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10.08.2012

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Organspende-Ausweis (Foto: dpa)
Ärztekammer verteidigt Schnellverfahren bei Organspenden
Ärzte verteidigen Schnellverfahren

"Jeder Organverlust wäre eine Katastrophe"

Die Bundesärztekammer hat das Schnellverfahren bei der Vergabe von Organspenden verteidigt. Missbrauch sei nicht ausgeschlossen, die Gefahr aber relativ gering. Kritiker befürchten angesichts neuer Zahlen zur Vergabe von Spenderorganen jedoch, dass die eigentlich für Ausnahmefälle konzipierte Praxis zur Regel wird.

Von Bettina Freitag , HR, ARD-Hauptstadtstudio

Es ist eine legale Möglichkeit, schneller an ein Leben rettendes Organ zu kommen: Immer häufiger entscheiden die Transplantationskliniken selbst, wer Niere, Bauchspeicheldrüse oder Herz eines Spenders erhält. Und zwar dann, wenn nach dem beschleunigten Verfahren vorgegangen wird. Eine Ausnahmeregelung, denn normalerweise verteilt die Vermittlungsstelle Eurotransplant im holländischen Leiden die Organe nach einer komplizierten Warteliste.

Audio: Organvergabe im Schnellverfahren

AudioBettina Freitag (HR), ARD Berlin 07.08.2012 18:28 | 2'50
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Ausschlaggebend ist unter anderem, wie dringlich eine Transplantation ist und wie erfolgversprechend. Doch es gibt auch schwer vermittelbare Organe: solche, die von Spendern stammen, die entweder sehr alt waren oder an schweren Krankheiten gelitten haben. Sie können im Schnellverfahren anderweitig vergeben werden - oft in der gleichen Klinik, in der der Spender gestorben ist. Grundlage dafür sind die Richtlinien der Bundesärztekammer, die wiederum für die Überprüfung verantwortlich ist.

Öffnet das beschleunigte Verfahren Manipulationen Tür und Tor?

Frank Ulrich Montgomery (Foto: dpa) Großansicht des Bildes [Bildunterschrift: Ärztekammer-Präsident Montgomery sieht das Vertrauen in die Transplantationsmedizin zutiefst geschädigt. ]
Der Präsident der Kammer, Frank Ulrich Montgomery, verteidigt das geltende Verfahren. Er verweist darauf, dass man auf gar keinen Fall ein mögliches Spenderorgan verlieren wolle: "Jeder Organverlust wäre angesichts des Organmangels eine Katastrophe."

Aus der Ausnahme wird allerdings zunehmend der Normalfall. Jedes vierte Herz und fast jede zweite Bauchspeicheldrüse wird von den Kliniken direkt vermittelt. Die hohe Zahl macht Gesundheitspolitiker wie den grünen Bundestagsabgeordneten Harald Terpe misstrauisch. "Wenn viele Organe an der Liste vorbei verteilt werden, dann können diejenigen, die nach objektiven Kriterien auf einer Warteliste stehen, nicht versorgt werden", erklärt er.

Andere Kritiker gehen noch weiter. Terpes SPD-Kollege Karl Lauterbach nennt die Vorgänge hoch verdächtig, die Patientenschutzorganisation Deutsche Hospiz Stiftung befürchtet, dass das beschleunigte Verfahren Manipulationen Tür und Tor öffnet.

Ärztekammer schließt Änderung der Richtlinien nicht aus

Montgomery gibt sich zwar auch besorgt, er sieht aber bislang keinen konkreten Anlass. "Wir halten die Missbrauchgefahr für relativ gering", sagt er und weist darauf hin, dass Eurotransplant immer noch eingeschaltet sei und überprüfe, was mit den Organen geschehe. Nach den Vorfällen von Göttingen und Regensburg sei er allerdings vorsichtig geworden mit Behauptungen wie: Es gebe überhaupt keinen Missbrauch. "Wir werden das analysieren und wenn es etwas gegeben hat, dann wird das zu Änderungen der Richtlinien führen", betont der Ärztepräsident.

"Vertrauen in Transplantationsmedizin zutiefst geschädigt"

Die Universitätskliniken von Göttingen und Regensburg erleben gerade einen Organspende-Skandal. Ein Oberarzt wird verdächtigt, Krankenakten gefälscht zu haben, um Patienten auf der Warteliste nach oben zu schmuggeln. Damit, sagt Montgomery, habe das jetzt kritisierte Schnellverfahren nicht das Geringste zu tun. Die damit genährten Zweifel bewertet er als fatal: "Das Vertrauen in die Transplantationsmedizin ist zutiefst geschädigt."

Montgomery fordert, alles zu tun, um dieses Vertrauen wieder herzustellen. Man könne nur an die Bevölkerung appellieren, sich jetzt von den Vorgängen in Regensburg und Göttingen nicht beeindrucken zu lassen. Zugleich müsse man den Menschen zu verstehen geben, dass es bei dem Thema Wartelisten um ein gewolltes Verfahren handele, um eine bessere Ausnutzung von Organen zu erreichen, erläutert er.

Stand: 07.08.2012 19:43 Uhr
 

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