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Meinungsverschiedenheiten zur Bankenunion
Frankreichs Präsident François Hollande hat sich in einem Interview für mehr Solidarität in der Euro-Zone ausgesprochen. Einige Kommentatoren loben Hollandes Eintreten für die Krisenländer, andere kritisieren ihn dafür und befürchten, dass die Meinungsverschiedenheiten von Bundeskanzlerin Angela Merkel und François Hollande dringend benötige EU-Beschlüsse verzögern könnten.
Streitpunkt Bankenaufsicht
François Hollande machte im Vorfeld des Gipfels deutlich, dass er eine Entscheidung für eine Bankenunion bis zum Jahresende herbeiführen will. Die erste Etappe dafür sei die geplante Bankenaufsicht, die er ab dem 1. Januar nächsten Jahres einführen will. „Die einzige Entscheidung, die wir treffen müssen, ist, die Bankenunion bis zum Jahresende", betonte der französische Staatschef. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel fordert hingegen mehr Zeit für das Projekt. Die Bundesregierung glaubt nicht, dass die nötigen Instrumente für eine effektive Bankenaufsicht bis Anfang 2013 geschaffen werden könnten. Qualität gehe vor Schnelligkeit, mahnte Bundeskanzlerin Merkel an und forderte zugleich eine "engere wirtschaftspolitische Abstimmung”. Der von Italien, Spanien, Portugal und anderen Sorgenkindern angepeilte Startschuss zum 1. Januar 2013 sei wegen technisch schwieriger Vorbereitungen nicht haltbar und in der Übergangsphase stünden Bankenhilfen außer Frage.
Französische Solidarität gegen deutsche Kontrolle
Zum strengeren Kurs der deutschen Kanzlerin passt auch Wolfgang Schäubles Vorschlag zum sogenannten „Sparkommissar“. Dieser Punkt steht allerdings nicht auf der Agenda des Gipfels. Der deutsche Bundesfinanzminister will den EU-Währungskommissar mit mehr Macht ausstatten. Er soll nach seinen Vorstellungen die Haushalte von Mitgliedsländern zurückweisen können, wenn sie gegen die EU-Bestimmungen verstoßen. Das würde die Souveränität der nationalen Parlamente deutlich schwächen. Da die Ideen von François Hollande im Widerspruch zur deutschen Position stehen, ist zu befürchten, dass es auf dem EU-Gipfel am Donnerstag zu keiner Einigung kommt.
Vereinbarungen vom Juni 2012
Im Juni hatten sich die 27 Mitgliedstaaten grundsätzlich auf die Schaffung einer Bankenaufsicht verständigt. Das Kontrollgremium soll nach dem Willen der EU-Kommission bei der Europäischen Zentralbank (EZB) angesiedelt sein und in erster Linie im Euro-Raum zu einer wirksameren Überwachung der Geldinstitute führen. Die Aufsicht ist Voraussetzung für direkte Finanzspritzen aus dem Rettungsschirm des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM). Für die Möglichkeit der Rekapitalisierung von Geldhäusern tritt vor allem das krisengeschüttelte Spanien ein.
Eurobonds nein Danke
Das zweite umstrittene Thema ist die Vergemeinschaftung der Schulden in der Euro-Zone. Hollande tritt für Eurobonds ein, die Bundesregierung lehnt sie ab. In Luxemburg verkündete Staatsminister Michael Link die Verhandlungslinie der Bundesregierung und ließ an der Haltung seiner Chefs keine Zweifel: „Ob Sie es Euro-Bills nennen oder Altschulden-Tilgungsfonds oder wie früher Eurobonds. Mit dieser Bundesregierung wird es eine gesamtschuldnerische Haftung nicht geben." Das Diskussionspapier von Gipfelpräsidenten Herman Van Rompuy schlägt vor, dass eine begrenzte und an Bedingungen geknüpfte „Vergemeinschaftung einiger kurzfristiger Staatsfinanzierungsinstrumente ... näher geprüft werden könnte". Auch die Übernahme von während der Finanzkrise angehäuften Altschulden in einen Tilgungsfonds sei als Vorschlag an ihn herangetragen worden, schrieb Van Rompuy.
Krisenstimmung im Bundestag
Unterdessen lieferten sich Angela Merkel und Peer Steinbrück, der designierte Kanzlerkandidat der SPD, einen Schlagabtausch und stritten über den richtigen Kurs in der Euro-Krise. Kanzlerin Merkel warb in ihrer vierzig minütigen Regierungserklärung für mehr europäische Zusammenarbeit in der Fiskal-, Finanzmarkt- und Wirtschaftspolitik. Steinbrück warf Merkel vor, sie habe Deutschland durch ihre einseitige Betonung der Sparpolitik in Europa isoliert. Es war der erste Schlagabtausch zwischen der Kanzlerin und ihrem Herausforderer vor der nächsten Bundestagswahl.