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Merken   Drucken   11.06.2012, 13:38 Schriftgröße: AAA

Plagiate: Auf Fälscherjagd in China

Die Strategien der Produktpiraten werden perfider. Deutsche Unternehmen setzen sich mit rabiaten Methoden dagegen zur Wehr. von Kirsten Bialdiga  Düsseldorf
Der Katalog des chinesischen Ventilatorenherstellers kam Hans-Jochen Beilke verdammt bekannt vor - einschließlich der Produkte. Auch das Vorwort las sich, als hätte der Chef von EBM-Papst aus dem fränkischen Mulfingen es selbst geschrieben. Und tatsächlich - ein schneller Abgleich ergab, dass die Chinesen die Einleitung Wort für Wort abgekupfert hatten. Bis auf eine Ausnahme: Hinter dem Firmennamen tauchte stets das Wort "Mulfingen" auf. Im Irrglauben, es handele sich um ein wichtiges technisches Detail, hatten die Chinesen den Firmensitz jedes Mal an unpassender Stelle eingesetzt. Für die Deutschen sei das der entscheidende Beweis gewesen, um den Fälschern das Handwerk zu legen, heißt es in Unternehmenskreisen.
Selten gelingt es westlichen Firmen so mühelos wie in diesem Fall, Produktpiraten auf die Schliche zu kommen. Denn die Fälscher, meist aus China, verfolgen immer perfidere und aggressivere Strategien. Im Kampf gegen solche Praktiken schrecken westliche Hersteller inzwischen auch vor drastischen Methoden nicht mehr zurück - sie engagieren etwa Berater, die verdeckte Ermittler in chinesische Firmen schicken.
Markenpiraterie bei Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus   Markenpiraterie bei Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus
"Die Chinesen drehen den Spieß jetzt um - chinesische Unternehmen treten immer öfter als Angreifer auf", sagt Hans Joachim Fuchs, Chef der Beratungsgesellschaft Chinabrand Consulting. Das funktioniert so: Ein Fälscher kopiert ein westliches Produkt, ändert daran ein Detail und meldet in China ein Patent an. Dann verklagt er den Hersteller des ausländischen Originalprodukts wegen der Verletzung chinesischer Patentrechte und versucht auf diese Weise, das Produkt aus dem Markt zu drängen. Das verspricht vor allem dann Erfolg, wenn das ausländische Unternehmen - wie vielfach üblich - aus Kostengründen in China auf die Anmeldung eines Patents verzichtet hat.
Ein Opfer dieser Taktik war der Solarzulieferer Manz aus Reutlingen. "So hat beispielsweise ein Konkurrent aus Taiwan unsere Maschine nachgebaut, selbst das Patent angemeldet und uns dann verklagt", sagte Unternehmenschef Dieter Manz kürzlich in einem Interview. Manz habe aber schließlich nachweisen können, dass die eigene Maschine zuerst da war.
In Deutschland ist vor allem der Maschinenbau von Produktpiraterie betroffen. Der Branchenverband VDMA beziffert den Schaden durch Plagiate inzwischen auf knapp 8 Mrd. Euro. Einzelnen Unternehmen gehen dadurch mehr als zehn Prozent ihres Umsatzes verloren. Neben dem Schaden durch Abwanderung von Kunden macht den Unternehmen mittelfristig zudem der Verlust von Marktanteilen zu schaffen. Denn Fälscher kopieren sich auch gegenseitig. So entsteht schnell ein großer Schattenmarkt für die gefälschten, minderwertigen Billigprodukte - mit entsprechenden Folgen für die Reputation der Originalmarke. "Es gibt Unternehmen, die sehen sich in China bis zu 50 Kopierern gegenüber", weiß Fuchs aus seiner Beratungspraxis.
Ein oft kopiertes Unternehmen ist der Pumpenhersteller Wilo aus Dortmund. Unter Markennamen wie Xinwilo, Chaowilo oder Vilo tauchten in der Vergangenheit immer wieder Kopien der Produkte auf. Einer der chinesischen Plagiatoren gab sich sogar als deutsch-chinesisches Joint Venture aus.
Galerie Plagiate auf der Peking Motor Show
Um die Fälscher zu überführen, schickt Chinabrand auch schon mal Detektive undercover in die verdächtigen Firmen, um Beweismaterial zu sichern. Oder die chinesischen Ermittler vor Ort fädeln Tarngeschäfte ein, indem sie beispielsweise ein spezifisches deutsches Know-how für Südafrika nachfragen. "Das Angebot kommt dann meistens sehr schnell", sagt Fuchs. Bei geheimen Treffen ließen sich die vermeintlichen Interessenten dann die Blaupausen zeigen. Das werde verdeckt gefilmt - im Beisein eines ebenfalls getarnten Notars, damit die Beweise später vor Gericht Bestand haben.
Immer mehr Unternehmen greifen auf solche Hilfe zurück. Zu den Referenzkunden von Chinabrand zählen Kärcher, Heidelberger Druckmaschinen , Schering  oder Roche . Dabei profitieren die Firmen von den Kontakten der Berater vor Ort, etwa zur Justiz. "Unsere Anwälte kennen die Behörden und Richter seit Jahren - so lassen sich beispielsweise Razzien leichter durchsetzen", sagt Fuchs. China sei eine Misstrauensgesellschaft, und Beziehungen bildeten das notwendige Vertrauen.
Ist ein Fall erst einmal vor Gericht gelandet, haben ausländische Hersteller reelle Chancen, denn auch die Zentralregierung hat Fälschern den Kampf angesagt: Der Pumpenkopierer Xinwilo etwa wurde zur Einstellung der Fälschungen, zu einer hohen Geldstrafe und einer öffentlichen Entschuldigung verurteilt.
14:15:50 Kursinformationen und Charts
Name aktuell  absolut  
Heideldruck 1,068 EUR   +4,50%  0.046
ROCHE GS 130,25 EUR   -0,61%  -0.8
SCHERING 106,9 EUR   +1,19%  1.26
  • Aus der FTD vom 11.06.2012
    © 2012 Financial Times Deutschland,
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