1993 ereignete sich bei der Firma Hoechst in Frankfurt ein schwerer Chemieunfall, als dessen Folge ein "gelber Regen" auf Frankfurt-Schwanheim niederging. Dabei handelte es sich um ein Gemisch verschiedener u.a. krebserregender Stoffe. Als Folge mussten nicht nur Häuser und Autos von einer gelben Schicht befreit werden, sondern auch die Bevölkerung von Schwanheim ärztlich versorgt werden, und zwar wegen Hautausschlägen, Atemproblemen, Kopfschmerzen und weiteren akuten Symptomen. Neben diesen akut auftretenden Gesundheitsproblemen befürchtete die betroffene Bevölkerung Spätfolgen, insbesondere aufgrund des krebserregenden Potenzials der freigesetzten Chemikalien. Es wurde daher entschieden, ein so genanntes Expositionsregister anzulegen, das eine spätere Nachverfolgung ("Follow-up") der betroffenen Bevölkerung ermöglichen würde. Das BIPS wurde mit der Erstellung dieses Registers betraut.
Höchst Unerfreuliches aus dem Chemiewerk Frankfurt-Griesheim der Hoechst AG: Zehn Tonnen eines Reaktiongemisches des Farbstoff-Vorproduktes "ortho-Nitroanisol" wurden 1993 in die Luft geschleudert und gingen als klebriger, gelber Niederschlag in den Frankfurter Stadtteilen Schwanheim und Goldstein nieder.[M]
(Bildquelle: http://oraclesyndicate.twoday.net)
1995 führte das BIPS in Schwanheim eine Querschnittsstudie durch, um die akuten Beschwerden zu untersuchen. Weiterhin wurden alle Bewohner in einem Expositionsregister erfasst. Es wurden Daten von ca. 20.000 Personen abgespeichert. Es wurde der Bevölkerung zugesichert, dass die Daten beim BIPS verbleiben und dort unter Einhaltung der Datenschutzbestimmungen verarbeitet werden. Von ca. 15.000 Personen wurde die Einwilligung eingeholt, sie zu späteren Zeitpunkten erneut zu befragen. Eine erste Befragung sollte nach 10 Jahren erfolgen. Die personenbezogenen Daten des Expositionsregisters sollten gemäß den Empfehlungen der Fachgutachter für einen längeren Zeitraum von ca. 30 Jahren aufbewahrt werden, um mögliche Spätfolgen mit langer Induktionszeit – wie Krebserkrankungen – mittels eines Follow-up bzw. einer Verknüpfung mit dem zukünftigen Krebsregister zu ermöglichen. Ein geeignetes Krebsregister existiert bis heute nicht.
2002/2003 fanden Auseinandersetzungen zwischen den Stadtgesundheitsamt Frankfurt unter Leitung von Frau Dr. Stark und dem BIPS unter Leitung von Herrn Prof. Dr. Greiser statt. Das Stadtgesundheitsamt bestand auf einer Herausgabe der Daten des Expositionsregisters, um nach ihrer Auskunft eine öffentliche Ausschreibung des Follow-up zu ermöglichen. Unter Berufung auf die mit dem BIPS getroffene Vereinbarung und unter Hinweis auf den mit einer Dateherausgabe verbundenen Vertrauensverlust und der dadurch zu erwartenden mangelnden Bereitschaft der Bevölkerung, an nachgehenden Untersuchungen teilzunehmen, verweigerte das BIPS die Herausgabe der Daten.
2004 legte Herr Prof. Dr. Ahrens dem Stadtgesundheitsamt in ausführlichen Briefen die wissenschaftlichen und rechtlichen Gründe für die Verweigerung der Datenherausgabe seitens des BIPS dar.
