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Genderblog

Das Geschlecht, nicht die Religion, ist das Opium des Volkes. (Erving Goffman)

 

Hip Hop Girlz meet Alice Schwarzer
Women in Hip Hop

 Magda Albrecht   10. August 2008
 Feminismus, Frauenförderung, Kunst, Medien, Pop

Kalt und irgendwie lebensleer wirken die Hochhäuser rund um die Axel-Springer-Straße in Berlin. Biegt man in den Durchgang zur Alten Feuerwache Berlin-Kreuzberg ein, befindet man sich inmitten einer kleinen grünen Oase mit einer bunt besprayten Begegnungsstätte. Hier fand am Samstag gegen 18 Uhr eine Panel Discussion unter dem Titel Hip Hop Girlz meet Alice Schwarzer im Rahmen des We B* Girlz Festival statt, ein 4-wöchiges, internationales Festival für Mädchen und Frauen im Hip Hop, welches Wokshops, Konzerte, Diskussionen anbietet, unterstützt u.a. von nationalen Hip Hop Acts wie z.B. MC Pyranja und MC Sookee aus Berlin sowie auch von internationalen Größen wie Roxanne Shanté, die bereits seit den 80er Jahren rappt und für viele Künstlerinnen im Hip Hop Bereich ein Vorbild darstellt.

Alice Schwarzer, MC Piranja, Hadnet Tesfai, Bianca Ludewig, MC Sookee

Die MTV- und Radio Fritz Moderatorin Hadnet Tesfai stellte zunächst die Diskutantinnen vor (die bereits erwähnten Künstlerinnen Sookee und Pyranja, außerdem die Musikjournalistin Bianca Ludewig, die unter anderem beim Hip Hop Magazin Backspin schreibt sowie die EMMA-Herausgeberin Alice Schwarzer). Sookee und Pyranja gaben jeweils acapella einen Song zum besten, wovon nicht nur das Publikum, sondern besonders Alice Schwarzer angetan war: Schwarzer leitete mit den Worten: „Also, ich bin ein großer Hip Hop Fan” ein und freute sich über die vielen jungen Künstlerinnen, die “eine logische Konsequenz” von dem seien, was sie mit vielen anderen FeministInnen in den 60er Jahren angefangen hatte zu erkämpfen. Auf die Frage, ob sich die restlichen Beteiligten als die Erbinnen der Frauenbewegung sehen, räumt Pyranja erst einmal ein, dass sie bis vor einiger Zeit Probleme mit Frauenveranstaltungen hatte und erst durch bestimmte Schlüsselmomente verstanden hat, dass es um Empowerment von Frauen im Musikbereich ginge und dies nur funktioniere, wenn es Frauen als Vorbild gäbe. Sookee wünscht sich für die Zukunft, solche frauenspezifischen Veranstaltungen nicht mehr mitorganisieren zu müssen, denn es ginge ja um die “Überwindung der Kategorie Geschlecht”. Nicht Schwesterlichkeit sollte groß geschrieben werden, sondern Geschwisterlichkeit – nicht nur Antisexismus sondern auch Antirassismus müsse thematisiert werden. Alice Schwarzer betonte an diesem Punkt, dass diese Forderungen nichts neues seien, der moderne Feminismus folglich bloß nicht den Anspruch auf Neuartigkeit erheben sollte, sich vielmehr weiterentwicklen solle und erkennen müsse, dass ‘alte’ Themen durchaus immer noch relevant seien.

Dies führte zu einem der Hauptthemen dieser Diskussion: das negative Image des Feminismus (besonders auch im Hip Hop). Anstatt sich aber ständig zu positionieren, um dem Feminismus ein positiveres Image zu verleihen bzw. kontinuierlich Machtverhältnisse anzuprangern und diese somit “wie in einer Schleife zu reproduzieren” (Sookee), wählen die beiden Künstlerinnen eine praktischere Herangehensweise: Sie möchten neue Themen, Strategiern und Konzepte etablieren, “Leute mit total anderen Ideen verrückt machen” (Sookie), neue Identitäten für Frauen formen und insbesondere vom “Heilige/Hure Prinzip des Hips Hops” wegkommen (Pyranja). Mit einem Verweis auf Foucault betonte Sookee, dass sie nicht an ein “top-down-Prinzip” von Macht glaube, sondern auch sie in ihrem Bereich die Möglichkeiten hätte, sich mit ihrer Musik und ihren Ideen auszuleben.

Alice Schwarzer kritisierte diesen Idealismus in einer gut-mütterlich und missionarischen Art und wies darauf hin, dass Frauen “in Männerdomänen immer bis zu einem gewissen Punkt kommen und dann geköpft werden”, worauf Bianca Ludewig anmerkte, dass dies wohl alle betreffe, die dem Kapitalismus unbequem werden. Ludewig, die meiste Zeit eher etwas ruhiger, kritisierte außerdem die geringe Quote der Frauen im Musik- und Medienbereich (zumindest in ihrer Redaktion) und konstatierte, dass dies wohl doch “kein Zufall” sei. Sie erhofft sich von der medialen Berichterstattung, nicht immer auf die gleichen Hip Hop KünstlerInnen einzugehen, die dann stellvertretend für alle stehen würden – dies seien aber nun einmal publikumswirksam Sido etc., die mitunter diffamierende Texte hätten. Sookee, Pyranja und Ludewig machten darauf aufmerksam, dass der Hip Hop Bereich viel heterogener sei und die eingeschränkte und auf Effekthascherei ausgelegte Abbildung der immergleichen KünstlerInnen auf keinen Fall einen ausgewogenen Querschnitt durch die Hip Hop Szene darstelle.

Sookee und Pyranja bedauerten auch die teilweise inhaltsleeren Reime der Jugendlichen, die nur noch mit beleidigenden Füllwörtern auskommen und tolle Hip Hop Bands wie Freundeskreis und Fanta 4 nicht mehr kennen würden. Deshalb sei es auch für die Zukunft wichtig, workshops mit Jugendlichen zu veranstalten und parallel zu den Männernetzwerken im Hip Hop auch Frauennetzwerke zu errichten – so wie dies mit dem We B* Girlz Festival schon geschehen sei. Lediglich Ludewig sprach sich gegen solche Netzwerke aus, da sie schon die Männerbünde schrecklich finde.

Insgesamt war dies eine etwas anstrengeden Diskussion, da die Diskutantinnen selten gleich die Möglichkeit hatten, aufeinander einzugehen und oftmals neue Fragen aufgeworfen wurden, die nicht immer beantwortet werden konnten. Und mittendrin saß eine Alice Schwarzer, die etwas zu belehrend und etwas zu polemisch die Diskussion immer wieder an sich riß.

Ach ja, zu guter Letzte eine Frage aus dem Publikum: Warum wurde Lady Bitch Ray nicht eingeladen? Antwort: Sie verlangte zu viel, u.a. auch auf dem Cover der nächsten Emma zu erscheinen ;-)

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Ein Kommentar

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  1. [...] volle Augustwochen mit Workshops, Filmenvorfuehrungen, Ausstellungen, Konzerten und Diskussionen (der Genderblog berichtete: “Hip-Hop Girlz meet Alice Schwarzer”). Und auch die ARD hat das Festival erreicht und ihm einen Beitrag im Nachtmagazin vom 11.08.2008 [...]

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