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Leben und Werk des Athanasius Kircher, S.J.
1602-1680



Es fällt schwer, den gesamten Horizont der Interessen abzustecken, die der jesuitische Gelehrte Athanasius Kircher im 17. Jahrhundert für sich entdeckte und bemeisterte. Erfinder, Komponist, Geograph, Geologe, Ägyptologe, Historiker, Abenteurer, Philosoph, Eigentümer eines der ersten öffentlich zugänglichen Museen, Physiker, Mathematiker, Naturforscher, Astronom, Archäologe, Autor von mehr als vierzig veröffentlichten Werken: Kircher gehörte zu den überragenden Intellektuellen seines Jahrhunderts. Dem Zeitgenossen von Newton, Boyle, Leibniz und Descartes wurde sein rechtmäßiger Platz in der Wissenschaftsgeschichte wegen seiner Versuche vorenthalten, aus dem tradierten biblischen Historismus und der in Entstehung begriffenen säkular-wissenschaftlichen Erkenntnistheorie eine vereinheitlichte Weltsicht zu schmieden.

Athanasius, der am 2. Mai 1602 als jüngstes Kind in eine Familie von Laiengelehrten geboren wurde, besuchte sehr früh die jesuitische Schule und studierte bei einem Rabbiner die hebräische Sprache. Nachdem er verschiedene Male knapp dem Tod entronnen war ­ so verfing er sich einmal in einem laufenden Mühlrad ­ wechselte er 1614 zur Jesuitenschule in Fulda, wo er sich berufen fühlte, dem Orden beizutreten. Zuerst wurde er zurückgewiesen. Der entmutigte Kircher trug danach beim Eislaufen eine Verletzung an den Beinen davon, die dann vereiterte und sich zu einem Wundbrand verschlimmerte. In der Überzeugung, er werde vom Orden zweifellos erneut zurückgewiesen, wenn sein Leiden erst bekannt würde, hielt er seinen Gesundheitszustand bis zu seiner Zulassung zum Noviziat in Paderborn geheim. Bei seiner Ankunft im Kolleg erkannte man seine Verfassung schnell und erklärte ihn für unheilbar. Eines Nachts fand sich Kircher in einer nahegelegenen Kapelle vor einer Marienstatue wieder, die für ihre wunderbaren Heilkräfte berühmt war. Nachdem er sich in innigem Gebet an sie gewandt hatte, zog er sich zum Schlafen zurück. Als er erwachte, stellte er fest, daß sowohl sein Beinleiden als auch ein chronischer Bruch, der ihm Beschwerden bereitet hatte, vollständig und auf wunderbare Weise geheilt waren.

1621, ein Jahr nach Kirchers Gelübde, ließ Christian von Brunswick, der Verwalter des säkularen Bistums Halberstadt, Truppen in die Diözese Paderborn einmarschieren, und die Jesuiten des dortigen Kollegs sahen sich gezwungen zu fliehen. Bei der Überquerung des zugefrorenen Rheins bei Düsseldorf wurde Kircher von der Strömung fortgerissen, als sich das Stück Eis, auf dem er gestanden hatte, löste, und so wurde er von den anderen getrennt, mit denen er die Flucht angetreten hatte. Es gelang ihm, sich aus dem eiskalten Wasser ans Ufer zu retten und die drei Meilen bis zum Jesuitenkolleg bei Neuss aus eigener Kraft zu Fuß zurückzulegen. Dort sah er seine Gefährten wieder. Wenige Tage später war Kircher wieder bei Kräften, und so setzten er und seine Begleiter ihren Weg bis Köln fort. Verhältnismäßig unbehelligt gelang es ihm dort, seine philosophische Abschlußarbeit fertigzustellen. Kircher wurde darauf zuerst nach Koblenz, dann nach Heiligenstadt in Sachsen versetzt. Um dorthin zu kommen, mußte er von den Protestanten kontrollierte Kriegsgebiete durchqueren. Durch seine Weigerung, seine katholischen Glauben zu verleugnen, wurde Kircher zum Opfer berittener Soldaten, die ihn entkleideten, verprügelten und ihn, an ein Pferd gebunden, bis zu einem nahen Baum schleiften. Er sollte schon aufgeknüpft werden, als einer der Soldaten, der durch Kirchers gefaßtes Verhalten beeindruckt war, die anderen bat, den Jesuiten zu verschonen. Auf diese Weise erreichte Kircher zwei Tage später nur leicht verletzt Heiligenstadt, wo er als Lehrer Anstellung fand und schon bald damit begann, Unterricht in Mathematik, Hebräisch und Syrisch zu geben.

