08.07.12

Streit um Absetzung

Rumäniens Präsident Basescu gibt nicht auf

Erbitterter Kampf in Bukarest um die Absetzung des Präsidenten: USA und EU mahnen zur Einhaltung der demokratischen Gewaltenteilung. Doch das Mitgefühl der Bürger hält sich in Grenzen. Von Thomas Roser

Traian Basescu
© DPA Will durchhalten: Rumäniens Präsident Traian Basescu

An ein Aufgeben verschwendet Rumäniens suspendierter Präsident Traian Basescu keine Gedanken. Er habe noch nie vorzeitig ein Schiff verlassen, gibt sich der frühere Seekapitän kämpferisch. Doch die Aussichten, dass er die auf den 29. Juli terminierte Volksbefragung über seine von dem sozialistischen Premier Viktor Ponta angestrebte Amtsenthebung überstehen kann, schätzt der in der Publikumsgunst kräftig gepurzelte Volkstribun realistisch ein: "Es gibt nur wenige Präsidenten, die eine 51-Prozent-Unterstützung in der Wählerschaft halten können – besonders in einem Land in der Krise."

Seit Rumäniens Parlament am Freitagabend mit großer Mehrheit die vorläufige Suspendierung des 60-jährigen Staatschefs wegen vermeintlicher Verfassungsverstöße beschloss, sieht sich Bukarest in der internationalen Arena mit einer Welle herber Kritik konfrontiert. Die Grundprinzipien von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Gewaltenteilung dürften nicht zur Disposition stehen, sagt der deutsche Bundesaußenminister Guido Westerwelle und warnt davor, politische Konflikte "auf Kosten europäischer Werte" auszutragen.

Eine "Gefährdung der demokratischen Kontrollmöglichkeiten" konstatiert das US-Außenministerium. Der Europarat kündigte am Wochenende gar eine rechtliche Überprüfung des Amtsenthebungsverfahrens an: Nicht nur heimische, sondern auch internationale Kritiker werfen dem machtbewussten Jungpremier Ponta vor, sich für die anvisierte Ablösung des missliebigen Rivalen über alle demokratischen Spielregeln hinwegzusetzen.

"Maskierter Staatsstreich"

Mit verfassungsrechtlich fragwürdigen Eildekreten, dem Austausch der oppositionellen Vorsitzenden der beiden Parlamentskammern und der Leitung des Amtsblatts hatte die Regierung zuvor den Weg für die beabsichtigte Amtsenthebung von Basescu geebnet.

Statt von der Mehrheit der Wahlberechtigten muss die Suspendierung nun nur noch von der Mehrheit der abgegebenen Stimmen abgesegnet werden. Von einem "mit dem Schein demokratischer Verfahren maskierten Staatsstreich" spricht erbittert Pontas Vorgänger, der dem konservativen Basescu nahestehende Ex-Premier Mihai Razvan Ungureanu.

Tatsächlich scheint sich Ponta bei seinem Rachefeldzug gegen Basescu, den er hinter dem von einer anonymen Quelle ausgegrabenen Plagiatsskandal um seine in großen Teilen abgekupferte Doktorarbeit wittert, keinerlei verfassungsrechtliche Schranken aufzulegen: Um jeden Preis will der 39-jährige Aufsteiger, der erst vor einem Jahrzehnt der sozialistischen PSD beitrat, seinen Rivalen aus dem Amt hebeln.

Wieder einmal zeichnet Basescu von sich das Bild des einsamen Streiters gegen das Böse – und Verteidigers des Rechtsstaats. Aber im Gegensatz zu 2007, als Basescu schon einmal einen Volksentscheid über die von den Sozialisten angestrebte Ablösung überstand, hält sich das Mitgefühl mit dem Staatschef bei vielen Rumänen dieses Mal in Grenzen. Ein Heiliger ist der sprunghafte Basescu keineswegs: Auch der Präsident hat die demokratischen Spielräume seines Landes in der Vergangenheit nach Kräften strapaziert.

