungen" im Krieg am Golf. M. N.

 
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