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Hit und weg


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Weather Girls - "It's Raining Men":
Der Hit: Die Weather Girls landeten 1982 mit ihrer Disconummer einen internationalen Hit, der sich wochenlang auf Platz 1 der amerikanischen Dance-Charts hielt. Weitere Titel des Pop-Duos fallen jedoch wohl nur echten Fans ein. Bleibt zu klären: Wozu eigentlich der Schirm?

Was geschah davor? Bevor sie zu den Weather Girls wurden, traten die beiden Schwergewichte Martha Wash und Izora Rhodes Armstead als The Two Tons o' Fun auf.

Das kam danach: Ende der Achtziger trennten sich die Wege der beiden. Während Wash ihre Vocals verschiedenen House-Acts lieh und zusammen mit House-DJ Todd Terry zwei Hits landen konnte, zog Izora Rhodes Armstead Anfang der Neunziger nach Deutschland und belebte die Weather Girls wieder. Den Part von Martha Wash übernahm nun ihre Tochter Dynelle. 2002 traten die beiden beim Eurovision Song Contest an und erreichten mit dem Titel "Get Up" den 13. von 15 Plätzen.

Best of Eintagsfliegen: Manche Bands schießen wie Raketen in den Pop-Himmel und verglühen nach nur einem Hit. Die Musikgeschichte ist voll von Songs, die jeder mitgrölen kann - aber wissen Sie auch noch, wer den Ohrwurm sang? SPIEGEL ONLINE erinnert an die größten One-Hit-Wonder aller Zeiten.


einestages: Herr Frank, Sie sind seit 20 Jahren Radio-Redakteur und seit sechs Jahren Musikchef von SWR 3. Sie entscheiden mit, ob eine Band ein One-Hit-Wonder bleibt. Wie viele CDs landen bei Ihnen jede Woche im Postfach?

Uli Frank: Längst nicht mehr so viele wie früher. Wir werden überwiegend digital versorgt, die Plattenindustrie stellt eine Webseite zur Verfügung, dort können wir uns neue Titel anhören. Das sind jeden Tag etwa 20 Singles und fünf Alben. Das ist manchmal eine Qual, sich da durchzuhören, vor allem, wenn man ein paar Tage nicht da war.

einestages: Wie viele dieser neuen Lieder haben eine Chance, ein Hit zu werden?

Frank: Vielleicht 5 Prozent. Wir haben so fünf, sechs Songs pro Woche, von denen wir glauben: Die muss man unbedingt öfters hören.

einestages: Wie lange geben Sie einem Titel beim Durchhören, um sein Hit-Potential zu beweisen?

Frank: 20, 30 Sekunden. Dann kann ich schon entdecken, ob er eine Relevanz hat, zumindest für das Radio. Natürlich kann ich auch danebenliegen.

einestages: Sie haben seit Jahren etliche One-Hit-Wonder kommen und gehen sehen. Welche fallen Ihnen spontan ein?

Frank: Jede Menge. Zum Beispiel dieses Lied mit "Dabadee, dabada", von, von... Ach, Mensch, wie hießen die denn gleich noch? Das ist genau das Problem mit den One-Hit-Wonder, da fällt einem schnell der Bandname nicht mehr ein...

einestages: Egal. Wir machen einfach einen Test. Wer hat denn "Kung Fu Fighting" gesungen?

Frank: Carl Douglas!

einestages: Und "Achy Breaky Heart"?

Frank: Billy Ray Cyrus. Da muss man auch sagen: Das war klar, dass er mit so einer Country-Nummer in Deutschland nicht noch mal landen würde. In den USA ist für solche Musik ein anderer Markt da.

einestages: Gefällt Ihnen irgendein One-Hit-Wonder besonders gut?


Frank: Mega-schön finde ich "It's Raining Men" von den Weather Girls. Das ist immer noch eine absolute Party-Nummer. Ein Song hat es dann doch wirklich geschafft, wenn sich sein Publikum immer wieder erneuert. Heute kennen auch 18-Jährige das Lied, so etwas ist natürlich genial.

einestages: Wie kommt es überhaupt zu solchen phänomenalen Eintagsfliegen?

Frank: Eigentlich gibt es zwei Kategorien von One-Hit-Wonder. Einmal die Bands, von denen man denkt: Wow, die haben echt ein Riesenpotential, Talent, Superstimme, alles. Und dennoch landen die nur einen Hit. Dann gibt es noch die zweite Kategorie der Billigheimer, wo es einen nicht so wundert.

einestages: Was meinen Sie mit Billigheimer?

Frank: So tiefergelegte Latino-Sounds, mit ein paar hübschen Mädchen, die zu einem Lied tanzen, das sich irgendwer schnell im Studio zusammengebaut hat. Heute kann sich jeder DJ mit einer Software leicht einen Hit basteln. Die Bands treten dann einen Sommer lang in unglaublich vielen Diskotheken auf, werden durchgereicht.

einestages: Warum nur einen Sommer?

Frank: In dem Bereich ändert sich die Mode sehr schnell, vieles wird aus dem Mittelmeerraum beeinflusst, den Balearen, Spanien, Italien.

einestages: Und welche der Ihrer Meinung nach Erfolg versprechenden Bands hat es dann doch bisher nur zu einem Hit geschafft?

