Monica Macovei Die Rumänien-Erklärerin

Als Justizministerin kämpfte Monica Macovei gegen die Korruption. Jetzt will alle Welt von ihr wissen, was denn los ist in Rumänien. Von David Hugendick, Bukarest

Rumäniens ehemalige Justizministerin Monica Macovei

Rumäniens ehemalige Justizministerin Monica Macovei

Im Norden, wo Bukarest plötzlich seine graubraunen Wohnblöcke, seine Reklametafeln, etwas seiner lauten Geschäftigkeit hinter sich lässt, da liegt der Parcul Modrogan. Ein rundes, grünes Stück altes Bukarest, umgeben von Villen aus Zeiten vor Ceaucescus Regime, dessen Nomenklatura hier einst residierte. Im Hof von Nummer eins, nun die Parteizentrale der bürgerlichen PDL, parken die Übertragungswagen mehrerer rumänischer Sender. Ihre Kameramänner kauern rauchend unter den Bäumen. Bei 42 Grad warten sie auf die Frau, die drinnen im Erdgeschoss ihre Tasche öffnet und seufzend einen Stapel Papier auf den Schreibtisch wirft. Monica Macovei sagt: "Das ist alles einfach unglaublich."

Sie deutet auf die Blätter: Bilder des Bürgermeisters von Constanta, der in Che-Guevara-Uniform zur Wahl geht, hinter ihm ein Pulk von Models in Bikini. Es ist Sonntag und Rumäniens Bürger sollen an diesem Tag in einem Referendum abstimmen, ob ihr Staatspräsident Traian Băsescu sein Amt verlieren soll. Monica Macovei, die ehemalige rumänische Justizministerin, hat inzwischen aufgehört, die Interviews zu zählen, die sie in den vergangenen Tagen gegeben hat.

Anzeige

Die schmale, müde wirkende Frau sitzt in einem provisorisch eingerichteten Büro. Unter den Augen sind dunkle Schatten, die Haare fallen strähnig in die Stirn. Seitdem am 6. Juli der Premierminister Victor Ponta mit Eilverordnungen gegen Băsescu vorging, ist Macovei sehr gefragt. Radiostationen, Zeitungen, Fernsehsendern, allen sagt sie: "Was Ponta gemacht hat, ist nichts anderes als ein Staatsstreich."

Rumäniens Rechtsgewissen

Das ist ihre Ansicht, und es ist die Ansicht vieler Politiker in Brüssel. Sie habe Barroso noch nie so wütend gesehen, sagt Macovei, die seit 2009 Abgeordnete des Europäischen Parlaments ist. Viele in Westeuropa sehen in ihr seit ihrer Zeit als resolute Justizministerin das Rechtsgewissen des Landes. Eine, die gegen die Korruption und Seilschaften im Land vorging, die sich in Rumäniens postkommunistischer Zeit nach 1989 gebildet hatten. Der Schriftsteller Andrei Pleșu bezeichnete sie einmal als "zerbrechlichen Samurai". Als sie 2004 ins rumänische Justizministerium einzog, empfing die EU sie als "Geschenk Gottes". Băsescu hatte die damals parteilose Anwältin geholt, er hatte sich den Kampf gegen die Korruption auf die Fahnen geschrieben.

Zwischen Macoveis Amtszeit und jetzt ist viel passiert. 2007 wurde sie im Ministerium gefeuert, kurz nachdem ihre Reformen erste Ergebnisse einbrachten. Sie trat in die PDL ein, um in Europa weiterzumachen. Viele ihrer in Rumänien ohnehin zahlreichen Kritiker warfen ihr vor, sie habe endgültig ihre Überparteilichkeit aufgegeben. "Ja, wir haben viel Korruption", sagt sie, "in der Regierung, im Parlament, unter vielen Politikern". Politiker, das Wort sagt die heute 53-Jährige so erschöpft, und immer noch so, als gehörte sie nicht dazu. 

Mit solchen Sätzen polarisiert sie. Ihre Gegner halten sie für eine treue Anhängerin von Băsescu, der in seinen zwei Amtszeiten das Land ruiniert habe. Auch ihre rigorose Anti-Korruptionskampagne kam nicht überall gut an. Im Jahr 2006 hatte jemand in ihrer Wohnung alle Gashähne geöffnet. Macovei hatte es noch rechtzeitig gerochen. Über Băsescu sagt sie, ihr passe seine Wortwahl nicht. Mit vielen seiner Äußerungen sei sie überhaupt nicht einverstanden.

Leser-Kommentare
  1. Warum haben eigentlich alle "Reformer" in Staaten die ihr Wirtschafts- oder Gesellschaftssystem wechseln, in den USA studiert? Und sind dann immer liberal und setzen sich immer vehement für Privatisierungen ein.

    Alles nur Zufall sicherlich...

    http://en.wikipedia.org/w...

  2. .....es so eilig hatte, diese Länder (Rumänien und Bulgarien)
    in die EU zu holen ???

    Jeder Politiker/Diplomat kannte die Situation....... Trotzdem!

    Jeder wusste auch, dass man Beitrags-Kandidaten viel
    deutlicher die "Daumenschrauben" ansetzen konnte.....
    als Mitgliedern.

    Kurz: die erweiterungsgeile Brüsseler Bürokratie ist ge-
    nauso mitschuldig an der Situation in Rumänien (und
    Bulgarien) wie die "Staatsmänner/Frauen" der Mitglieds-
    Länder.

    Aber dieser "Verein", d.h. die EU hält offensichtlich
    Masse statt Klasse immer noch als das europäische
    Ideal........Griechenland lässt Grüßen!!!!!

    • talwer
    • 01.08.2012 um 2:28 Uhr

    Herr Hugendick,
    Es ist ja fast rührend was Sie über diese nette Dame der PDL schreiben.
    Können Sie vielleicht mal dieser Dame (die vermutlich so alles über Rumänien erklären kann) die Frage stellen, wie es möglich ist, bei 20,26 Mio. Staatsangehörige 18,2 Mio. Wahlberechtigte zu haben? Fast 90% - Weltspitze! Haben die Rumänen fast keine Kinder mehr? (seit der letzten Wikipedia Aktualisierung)
    Ich habe mal kurz nach recherchiert und festgestellt, dass dies sogar der CIA verborgen blieb!
    Haben Sie vielleicht eine plausible Erklärung?

  3. Der Erweiterungswahn der Bruesseler Eurokraten hat der EU diese Musterdemokratie beschert,die ihr nun zum Verhaengnis wird.Ungarn war ein schoenes Beispiel,hier konnte man schon absehen,wie sich die Bruesseler um demokratische Verhaeltnisse bemuehten.

  4. Kaum war Rumänien aufgenommen, wurde die mutige Kämpferin gegen Korruption geschasst. Es gibt noch ähnliche Beitrittskandidaten. Da sollte diesmal darauf geachtet werden, daß erst die Reformen kommen und dann die Aufnahme.

Bitte melden Sie sich an, um zu kommentieren

  • Seite 1 | 2 | Auf einer Seite lesen
  • Quelle ZEIT ONLINE
  • Kommentare 5
  • Versenden E-Mail verschicken
  • Empfehlen Facebook, Twitter, Google+
  • Autoren abonnieren RSS-Feed
  • Artikel Drucken Druckversion | PDF
  • Artikel-Tools präsentiert von:

Service