Anlässlich einer von den Bürgerinitiativen (BIs) am 23.03.2004 veranstalteten Podiumsdiskussion fand ein erstes persönliches Gespräch zwischen Vertreterinnen des Stadtgesundheitsamts und dem BIPS vertreten durch Herrn Prof. Ahrens und Frau Prof. Pigeot (seit März 2004 Institutsdirektorin) statt. Zu Beginn des Gesprächs bestand Frau Dr. Stark erneut auf der Herausgabe der Daten. Im Laufe des Gesprächs konnte jedoch Einverständnis über das weitere Vorgehen erzielt werden. Insbesondere versicherte das BIPS dem Stadtgesundheitsamt, dass dem BIPS an einer auf Vertrauensbasis begründeten Zusammenarbeit und nicht an einem Konfrontationskurs gelegen ist. Das BIPS wurde daraufhin aufgefordert, einen Stufenplan zur Untersuchung der Spätfolgen zu entwickeln und dem Stadtgesundheitsamt vorzulegen. Die anschließende Podiumsdiskussion verlief zur Überraschung der BIs konfliktfrei zwischen BIPS und Stadtgesundheitsamt. Insbesondere zeigte sich das Stadtgesundheitsamt zum ersten Mal zum Einlenken bereit.
Der Stufenplan wurde am 24.04.2004 an das Stadtgesundheitsamt geschickt.
Der vom BIPS beim Stadtgesundheitsamt eingereichte Stufenplan wurde Ende 2004 einer internationalen Expertin auf diesem Gebiet, Frau Prof. Dr. Ackermann-Liebrich, Basel, zur Begutachtung vorgelegt. Frau Ackermann gehörte bereits zu den Gutachtern des Vorgehens bei der Anlage des Expositionsregisters. Frau Ackermanns Gutachten bezeugte das einwandfreie wissenschaftliche Vorgehen. Der Stufenplan wurde auf den Adress-Follow-up und die Mortalitätsstudie eingeschränkt. Die Mortalitätsstudie zum jetzigen Zeitpunkt könnte erste Hinweise auf mögliche schwerwiegende Spätfolgen liefern. Sie ist aber auch deshalb geboten, weil die dabei erhobenen Todesursachen-Bescheinigungen in einigen Bundesländern nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist vernichtet werden und damit spätere Mortalitätsrecherchen hinsichtlich ihrer Aussagekraft geschwächt würden. Die Kosten für den Adress-Follow-up und die Mortalitätsstudie wurden vom BIPS auf € 140.000 kalkuliert. Die tatsächlichen Kosten liegen höher und würden vom BIPS getragen. Das Projekt wurde von allen Parteien in Frankfurt befürwortet.
Am 27.01.2005 beschloss die Stadtverordnetenversammlung Frankfurt/Main, dass das BIPS beauftragt werden soll, Adress-Follow-up, Vitalstatuserhebung und Analyse der Sterblichkeit einschließlich Auswertung und Berichtlegung durchzuführen.
Am 09.03.2005 erhielt das BIPS die Aufforderung, ein Angebot (Zuschlags- und Bindefrist: 30.06.2005) auf eine freihändige Vergabe des Stadtgesundheitsamts einzureichen. In einem persönlichen Gespräch am 11.03.2005 in Frankfurt wurden die kritischen Punkte, Publikationsrechte und Datenhaltung des Adress-Follow-up, einvernehmlich diskutiert und das BIPS gebeten, dazu einen Vorschlag zu unterbreiten.
Das Angebot ging am 15.03.2005 an das Stadtgesundheitsamt; die gewünschte Ergänzung bzgl. Publikationsrechten und Datenhaltung erfolgte am 06.04.2005.