Selbstherrliche Amtsführung und dynastische Neigungen

Seine Anhänger sehen in dem streitbaren Ex-Kapitän zwar den letzten Garanten für eine unabhängige Justiz. Aber es ist nicht nur das harte Sparkorsett, das Basescu in den letzten Jahren seinen Landsleuten aufgezwängt hatte, das seine Popularitätswerte kräftig hat purzeln lassen.

Das Ansehen des selbst ernannten Saubermanns hat vor allem durch seine selbstherrliche Amtsführung, dynastische Neigungen, verfassungsrechtliche Winkelzüge und Vetternwirtschaft gelitten: Den heute so desolaten Zustand Rumäniens hat nach Ansicht seiner Kritiker auch der seit 2004 amtierende Staatschef mit zu verantworten. Die Straßenproteste zu Jahresbeginn in Rumäniens "Winter der Wut" waren gegen die gesamte politische Klasse des Landes gerichtet – nicht zuletzt gegen Präsident Basescu.

Systematischen Machtmissbrauch werfen ihm nicht nur die Regierung, sondern auch Kritiker wie der Politologieprofessor Christian Pirvulescu vor: Statt über den Parteien zu stehen, agiere der Präsident als "Teil des Spiels". Tatsächlich trat Basescu im Bukarester Politlabyrinth immer eher als gewiefter Strippenzieher denn als überparteilicher Landesvater auf.

Mit aller Macht pflegte er die wackligen Regierungen der ihm nahestehenden PD-L im Amt zu halten – selbst wenn sie zunächst über keine stabile Mehrheit verfügten. Im Parlament der ideologiefreien, aber empfänglichen "Wanderdünen" vermochte er für die von ihm bevorzugten PD-L-Koalitionen jahrelang fast immer die nötigen Stimmen zu werben.

Viele Rumänen sehen keinen Unterschied

Unflätige Beschimpfungen gegen missliebige Journalisten gingen mit abfälligen Bemerkungen über Roma und Schwule einher. Nicht nur mit der von ihm forcierten Kür seiner Tochter Elena zur Europaabgeordneten handelte sich der Präsident den Vorwurf der Vetternwirtschaft ein. Als Bürgermeister von Bukarest sicherte sich der geschäftstüchtige Basescu seine 369 Quadratmeter große Wohnung in der Innenstadt zum Schleuderpreis.

Zumindest anrüchig wirkte auch das von ihm als Bürgermeister abgesegnete Skandalprojekt der sogenannten Cathedral Plaza, eines erst 2011 per Gericht gestoppten Hochhausbaus unmittelbar neben der katholischen Kirche. Zum Investorenkonsortium pflegte Basescu wie auch andere hohe PD-L-Politiker enge Kontakte.

Wie in den Nachwendejahren unter den Sozialisten florierte auch unter den von Basescu installierten PD-L-Regierungen Korruption und Klientelwirtschaft. Selbst in ihrer Hochburg Cluj hatte letztes Jahr ein PD-L-Bürgermeister wegen nachgewiesener Einforderung von Bestechungsgeldern vorzeitig seinen Posten zu räumen.

Nun steht auch Basescu möglicherweise vor seinem letzten Gefecht. Im Grabenkrieg mit dem machthungrigen Ponta droht der schillernde Mann selbst zum Opfer schmutziger Machtspiele und einer rücksichtslosen Vendetta seines Rivalen zu werden. Für viele der Politik verdrossenen Rumänen besteht zwischen den Kontrahenten auf dem trostlosen Politparkett des kriselnden Karpatenstaats derweil ohnehin kein Unterschied. Plagiator Ponta sei ein Plagiat Basescus, ätzte vergangene Woche ein Demonstrant in Bukarest.

Traian Basescu
Rumäniens Parlament suspendiert den Präsidenten
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