Der Erzbischof von Mainz, der durch die Berichte über Kirchers Talente für Feuerwerke und den Bau optischer Apparaturen beeindruckt war, ließ ihn an seinen Hof kommen. Dort begann Kircher mit den Arbeiten an seinem ersten Buch, "Ars magnesia". Als drei Monate später der Erzbischof überraschend starb, verlegte Kircher sein Wirken an das Mainzer Kolleg, wo er Theologie studierte und ein Teleskop erwarb, mit dessen Hilfe er sich an die Erforschung der damals gerade neuentdeckten und kontrovers diskutierten Sonnenflecken machen konnte. Kircher erhielt 1628 seine Ordination und wurde nach Speyer geschickt, um dort den dritten Teil seiner Probezeit in Zurückgezogenheit abzudienen. Bei einem Besuch der Bibliothek des Kollegs stieß er auf eine Reproduktion ägyptischer Hieroglyphen, für die er sich von da an sein Leben lang begeistern sollte. Nach Abschluß dieser Zeit wurde Kircher nach Würzburg geschickt, und dort lehrte er Mathematik, vollendete und veröffentlichte sein erstes Werk (über magnetische Phänomene) und bewarb sich zum ersten Mal (erfolglos) um eine Missionarsstelle im soeben geöffneten China.

Dann eines Nachts wurde Kircher von einem seltsamen Geräusch aufgeweckt. Als er aus dem Schlafsaalfenster schaute, erblickte er im Hof zu seiner Verwunderung eine Legion exerzierender Soldaten. Als er seine Zimmernachbarn hinzurief, waren die Soldaten mit einem Mal verschwunden. Kircher sah dies als ein Omen und beschloß, sich zum Aufbruch vorzubereiten. Kaum ein Jahr später hatte Gustav Adolph, der protestantische König von Schweden, Franken und Würzburg eingenommen, und Kircher flüchtete mit seinem Freund und Schüler Gaspar Schott nach Avignon, um nie wieder nach Deutschland zurückzukehren.

In Avignon angekommen, nahm Kircher seine Lehrtätigkeit wieder auf und setzte zu neuen Forschungen an, die sich nun auf geographische und archäologische Erkundungen, die Entschlüsselung der Hieroglyphen und astronomische Beobachtungen ausweiteten. Die Ergebnisse der letztgenannten Bemühungen wurden in seinem zweiten Werk, "Primitae gnomonicae catoptricae" (Avignon 1635) veröffentlicht. Von besonderer Bedeutung war Kirchers Begegnung mit seinem ersten wissenschaftlichen Förderer, Nicolas Claude Fabri de Peiresc. Peiresc, ein reicher Aristokrat und Berater beim Parlament in Aix, teilte Kirchers Interesse an Hieroglyphik und Magnetismus, und es glückte ihm, ihn in seinen internationalen Kreis korrespondierender Wissenschaftler einzuführen. Kaum war Kircher in den Genuß dieser Förderung gekommen, da wurde er auch schon an den habsburgischen Kaiserhof nach Wien gerufen, um dort den verstorbenen Johannes Kepler als kaiserlichen Mathematiker zu ersetzen.Peiresc, der sicher war, daß bei der Enträtselung der Hieroglyphen ein Durchbruch unmittelbar bevorstand, legte bei Papst Urban VIII. und Kardinal Francesco Barberini Protest gegen diese Berufung ein.

Inzwischen schickte sich Kircher an, per Schiff nach Genua zu fahren, um durch Norditalien nach Österreich zu kommen, denn durch Deutschland konnte er nun nicht mehr reisen. Bei rauher See ging der Kapitän des kleinen Seglers in der Nähe einer kleinen Insel vor Anker und setzte die Jesuitengruppe am Ufer ab, damit sie dort das Ende des Unwetters abwarteten. Als sie erwachten, stellten sie plötzlich voller Schrecken fest, daß sie zu verlassenen Schiffbrüchigen geworden waren. Sie mußten ein vorbeifahrendes Fischerboot zu Hilfe rufen, mit dem sie sich dann zurück nach Marseille bringen ließen. Erneut brachen sie auf, diesmal mit einem stabileren Schiff, nur um auf See noch größere Wetterunbilden anzutreffen, die sie immer wieder vom Kurs abbrachten und das Schiff fast kentern ließen, bis sie schließlich im römischen Hafen von Civitavecchia einliefen. Während dort noch das Schiff wieder instandgesetzt wurde, beschloß Kircher, einen kurzen Ausflug nach Rom zu machen ­ dort aber stellte sich zu seinem Erstaunen heraus, daß Peirescs Proteste Wirkung gezeigt hatten. Gleichzeitig mit seiner riskanten Seereise war Kircher der Lehrstuhl für Mathematik am römischen Kolleg zugesprochen worden

Die nächsten Jahre verbrachte er mit konzentrierten Forschungen zur Hieroglyphik und zur koptischen Sprache, welch letztere er erfolgreich als Nachkommin der (gesprochenen) ägyptischen Sprache identifizieren konnte, wobei es ihm jedoch nicht gelang, die Verbindung zur phonetischen Bilderschrift herzustellen. Im Jahr 1637 begleitete Kircher Friedrich von Hessen, den jüngst konvertierten Landgrafen des Großherzogtums Hessen-Darmstadt, auf einer Reise durch Süditalien, Sizilien und Malta. Auf dieser Reise wurde Kircher Zeuge der Ausbrüche von Ätna und Stromboli und ließ sich in den Krater des tätigen Vesuv abseilen. Diese Erlebnisse gaben den Ausschlag für sein fortdauerndes Interesse an der Geographie, das schließlich in seinem 1665 erschienenen Großwerk "Mundus subterraneus" reiche Früchte trug. Dies sollte Kirchers letzte große Reise sein; den nächsten Abschnitt seines Lebens verbrachte er mit fieberhafter Forschungstätigkeit: innerhalb von zwanzig Jahren veröffentlichte er elf umfangreiche Studien.