Frank: Zum Beispiel die Crash Test Dummies mit "Mmm Mmm Mmm". Da haben wir gedacht: Die haben wirklich Potential! Aber dann kam nichts mehr. Oder 1999 die New Radicals mit dem Hit "You Get What You Give". Alle Musikredakteure waren sich einig: Das wird eine tolle Band. Bei den deutschen Gruppen fällt mir Liquido mit dem Lied "Narcotic" ein. Das ist nun auch schon mehr als zehn Jahre her.

einestages: Woher kommt dieses Phänomen? Warum können Bands einen ersten Erfolg trotz vorhandenen Talents nicht wiederholen?

Frank: Nach einem Welthit werden sie durch eine Mühle gedreht. Da gibt es eine Tour auf vier Kontinenten, hier eine Pressekonferenz, da eine Promotion-Veranstaltung. Und die Plattenfirma versucht, den letzten Tropfen aus dem Erfolg rauszupressen. Ein Hit kann sich bis zu zwei Jahre halten, bis er weltweit auf allen Märkten durch ist. Dann, nach all den Touren und Auftritten, heißt es auf einmal vom Management: Jetzt aber bitte in drei Wochen das nächste Album! Das schaffen viele nicht.

einestages: Also ein psychologisches Problem?

Frank: Die Messlatte liegt ziemlich hoch. Man sagt: Für das erste Album hat man ein Leben Zeit, für das zweite nur ein Jahr. Beim zweiten sind auch die Kritiker viel schärfer. Es ist nicht einfach, unter Druck wieder ein Element in sein Lied zu bauen, das es zum Hit macht - eine starke Melodie oder einen eingängigen Gitarrenriff. An dem ersten Erfolg sind viele zerbrochen.

einestages: Für die Musiker muss es extrem frustrierend sein, als Eintagsfliege abgestempelt zu werden.

Frank: Ja, besonders, wenn sie es über Jahrzehnte immer wieder etwas versuchen und es nicht schaffen. Nehmen wir zum Beispiel Terence Trent D'Arby. Gut, der hatte neben "Sign Your Name" noch ein paar andere bekannte Lieder, aber er ist nie wieder an den ersten Erfolg herangekommen. Oder die Band Europe mit "Final Countdown". Solche Bands spielen dann ihren alten Hit erst noch vor 5000, dann vielleicht vor 3000 und irgendwann vor 300 Zuschauern. Oder sie bekommen irgendwann mal in einer RTL-Show das Gnadenbrot.

einestages: Kennen Sie auch den umgekehrten Fall? Eine Band, von der Sie dachten, dass die auf keinen Fall einen zweiten Hit schafft - und Sie dann überraschte?

Frank: Bei Justin Timberlake war ich mir nach seiner Trennung von der Boygroup "NSYNC" überhaupt nicht sicher, ob der dauerhaft Karriere als Solokünstler machen kann.

einestages: Als Musikredakteur hören Sie die gerade angesagten Hits besonders häufig. Gibt es einen Einmal-Hit, der Ihnen persönlich fürchterlich auf den Geist gegangen ist?

Frank: Dieser "Rigga-Ding-Dong-Song" zum Beispiel. Das war doch unter aller Kanone, da haben sich bei mir die Fußnägel aufgerollt, wenn ich das gehört habe.

einestages: Aber SWR 3 hat ihn doch auch gespielt.

Frank: Ja, aber heute würden wir das nicht mehr machen.

einestages: Viele Radiostationen setzten auf das Konzept der besten Hits aus den Achtzigern, Neunzigern und von heute. Macht man dadurch nicht künstlich Eintagsfliegen zu Evergreens?

Frank: Kann sein. Aber die Marktforschung hat auch gezeigt, dass die Masse der Zuhörer diese Lieder auch hören möchte.

einestages: Die Radiosender produzieren doch eigentlich die One-Hit-Wonder selbst - das Lied, das in die Computerrotation kommt, hat gewonnen und wird fortan häufig gespielt.

Uli Frank: Keine Radiostation kann allein einen Hit machen. Und auch die Computerrotation macht nicht von alleine ein gutes Programm, sie ist nur ein Hilfsmittel, das wir auch korrigieren können. Aber natürlich: Wenn wir einen Song entdecken, der gnadenlos gut ist, spielen wir den oft und geben der Band damit einen gewissen Push.

einestages: Haben Sie eine Prognose für den Sommer-Hit 2009?

Uli Frank: Nichts in Sicht. Ich müsste den eigentlich kennen, weil die Plattenfirmen mit viel Vorlauf arbeiten. Ich sage mal: DSDS-Star Daniel Schuhmacher wird es nicht, auch wenn seine Single gerade erfolgreich ist. Ich denke mal, dass Acts wie Pink und Mando Diao viel gespielt werden. Deren Musik ist gerade unkaputtbar.

Das Interview führte Christoph Gunkel




Debatte

insgesamt 13 Beiträge zur Debatte
Wilfried Jonas am 3. Oktober 2009, 02:34
Schöne Aufstellung. Nur eine Bemerkung dazu: Puttin' On The Ritz ist ein ganz alter Klassiker - von Irving Berlin 1929 geschrieben. Harry Richman und sein Orchester machten es...

Robert Sommer am 26. September 2009, 11:52
Merci beaucoup für die interessante wie amüsante Unterhaltung an einem sonnigen Samstagmorgen! Das Interview mit Frank, die Fotostrecke mitsamt Infos, die Links - alles...


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