Am 20.05.2005 ging ein Schreiben vom Stadtgesundheitsamt an das BIPS, in dem einige Punkte der ursprünglichen Aufforderung zu einem Angebot drastisch verändert wurden. So werden dem BIPS sämtliche Publikationsrechte verweigert, was den offiziell verabschiedeten Regeln der Guten Epidemiologischen Praxis widerspricht. Zudem wird verlangt, dass sämtliche Daten nach Abschluss dieses Auftrags vernichtet werden, was eine Weiterverfolgung der Spätfolgen (Erkrankung an Krebs) unmöglich machen würde und dementsprechend in den Augen des BIPS ethisch nicht vertretbar ist. Die in dem Schreiben vorgebrachten Bedenken der Datenschutzbeauftragten scheinen vorgeschoben, da zum einen in solchen Fällen nach den Erfahrungen des BIPS die Interessen der Allgemeinheit über die Interessen des Einzelnen gestellt werden und zum anderen eine Einverständniserklärung der Betroffenen für die nun zunächst geplanten Stufen (Ermittlung von Vitalstatus und Todesursache) gar nicht erforderlich ist.
Versuche von Herrn Prof. Ahrens, telefonisch mit Frau Dr. Stark Kontakt aufzunehmen, sind gescheitert. Am 25.05.2005 hat das BIPS ihr daher schriftlich mitgeteilt, dass das BIPS unter den von ihr nachgeschobenen Bedingungen nicht in der Lage ist, die Studie durchzuführen.
Daraufhin hat das BIPS in einem ausführlichen Schreiben am 31.05.2005 die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) als oberste wissenschaftliche Instanz um Stellungnahme gebeten.
Am 25.07.2005 erhielt das BIPS ein Schreiben von der DFG, das das BIPS in seinem Verhalten bestärkt hat.
Am 22.08.2005 hat das BIPS erneut Frau Dr. Stark angeschrieben und sie noch einmal gebeten, das BIPS mit der Durchführung der Studie ohne die vom Stadtgesundheitsamt im Schreiben vom 18.05.2005 nachträglich genannten Zusatzbedingungen zu beauftragen.
Im Antwortschreiben vom 31.08.2005 teilte Frau Dr. Stark mit, dass die Studie jetzt öffentlich ausgeschrieben würde, da das BIPS nicht in der Lage sei, diese durchzuführen, und wies darauf hin, dass das BIPS sich bewerben könne. Dies ist eine Verfälschung des vom BIPS am 25.05.2005 an Frau Dr. Stark gesendeten Briefes, in dem das BIPS ihr mitteilten, dass das BIPS aufgrund seinen Selbstverständnisses als unabhängige Forschungseinrichtung unter den nachträglich gestellten Bedingungen aus wissenschaflichen und ethischen Gründen nicht in der Lage wäre, die Studie durchzuführen.
Am 27.09.2005 hat das Stadtgesundheitsamt einen öffentlichen Teilnahmewettbewerb für eine Freihändige Vergabe mit dem Titel "Abschlussuntersuchung zum Störfall Hoechst 1993" ausgeschrieben.
Am 08.11.2005 hat sich das BIPS um Teilnahme an dem Wettbewerb beworben.
Anlässlich einer Sondersitzung am 10.11.2005 hat der Gesprächskreis Höchster Nachbarn einstimmig beschlossen, das Gesundheitsamt aufzufordern, dass das BIPS den Auftrag erhält, die Sterblichkeitsstudie durchzuführen. Das Stadtgesundheitsamt solle dem BIPS gestatten, die Ergebnisse der Studie unabhängig öffentlich zu machen. Weiterhin sollen die erhobenen Daten nicht unmittelbar im Anschluss an die Auswertung vernichtet werden.
Die Fraktionen von SPD und Grünen haben am 16.11.2005 einen gemeinsamen Antrag an den Magistrat der Stadt Frankfurt gestellt. Hierin wird die Umsetzung des Stadtverordnetenbeschlusses vom 27. Januar 2005 gefordert, das BIPS mit den genannten Studien (Adress-Follow-up, Vitalstatuserhebung und Analyse der Sterblichkeit einschl. Auswertung und Berichtlegung) zu beauftragen. Weiter heißt es in dem Antrag: "Bedingungen, wie die Vernichtung der Daten nach Beendigung der Studie durch das Verbot der Veröffentlichung der Ergebnisse durch das Institut unterbleiben."