Im Zuge seiner gleichzeitig verfolgten Obsessionen für den Magnetismus, die Musikwissenschaft, die Astronomie, die Archäologie und die Linguistik erhob und sammelte Kircher enorme Mengen wissenschaftlicher Daten, erfand zahllose optische, magnetische und akustische Apparaturen, schrieb musikalische Kompositionen, Gedichte und phantastische Geschichten und fand zu alldem noch Zeit für Projekte wie seine Zusammenarbeit mit dem großen barocken Bildhauer Bernini bei der Restaurierung und Aufstellung des Obelisken und des Vierströmebrunnens auf der Piazza Navona. Als Rom 1656 von der Pest heimgesucht wurde, verbrachte Kircher endlose Tage bei der Pflege der Todkranken. Während seiner Suche nach einem Heilmittel beobachtete Kircher unter seinem Mikroskop Mikroorganismen und entwickelte eine Theorie, nach der Keime für die Übertragung von Krankheiten verantwortlich waren. Diese Theorie führte er in seinem Werk "Scrutinium pestis physico-medicum" (Rom 1658) aus.

Acht Jahre nach seiner Ankunft in Rom wurden Kirchers Forschungsleistungen in solchem Maße geschätzt, daß er gänzlich von seinen Lehrverpflichtungen befreit wurde, so daß er sich vollkommen seinen Experimenten und dem Verfassen seiner Schriften widmen konnte. Zu den Büchern, die er in dieser Zeit veröffentlichte, gehören seine drei umfangreichsten, "Magnes sive de Arte Magnetica", "Musurgia Universalis" und "Oedipus Aegyptiacus", die sich jeweils mit dem Magnetismus, der Musik und Akustik sowie der Ägyptologie befassten. Mit dem wachsenden Ansehen, das Kircher genoß, mehrten sich auch die kritischen Stimmen. Zeitgenössische Wissenschaftler wie Descartes, der die jesuitische Vorstellung von Wissenschaft mit der Unterdrückung durch die Inquisition ineinssetzte, die wegen deren unorthodoxeer Theorien gerade noch Giordano Bruno hingerichtet und Galileo eingekerkert hatte, betrachteten Kirchers Werk mit großem Mißtrauen.

In den Jahren um 1660 begann Kircher sich von der Elite des Geisteslebens distanzieren. Zum Teil ist es auf seinen sich verschlechternden Gesundheitszustand zurückzuführen, daß Kircher sich in die ländlichen Regionen um Rom zurückzog, wo er damit begann, für sein Buch "Latium" zu forschen, ein Werk, in dem er sich mit der Geographie und Geschichte des Landstrichs beschäftigte. Auf einer seiner Reisen machte er eine Entdeckung, die zur wichtigsten Obsession seiner letzten Jahre werden sollte: die Ruine einer kleinen Kirche bei Mentorella, die dort errichtet war, wo Eustachius, ein römischer General, sich zum Christentum bekehrt hatte, nachdem im eine Vision des Gekreuzigten im Geweih eines Hirsches erschienen war. Kircher widmete große Teile der Kraft, die ihm noch zu Gebote stand, dem Wiederaufbau der Kapelle und ihrer Wiedereinführung als Pilgerstätte. Dennoch gelang es ihm in den 70er Jahren des 17. Jahrhunderts, sein Museum Kircherianum als separates Gehäuse für seine gewaltige Sammlung von Kuriositäten und Erfindungen aufzubauen und zudem weitere fünf Bücher zu veröffentlichen, darunter seine überaus populären spekulativ-historischen Abhandlungen über den Turm von Babel und die Arche Noah.

Als Kircher am 27. November 1680 starb, hinterließ er zahllose Manuskripte, Notizbücher und umfangreiche Briefwechsel, die alle über die folgenden Jahrzehnte nach und nach veröffentlicht wurden. Mit den Jahren verkam Kirchers Name auf schmachvolle Weise zu einer Fußnote in der Wissenschaftsgeschichte. Da nun aber das Interesse an einer Zusammenführung wissenschaftlicher und spiritueller Modelle des Universums in den letzten Jahren eine Wiederbelebung erfahren hat, ist Kirchers Name erneut in Umlauf gekommen und hat man begonnen, eine Neubewertung seines historischen Beitrags in Gang zu bringen. Heute erscheint es unumgänglich, daß Athanasius Kircher bald als einer der größten und aufgeschlossensten wissenschaftlichen Visionäre seiner eigenen Zeit ­ und aller Zeiten ­ anerkannt werden wird.


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